Kunsterweiterung
und Or-Om-Kunst
Features zur Evolution der Kunst
DIGITALE
INSTALLATION
Gruppe
Or-Om
S.P.
Februar 2010
1 Kunsterweiterung und Or-Om-Kunst
1.1. Die neuesten Kunsterweiterungen
1.1.1
Intermedia Art nach Thomas Dreher
1.1.1.1
Zwischen Kunst- und Lebensform: Von den Lettristen zu den Situationisten (.pdf)
1.1.1.2
Aktions- und Konzept Kunst
1.1.1.3 Allan
Kaprow versus Robert Morris/Ansätze zu einer Kunstgeschichte als
Mediengeschichte
1.1.1.4
Performance Art / Performance Art nach 1945: Aktionstheater und Intermedia
1.1.1.5 John
Cage und Fluxus (.pdf)
1.1.1.7 Valie
Export/Peter Weibel/ Multimedial Feminist Art (.pdf)
1.1.1.8 Flatz:
Lebenszeichen und gelebter Augenblick
1.1.1.9 Raphael
Montañez Ortiz/ Destruktionskunst für und in selbstinstituierender Gesellschaft
1.1.2.1
Konzeptuelle Kunst in Amerika und England 1963-76/Text
1.1.3.2 Art
& LanguageUK (1966-72): Maps and Models
1.1.3.3 Art
& Language und Luhmanns "Theorie der Beobachtung":
"redescriptions"
1.1.3.4 Art & Language & Hypertext: Blurting, Mapping
and Browsing
1.1.4
Vernetzungskünst(l)e(r)/Text
1.1.4.1
Kunstgeschichte der Medienvernetzung
1.1.4.2
'Netzsystem Kunst' als "permanente Konferenz"
1.1.5.1
Multilokale Zwei-Weg-Kommunikation
1.1.5.2"System-zu-System-Beziehungen"
1.1.6
Gesellschaftliche Veränderungen durch das Internet
1.1.7.2 Kunst
im Netz und mit dem Netzwerk
1.1.8.2
Gesellschaftsveränderung
1.1.8.3
Virtuelle Persönlichkeiten
1.1.8.4.1
Rezeption und Globalisierung
1.1.8.4.2
Deutschsprachiger Raum
1.1.8.4.3
Aufmerksamkeit-Limitierung-Wert Webseiten
1.1.8.4.4
Online Literatur und Materialien
1.1.9.1 Webness
und (Post-)Avantgarde
1.1.9.2
NetArt-Typologie der Interaktion nach Thomas Dreher
1.1.9.4
Schichtung und Verflechtung
1.1.9.5 NetArt
versus Kunstbetrieb
1.1.9.6 Indices
für Medienkombinationen
1.1.9.7 NetArt
/ Netzkunst (Detailuntersuchungen)
In diesem Feature, das ein Erweiterung und Ergänzung zu
Feature 2 bildet, wollen wir die medialen Neuerungen, insbesondere die
Möglichkeiten des Internets unmittelbar nutzen. Die LeserInnen werden in die komplexen
Erweiterungsprozesse der Kunst seit den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts
über Arbeiten Drehers eingeführt, die für eine Vertiefung online verfügbar
sind. Wir werden uns auf eine skizzenartige Charakterisierung der einzelnen
Richtungen und Bewegungen beschränken und sie mit der Or-Om-Kunst in Verbindung
setzen. Die sich bei der Bearbeitung ständig überschneidenden Quellenstränge
der Information, die Komplexität und Vernetzung der Zusammenhänge, die - anders
als in den vorigen Features – eingesetzt werden, spiegeln also bereits im
Darstellungsmodus die intermedialen Bezüge wieder, die in diesen Segmenten auch
für die Kunst selbst reflexiv benützt werden.
Die im Folgenden skizzierten Erweiterungsformen der
vorher entwickelten Kunst stellen häufig Beziehungen zu Elementen des
Gesellschaftsmodells her, die bisher nicht Gegenstand der Kunst waren. Auf
diese Beziehungen zwischen der Ebene der bisherigen etablierten Kunst und
anderen Dimensionen der Gesellschaft werden wir hinweisen. In vielen Fällen
stellen bestimmte Erweiterungen umgekehrt nur Variationen und Wiederbelebungen
früherer Kunstrichtungen dar.
Nochmals: in der folgenden Übersicht benützen wir
bereits ein nur dank des Internets mögliches Verfahren. Die LeserInnen werden
gebeten, den entsprechenden Text Drehers online zu lesen oder sich down zu
loaden, unsere Kommentare benützen nur zaghaft Zitate und beschränken sich auf
eine Analyse im obigen Sinn. Um eine derart ausführliche Analyse der modernsten
Kunstrichtungen durchzuführen, wäre es natürlich möglich gewesen, andere,
bereits vorliegende Arbeiten zu benützen. Uns geht es hier jedoch vor allem
darum, den LeserInnen zu zeigen, wie hoch die Komplexitätsebenen und
Reflexionsniveaus dieser Kunstrichtungen sind und wie über dieser bedrückenden
Komplexität ein evolutiver Ausweg aus
diesen Vernetzungen gefunden werden kann.
http://dreher.netzliteratur.net/
Kunst der sechziger Jahre/ •
Traces: whatdoyoumeanandhowdoyoumeanit/ Frank O´Hara. The "New York
School" between Abstract Expressionism and Pop Art (.pdf)
Quelle: Artefactum Nr.43/April-May 1992, S.14-18
Kommentar S.P.:
O`Hara`s poetische Form
versucht, die Grenze zwischen dem frei assoziierten und dem desintegrierten
Subjekt des künstlerischen Egos zu verflüssigen. Die Unterscheidung zwischen
Individuum und Außenwelt wird als verschwommen angenommen. Der Strom der
Assoziationen, der hier bemüht wird, ist aber bereits von den Surrealisten und
Joyce extensiv eingesetzt worden auch wenn in diesem Zusammenhang auch von
kubistischer Syntax gesprochen wird. Für den Leser ergeben sich daher wiederum
nur die Möglichkeiten eines ’multiple refracted framework’ für eigene
Assoziationen. Erkenntnistheoretisch ist natürlich die Annahme naiv, dass man
die Grenze zwischen Subjekt und Außenwelt verflüssigen könne. Die Grenze ist
auf dieser Ebene der Kunstaktivität natürlich unüberwindbar, weil wir es ja
immer nur mit individuellen und interaktiven Konstrukten von „Außenwelt“ zu tun
haben.
Rivers überarbeitet in satirischem
Gestus – unter Benützung der kubistischen Syntax O’Hara’s Werke der
Maltradition unter Revision der klassizistischen Prototypen und unter Einfügung
neuer Alltags-Elemente (Fluktuation zwischen figurativer Abwesenheit und
abstrakter Präsenz). Er kritisierte mit diesem satirischen Gestus vor allem den
Nationalismus der McCarthy Ära. Grundsätzlich zeigen sich hier synthetisierende
Tendenzen zwischen unterschiedlichen Ebenen, welche neue assoziative Konnexe
erzeugen.
Hartigan übersetzt Gedichte
O’Hara’s in Ölbilder. Rivers und
O`Hara arbeiteten zusammen an Bild-Gedicht. Der Wechsel zwischen dem Prozess
des Sehens (des Bildes) und dem Lesen des Textes provoziert eine Rezeption die
zwischen De- und Resemantisierung schwankt.
Das Spannungsfeld zwischen
Entpersönlichung des Kunstwerks durch Übernahme der Produktionsformen des
Graphik-Designs auf der einen Seite und Rückzug auf einen intern subjektiven
Personismus wird im Weiteren in Variationen durchgespielt. In unserem
Gesellschaftsmodell wird der Druck der Werbewirtschaft und des Grafik-Designs
auf die Produktionsformen der Kunst sichtbar. Der Konflikt provoziert neue
Reflexionen in diesem Feld. Das Unpersönliche der „Außenwelt“ wird etwa einer
Re- Individualisierung unterzogen.
In unserem Modell der
Bewusstseinsstrukturen unter 1.2 und 1.3.6 zeigt sich, dass zwar in den
Bereichen der Erkenntnisreflexion von "Außenwelt" und in der
Erzeugung neuer Bereiche in den XC-Schnittstellen von Begrifflichkeit C,
Phantasie D und Sinnlichkeit E neue Variationen
und Konstellationen erreicht werden, die Or- und Urbegriffe A und B unter
1.1.6 aber nicht aufgesucht und damit auch nicht künstlerisch umgesetzt wurden.
Darin liegt daher im Sinne unserer Parameter die weiterhin
bestehenden Beschränkung dieser Kunsterweiterungen.
1.1.1.1 Zwischen Kunst- und Lebensform: Von den Lettristen zu den Situationisten
(.pdf)
Quelle: Neue Bildende Kunst, Nr.6/1992, S.11-15
Der Lettrismus (literarische und
künstlerische Bewegung, die in konsequenter Weiterführung und Systematisierung
unter anderem dadaistischer und surrealistischer Tendenzen die Atomisierung von Wörtern zu Buchstaben und
deren Neuzusammensetzung zu sinnfreien Lautgebilden anstrebte, Wikipedia)
arbeitete also überwiegend auf der epistemologisch-sprachlichen Ebene an einer
Zerstörung und Neuformierung der Sprach- und Schriftfunktionen als sozialer
Sedimente, deren Umwandlung als sozialkritischer Akt auch die Kritik der
etablierten Ästhetik beinhaltete (Hypergraphologie). Dabei war ihnen wichtig,
dass die Gesamtheit der Künste nicht abgehoben von der Wirklichkeit existiert,
sondern sich auf eine lebenswerte Aktivität stützt. Somit waren die Lettristen
mit einem neuen Lebensstil auf der Suche nach einem befreienden Städtebau. Dies
war gleichzeitig theoretische Grundlage für die Situationisten.
Es kam zu einer Spaltung der
Gruppe über die Frage, ob weiter Kunst und Ästhetik das
Feld der Arbeit sein sollten oder dadaistische Antikunst und
Sabotage das gebotene Mittel seien, um
direkt auf die Wirklichkeit Einfluss zu nehmen, daraufhin gründete die
Sabotage-Fraktion die Lettristische Internationale.
Kommentar
S.P.:
Im
Sinne unseres Gesellschaftsmodells zeigt sich, dass es sich hier wiederum um
Bewegungen handelt, die in einem in gewisser Hinsicht sicherlich naiven Gestus
das Ziel verfolgten, die Gesellschaft als Ganzes zu verändern oder zu
zerstören, mit unterschiedlichen Akzenten bezüglich der Ziele und der Mittel.
Naiv ist eine derartige Ansicht, weil die gänzliche Umgestaltung einer
Gesellschaft auch durch politisch-künstlerische Bewegungen nicht möglich ist
und vor allem nach einer Umgestaltung die auch jetzt vorhandenen und virulenten
Probleme einer Steuerung, Koordinierung und relativen Stabilisierung des
Gesamtsystems im Sinne der FIGUR 2 unerlässliche Voraussetzung für jede Gesellschaftlichkeit darstellen.
Hier sind die Arbeiten Krauses, auf denen auch unsere Analysen basieren,
wichtige Grundrisse für eine neue Art der Gesellschaftsveränderung.
Die
„internationale Situationiste“ (IS) lehnte die Kunst als gesonderte
Repräsentationsform ab und führte insoweit zu einer Kunsterweiterung, als
soziale Lebensformen als Kunst gelten sollten.
Die
Gruppe Cobra versuchten die Imagination des Betrachters durch eine Spannung
zwischen De- und Refiguration anzuregen („das Volk zum Singen zu bringen“). Die
„Hoest“ - Gruppe („mythenschaffende“ Dänen) setzte Masken des Pazifik,
nordische Felszeichnungen und nordische Fabelwelt ein und ließ sich von
Primitiver Kunst, der Kunst von Kindern und Nervenkranken anregen. Auch hier
Überschreitung alter ästhetischer Bereiche durch nichtartifizielle Malerei,
welche die Imagination aller Betrachter und nicht nur der Kunstkenner
ansprechen wollte. Alle Menschen sollten zu Künstlern gemacht werden[2]
(1944).
Die
Gruppe Spur schwenkte unter dem Einfluss von Asger Jorn ebenfalls in Bereiche
der Art Brut (Dubuffet) ein. Evolutionslogisch erfolgen auch ständig
Überschneidungen und Mischungen unterschiedlicher, früher als gesondert
entwickelter Malrichtungen und Konzepte (Informel, Surrealismus, Dadaismus,
Afrikanismus usw.).
1959
entstanden in der IL Konflikte um die Funktion der Malerei. Debord forderte
eine die Kunstgrenzen überschreiende Lebens- und Stadtkunst gegen die Rolle der
visuellen Imagination im malerischen Konzept von Jorn und Gruppe Spur. Für die
gegen Kunst plädierenden IS-Mitglieder war eine „Volksavantgarde“
schöpferischer „Lebensstile“ die Alternative zu Jorns „Volkskunst“.
Constant
gab 1956 die Malerei auf und entwickelte Architekturprojekte für künftige
Stadtstrukturen (transparente, flexible und verkehrsfreie Architektur/„wuchernde
Megastrukturen, gedacht für einen umherschweifenden `Homo Ludens`“.).
Kommentar S.P.:
http://de.wikipedia.org/wiki/Situationismus
liefert weitere Aspekte des Situationismus, seiner Vorläufer und seines
Einflusses auf spätere Geistes- und Kunstströmungen. Für uns reicht der Hinweis
auf seine Reichweite im Gesellschaftsmodell. Etablierte Dimensionen der Kunst,
ihrer Repräsentationstechniken, ihrer Verflechtung in Marktmechanismen und ihre
Musealisierung werden weitgehend kritisch hinterfragt und negiert. Das
Gesellschaftssystem als repressives Klassen- oder Schichtmodell wird in
politischem Aktivismus bekämpft, wobei ein Gemisch kritischer Theorien hier als
Waffe eingesetzt wird. Politischer Aktionismus und alternative Lebensformen
werden selbst zu Varianten der Kunst erklärt. Im Sinne unseres Or-Om-Begriffes
der Kunst erweisen sich diese Ansätze als theoretisch zu begrenzt und unbestimmt,
um die Evolution der Gesellschaften über diese Kunstäußerungen in jene Stufen
zu bringen, die von diesem Positionen vielleicht bestenfalls dunkel geahnt,
aber keineswegs präzise und vollständig ausformuliert wurden. Einerseits bringt
der Gestus der Negation bestehender Lebensformen noch keineswegs die Inhalte neuer Gesellschaftsformationen
hervor und im Weiteren waren die eingesetzten Mittel und Strategien problematisch.
Von
den soeben erwähnten Erweiterungen der bisherigen Kunstkonzepte unterscheiden
sich die folgenden „Expansionen“. Die überwiegende Beschränkung der
Nachkriegskunst auf die etablierten zwei- und dreidimensionalen Kunstgattungen Malerei und Skulptur werden aufgebrochen. Die folgende Aufstellung benützt
wieder die Arbeiten Drehers:
Aktionskunst |
Konzept Kunst (KK) |
|
|
Kunstexterne
Präsentationsmöglichkeiten. Die reflexive Kontroverse zwischen Pollock-Diskussion
zwischen Greenberg und Kaprow thematisiert die normativen
Zwänge der Rezeption des gemalten Bildes durch den ‚naiven’ Betrachter und
die damit induzierte Ästhetik. Man versucht u.E. etwas naiv, eine
beobachterzentrierte Kunst zu etablieren. Der Beobachtungsprozess mit der
Abfolge aus physischen (Beobachter-) und mentalen (Beobachtung-) Operationen
wird thematisiert und über Verlagerungen und Aktivierungen des
Beobachterverhaltens werden letztlich Erweiterungen der etablierten
Kunstmedien durch neue, nicht kanonisierte Formen, die zu Medienübergängen
und neuen (Inter-) Medien führen, induziert. (Malerei à Collage à Assemblage à Environment, das zum
Aktionsort für Happenings wird). Neben der Aktionsmalerei
Pollocks gilt auch die Erweiterung der Musik von spielbaren Noten zu
Notationen mit graphischen und/oder verbalen Spielanweisungen als Wurzel der
Aktionskunst. Diese beiden Stränge wachsen dann zu experimentellen
Aktionsformen zusammen, welche etablierte Theaterformen, vor allem das Rollenspiel
nach schriftlich fixierten Dialogen, in Frage stellen (vgl. ‚Zeitklammern’
von Cage). Die Entwicklung
künstlerischer Aktionsformen läßt sich - stark vereinfachend - in zwei
Stränge gliedern: 1.1 [Erster Strang:] Von
keiner Gattungsnorm begrenzte, Kabarettformen erweiternde Einzel- und
Simultanaktionen. An die als ersten Strang
vorgestellten futuristischen und
dadaistischen experimentellen Aufführungsformen knüpfen in den fünfziger
Jahren Lehrer und Schüler des Black Mountain College - darunter John Cage - in einem gemeinsam
aufgeführten Multimedia-Happening (1952) und die „literarischen
Cabarets" der Wiener Gruppe (1958/59) an. Dadaistische
Zufallsoperationen und Simultaneität von Aktionen kehren bei John Cage und Fluxus
in Multimedia-Events wieder.25 |
Kunstexterne
Präsentationsformen Neue Formen der Kunstreflexion
(wie kann über Kunst kommuniziert werden) Problematisierung der sozialen und
ökonomischen Komponenten der Kunstinstitutionalisierung und deren Einfluss
auf den Kunstdiskurs führt zu Kontextkritik
des Kunstbetriebs. Kunstexterne Präsentationen dienen in der KK der
Thematisierung ihrer Rückkoppelung an kunstinterne Diskurse. Es geht nicht um
eine Überführung der Kunst in Lebensformen, sondern um die Auslotung von
Möglichkeiten, den Diskurs über Kunst und kunstexterne Präsentationsformen
aufeinander zu beziehen. Für
Konzeptuelle Kunst charakteristisch sind: Diese Thesen definieren Konzeptuelle Kunst als eine
Kontextuelle Kunst-über-den-Kunstbetrieb, die die Selbstbezüglichkeit des Ad
Reinhardtschen "art-as-art"-(Anti-)Dogmas von 1962 von der formalen
auf eine metasprachliche Ebene hebt, und den Selbstbezug vom Referenzpunkt
Kunstwerk auf den Referenzpunkt `Institution Kunst´ verschiebt. Diesem
"semantischen Aufstieg" zur metasprachlichen Reflexion
korrespondiert eine Pragmatisierung durch Selbsteinbettung künstlerischer
Arbeit in den Kontext Kunst. Die Differenz zwischen Selbsteinbettung in und
Anpassung an den Kunstbetrieb wird zum Thema einer kritisch die eigene Arbeit
im Kontext verortenden Reflexion. |
1.2 [Zweiter Strang:]
Theater von Künstlern, die sich nicht mit der sekundären Rolle als Gestalter
von Bühnenbildern und Kostümen begnügen, sondern die auch die Art der
Handlung und ihren Ablauf `formen´. Das aus Aktionsmalerei
entstehende Aktionstheater in von Künstlern gestalteten Environments ist nach
ersten Ansätzen der Bauhausbühne ein Neuanfang der künstlerischen
Reorganisation des „Gesamtkunstwerks" ohne literarische Vorlage.
Künstler erobern die räumliche und zeitliche Aktionsorganisation nach dem
Zweiten Weltkrieg, wie zuvor im Bauhaus, aber mit neuen, durch Antonin
Artauds Schriften über das „Theater der Grausamkeit"
gefilterten Ansätzen. Bei der Wiedergewinnung
eines von literarischen Vorlagen befreiten Aktionstheaters nach dem Krieg
ergeben sich neben Wegen von der Aktionsmalerei über das Environment zur
Aktion auch direkte Wege von der Aktionsmalerei zur Körperkunst: |
Diese
Entwicklungen der Bildenden Kunst sind verschränkt mit Grenzerweiterungen bzw.
Expansionen in der Musik, im Theater, (incl. Tanz) und im Film. Diese ergänzen
und durchdringen sich in verschiedenen Varianten der Bildenden Kunst zu Multimedia und Intermedia Art.
Die folgenden Kapitel
Drehers sind verfeinerte Analysen dieser Grundmaximen.
Kaprow weist Morris in dem Disput seine Verhaftung
in einem konventionellem Dualismus nach, der beeinflusst vom Strukturalismus
Levi Strauss’ Aspekte der Kunstproduktion auf formale Aspekte reduziert und
nach unhintergehbaren Axiomen (auch von Prozessen in der Zeitdimension) sucht,
während er selbst für eine Problematisierung der Welt- wie Kunstbeobachtung
prägenden Rahmenbedingungen plädiert. Es gibt also keinen ‚letzten’ Rahmen von
Formklassen in der Zeit- und Sachdimension, auf welchen historisch bedingte Rahmen
reduzierbar wären. Der historisch bedingte Rahmen bestünde vielmehr aus infinit
veränderbaren Rahmenkombinationen. Diese Haltung Kaprows ist natürlich schon
deshalb nicht haltbar, weil seine eigenen Sätze dann auch historisch bedingt
wären und selbst er Variation zum Opfer fallen müssten. Wir vertreten
bekanntlich mit der Wesenlehre einen in der Göttlichen Rationalität begründeten
Strukturalismus, (Or-Om)-Strukturalismus, der auch für die Kunsttheorie die
bereits oben dargelegten Konsequenzen besitzt. Die geisteswissenschaftliche und
gesellschaftskritische Auseinandersetzung, die sich in diesem Disput
niederschlägt (Strukturalismus versus Kritische Theorie), wird durch unsere
neuen Ansätze überwunden.
Das Problem, wie diese Rahmenbedingungen zu charakterisieren
seien, wird erst nach Kaprow durch die Mitglieder von Art and Language
entfaltet (siehe unten).
Luhmann’s Theorien über die Medium-Form-Differenz
mit den Prozessen, die in der Dualität Selbst(Selbst/Fremd) und
Intern(intern/extern) arbeiten, ermöglichen in Sinne unserer Evolutionsgesetze
Interpretationen nach den folgenden Kriterien im Gesellschaftsmodell. Die
Sub-Ebene der Kunst als geschlossenes System erfährt durch interne Inhalte,
Konflikte, Herrschaftsstrukturen, Theoriekämpfe und evolutive Anregungen eine
Binnendifferenzierung, die aber keineswegs analytisch streng von der Einbettung
der Sub-Ebene der Kunst in das Gesellschaftsmodell, seine anderen Ebenen,
Schichten, die Gesellschaftskonflikte (die Luhmann unpräzise als Umwelt
bezeichnet) usw. getrennt erkannt werden darf. Diese faktisch-realen Anschlüsse
an die Umwelt prägen einerseits die internen Konstellationen, bestimmen aber
auch die Möglichkeiten der Kunst in übergreifenden Aktionen auf andere Ebenen
der Gesellschaft Einfluss zu nehmen (etwa derzeit in China). Das
Intermedia-Konzept muss daher eine sehr pragmatische soziologisch
differenzierte Haltung im Rahmen der Theorie unseres Gesellschaftsmodells
einnehmen, um nicht durch theoretische Verengung auf eine zu schmale Analyse
zurückzufallen. Selbst im hoch-anspruchsvollen Ansatz Luhmanns fehlen
bekanntlich durch die Betonung funktionalistischer Aspekte vor allem
Sozialkritik ermöglichende Differenzierungen in Richtung auf utopistische
Gesellschaftsveränderung.
Faltblatt zur Ausstellung
"Kunst als Grenzbeschreitung: John Cage und die Kunst der Moderne",
Staatsgalerie moderner Kunst, München 1991 (Die längsrechteckigen Seiten
erscheinen auf dem Monitor um 90 Grad gedreht: Bitte ausdrucken).
Während
wir die Ästhetik aus göttlichen Grundbegriffen ableiten, war es ausgehend von
Duchamp's (vgl. etwa unter 3.1.4) defaitistischer Haltung (Entwertung von
Normen) u.a. auch bei Cage bestimmend, im Sinne einer Prozessualisierung des
Ready-Made dem Eigensinn des Materials (bei Aktionen und Geräuschen) keine
Kompositionsverfahren überzustülpen, die die Wirkung der einzelnen Elemente
zugunsten eines Übergeordneten einschränken. In diesem Trend erblicken wir eine
typische evolutionslogische Komponente des HLA II, 2 nach 1.3.7, wo die
Überbetonung de Einzelnen ohne Bezug auf Neben- und Überglieder erfolgt. Auch
benützt Cage den "Zufall" als Methode um die traditionellen Akzente
der Dramatik und Expression zu vermeiden (punktuelle Klangereignisse statt
Klangsequenzen. Er benutzte in diesem Zusammenhang auch "I-Ging" –
Zufallsoperationen. Wie schon öfter an anderer Stelle (z.B. http://portal.or-om.org/art/TheGooglegoose/tabid/6082/Default.aspx
) ist zu betonen, dass alle Versuche, "reinen" Zufall zu erzeugen mit
so vielen rationalen Begriffsverfahren und Aktionen verbunden ist, dass nur
erkenntnistheoretisch naive Theorien davon ausgehen, dass hierdurch besonders
neue die etablierten Rationalitätsstrukturen übersteigende
"Erkenntnisse" und "Werke" gefunden werden können.
Cage
interessiert sich aber auch –etwas integrativer – für die Organisation
"komplexer Situationen" durch die Gleichzeitigkeit verschiedener,
unabhängiger Aktionen, die von verschiedenen Personen in verschiedenen Medien
konzipiert und gleichzeitig in einem oder mehreren angrenzenden Räumen
realisiert werden.
Quelle: Bischoff, Ulrich
(Hg.): Kunst als Grenzbeschreitung: John Cage und die Moderne. Kat. Ausst.
Staatsgalerie moderner Kunst, München 1991, S.57-74
Cage
beeinflusste eine Reihe von Schülern, die sich überwiegend an Dadaismus[3],
Futurismus[4]
und abstraktem Expressionismus[5] orientierten, durch
seine Ansätze. In der Fluxusbewegung verbinden sich Künstler
unterschiedlichster Ansätze und Nationen (Amerikaner, Europäer, Japaner). Als
Fluxus-Programm kann das Manifest "Neo-Dada
in Music, Theater, Poetry,Art" 1962 gelten.
Für uns interessant ist auch der Stockhausen-Konflikt, weil er uns zeigt, wie interschiedliche
theoretische Ansätze oberflächlich eine Zeit lang in Fluxus koexistierten, bis
es zum ersten Zerfall kam.
"Dieser Protest gegen Stockhausenverdeutlichte
und verschärfte im Fluxus-Kreis die Polarisierung in anarchistische, politisch
indifferente und politisch
orientierte Kollegen. Mit dem Stockhausen-Protest endete die intensive
Zusammenarbeit aller Fluxus-Mitglieder.' Es war der "erste Tod " von
Fluxus vor dem Ende der Fluxus-Aktivitäten 1978 mit dem Tod des 47-jährigen
Maciunas." (Dreher)
Wichtig sind auch die Variationen der Beziehung
zwischen Idee und Realisierung (Komposition und Realisation, Werkidee bzw.
Handlungskonzept und Aus/Aufführung.). Die Verschiebung auf die Darstellung der
Idee führt im Weiteren zur concept art. Hier werden unterschiedliche Spielarten
variiert, wobei auch die Frage aktualisiert wurde, inwieweit dem Autor jegliche
Autorität gegenüber dem aufführenden Interpreten genommen werden soll und der
Bereitschaft des Interpreten zur Unterordnung zuvorgekommen werden soll.
Schließlich werden auch die Barriere zum Betrachter und der Dualismus
Aufführende - Publikum durch "participation" Happenings graduell
aufgelöst. Auch die autoritäre Rolle des Dirigenten wird hinterfragt.
Kommentar
S.P.:
Die
Rezeption der Ideen des Zen-Buddhismus thematisiert das Verhältnis von Etwas
und Nichts. Hier sind auch die Ideen des Zen-Buddhismus in unserer Sicht
kategorial unbestimmt und teilweise auch irreführend bzw. ungenau elaboriert.
Am Einfluss östlicher Ansätze (I Quing und Zen Buddhismus) zeigt sich eine
Tendenz, die auch in der klassischen Moderne typisch ist: eine Abschlaffung und
Ermüdung der Inhalte und Darstellungsweisen in der europäischen
Kunstentwicklung versucht man durch die Übernahme fremder Kulturelemente zu
überwinden oder auch nur zu überspielen (z.B. Japonismus und Afrikanismus in
der Moderne). Die Überwindung des Eurozentrismus in der Moderne ist natürlich
ein weiteres movens bei Fluxus. Der programmatische Begriff 'Eurasia" bei
Beuys steht für die kritische Relation von europäischer Kultur und asiatischem,
dezentrierendem Nihilismus.
Grundsätzlich
ist aber auch hier wieder die Frage zu stellen, ob durch diese Crossovers die
Kunstentwicklung über bestimmte Niveaus überhaupt hinausgebracht werden kann.
Fluxus-Mitglieder würden natürlich argumentieren, dass sie gerade die
Fortschrittsideologie der Moderne durch ihre Ansätze relativieren wollten.
Andererseits finden sich natürlich bei Fluxus auch Ideen einer Antizipation von
Lebensformen durch Kunstformen, die Ersetzung von politischen Institutionen
durch Selbstorganisation (Beuys[6])
oder durch Ersetzung bestehender Politik durch eine andere (Flynt und
Maciunas).
Nach
unserer Sicht nicht. Die Durchmischungen führen zwar zu Veränderungen in den
Paradigmen, in die sie eingebracht werden, diese Adaptierung kann aber trotz
des Anscheins des Avantgardistischen sehr wohl auch konservative Richtungen
fördern. Schließlich empfinden diejenigen Kulturen, deren Elemente mutwillig
aus dem traditionellen Kontext entnommen werden, diese Aneignung sehr oft als
einen usurpierenden Kolonialismus.
In der Wiederthematisierung, der bereits in
Futurismus und Dadaismus überwundenen Gattungsästhetik der Teilung von Hörbarem
und Sichtbaren erfolgen Variationen (selbst)-ironisierender Brechung (auch im
Verhältnis von Dirigent –Orchester-Publikum).
Interessant etwa folgende
Stelle Drehers:
"Zen-beeinflußte Fluxus-Mitglieder wie Brecht
und Paik vertreten eine Auffassung, nach der die Avantgarde immer schon postavantgardistisch
war, bevor sie sich entwickeln konnte. Der Ursprung der Avantgarde ist,
nihilistisch gedacht, ein Nicht-Ursprung, der nicht durch Fortschritt
überschreitbar ist, sondern von dem es nur beliebig viele Abwege gibt. Von den
abwesenden Intentionen des Autors, von dem Konzept ohne Ursprung, zweigen
unbegrenzt viele Realisations- und Bedeutungsmöglichkeiten ab."
Kommentar
S.P.:
Hier
wird der Zen-Buddhismus in einer Weise nihilistisch gedeutet, welche sicherlich
diskussionsfähig bleibt. Nach dieser Ansicht kann und soll in der Kunst
überhaupt nicht an Entwicklung gedacht werden. Sie soll sich offensichtlich
lediglich in einer Balance von Etwas und Nichts bewegen (ästhetische
Indifferenz). Andere Richtungen in Fluxus versuchen von der Hochkunst zur
Akzentuierung des Erniedrigten zu gelangen. Ohne hier auf die Probleme des
Zen-Buddhismus und seiner Interpretationen näher eingehen zu können, ist
festzuhalten, dass der bisher entwickelte Buddhismus nur sehr wenige Ansätze
für eine evolutive Gesellschaftstheorie vorlegen konnte und hier mit den
Grundlagen der Wesenlehre zweifelsohne bereichert werden könnte.
Bei Fluxus finden sich erstmals elektronische
Medien und der Monitor als Werkzeuge. Hierbei wurden versucht, die Impulse aus
Aktionsmalerei und Musik in Happening und Fluxus mit den neuen Medien
fortzusetzen und zu erweitern.
„Hierzu ist eine neuerliche Konzeptualisierung (als
Thematisierung von Präsentationsformen durch eine Reflexion der möglichen Zusammenhänge
zwischen materialer (Arbeit) und mentaler Produktivität (Koordination von
Zeichen, sowie zwischen der Subjektivität von Zeichenanwendern und abstraktem
Zeichenaustausch. Auch das neue Verhältnis zwischen internationaler
Informationsvernetzung und regionaler unmittelbar erfahrbarer Lebenswelt wurde
thematisiert.“
In den letzten theoretischen Erweiterungskonzepten
bei Fluxus werden neue Perspektiven geöffnet, die erst später technisch perfekt
umsetzbar wurden (Komplexität und Offenheit elektronischer Echtzeit-Systeme zur
Ermöglichung kreativer Partizipation [participation-Events]).
1.1.1.7 Valie Export/Peter Weibel/ Multimedial Feminist Art (.pdf)
Kommentar S.P.:
Die im
Artikel Drehers thematisierten Ansätze der beiden kritischen
Künstlerpersönlichkeiten kreisen vor allem um phallokratische Rezeptionsmuster,
die bloßgestellt werden. Hier sei auf unsere ausführlichen Untersuchungen der
Entwicklung der feministischen Philosophie (http://www.internetloge.de/krause/krfeminismus.pdf
) hingewiesen. Grundsätzlich ist festgehalten, dass etwa der Versuch in
„Stimmen aus den Innenraum“, die Dekodierung patriarchaler Herrschaftsstrukturen
in dem zitierten dialektischen Prozess „without constituting a new conception
of the world through the contradictory relationsships of heterogeneous
parts" bei nur ein wenig Selbstreflexion nicht haltbar sein kann. Alle
über Dekodierung gewonnen destruktiven Ergebnisse, auch wenn sie sich ständig
dialektisch weiter verändern, sind selbst nur über duale „Unter-Scheidung“
rezipierbar, im Rezipienten konstruierbar. Es ist also nicht nur das „phallic
significant“ die Quelle der Teilung in das Diesseits und Jenseits einer Grenze.
Die Dichotomisierung einer binären Opposition (männlich-weiblich) ist daher
nicht nur ein Ergebnis männlicher Macht. Die unbegrenzte elektronische
Erzeugung von Zeichen vermag daher keineswegs durch selbstreferentielle Transformation
jenseits binärer Ambivalenzen die soziale Geschichte männlicher Herrschaft
aufzubrechen. Das Konzept hält nämlich nicht einmal der selbstreferentiellen
Konsistenz stand. Für eine evolutive INHALTLICHE Veränderung der
Herrschaftsverhältnisse sind erkenntnistheoretisch und im Weiteren sozial- und
sprachtheoretisch andere Anstrengungen erforderlich, über die wir im
Feminismus-Artikel ausführliche Anregungen gaben. Wenn Baudrillard die
Typologie als nur eine von unendlich vielen Codes und nicht für ein fundamentales linguistisches Prinzip hält,
ist ihm im Rahmen der üblichen Diskussion der Frage Recht zu geben. Allerdings
ist dann seine eigene Theorie natürlich auch ein beliebig auswechselbarer Code,
der keine Herrschaft über alle anderen ausüben darf. Das fundamentale
linguistische Prinzip ergibt sich nach der Wesenlehre aus der unendlichen und
absoluten Essentialität.[7]Die
sich sozial ablösenden Codesysteme sind innere Partialbereiche dieses
Or-Om-Codes.
1.1.1.8 Flatz: Lebenszeichen und gelebter Augenblick
Kommentar S.P.:
Wichtig ist die Überlegung, dass
an die Stelle der polarisierten Konfrontation (Abstrakter
Expressionismus-Realismus; Informel- sozialkritischer Realismus)
Überschneidungen und Erweiterungen traten, eine typisch evolutionslogische
Erscheinung. Auch hier gab es wiederum Richtungen der Überschreitung der
etablierten Grenzen von Kunst und Leben. In der darauf folgenden Minimal und
Conceptual Art wurde die Öffnung zum Leben wieder zurückgenommen. In der
Konzeptuellen Kunst werden kunstinterne Zeichensysteme mit kunst-extern bereits
vorbelasteten Zeichen kombiniert und durchdrungen. „Die Bedeutung; die Zeichen
durch ihren alltäglichen Gebrauch haben bzw. erhalten, bildet eine erste Ebene,
über der durch die Anordnung der Zeichen im Werk eine zweite Bedeutungsebene
angelegt wird. Da diese zweite Ebene bei konzeptueller Kunst eine
metasprachliche ist, die nach dem Zustandekommen von Bedeutung überhaupt fragt,
wird die Rolle von Zeichenbedeutungen im Werk reflexiv.“ Wir sehen hier im
Sinne unserer Erkenntnistheorie einen Versuch der Kunst, der Frage nachzugehen,
inwieweit Zeichen, die wir für die Konstruktion von Wirklichkeit aus
Sinnesdaten, Phantasie und „Begriffen“ einsetzen, überhaupt Adäquanz zu dem
Überschuss an Vielfalt der Sinnesdaten der „Wirklichkeit“ besitzen. Die über
die Mischung und Durchdringung unterschiedlicher Zeichensysteme der
Alltagsempirie und der künstlerischen
Codes der Repräsentation (selbst wieder eine Alltagsrealität anderer Art)
erzeugten Reflexionen haben aber außer einer Art Erkenntnisschock keine
Möglichkeit, die Frage über ein bestimmtes Niveau hinauszubringen. Wieder droht
die Reflexion im Halbdunkel zu enden.
Flatz arbeitet nach Dreher
ebenfalls mit vorsprachlichem Eigensinn sinnlicher Erfahrung. Er greift die
Spannung zwischen konzeptueller Reduktion der Welt auf Zeichensysteme und ihr
nicht unterwerfbare sinnliche Erfahrungen auf[8]. Im Weiteren thematisiert er –
anders als Warhol u.a., die sich in die Techniken und Inhalte des Massenkonsums
transferieren, die kritischen sozialen Entwicklung[9] von Werbung, Kunst- und
Massenmedien, das Phänomen des mediengeilen Voyeurismus’ und der medialen
Selbstdarstellung (Outings) und der Dialektik zwischen Kontinuität und Bruch.
Wie auch sonst häufig fehlt allerdings bezüglich zukunftorientierter Horizonte
jeglicher inhaltliche Ansatz.
Kommentar
S.P.:
Der Beginn des Aufsatzes schildert
die typische Situation der fünfziger und sechziger Jahre in den USA. In unserem
Tempel der Allkunst unter 5.1.2 stehen sich „abstrakte“ und realistische Richtungen
bereits ausgefächert gegenüber[10].
Es entstehen jedoch die bereits oben geschilderten Erweiterungen (Pop –Art,
Objekt- und Aktionskunst die Erweiterung um die Medien Film und Video).
Für die Entwicklung vor allem auch des Wiener
Aktionismus sind die Arbeiten Ortiz` grundsätzliche Vorreiter, die natürlich
wiederum die Erfindungsleistungen der letzteren einschränken und relativieren.
Ortiz entwickelt offensichtlich als erster Destruktionsverfahren, welche
gesellschaftlich verdrängte Bereiche der Vergänglichkeit, des Todes und der
Aggression thematisieren. Auch wird die in diesen Prozessen als Spuren der
Destruktion freigelegte Ästhetik dem Betrachter zu assoziativer Erzeugung
angeboten. Ortiz ist der erste, der Selbst-Performances als „Body Art“ inszeniert,
die bei Brus und Burden weiter wirken. Die bei Ortiz beginnenden Tier-„Opfer“
aktivieren ein weites Feld historischer und zeitgenössischer Dimensionen der
Tierschlachtung, die bei Nitsch eine regressiv das Christentum nach hinten
erweiternde Dimension des Mysterientheaters erhält. Für unsere Analyse
interessant ist etwa folgender Gedanke Drehers:
„Im Unterschied zu Joseph Beuys offeriert Ortiz kein alternatives
soziales Konzept für zukünftigen Lebens- und Kunstvollzug, sondern versucht,
Restriktionen aus ihrer Codierung als unveränderbare kulturelle Gegebenheit zu
lösen, um eine Dynamik von Gruppenprozessen freizusetzen: "Liminoid
theatre" als "...a variant model for thought or action to be accepted
or rejected." (Victor Turner 1977)
Die
Figur des Künstler-Schamanen wird bei Ortiz nuanciert gegenüber Beuys
eingesetzt. Aus den über tribale Identitäten induzierten kollektiven
Schamanen-Ritualen schreitet der Schamanen-Künstler weiter zu einer
individualisierten Form:
„Vom Initiationsritus zum Initiieren individueller Vorstellungen, vom religiös
vorcodierten Schlachtopfer zur Schlachtung als tabubrechender Kunstaktion. Der
Künstler-Schamane provoziert Beobachter durch zeitgenössische Formen der
Initiation, etwas an dem zu ändern, was dem vorgeführten Aktionsverlauf der
Zerstörung in der Gegenwart zugleich ent- und widerspricht. Ortiz initiiert
unabgeschlossene, "liminoide" Riten, die zur Reflexion über soziale
Zusammenhänge zwischen manifester Gewalt und latenten wie verdrängten
Aggressions- und Destruktionspotentialen provozieren.“
Die bei Ortiz thematisierten Themen von Leben Tod und Wandlung sind im Rahmen
der Kapitel 1.1.5 bis 1.1.7 weiter bildbar.
„In der Aktion wie im Film thematisiert Ortiz Performance-Aspekte.
Performance-Aspekte unterscheidet von Performances, dass auch mit nicht
theater-, musik- und aktionsspezifischen Mitteln Spannungen zwischen den
"Registern" des "Symbolischen" und des
"Imaginären" (Jacques Lacan) thematisiert werden können. Dank dieses
Performance-Aspektes kann auf Annahmen wie `letzte´, nicht mehr hinterfragbare
Bezugspunkte - ein unmittelbar gegebenes, affirmativ benennbares Reales oder
als unveränderbar ausgewiesene "instituierte Bedeutungen" (Cornelius
Castoriadis) - verzichtet werden. Ortiz setzt "liminoide" Aktionsformen,
die Übergänge zwischen Sozialformen initiieren, ein, um auf die
Selbstverwandlungsfähigkeit der Gesellschaft zu verweisen, und provoziert zur
Reflexion über die "Gesellschaft als selbstinstituierende"
(Castoriadis).
Auch dieses Zitat zeigt, dass derartige Reflexionsverfahren
zirkular-zweidimensional bleiben, und die in der Wesenlehre vorgelegten
„dreidimensionalen“ Bereiche gar nicht erschließbar sind. Im Sinne der
Postmodernität läuft die Reflexion innerhalb bestimmter Grenzen mit der Gefahr
mangelnder Ergiebigkeit ab.
Dreher
stellt richtig fest: "der Vorstellung von
Konzeptueller Kunst als letzte Phase einer Neo- beziehungsweise
Nachkriegsavantgarde widerspricht die Gleichzeitigkeit von Arte Povera,
Anti-Form, Land Art und Concept Art in Gruppenausstellungen über zeitgenössische
Kunstströmungen".
Wir
entnehmen Dreher folgende Zusammenfassung für unsere Analyse:
Kriterien Konzeptueller Kunst
Für Konzeptuelle Kunst charakteristisch
sind:
- Selbstbezüglichkeit durch Semantisierung statt
durch Bezüge von Kunstformen auf Kunstformen;
- Komplexierung der Semantik durch Reflexion über
den Kunstbetrieb;
- Reflexivität beziehungsweise Reflexion der
Reflexion durch eine Metasprache über semantische Selbstbezüglichkeit;
- Ausdifferenzierung in reflexives `Lesen´ und
partikularisierendes `Sehen´ als zwei Gegenpole, zwischen denen Bewegungen und
Gegenbewegungen der De- und Resemantisierung möglich sind.
Diese Thesen definieren Konzeptuelle Kunst als eine
Kontextuelle Kunst-über-den-Kunstbetrieb, die die Selbstbezüglichkeit des Ad
Reinhardtschen "art-as-art"-(Anti-) Dogmas von 1962 von der formalen
auf eine metasprachliche Ebene hebt, und den Selbstbezug vom Referenzpunkt
Kunstwerk auf den Referenzpunkt `Institution Kunst´ verschiebt. Diesem "semantischen Aufstieg" zur
metasprachlichen Reflexion korrespondiert eine Pragmatisierung durch
Selbsteinbettung künstlerischer Arbeit in den Kontext Kunst. Die Differenz zwischen Selbsteinbettung in und
Anpassung an den Kunstbetrieb wird zum Thema einer kritisch die eigene Arbeit
im Kontext verortenden Reflexion.
1.1.2.2 Bereiche Konzeptueller
Kunst
Konzeptuelle Kunst lässt sich als Kontinuum
zwischen zwei Polen rekonstruieren. Das `Feld´ von Konzeptueller Kunst
erstreckt sich von geplanten Werken, deren Realisationen die Relation zwischen
"conception" und "perception" thematisieren, über
"semantischen Aufstieg" zu einer theoretisch orientierten
Kunst-über-den-Kunstbetrieb.
Es
ergeben sich folgende drei Bereiche:
1. Die
Grenzen der etablierten Kunstgattungen Malerei und Skulptur werden
überschritten, um Übergänge und Beziehungen zwischen ihnen herzustellen, nicht
aber, um Kunst neue Präsentationsmöglichkeiten aufzuschließen. So koppeln Sol
LeWitt und Mel Bochner Wand- und Bodenmalereien oder -zeichnungen mit
plastischen Elementen. Das Medium Fotografie wird in einigen Fällen integriert,
um mit seiner Hilfe die Relationen zwischen zwei- und dreidimensionalen
Präsentationsformen zu klären. Fotografie und Zeichnung geben in Mel Bochners
"Three drymounted photographs and one diagram" (1966) und LeWitts "All Variations of Incomplete Open Cubes" (1974)
je verschieden Dreidimensionales in Zweidimensionalem wieder. Ein Kontinuum
wird entwickelt zwischen Repräsentation und Aspekten wie Linie, Fläche und
Volumen, die als Vokabular abstrakter Kunst vertraut sind.
2.
Alltägliche, nicht als Kunstformen vorcodierte Präsentationsformen werden
eingesetzt. Die Aufmerksamkeit des Rezipienten wird auf mögliche Zeichenformen
einer Präsentationsform gelenkt. Was im Einzelnen mitgeteilt wird, dient nur
als Modellfall einer umfassenderen Problematisierung von Zeichenfunktionen.
Diesem zweiten Bereich entsprechen Arbeiten von Robert Barry, Victor Burgin,
Douglas Huebler, Joseph Kosuth, John Stezaker, Lawrence Weiner und Ian
Wilson. Diese Künstler arbeiten mit Zeichen und Medien, die
kunstextern vorcodiert sind. Arbeiten mit Texten und Foto-Texten überwiegen.
3.
Zeichentheoretische und kunsttheoretische Konzepte werden schriftlich
dargelegt. Die Schriften werden als Resultate künstlerischer Arbeit in
Ausstellungen vorgestellt und in Katalogen sowie Kunstzeitschriften gedruckt.
Die Präsentationen der Künstlergruppe Art & Language in den Zeitschriften "Art-Language" (Mai 1969-März
1985, 4. Juni 1997) und "The Fox" (April 1975-76) sowie in
Ausstellungen sind die öffentlichen Aktivitäten, die diesen dritten Bereich
konstituieren. Die hier relevante
kontextreflexive Gruppenarbeit reicht von 1966 bis 1976, als die amerikanische
Art & Language-Gruppe sich auflöste.
Wir können hier aus Platzgründen keinesfalls alle einzelnen Positionen der Künstler/Gruppen im Sinne unserer Parameter analysieren. Wie die LeserInnen sehen, werden aber hochreflexive Positionen erarbeitet und wiederum präsentiert, die in die heikelsten erkenntnistheoretischen Fragen reichen.
"Art & Language ist die einzige
Künstlergruppe, die primär kunsttheoretisch arbeitet und in Ausstellungen Texte
und Modelle präsentiert, die den jeweiligen Stand der gruppeninternen
Diskussion zusammenfassen."
"Ein
Diskurs über die Beobachtungsweise, die Beobachtungsoperationen zugrunde liegt,
wird notwendig."
"Die kunsttheoretische Wende von der
Bewusstseinsphilosophie zur Sprachphilosophie hat bei Wollheim zur
Rekonstruktion der klassischen Kriterien der Identifikation von Kunst durch
Gattungskriterien geführt, bei Art & Language dagegen zu ihrer Dekonstruktion, zum Verzicht jeder
Festlegung auf Präsentationsformen."
"Das Idealmodell der Mitglieder von Art &
Language ist eine Situation, in der eine Pluralität von Kunstkonzepten
entwickelt wird, welche durch die wechselseitige Reibung die Konzepte tragenden
Argumente im Diskurs verbessert werden."
"Die dichte Präsentation von Zeichen in
poetischen, phatischen, referentiellen und metasprachlichen Zeichenfunktionen
`nebeneinander´ führt zu einer Beobachtersituation, in der die
Zeichenfunktionen zueinander in Verhältnissen der `Negation´, der `Spannung´
(als wechselseitige `Negation´) oder des `Gleitens´ lesbar sind."
"Hatten
Art & Language in der theoriekonstitutiven Phase bis 1970 Sinneswahrnehmung
(über Reizmuster) noch direkt an konzeptuell-begriffliche Systematisierung von
Weltmodellen anschließen wollen, so durchdringen sich jetzt Bild- und
Diskursmodelle in permanenter Rehistorisierung/Verzeitlichung als sich
ineinander faltende, kompaktierende, und ausfaltbare mentale Schichten Bild-
und Diskursmodelle besitzen ihre historische Semantik, die bild- und
sprachmedienspezifische Möglichkeiten zugleich für Zukünftiges schließt und
öffnet, sowohl getrennt als auch in der Art, wie Bilder und Diskurse laufend
parallel und zur wechselseitigen Semantisierung verwendet werden. In der
Aufarbeitung der Relationen zwischen Bild- und Diskursmodellen wird
Konzeptuelle Textkunst zugleich revidiert und als notwendig bestätigt."
"Die
materielle Bildinkorporation erzeugt optische Wiederholungsmuster und ist
mental ableitbar aus einer virtuellen Syntax der beliebigen Bildvergrößerung,
Bildverdoppelung und Bildeinblendung: In der Beobachtung ergeben sich
Spannungen und Durchdringungen von materiellen, optischen und mentalen Strata.
Zwischen referentielle und metasprachliche Zeichenfunktionen schieben sich
poetische und emotive. Das Weltmodell "Dialectical Materialism" wird
in den "Incidents in a Museum" zum Kunstmodell. In das Kunstmodell
wird allerdings die Brechung Kunst- und Weltbeobachtung als Brechung mit sich
selbst - den Bildern im Bild - und musealer Umwelt eingebettet:
Kontextreflexive Kunst im Kontext."
"Das Schichtenmodell greift in der Konzeption
der "Index (Now they are)"-Serie von der monochromen Glasfläche in
poetischen Zeichenfunktionen nach unten durch auf referentielle
Zeichenfunktionen und nach oben auf phatische Zeichenfunktionen. Die
Abwesenheit der Reflexionsebene metasprachlicher Zeichenfunktionen im
Bildmodell wird an dessen Implikationen für Diskursmodelle selbst beobachtbar -
deshalb "Art-Language: New Series"?"
"Die
permanente Refocusierung und Kontextverschiebung transformiert erstarrte
Verhältnisse zwischen materiellen, optischen und mentalen Strata. Die Umschichtung der Schichtenverhältnisse
wiederum erzeugt "Epi-" und "Parastrata"
`Dominante´ Zeichenfunktionen, die die semantischen Prozesse in anderen
Zeichenfunktionen mitbestimmen, und `Affirmation´ zwischen Zeichenfunktionen
verhindern solche Umschichtungen. Die Geschichte von Art & Language ist
spätestens ab 1973 die Geschichte der Vermeidung, metasprachlichen
Zeichenfunktionen die Rolle der "dominanten Funktion" zukommen zu
lassen und auf `affirmative´ Bezüge zwischen Zeichenfunktionen zurückgreifen zu
müssen. Das Wechselspiel zwischen Bild- und Diskursmodellen und damit zwischen
materialen, optischen und mentalen Strata resultiert hieraus."
Kommentar
S.P.:
Wie auch
ausführlich in den Varianten der dekonstruktivistischen Rechtstheorien in http://www.internetloge.de/krause/krr.pdf
[11]
gezeigt wurde, besteht bei derartigen in unterschiedlichen Stufungen
eingesetzten Dekonstruktionen der Zeichenfunktionen durch Überlagerungen,
Brechungen, Inter-Negationen usw. das grundsätzlich nicht lösbare Problem, dass
die Vorschriften, Metareflexionen und Anweisungen zur Dekonstruktion
syntaktische, semantische und pragmatische Funktionen einer Sprache benützen
müssen, die aus diesen Destruktionen ausgenommen
werden müssen, um ihre Funktionen der Kunst- und Gesellschaftskritik
erfüllen zu können. Würde selbstreferentiell auch diese Sprache und Ihre
Zeichenfunktionen der kritisch reflexiven Dekonstruktion anheim gegeben, müsste
diese Kunsttheorie selbst unverständlich und unzugänglich werden.
Unsere
eigenen Sätze gehören dem Or-Om-Sprachsystem der Wesenlehre an, dessen Semantik
durch die Erkenntnisse der Grundwissenschaft, dessen Syntax durch den
Or-Om-Gliedbau der Wesen und Wesenheiten an und in unter Gott und dessen
Pragmatik durch den Begriff der Evolution der Gesellschaftsformationen der
Menschheit im Sinne der Evolutionsgesetze[12]
bestimmt wird.
Im
Folgenden kommentieren wir die bei Dreher erwähnte Theorie der Theorie
"II.3
Theorie der Theorie als Modelltheorie für Kunst
Die
von den englischen Mitgliedern der Gruppe Art & Language in 1970 bis 1972
publizierten Schriften entwickelten Grundlagen zur Konstruktion von Theorien
sind folgende:
1.1. Die Metasprache M' besteht aus einer
"theory of necessary and sufficient conditions."
1.1.1. Die "necessary conditions" werden mittels
Notwendigkeitsoperator N der Modallogik bestimmt. Die "modal notions"
der Möglichkeit und der Unmöglichkeit lassen sich durch Kombinationen des Notwendigkeitsoperators
N mit Negationszeichen ausdrücken. Die mittels "modal notions"
getroffenen Bestimmungen von "necessary conditions" dienen der
Formulierung von Aussagen über die Wahrheitsmöglichkeiten von Sätzen der
intensionalen Objektsprache S2.
1.1.2. In der Deontik werden "`alethic´"
"modal notions" (s. 1.1.1) um die "deontic or normative ideas of
obligation (`ought to´), permission (`may´)" und "prohibition (`must
not´)" ergänzt. Eine "adequate general theory
of norm" soll die Beziehungen zwischen "`alethic´" und
"deontic modal notions" klären.
1.2. Die Diskussion der
"`alethic´" und "deontic notions" (s. 1.1.2) soll zu einem
Vokabular für die Bestimmung des "status" einer "theory of
ethics" führen.
1.2.1. Das
Problem, wie widerspruchsfrei alternative "theories of ethics" sind,
kann bei der Diskussion der "`alethic´" und "deontic
notions" so lange wie möglich ausgeklammert werden. Propositionen, zum
Beispiel von "theories of ethics", werden von einer Metasprache M´
"treated as wholes", ohne auf ihre Konnotationen in einer
intensionalen Objektsprache S2 Rücksicht nehmen zu müssen.
1.3. Deskriptive und nach logischen
Regeln vorgehende "Theories of Ethics" sind für die englischen
Mitglieder von Art & Language theoriekonstituierend, nicht Auffassungen,
die "Theories of Ethics" als Problem einer nicht formalisierbaren
Performanz ausweisen.
1.3.1.
"Descriptive" und "performative" "types" von
"deontic notions" "can merge": "One could question why
it is to say that something `ought´ or `may be the case´ often has the
appearance of not being a genuine theoretical statement (which anything counts
for or against)." Wie eine "theory of art"
mit diesen, in bisherigen Kunst- und Künstlertheorien unüblichen Darlegungen
von Grundlagen des Konstruierens von Theorien erstellt werden kann, ergibt sich
aus den Schriften der englischen Mitglieder von Art & Language wie folgt:
2.1. Die
Metatheorie M´ liefert mit ihren "modal notions" (s. Kap. I.2.1) die
Grundlage zur Konstruktion eines "corpus of a theory".
2.2. Es gibt im
"corpus of a theory" einen "set of constructs", dessen
"propositional constants" "inscriptions" beziehungsweise
"neutrale Ausdrücke" in der Metatheorie M´ sind: In M´ kann von den
Bedeutungen dieser "constants" - sowohl von Intensionen der
Objektsprache S2 als auch von Extensionen der Objektsprache S1
- abgesehen werden.
2.2.1. Der "corpus of a theory" bestimmt durch
Restriktionen "categorically", welche Art von "entities" er
zuläßt.
2.3. "The class of operationally significant art
objects is restricted to those entitites - to the class of entities - which,
with respect to a corpus of theory, etc., can mistakenly be said to be art
objects." "The class of...art objects" ist nicht - wie in
etablierten Kunsttheorien üblich - als vor allen theoretischen Konstruktionen
immer schon vorhandene äußere Substanz und/oder innere Erfahrung zu verstehen
und es gibt keine normative Gültigkeit beanspruchende Konstruktionsweise.
2.3.1. Zu dem mit 2.2 und 2.2.1 metatheoretisch festlegbaren
Status einer Kunsttheorie können die in einer intensionalen Objektsprache S2
festlegbaren Bedingungen hinzukommen, die "necessary for reference"
auf eine "class of art objects" sind. Dieser "class" lassen
sich nach Kriterien, die "sufficient for reference" sind, bestimmte
"art objects" in einer extensionalen Objektsprache S1
zuordnen.
2.3.2. An die
Stelle eines materiellen Kunstobjekts kann eine Serie von "semantic
objects" in S2 treten, wodurch "inscriptions" aus M´
Intensionen zugewiesen werden. "Semantic objects" wiederum können
"a multiplicity of [pragmatic] interpretation" in der extensional
orientierten Objektsprache S1 provozieren. Für die Ebene S1
kann eine "instruction for handling that constructs in appropriate
domains" konstruiert werden. Es gibt einen "set of constructs"
einer Kunsttheorie T mit M´ und S2 und eventuell S1,
referierend auf eine begrenzte Menge von "semantic objects" (S2).
Die klassische Struktur von Kunsttheorien besteht aus einem
"theoretischen `Kern´" T, einer aus Modifikationen von T abgeleiteten
und T erweiternden Ästhetik Ä, Gattungsregeln G und materiellen
Objekten/Kunstwerken O. Im Falle der nach Pop Art in Amerika paradigmatisch gewordenen
Minimal Art (ab ca. 1963), im Besonderen in kunsttheoretischen Äußerungen von Robert Morris und Donald Judd, lässt sich diese Struktur so
wiederfinden: Den "theoretischen `Kern´" T liefert die
Wahrnehmungspsychologie und ihre Skala mit den beiden Enden Entropie und
Gestalt. Die Präferenz für Gestaltqualitäten konstituiert eine ästhetische Norm
Ä. Die Gattungsregeln G der Skulptur werden modifiziert in eine Form der
erweiterten Skulptur: Objekte mit Eigenschaften, die der Beobachtung von
Gestaltqualitäten dienen, werden in Räumen installiert. Als Objekteigenschaften
bieten sich unterkomplexe stereometrische Formen an. Die Realisation solcher
Objekte und ihre Platzierung an einer bestimmten Stelle in einem
Ausstellungsraum erfüllt O beziehungsweise modifiziert die etablierte Werkform
des isolierten und transportablen Objekts zur Relation
Werk/Präsentationsumstände an einem bestimmten Ort. Diese Expansion der
traditionellen Relation G/O kritisiert Kaprow als bloße Modifikation des
musealen "frozen framework" (s. Kap. I.2), während Art & Language
bereits den Komplex T/Ä/G der klassischen Struktur dekonstruieren und durch T
ersetzen, aus dem Kriterien für O folgen können, aber nicht müssen.
Tradierte Kunsttheorien lassen
sich auf das Modell einer "Isomorphie" zwischen Zeichen eines
"conceptual edifice" T (mit Ä) und Taxonomien (als Einteilungen
möglicher Referenten O in Klassen/Gattungen G) reduzieren. Diesem Modell sind
nach Art & LanguageUK "constructual possibilities" (s.
Kap. II.2) gegenüber zu stellen, die es erlauben,"art
objects" als "virtual entities" zu behandeln. "Art
objects" müssen nicht durch eine Festlegung von Extensionen in der
Objektsprache S1 bestimmt und die Zeichen für "virtual
entities" nicht mit Intensionen der Objektsprache S2
koordiniert sein. "Virtual entities" sind auch als "neutrale
Ausdrücke" beziehungsweise "inscriptions" in einem "set of
constructs" brauchbar. Wenn den "inscriptions" nur Intensionen
in einer Objektsprache S2 zugeordnet werden, dann werden die
"virtual entities" als "semantic objects" näher bestimmt,
ohne die Ebene der Zeichenprozesse verlassen zu müssen:
One is talking
about the `expressions´ which `go into´ a theory, ordered in some way. One does
not either have to say that one has an illusion of `reference´ - one has a way
of speaking.
Die Metatheorie M´ handelt mit
Bezeichnungen als `Schrift´ ("inscriptions"), die intensionale Objektsprache
S2 enthält dieselben Bezeichnungen mit Konnotationen als `Text´
(Intensionen), und die extensionale Objektsprache S1 enthält für
diese Bezeichnungen Denotationen (Extensionen, Referenten). Denotate können
nicht nur dauerhafte oder flüchtige materielle Zustände, sondern auch andere
`Schriften´, `Texte´, darunter zum Beispiel physikalische Theorien über Wellen
(s. Kap. II.3), sein:
What is needed is the
recognition that in whatever way we want to constitute our art theory, it may
well be just a part of the activity, and that the theoretical context may not
exhibit referential failure at-all, only `referential multiplicity´. It may be
that we can´t say much until we´ve located things on a fairly substantial
topology of possibilia forming a basis for proposition modality.
Der hier referierte Theoriestand
ist das Resultat von Abstraktionen durch Prozesse der Ebenengliederung, die
eine Vielheit von Konstruktionen erlauben. Dabei werden Gefahren in früheren
Ansätzen vermieden, über ein "ontological paradigm", das als das
beste aller wählbaren Möglichkeiten erscheinen könnte, eine dogmatische[13]
"meta-art" mit einem "mono-theoretical model" aufzubauen,
von der aus sich andere ontologische Paradigmen kritisieren lassen. Auch der
ältere Ansatz der englischen Mitglieder, Koordinationen zwischen In- und
Extensionen mittels Strawsons Unterscheidung in "Sortal",
"Feature" und "Characterizing Universals" zu organisieren
(s. Kap. II.1, II.2), erscheint jetzt im revidierten Diskurs als einer unter
vielen diskutierbaren Möglichkeiten. Diskutierbare Möglichkeiten lassen sich
für Art & Language durch den Abbau von normativen Setzungen beziehungsweise
von nicht rationalisierbaren Restriktionen gewinnen:
"paradigm-shift-from" durch "theory-trying" statt
"paradigm-shift-to". "
Kommentar S.P.:
Man will die Gefahr eines starren und bedenklichen dogmatischen ontologischen Paradigmas
vermeiden, um damit eine "Meta-Art" zu begründen, die nicht
monotheoretisch ist. Auch die Begründung über "charakterisierende
Universalien" soll vermieden werden. Was bleibt seien diskutierbare Möglichkeiten.
Auch hier wird wiederum übersehen, dass dieses Theorem selbst
ein Meta-Theorem darstellt und selbst nur eines der diskutierbaren
Möglichkeiten sein dürfte.
Wir sehen hier, dass ein sehr sorgfältiger Versuch
unternommen wird, mit den Disziplinen moderner Logiksysteme die intensionalen und extensionalen Dimensionen einer Kunsttheorie aufzubauen. Unter
Hinweis auf unsere Vorschläge zur Neugestaltung der Logik und Mathematik unter http://www.internetloge.de/krause/krlogik.pdf
ist hier anzumerken, dass eben bei sorgfältiger Erkenntnisanalyse usw. eine
monotheoretische undogmatische ontologisch fundierte Begründung der Kunsttheorie
als Meta-Art auffindbar ist, in der auch ausreichend Universalien zur
Weiterbildung der Kunsttheorie und –Praxis zugänglich sind.
Die theoretischen
Grundlagen der obigen Theorie der Theorie ist daher überschreitbar und alle
Varianten der Theoriebildung der Art & Language Gruppe sind darin
unvollständige Sonderfälle.
Kommentar
S.P.:
In
diesem Zusammenhang stoßen wir auch auf grundsätzliche erkenntnistheoretische
Positionsunterschiede bei der Frage, wie wir Welt überhaupt erkennen. Haben wir
die Möglichkeit eine Welt außer uns in unserer Erkenntnis (Sprache) so
abzubilden, wie sie wirklich gebaut ist, oder konstruieren wir überhaupt erst
etwas, was wir dann Welt nennen aus ungeordneten Sinnesdaten (E) Phantasie (D)
und Begriffen (C), ohne die Möglichkeit zu besitzen, dieses Konstrukt mit einer
uns (unzugänglichen) Welt (G) und Gesellschaft (G1) vergleichen zu können.
Unsere Positionen haben wir insbesondere unter http://www.internetloge.de/krause/krerk.htm
dargestellt. Hier in den Features finden sich Überlegungen besonders unter 1.2 und
2.3. Die Grundsituation zeigt die folgende Figur 1:
Im
Lichte dieser Zusammenhänge folgendes Zitat aus Drehers obiger Site:
"Burn und Quine erörtern Beziehungen zwischen
Wahrnehmung und Sprache (s. Kap. 2.2). Der Zusammenhang zwischen Sehmustern und
Wahrnehmungsgittern lässt sich auch im Rahmen einer Kybernetik zweiter Ordnung
als von "Beobachtungsoperationen" konstituiert erklären: Außenreize
werden im Nervensystem verarbeitet und in diesem Prozess entsteht, was wir als
Außenwelt wahrnehmen. In der körperinternen rekursiven Bearbeitung entstehen
nach Erkenntnissen der Neurophysiologie, die maßgeblich Heinz von Foerster formuliert hat,
Wahrnehmungsqualitäten, während die Stimulierung von außen in den Nervenzellen
nur als rein quantitativer "Erregungszustand" fassbar wird. Wie aus
Reizen der Außenwelt Wahrnehmungsmuster visueller, audieller oder taktiler
Natur werden, hängt - stark vereinfacht formuliert - von Operationen in Nervensystemen
zwischen Stimulierung und (sowie im) Gedächtnis ab, nicht von einer Qualität
der Stimulierung. So ergeben sich zum Beispiel für die visuelle Wahrnehmung
bestimmte Wege von Sinnesrezeptoren über Retinaganglienzellen zu Zellen in
Gehirnzonen, zu corticalen visuellen Arealen.
Niklas
Luhmann bezog sich in seiner "Theorie selbstreferentieller Systeme",
wie er sie in "Soziale Systeme" 1984 vorstellte, nicht nur auf von
Foerster, sondern hat auch die Typentheorie Bertrand Russells als Beispiel für
eine Hierarchisierung von Ebenen, für Stratifizierungen, vorgestellt. Die
Hierarchisierung von Ebenen als Weg der "Systemdifferenzierung" hat
Luhmann dann in seiner "Theorie der Beobachtung" in eine
polykontexturale Heterarchie nach dem Vorbild Gotthard Günthers gewandelt.
Der
wahrnehmungsbezogene Ansatz Burns wie Luhmanns "Theorie der
Beobachtung" vermeiden das "Zweistufenmodell des Logischen
Empirismus", das analytische und synthetische Propositionen trennt.
Luhmann hat sich mehrfach auf Quines Kritik dieser "zwei Dogmen"
bezogen:
Die Unterscheidung von analytischen und synthetischen
Wahrheiten muss, wie schon Quine vorgeschlagen hat, aufgegeben werden.
Wenn wir Ansätze von Ian Burn und Niklas Luhmann
vergleichen, dann versetzen wir uns in ein Labor, in dem verschiedene
Argumentationsstränge konvergieren. Auf die Frage "Bilde ich die Welt ab
oder konstruiere ich sie?", erstelle ich eine "Map of the
Territory" oder erhalte ich immer "Maps of the Map", wie sehr
ich mich auch um Darstellung bemühe, geben die Mitglieder von Art &
Language verschiedene, auf Strawsons gegenstandsbezogenen oder auf Quines
wahrnehmungsbezogenen Ansatz zurückführbare Antworten, von denen - wie es
scheint (Kap. 2.4) - nur eine zur Kybernetik zweiter Ordnung und zu Niklas
Luhmanns Theorie der Beobachtung führt: die Konstruktion von Welt aus
"Reizbedeutungen" in "Maps of the Map".
Kommentar
S.P.
Unter 2.3. sehen wir, dass es sich
hier um einen Übergang vom naiven Realismus zum kritischen Realismus oder auch transzendentalen
Idealismus (extremen oder gemäßigten Konstruktivismus) handelt (Objektpermanenz
als Ergebnis konstruktiver reflexiver Abstraktion). Die LeserInnen vermögen
selbst aus 2.3. zu ersehen, inwieweit unsere Erkenntnistheorie über diese
Positionen hinausreicht. In den hier vorgeführten Kunsttheorien werden, wie
auch Dreher deutlich herausarbeitet, Varianten der Abbildtheorie und der
Konstruktionsthese mit allen ihren Komplikationen durchgespielt. Für uns sind
dies Permutationen, die über bestimmte Erkenntnishorizonte nicht hinausreichen,
diese aber auch im Kunstkonnex explizieren. Die erkenntnistheoretischen
Positionen Luhmanns hat die Gruppe Or-Om unter http://www.internetloge.de/krause/krsystemtheorie.pdf als
E-BOOK:
Siegfried Pflegerl: "Aufklärung über die Selbstblendung einer abgeklärten Aufklärung - Wesenlehre und die Systemtheorie Luhmanns" Inhaltsverzeichnis u. Einleitung 4 S., PDF-File 150 KB Download gesamtes Buch: 206 S., PDF-File 4,552 MB kritisiert.
Auch die Untersuchungen http://www.hirschsteiner.de/netzkunst_als_avantgarde.pdf
unter im Kapitel C. Systemtheoretischer Teil benützt als Theoriebasis Luhmann
(S. 47f). Für uns besteht kein Zweifel daran, dass die Analyse der
Kunstentwicklungen im Netz mit den zynisch-naiven Epistemen Luhmanns, die einer
selbstreferentiellen Konsistenz entzogen werden wollen, zu einer beträchtlichen
Verkürzung des Untersuchungsrahmens
führen muss.
Das folgende Zitat weist auf einen wichtigen Unterschied zwischen den
Thesen von A&L und Luhmann hin:
Während
die Mitglieder von Art & Language jede Theorie als
"problematisch" mittels "Alternativen" ausweisen und so die
Einheit des "Kommunikationssystems Kunst" durch
"theory-trying" brechen, thematisiert Luhmann die Rolle der Künste
und der Kunsttheorie in einem selbstbezüglichen und rekursiven, also
autopoietischen, Literatur, Musik und bildende Kunst umfassenden
"Kunstsystem". Luhmann interessiert einseitig der Prozess der
Ausdifferenzierung von Systemen in der Geschichte der Moderne und er
vernachlässigt die simultane Verflechtung von Systemen mit anderen Systemen und
Subsystemen. Die Expertensysteme des Kunsthandels, der Kunstgeschichte, der
Philosophie der Kunst, der Kunstkritik und der Kunstmuseumsorganisation sind Subsysteme
von Systemen des Handels, der Geschichtsschreibung, der Philosophie, des
Journalismus und der Museumsorganisation. Die Kontexte, die aus Vernetzungen
von Subsystemen bestehen und nicht unbedingt neue Systeme beziehungsweise
"symbolisch generalisierte Kommunikationsmedien" bilden müssen, und
über die mindestens (Teil-) Bereiche der Kunst Wege an die Öffentlichkeit
finden können, thematisiert Luhmann nicht.
Kommentar S.P.:
A&L
löst Kunsttheorie über erkenntnistheoretische Reflexionen von innen her auf und
Luhmann vernachlässigt die Zusammenhänge zwischen dem von ihm vor allem
autopoietisch verkürzt erfassten Kunstsystem. Nicht
umsonst haben wir etwa in 1.1.2.1 ein Modell für ein Gesellschaftssystem
entwickelt, um darstellen zu können, dass beispielsweise das Kunstsystem in
beachtliche gesellschaftliche Zusammenhänge eingebettet ist, welche die eher
"heroisierten" autopietischen Gestaltungen innerhalb des Kunstsystem
in relevanter Weise so maßgeblich beeinflussen, dass man sie nicht
vernachlässigen darf.
In den hier von Dreher
geschilderten Entwicklungen erfolgt der organisatorisch-funktionelle Übergang
von der analogen in die digitale Bearbeitung der erkenntnistheoretischen und
sozialen Fragen der Kunstreflexion, wobei die Möglichkeiten des Internets[14] einerseits den Übergang in noch höhere diskursive Komplexität erlauben,
andererseits aber selbst die Komplexitätssteigerung dadurch begünstigen, dass
seine technischen Mittel dem Blurting, Mapping and Browsing neue mächtige
Werkzeuge liefern. Unsere hiesige Darstellung wäre ohne diese Möglichkeiten
überhaupt nie möglich geworden, da ein Einzelner ansonsten unmöglich derartige
Informationsmengen aus derart unterschiedlichen Bereichen überhaupt nicht in so
kurzer Zeit verarbeiten könnte.
Wir entnehmen dem
Dreher-Text folgende Zitate um sie zu kommentieren:
"1972 begannen Mitglieder von Art &
Language Verfahren zu entwickeln, die es erleichtern sollten, die
Kompatibilität ihrer Texte zu prüfen. Ansätze und Thesen verschiedener
Mitglieder kursierten als mündliche Äußerungen, Thesenpapiere und ausformulierte
Artikel. Zunehmend mehr Vorschläge für Bausteine eines eigenen Theoriedesigns
konstituierten eine Basis für Dialoge und für Kollaborationen bei der Schaffung
weiterer Thesenpapiere. Dies führte auch zu einer Vielfalt der philosophischen
Ausgangspunkte, die es erschwerten, die Ansätze zu einer Kritik etablierter
Kunsttheorien und -dogmen zu bündeln."
Kommentar S.P.:
Den
LeserInnen, welche Kapitel 2 schon kennen, werden die Ähnlichkeiten zu den
theoretischen Problemen der postmodernen Philosophien auffallen. Der Umgang mit
einer unübersichtlichen, inkompatiblen Pluralität von Ansätzen provoziert auch
wieder eine Vielfalt von Lösungsvorschlägen. Wir können hinsichtlich unserer
Lösungsvorschläge auf Kapitel 2 verweisen.
"Aus dem Problem der
Unübersichtlichkeit ergab sich die Notwendigkeit, die Kompatibilität der
Diskursbausteine zu prüfen, um Probleme der Fortsetzung des Diskurses lösen zu
können. Eine "database" für einen Überblick war zu schaffen, der es
erleichtert, aus reflexiven Innenbrechungen Ansätze zur Neuorientierung zu
entwickeln."
"Die Frage, wie Inkonsistenzen gehandhabt
werden sollen, führt im Diskurs der Gruppe 1971/72 zu einer entscheidenden
Selbstrevision: Es wird das Postulat der widerspruchsfreien Auflösung von
Inkonsistenzen in Frage gestellt; eine umfassendere Theorie muss nicht immer
durch eine widerspruchsfreie, aber weniger weit reichende Theorie ersetzt
werden."
"Ziel der
kollaborativen "theoretischen Praxis" von Art & Language ist die
Umstellung vom Monolog und vom geschlossenen Werk auf eine Interaktion der
Leser mit Werkteilen, die für Autoren wie Leser zur Fortsetzung der Reflexion
führen kann und soll."
Kommentar
S.P.:
Hier
begegnen uns Varianten einer Kunstweiterung durch den Versuch, den Rezipienten
in die Gestaltung des (zumeist wohl sehr theoretisch-reflexiven) Kunstwerkes
einzubeziehen. Die Auflösung des Begriffes der Einzelkünstlerpersönlichkeit
wird in eine bestimmte Richtung getrieben. Man sollte aber nicht vergessen,
dass (ähnlich wie einem Computerspiel, wo auch der Konsument meint, er gestalte
die Spielzüge kreativ, während die Meta-Programmierung alle seine möglichen
kreativen Schritte bereits antizipiert hat) auch hier die Meta-Vorgaben der
kommunikativen Kunst durch den Künstler bereits weitgehend hierarchisch auf
einer höheren Ebene als Eingrenzung des Beteiligten auf der nächst niederen
Ebene vorliegen.
"Die Menge an
Eintragungen und ihr visuelles Eigenleben wird 1973 in "Index 002
(Bxal)" zu einem neuen Ansatz für Index-Systeme führen. Dieser Index
konfrontierte Mitglieder von Art & Language und konfrontiert Rezipienten
mit dem Problem, ob die Beziehungen zwischen Index-Eintragungen und Indiziertem
noch rekonstruierbar sind: Sie sind es nicht. Da dies nicht leicht erkennbar
ist, ergibt sich eine damals auch in den Diskussionen der Gruppe ausgetragene
Spannung zwischen Rationalisierungsmöglichkeiten und Rationalitätskritik."
Kommentar
S.P.:
Es
sei daran erinnert, dass der Umgang mit derart komplexen semantischen
Beziehungen unterschiedlichster Konzepte den Rationalitätsbegriff in der
Postmoderne selbst permutiert hat, und die Postmoderne neue, selbst wiederum
sehr problematische Rationalitätskonzepte vorlegte, die in Kapitel 2 skizziert
und kritisiert werden.
Blurting
"Zwischen Januar und Juli 1973 schrieben
New Yorker Mitglieder von Art & Language "a set of short statements or
remarks", die "a series of commentaries or annotations"
provozierten. Die "annotations" oder "blurts"
wiederholten, modifizierten oder erweiterten Argumente, die in Gesprächen,
Thesenpapieren und publizierten Texten kursierten. "The Annotations"
lieferten die Ausgangsbasis für "Blurting in A & L"."
"In "The Annotations" werden solche
zu kommentierende Dokumente der Kunstkritik ersetzt durch Hinweise,
Anspielungen und kurze Charakterisierungen von Gepflogenheiten und Zuständen im
Kontext Kunst. Mehrfach expliziert wird die Kluft zwischen einer an etablierten
Präsentationsformen und Diskursparadigmen orientierten künstlerischen
Atelierpraxis einerseits und der dialogischen Praxis von Art & Language
andererseits. Kritisiert werden im Kunstbetrieb etablierte Verfahren, die
Diskurs fördernde Alternativen ausschließen."
"Eine irreduzierbare
Vielfalt von argumentativ gleichrangigen Alternativen erübrigt für die
Mitglieder von Art & Language nicht Diskurse, als ginge es darum,
willkürlich Präferenzen zu setzen, sondern weist auf die zentrale Rolle der aus
der Reibung mit Alternativen gewinnbaren Diskurse. Die Praxis von isolierten
Künstlern, die im Atelier entsprechend einem Paradigma Werke konzipieren und
realisieren, wird ersetzt durch eine Alternativen generierende Diskurspraxis:
Das kollaborative Forschungsprojekt ersetzt die solipsistische
Atelierproduktion."
Kommentar
S.P.
Auch
hier entsteht wieder das Problem, dass sich bei einer irreduzierbaren Vielfalt
von argumentativ gleichrangigen Alternativen aus den in der Reibung
provozierten Diskursen neuerlich eine Vielfalt von Diskurspraktiken entwickeln
lässt, welche die Komplexität weiter erhöhen.
Typisierte Verknüpfungen
"In "Blurting in A & L" bilden
"typisierte Verknüpfungen" eine "Gedächtnismaschine", die
mittels "associative indexing" eine Fortsetzung des Prozesses der
"redescriptions" nahelegt. Unter jeder Annotation werden
Verknüpfungen zu nummerierten Blurts notiert. Die Verknüpfungen werden in zwei
Typen eingeteilt, die mit einem Pfeil sowie "&" etikettiert sind.
Die Typen sind, wie in der Einleitung in "Blurting in A & L"
erläutert wird, nicht wahrheitslogisch als Implikation und Konjunktion zu
verstehen, sondern rein semantisch: Der Pfeil steht für Verknüpfungen zwischen
enger aufeinander beziehbaren Einheiten. Dieser Verknüpfungstyp kann mit
"`...because of...´" oder "`...in order that...´" semantisiert
werden, während "&" für offene Bezüge steht, die aus dem engeren
Umfeld der Pfeil-Relationen hinausführen. Semantisierungen wie "`...and
then...´", "`...and so...´", "`...and next...´" werden
in der Einleitung für "&" vorgeschlagen, aber auch "`either...or...´"
oder "`...but...´". Ich bezeichne die beiden Verknüpfungstypen als
`annotativ´ (Pfeil) und `assoziativ´ ("&")."
"Im Rückblick von Entwicklungen des Hypertext, des Internet und der Netzkunst
erscheint der Begriff `Mapping´ brauchbar als Metapher für diagrammatisch
organisierte, an Geschlossenheit orientierte Datensysteme. Der Begriff
`Blurting´ charakterisiert eine Textproduktion für eine Organisation von
Verknüpfungen, die in "Blurting in A & L" Browsing fördert und so
das "Proceeding" von Art & Language - ihre Wissensaktualisierung
durch Umschichtung und Modifikation - Lesern in einer Weise nahe legt, die sie
in diesen Umschichtungsprozess immer schon integriert hat, bevor sie darüber
nachdenken können."
Online-Fassung
"Die Online-Fassung bietet mit ihren
akkumulativen und themenorientierten Diskussionsforen die Möglichkeit, das
Anregungspotential der "Blurts" in Fortsetzungen des kollaborativen
Annotierens umzusetzen."
"Das akkumulative Forum
"Blurting to Blurting In Wanted" erlaubt spontane Einträge von jeder
Seite aus. Die Einträge werden in chronologischer Folge akkumuliert."
"Die Fragen des
Diskussionsforums thematisieren Probleme von Konzeptueller Kunst, Kontext Kunst
und Netz-Kunst heute. Sie sind so formuliert, dass nicht nur mit dem Diskurs
von Art & Language bewanderte User teilnehmen können. Allerdings erklären
die (ehemaligen) Mitglieder von Art & Language Michael Baldwin, Michael
Corris und Mel Ramsden, die den Diskurs mit eigenen Beiträgen eröffnen, ihre
Sicht der Fragen gleich zu Beginn. Im Weiteren Diskussionsverlauf können (und
sollen) sich Dialoge zwischen (ehemaligen) Mitgliedern von Art & Language
und gruppenexternen Usern ergeben."
Kommentar
S.P.:
Mit der
Entwicklung von Web 2.0 wird die Verschränkung zwischen units, welche Themen
vorgeben und den Mitgliedern der Diskussionsforen aus diesem konzeptuellen
Kunstkontext bereits im auch wieder hochgradig mit ökonomischen Elementen
durchsetzten Bereich eines diskursiven Massenkonsums überführt. Das Web hat
eigentlich die Kunstreflexion sozial überholt. In unserem Modell des
Gesellschaftssystems ist leicht zu zeigen, wie sich diese Möglichkeiten des Web 2.0 verbreiteten.
Die Medien TV, Post und Telefon werden mit dem
Kunstsystem verknüpft indem die mediale Verknüpfung der Systeme Verbindungen
zwischen sozialen Subsystemen und dem Kunstsystem selbst zum Gegenstand der
Kunst machen und damit auch die Semantik und Präsentation von Kunst erweitern.
Im urbanen Konnex werden Netzknotennetzwerke zwischen Telefonnetze, Straßen-
und Metroverkehr, Gas und Elektrizitätsverbindungen mit reflexiven
Kunstsystemen interaktiv verknüpft. In der Literatur erfolgen über
unterschiedlichste Netze konnektive Kollaborationen bei der Erzeugung von
Texten. In interaktiven Beziehungen wird das Kunstwerk als Kommunikationsrahmen
zur Verfügung gestellt, in welchen der programmierende Künstler als
Spielregelspieler die Programmiermöglichkeiten vorgibt in welchen sich die
Spieler bewegen können. Über einen Metakommunikationsrahmen kann die
Möglichkeit des Rollenswitches elastisch gehalten werden.
Kommentar
S.P.:
Während
Dreher diese Erweiterungsphänomene ausgehend
vom Untersystem der Kunst in der Gesellschaft interpretiert, vermögen wir
die Neuerungen im Gesamtsystem klarer
sichtbar zu machen. Diese umfassendere Perspektive ermöglicht auch, die
gesamtgesellschaftliche Bedeutung dieser Kunsterweiterungen genauer abzuwägen. Es
bleibt nämlich auch hier die sehr wichtige Frage zu klären, ob nicht die
technologischen medialen Neuerungen (TV, Internet, Digitalisierung der
Fotografie und der Musikindustrie usw.) die Avantgarde darstellen und das
Kunstsystem erst reaktiv beginnt, kreativ
mit diesen neuen Möglichkeiten und ihrem gewaltigen Druck auf das Kunstsystem
umzugehen.
Das
Modell gibt uns wiederum Anhaltspunkte für die Frage, in welchen Schichten die Künstler arbeiten, auf
welche Schichten von Künstlern und
Rezipienten (Publikum usw.) sie wirken, wie sie selbst wirtschaftlich verankert
sein können, in welchem Zusammenhang diese erweiterte Kunstentwicklung mit den
Ebenen der übrigen Kunst, der Wirtschaft (Kunstmärkte) und der Politik steht.
Ohne Zweifel wird sichtbar, dass es sich gesamtgesellschaftlich um eher marginale Segmente handelt, deren
theoretische Ansätze einer Vielzahl traditioneller Kunstkonzepte und deren
Märkten gegenüberstehen. In diesem Rahmen mögen die folgenden Zitate aus den
Arbeiten Drehers eingeordnet werden.
Auch hier bewegt sich die Kunsttätigkeit auf sehr
hohen Reflexionsniveaus, wie die folgenden Zitate aus Drehers Arbeit zeigen:
"Eine
kontextuelle Analyse kann Möglichkeiten untersuchen, Grenzen zwischen
elektronisch vernetzten Kunstinstitutionen und elektronischen Netz-Werken zu
ziehen oder zu unterlaufen. Die Netz-Werke können diese Untersuchung selbst
enthalten, indem sie ihr eigenes Konzept und seine Relation zum vorgegebenen
Kontext, zum 'Netzsystem Kunst', explizieren: Konzeptualisierung durch
Investigation der (Grenzen der) Möglichkeiten zur Selbsteinbettung in
vorgefertigte (und änderbare?) elektronische Kontexte. Diese Konzeptualisierung
von Datennetzkommunikation kann Spielräume für Beobachteroperationen enthalten
oder selbst modifizierbar sein. Der Beobachter kann die Rolle vom Spieler im
Rahmen gesetzter Spielregeln zum Spieler mit Regeln des Kommunikationsrahmens,
den das Werk setzt, wechseln. Eine systeminterne Kommunikation über den
Rollenwechsel bedarf eines übergeordneten System-/Informationsrahmens. Dieser
Metakommunikationsrahmen kann die Konzeptualisierung der Möglichkeiten des
werkinternen Rollenswitches vom Spieler zum Spielregelspieler auf Spiel- und
Programmiermöglichkeiten in und an dem 'Netzsystem Kunst' übertragen. Das etablierte
'Netzsystem Kunst' liefert Spielregeln, aus denen der Metakommunikationsrahmen
des Netz-Werks einen Teil selektiert und ihn entweder affirmativ als Metarahmen
des Werks übernimmt oder sich kritisch bis negativ zu ihm verhält. Der
Metarahmen kann zwei Schichten enthalten: eine Schicht für die Reflexion der
Relationen zwischen Spielzügen und modifizierbaren Spielregeln von werkinternen
Werk(-Spiel)en und eine Schicht für die Reflexion der Relation des
Kommunikationsrahmens Werk zum 'Netzsystem Kunst'. Diese beiden Schichten bzw.
Metarahmen für Werke im Werk und für den Kontext können sich wiederum aufteilen
in eine Modifikationen des Rahmens offerierende und eine rahmeninterne Schicht
(mit Möglichkeiten des Durchgriffs auf darunter liegende Schichten). Der
Metarahmen teilt sich also zwei Mal zweifach: in eine werk- und eine
kontextbezogene Schicht, und jede dieser Schichten in eine Präsentation bzw.
Reflexion der werkinternen Regelsysteme und eine Regelmodifikationen
offerierende Schicht. Der zweifach zweigeteilte Metarahmen wiederum bedarf
eines weiteren Rahmens der Reflexion der Schichtengliederung, also eines
Metametarahmens. Soll dieser für Modifikationen offen sein, muss auch dieser
Metametarahmen in eine interne Schicht der Darstellung und Reflexion der
Schichtengliederung und eine externe, Variationen der Schichtengliederung
offerierende Schicht gegliedert werden.
Bei
Werken, deren einziger Inhalt die Problematisierung des Kommunikationsrahmens
Kunst mit seinen Spielregeln und ihre Modifikation im 'Netzsystem Kunst' ist,
entfallen die Schichten mit werkinternen Spielregeln und
Spielregelmodifikationen. Wenn ein Künstler jedoch als Werk eine alternative
"elektronische Kunstgalerie" mit Zugängen zu elektronischen Werken
konzipiert und werkinterne Werke wie Galerie für Modifikationen öffnet, dann
ergeben sich bei hinreichender Ausdifferenzierung die erwähnten acht
Werkschichten (Diagramm 1). Diese Werkschichten verteilen sich auf vier
Kommunikationsrahmen, davon drei Rahmen mit je einer Schicht für Modifikationen:
Spielregeln der werkinternen Werke (ohne Modifikationsschicht), Reflexion und
Modifikation der Spielregeln der werkinternen Werke, Reflexion der Spielregeln
des Kontextes und Modifikation der Kontextreflexion, Reflexion und Modifikation
der Metaregeln (Schichtengliederung) der Relationierung von Werk und Kontext.
Modifikationen unterer Schichten können zur Abkoppelung von höheren Schichten
oder zur Rekursion in die höchste Modifikationsschicht, die eine De- &
Rekonstruktion der vorliegenden Schichtengliederung ermöglicht, führen.
Die
Schichtengliederung einer von Künstlern für ein etabliertes 'Netzsystem Kunst'
geschaffenen "elektronischen Galerie" entspricht in ihren
Problemstellungen künstlerischen Installationen mit Kunstwerken in
Kunstausstellungen und Museen, wie sie von Michael Asher, Marcel Broodthaers,
Daniel Buren, Ed Kienholz, Joseph Kosuth, Gerhard Merz oder Daniel Spoerri in
den siebziger und achtziger Jahren geschaffen wurden. Allerdings fehlen die
Schichten für die Modifikationen.
Das
im oder an Stelle einer Kunstinstitution installierte Netzsystem kann
Positionen zwischen Kritikern, Künstlern und anderen Netzwerkbeobachtern
enthalten, die sich mit dem Werkbegriff und der Definition des Status von Kunst
auseinandersetzen. Solche Dialogpositionen im 'Netzsystem Kunst' dienen der
Kommunikation über das künstlerische Netz-Werk. Das elektronische Netz-Werk
wiederum kann die Dialogpositionen seines elektronischen Kontextes
problematisieren. Die Trennung Kunstwerk und Institution Kunst gerät an einen
(für den etablierten Kunstkontext mit strikter hierarchischer Trennung zwischen
Werk und Vermittlung) kritischen Punkt, wenn das Netz-Werk aus einem Vorschlag
zur De- & Rekonstruktion der Funktion des Netzsystems der 'Institution
Kunst' besteht, der künstlerische Vorschlag in diesem 'Netzsystem Kunst'
zirkuliert, die vorgeschlagene Rekonstruktion von Netzwerkbeobachtern
praktiziert und als neue Spielregel im Kunstkontext akzeptiert wird: Das Netz-Werk
wandelt sich vom künstlerischen Beitrag zur Komponente des 'Netzsystems Kunst'.
Joseph Beuys' Vorschlag des Museums als Ort der "permanenten
Konferenz" (den er auch in musealen Kontexten praktizierte) wäre
multilokal über die Dialogpositionen eines 'Netzsystems Kunst' realisierbar.
Die Dialogpositionen lassen sich durch eine permanente Kritik des
Kommunikationsrahmens Kunst 'besetzen' und verändern. Die alternative Praxis
der 'freien Bürgernetze' lässt sich so auf den Kunstbetrieb übertragen. Vorbilder
dieser kritischen Dialogkunst liefern Joseph Beuys' Informationsbüro der
"Organisation für direkte Demokratie durch Volksabstimmung" 1972 auf
der documenta 5 in Kassel und die Podiumsdiskussionen, die Mitglieder der
Künstlergruppe Art & Language 1975 in australischen Museen (National
Gallery of Victoria, Melbourne, Art Gallery of South Australia, Adelaide)
organisierten. Von dem Art & Language-Mitglied Terry Smith wurde in diesen
Podiumsdiskussionen die internationale Dominanz amerikanischer Kunst und des
amerikanischen Kunsthandels im australischen Kontext problematisiert. An diese
Formen der seit Ende der sechziger Jahre sich zur kunstinternen
Institutionenkritik wandelnden Anti-Kunst (von der Anti-Kunst zur
Kunst-über-den-Kunstbetrieb) können in Datennetzen operierende kontextkritische
Netz-Werke anschließen und sie ausdifferenzieren."
Seit
den Pionierleistungen der Objektkunst und den ersten Happenings werden durch
neue Präsentationsformen etablierte Kunstdefinitionen umgestoßen oder Kunstdefinitionen
werden zur Ausgrenzung von neuen Präsentationsformen aus der Institution Kunst
eingesetzt. Die Vernetzungen von Medien und Kanälen provozieren zu
Modifikationen von Kunstdefinitionen nicht mehr durch einen Medienbruch (durch
den Wechsel der Präsentationsformen), sondern durch die Medien- und
Kanalkombination. Nicht genuin künstlerische, aber teilweise bereits
künstlerisch vorbelastete Technologien werden in Konzepte integriert, die
Interaktivität, Kollaboration, Dis- und Relozierung, Mehrweltsimulationen bzw.
Programmwechsel im Programm und Transformationen vorsehen. Dabei müssen weder
"Intermedia" (Higgins 1966) noch Gesamtkunstwerke, weder
Zwischenformen noch neue Ganzheiten entstehen, sondern durch Interaktion mit
Beobachtern und Umwelt transformierbare und sich transformierende,
differenzierbare und sich ausdifferenzierende Strukturen können entwickelt
werden. Mit diesen Fähigkeiten nähern sich die Werke den Prozessen an, die
institutionelle Rahmenbedingungen konstituieren und verändern: Die Beziehungen
zwischen institutionellen Rahmenbedingungen der Kunst und von Kunstwerken
offerierten Kommunikationsrahmen, zwischen 'Netzsystem Kunst' und Netz-Werken,
sind als Relationen zwischen unterschiedlich transparenten Schichten
darstellbar: Was aus der Sicht der einen Schicht fehlt, wird im Durchgriff auf
die andere Schicht erkennbar. Jeder dieser beiden Schichten Netz-Werk und
'Netzsystem Kunst' kann wiederum mehrschichtig untergliedert sein und in diesen
Unterschichten Relationen zwischen Werk und Kontext ausdifferenzieren.
Mehrschichtige Netz-Werke komplizieren die Relation zum 'Netzsystem Kunst' in
einer Weise, die den Fall wahrscheinlich macht, dass ein Netz-Werk dem
'Netzsystem Kunst' schon eine Modifikation seines (Meta-)Metarahmens geliefert
hat, bevor das 'Netzsystem Kunst' in seinem alten Zustand darauf zu reagieren
fähig war.
Kommentar S.P.:
Wie schon an anderer Stelle
erwähnt, muss unbedingt beachtet werden, dass das Kunstsystem sehr häufig den
Meta-Metarahmen bereits durch andere mediale Systeme geliefert erhält,
gezwungen ist, auch in seinen Modifikationen und in seiner Kritik diesen
vorgegebenen Rahmen affirmativ zu
benützen, und oft erst infolge der sozialen Implikationen dieser neuen
Medien reaktiv zu diesen neuen Systemen durch
Benützung derselben Stellung bezieht.
Wir wollen auch nicht verhehlen,
dass wir in den oben geschilderten inner-gesellschaftlichen neuen Erweiterungen
des Kunstsystems nur sehr geringe Potentiale der Gesellschaftsveränderung
sehen. Bildlich: die evolutiven Horizonte dieser Inter-Aktion des Kunstsystems
mit den anderen Untersystemen der Gesellschaft erscheinen uns zu wenig reflexiv
und zu wenig geeignet, die Färbungen des Systems in Richtung auf qualitativ
neue Parameter zu überschreiten[15].
Zwischenmenschliche partizipatorische Kunstformen
des Aktionstheaters der sechziger Jahre sind in den siebziger Jahren zu ersten
Formen interaktiver Telekommunikation weiter entwickelt worden. Waren diese
Formen des Gebrauchs von interaktiver Telekommunikation nicht nur im
Kunstkontext, sondern auch als TV-Anwendungen neu, so werden sie heute durch TV-Shows
mit Zuschauerrückkoppelungen (Life-TV, Telefon) kolportiert: Der Zuschauer wird
nicht zum "participant", sondern demonstriert als Mitspieler noch die
Macht der Massenmedien, die Zwei-Weg-Kommunikation (Interaktion) ihrer
Ein-Weg-Kommunikation vom Sender zum Empfänger subordinieren. In den Anfängen
interaktiver Telekommunikation versuchten Künstler, neue Möglichkeiten der
Zwei-Weg-Kommunikation zu etablieren. In den neunziger Jahren sind Angebote von
Kunstadressen in Datennetzen (und reaktive CD-ROMs) nur kunstspezifische
Besonderungen von sich schnell durchsetzenden Kommunikationsmedien. Die
Situation des Beobachters gegenüber lernfähigen Elementen mit Zugängen über
Datenfernübertragung ist dagegen heute noch so neu, dass genauere Trennungen
zwischen Kunst und Forschung noch nicht entscheidend sind: Beide sind daran
interessiert, neue Medien in neuen Modellen für Weltbeobachtung zu erproben. An
eine Medienkunst-Geschichte, die verfolgt, wie Künstler reaktive Systeme
parallel zu technischen Innovationen weiter entwickeln, sind aktuell
realisierte Systeme anzuschließen, die Möglichkeiten der Aktion mit
lernfähigen, sich (teilweise) selbst organisierenden Maschinen enthalten.
Alternative Kunst der sechziger und der siebziger Jahre setzte lokale Zwei-Weg-Kommunikation gegen die Ein-Weg-Kommunikation der multilokalen Massenmedien. In den neunziger Jahren werden Multilokalität und Zwei-Weg-Kommunikation (bzw. Polykontexturalität und Interaktivität) zu primären Kriterien des Mediendiskurses und der Medienkunst. Hinzu kommen die Brechungen der Vorstellungen von Intelligenz, zu denen Beobachter sich durch Mensch/Maschine-Schnittstellen provozieren lassen können. Die lernfähige Maschine wird zum "viablen" Gegenspieler, der dazu provoziert, mit variablen Modellen von Intelligenz zu arbeiten.
Fragen des Gebrauchs der Prädikate
"menschlich" und "maschinell" sind durch Fragen an die
Komplexität der Selbstorganisation von Systemen ersetzbar. Maschinen und
Menschen treten in "System-zu-System-Beziehungen"
(Luhmann) zueinander. Die komplexe Lernfähigkeit menschlicher
Intelligenz/Rechner und das Problem, ob digitale Datenverarbeitung mit
menschlichem Denken je konkurrieren kann[16], liefern
keine Argumente gegen "System-zu-System-Beziehungen" zwischen
Maschine und Mensch: Ein auf maschineller Datenverarbeitung aufgebautes System
muss, wenn es mit ausschließlich auf menschlicher Intelligenz basierenden Systemen
in Beziehung tritt, nicht von vergleichbarer Komplexität sein. Reaktive
computergestützte Installationen können hinreichend komplexe Gegenspieler für
menschliche "Beobachtungsoperationen" sein, ohne mit menschlicher
Intelligenz an Verarbeitungsfähigkeit konkurrieren zu müssen. Reaktive Systeme
sind so konzipierbar, dass sie Akteure zu einem Wechselspiel zwischen
"Beobachtungs-" und Beobachteroperationen provozieren. Dieses
Wechselspiel kann als Modell und Anleitung zu ähnlichen Wahrnehmungsprozessen der
Refokussierung im Alltag verstanden werden. Beobachtungskonzepte arbeiten mit
Reduktionen von Komplexität durch Abstraktion. Künstlerische Installationen
können unterkomplexe Beobachtersituationen offerieren, die gerade durch ihre
Unterkomplexität als Erfahrungsmodell mit impliziter Anleitung zur
Restrukturierung von Welt-(und Kunst-) Beobachtung taugen.
Reaktive Systeme können `Spielregelspieler´
zulassen, die nicht nur im, sondern auch mit dem System spielen. `Spielregelspieler´
ergeben sich bei Modellen, die dem Beobachter (begrenzte) Eingriffe in ihre
Systemstruktur erlauben. Die Möglichkeiten der Netz-Werk-Architektur, lassen
sich, wenn die Konzeption der `Spielregelspieler´ hinzugefügt wird, in
folgendem Idealmodell zusammenfassen:
a. Verarbeitung von über Sensoren gewonnene Daten
von Außenwelten in sich selbst bewegenden und lenkenden, eigene
Beobachteroperationen ausführenden Robotern.
b. Verarbeitung der Roboter-Datenverarbeitung in
einem zentralen Rechner. Teilweise werden die verarbeiteten Daten an die
Roboter weitergegeben und entlasten somit deren kleinere, ihre Mobilität
möglichst wenig einschränkende Rechner. Auch werden diese vom zentralen Rechner
verarbeiteten Daten über Datenfernübertragung an Medien weitergeleitet, die die
Schnittstelle für Beobachter/User bilden.
c. Die Schnittstelle für User zum zentralen Rechner
wird von Präsentations- und Dateneingabe-Medien gebildet. Zwischen
Dateneingabemedien und Rechner verbindet Telekommunikation.
d. Die Schnittstelle für User (c.) ist selbst als
reaktives, mit dem zentralen Rechner gekoppeltes Environment gestaltet. Die
Beobachteroperationen an der Schnittstelle zum Rechner werden von Sensoren
(statisch oder auf Robotern) registriert und ebenfalls dem zentralen Rechner
zugeführt. Entweder werden diese aus der Beobachtung des Beobachters gewonnenen
Daten eigenen Präsentationsmedien zugeführt oder sie beeinflussen die
Präsentationsmedien im User-Environment, die vermittelt über den zentralen
Rechner die Beobachtungen der Roboter in der Außenwelt (a.) umsetzen.
Ein Beobachter kann Zugang zu der
Programmarchitektur im zentralen Rechner erhalten. Er kann als
`Spielregelspieler´ diese Architektur wie die Organisation der Komponenten des
Netz-Werkes de- und anders rekonstruieren. Er kann auch über den zentralen
Rechner die Roboterprogramme und damit deren Generierung von Beobachter- aus
"Beobachtungs"-Rechenoperationen verändern. Der Beobachter/User kann
sich damit begnügen, den Dateninput der Roboter zu manipulieren. Der User
steuert auf diese Weise wie durch Programmodifikation die Beobachteroperationen
des Roboters.
Bei
Programmodifikation verändert er die Roboter-Beobachteroperationen über
Modifikationen der Beobachtungs-Rechenoperationen.
Vom
Beobachter manipulierbar sind:
-
die von Robotersensoren registrierten Daten,
-
die von Sensoren im User-Environment registrierten Daten,
-
die Verarbeitung der Robotersensoren registrierten Daten,
-
die Verarbeitung der Daten aus Sensoren im User-Environment,
-
das Roboterprogramm und zwar das Programm des zentralen Rechners wie die über
es koordinierte Netzarchitektur (Ent- und Neukoppelung der
Input/Rechner/Output-Vorgänge).
Daten, die den Systemaufbau nicht modifizieren,
sondern gefährden, können als nicht kompatibel mit dem derzeitigen
Rechnerzustand vom zentralen Computer abgelehnt werden. Das System kann
Eingaben ablehnen, die bei seinem gegenwärtigen Zustand seine
Transformations-/Rechnerfähigkeit überfordern.
Ausdifferenzieren lässt sich die hier als Modell
vorgestellte Netz-Werk-Architektur durch User-Dialoge. Bennett/Kac haben in
"Ornitorrinco in Eden" ein Modell einer Lenkung der
Beobachteroperationen eines Roboters über mehrere User realisiert. Außerdem
wären mehrere Roboter in einem Feld möglich, von denen jeder von anderen Usern
gelenkt wird. "Beobachtungsoperationen" von Robotern, das
Beobachterverhalten ihrer Sensoren und Beobachteroperationen des Users an einer
Schnittstelle andernorts können sich im Rechner ergänzen und
Präsentationsmedien steuern. User können vom Rechner bei Dateneingaben, die
Roboter gegeneinander führen, korrigiert werden - und umgekehrt können User
Roboter korrigieren. Ein komplex vernetztes und ausdifferenziert geschichtetes
digitales `Informationssystem´ kann Zwei-Weg-Kommunikation zwischen Usern auf
mehreren Ebenen eröffnen. Interaktionen zwischen Usern (und Interaktionen
zwischen Netzkomponenten und Usern) sind auf verschiedenen Ebenen möglich:
neben der Manipulation von Sensoren-Input und ihrer Verarbeitung auf
Roboter-Ebene auch auf den Ebenen der Manipulation des Datenflusses zwischen
Roboter und Zentralrechner, zwischen Zentralrechner und der Schnittstelle für
User sowie zwischen dem Programm zur Datenverarbeitung im Zentralrechner und
der Koppelung der Komponenten zur Netzwerkarchitektur.
Es gibt in dem hier vorgeschlagenen Modell einer
Netzwerkarchitektur Beobachteroperationen von Seiten der maschinellen wie der
menschlichen Intelligenz: das Beobachterverhalten der Roboter mit Sensoren auf
Datensuche, des Users an der Rechnerschnittstelle und mobiler Sensoren des
reaktiven Environments, das Operationen des Users an der Schnittstelle
beobachtet. Beobachteroperationen von menschlichen und maschinellen Rechnern an
verschiedenen Stellen in der Netzwerkarchitektur werden an "Beobachtungsoperationen"
rückgekoppelt: An die Rechnerstruktur und an das Gedächtnis des Users.
Entscheidend ist, dass beide, maschinelle und menschliche Systeme, sich in dem
hier vorgeschlagenen Modell einer Netzwerkarchitektur gegenseitig beobachten
können. Das "Konzept des Beobachter
beobachtenden Beobachters" (Luhmann) erlaubt es, auf
die klassische Trennung zwischen Subjekt (mit Intentionen) und Objekt zugunsten systemtheoretischer Überlegungen
verzichten.
Da wir immer wieder versuchen, die in der Theorie
unterbelichteten Aspekt der Pragmatik
ergänzend einzufügen, wollen wir hier anhand unseres Gesellschaftsmodells
(1.2.3) die wichtigsten Wirkungen anführen, welche das Internet in den
einzelnen Elementen der Gesellschaft erzeugte. Das Modell ermöglicht dann
zusätzlich, sich zu verdeutlichen, in welchem Ausmaß diese Einzelwirkungen sich
noch interdependent überlagern. Manchen LeserInnen wird diese Ausführlichkeit
vielleicht als langweilige Wiederholung erscheinen, aber für das Mitdenken der Zusammenhänge ist der
Hinweis wiederum sehr hilfreich. Die Reflexionen zum Internet sind in blauer Farbe verfasst.
Faktor
1: Ebenen der Gesellschaft
Eine hoch
industrialisierte Gesellschaft wäre gekennzeichnet durch folgende vier Ebenen,
die ihrerseits in eine Mehrzahl soziologisch eindeutig abgrenzbarer
Unterbereiche zerfallen.
1.1 Religion – Kultur – Technologie –
Wissenschaft – Kunst
1.2 Sprache – Kommunikation – Medien
1.1 Wirtschaft
1.4 Politik – Recht (Verfassung, Verwaltung,
Gerichtsbarkeit) – Ethik
Zwischen Religion
und Internet kommt es zu sonderbaren Verschränkungen. Man spricht von einer
Theotechnologie, vom Verlust der Metaphysik und dem Aufbruch in den virtuellen
Raum, dem digitalen Gott mit seiner neuen Heilsutopie, als einer religiösen
Dimension des Cyberspace. Die im Internet realisierte Möglichkeit virtueller
Welten bedarf natürlich selbst einer genauen erkenntnistheoretischen Analyse
auch im Sinne unserer Kriterien. Hier genügt es darauf hinzuweisen, dass zu den
bisher vom Menschen in seiner Phantasie (D) erzeugten Welten, die dann ja
teilweise auch in die "äußere" Natur und Stofflichkeit umgesetzt
wurden, neue hinzukommen, deren Inhalte aber wiederum in ihren Begrenzungen zu
sehen sind, in denen sie häufig das menschliche Bewusstsein fesseln.
Das Internet hat die
"Kultur", wenn wir diesen
diffusen Sammelbegriff hier benützen, tief greifend verändert, indem sie in
allen anderen Faktoren, die wir aufführen, Veränderungen provoziert und
erreicht. Das führt zu einer oft unangebrachten Hymnik bezüglich der
integrativen Wirkungen des Netzes für die Weltgesellschaft. In Wikipedia finden
sich unter http://en.wikipedia.org/wiki/Category:Internet_culture
eine zusammenfassende Übersicht über das Gebiet.
Das Internet ist selbst
eine technische Innovation mit weit
reichenden Wirkungen (Medientechnologie). Netztechnologien ermöglichen
Informationstransfer, - Findung von Wissen (Recherche über globale
Suchdienste), kommunikative Informationsverschränkung von Communities aller Art
mit neuen Komplexitätsgraden usw. Veränderung und Erweiterung der
Kommunikationsstrukturen (Chats, Groups, Communities, Blogs, Foren, Facebook,
Twitter usw.).
Auf der Ebene der Wissenschaft ergeben sich erhebliche
internationale und nationale Integrationseffekte im Umgang mit
wissenschaftlichen Daten, Prozessen und Kommunikationsstrukturen. Globale
Zusammenarbeit; Erstellung neuer Arten interaktiver Lexika (Wikipedia);
Problemfeld: Public Domain gegen private property; Open Access Modelle der
Sharings wissenschaftlicher Arbeiten; Verbindung Wissenschaft und Bildung;
E-Learning, virtuelle Seminare, virtuelle Universitäten, Online-Journale,
Pre-Print-Server.
Auf der Ebene der Politik sind etwa folgende
Entwicklungen erfolgt: Veränderung von Öffentlichkeit (politische versus
mediale Öffentlichkeit und deren Überschneidungen); politische Online
Communities und deren Aktivismus; Elektronische Demokratie
(E-Democracy, Änderungen der politischen Partizipation und Information,
Wahlsysteme); neue Kommunikationsformen mit politischen Repräsentanten;
Aktionsvarianten der NGOs und Globalisierungsaktivisten; Erzeugung virtueller
Öffentlichkeiten; neue Bürgerinformationssysteme, Freenets, bürgernähere
Verwaltung, interaktive Planungsbeteiligung. Die Terrornetzwerke bedienen sich
besonders effektiv der Netztechnologie. Die Vorherrschaft Googles und die
letzten Hackerangriffe auf das Unternehmen durch China erreichen politische
Dimensionen und Implikationen.
Auch die Wirtschaft hat in ihrem Charakter durch
die Netzkultur gravierende Änderungen erfahren. Die von uns im Weltsystem der
Wirtschaft besonders betonte Macht, Effizienz und Kontrollfunktion des
internationalen Finanzkapitals (als dem Hirn des internationalen
Kapitalismus)und seiner digitalen Disposition über hoch gesicherte Datennetze
ist wohl die markanteste Neuerung. Die New Ecomomy[17], ein eigener
Wirtschaftssektor, der sich nur über das Internet abspielt, bildet sich in
Gegensatz und Verbindung zur etablierten Wirtschaft. Internationale Netze
führen zur Globalisierung der Geschäftsfelder in Produktion, Vertrieb und in
der Auslagerung bestimmter Elemente. Die Unternehmen werden einerseits gezwungen,
die neune Technologien zu benützen und andererseits werden sie durch neue
Unternehmen, die nur im Netz agieren
herausgefordert. Neue Vertriebswege (B2B und B2C Commerce); Für die
Ökonomisierung an sich ökonomiefreier virtueller Räume sei etwa an Second Life[18] erinnert, wo
"reale Unternehmen" in dieser virtuellen Welt Filialen errichten, und
das Second Life selbst völlig von entgeltlichen Waren und Dienstleistungen
durchdrungen wird z.B. http://arktis.de/apfelland/;
(Ökonomisierung der virtuellen Räume). Google, die mächtigste Suchmaschine
verändert sich zunehmend in eine kommerzialisierte Website und besitzt
hochgradige controlscreenings für die Zugriffsdaten; filtert aber etwa in China
den Zugang zur Suchmaschine mit staatlicher Abstimmung. Webauftritt und Werbung
im Internet stehen vs. Fernsehwerbung. Google und Apple ringen um die
witrtschaftliche Frage, wie der jeweilige Koloss sein Geld verdienen soll. Mit
Ads oder Apps, also mit Gratisangeboten verbunden mit Werbe-Ads oder durch
bezahlte Apps, die der Konsumer kauft.
Die Ebene Sprache-Kommunikation-Medien[19] wird durch das Internet wohl am meisten
betroffen. Die LeserInnen werden gebeten, sich die Wirkungen der folgenden
Gesichtspunkte auf alle anderen
Elemente des Modells zu vergegenwärtigen[20].
Für die Internet-Protokoll-Familie
ist dabei das TCP/IP-Referenzmodell maßgebend. Es beschreibt den Aufbau und
das Zusammenwirken der Netzwerkprotokolle
aus der Internet-Protokoll-Familie und gliedert sie in vier aufeinander
aufbauende Schichten. TCP/IP steht für Transmission Control Protocol/Internet
Protocol.
Asynchrone
Kommunikation sind E-Mail, Newsletter, Mailinglisten, Newsgroups und Blogs.
Synchrone Kommunikation erfolgt über Chats, IRC und Messenger. Die Raum- und
Zeitdimension werden verändert ("Global Village").Die interaktiven
Instrumente des Netzes erzeugen virtuelle Gemeinschaften (z.B. Web 2.0
Communities, Ausbau sozialer Netzwerke, Online-Journalismus), erzeugen
parallele Welten und Subkulturen. Virtuelle Gemeinschaften besitzen eine
bestimmte Kommunikationsdichte, bilden neue Kommunikationsstile, wobei der
kommunikative Mehrwert in neuen Diskurstechnologien und Kommunikationsformen
liegt. Es zeigen sich aber auch Entwicklungen des "out of control"
mit einem anarchistischen Potential als "Selbstverständnis", die
Illusion jenseits von Zeit und Raum zu agieren wird gefördert. Risken, die auf
das Netz wirken sind Spams, Viren, Würmer, Hoax, usw. Risken für die User und
damit für die Gesellschaft sind: Internetsucht, Isolationismus (Auflösung
tradierter Rollenmuster), Gewaltverherrlichung, politische Verhetzung und
radikale Aktionismen, Pornographie, Pädophilie, Förderung von Aggressivität
unter dem Mantel der Virtualität und in den Spielwelten, usw.
Das Phänomen der
"Datenflut" (Mit Orientierungshilfen und Filtersystemen), des
theoretisch ungeahnten Ausmaßes an Zugang zu Daten, des Überschusses an
Information zu einem einzigen Thema, zwingt zur Erarbeitung einer Medienkompetenz.
Dimensionen der
Medienethik sind gefordert (Nettiquette), Interventionen nationaler und
internationaler Legislative und Jurisprudenz zur Kontrolle von Gewalt und
Pornografie. Balancierung der Verbindung zwischen virtueller und realer Welt.
In der Frage der Rechtssicherheit im
Internet gibt es den Konflikt zwischen Sicherung der Individualrechte
(Copyright usw.) und der Entwicklung eines Überwachungsstaates.
Eine Übersicht über die Internetdienste
enthält etwa http://de.wikipedia.org/wiki/Internetdienste#Tabelle_der_wichtigsten_Internetdienste
.
Faktor
2: Schichten
Die wirtschaftlich-funktionelle
Teilung der Gesellschaft spiegelt sich in den Schichten, die als miteinander
verbundene, aber auch im Gegensatz zueinander stehende
6 unterschiedliche
(Sprache-Kultur-Wirtschaft-Politik)-Untersysteme
gelten können. Die Gliederung
erfolgt nach dem Beruf,
ist also auf Positionen in den Wirtschaftsprozessen
bezogen. Die Gliederung repräsentiert in der Gesellschaft strukturell verfestigte
Diskriminierungselemente, die man grob als Unterdrückung oder strukturelle
Gewalt (kondensierte Diskriminierungsstruktur) bezeichnen könnte.
Für die westlichen
Industriestaaten setzen wir folgende Schichten an:
6. Schicht: große
Selbständige, höhere Angestellte
und
Beamte, freiberufliche Akademiker
5. Schicht: kleine
Selbständige, Bauern inbegriffen
4. Schicht: mittlere
Angestellte und Beamte
neue Technokratenschichte des Internets
3. Schicht: niedere
Angestellte und Beamte
2. Schicht: Facharbeiter
1. Schicht: Hilfsarbeiter
und angelernte
Arbeiter
Für eine
Analyse der Wirkungen des Internets auf die Gesellschaft muss aber gerade der Schichtaspekt genau beachtet werden. Wer
profitiert wie von der neuen Technologie, wer setzt sie aktiv und wer passiv
ein? Wie benützen die verschiedenen Schichten das Netz für welche Zwecke? Wie
verändert das Netz das Leben der Menschen in den verschiedenen Schichten? Die
Hymnik von der gesamtgesellschaftlichen Transformation durch das Internet wird
durch diese pragmatische Prüfung sehr reduziert. Wichtig ist die Bildung einer
neuen Techno-Elite.
Faktor
3: Der Mensch
Im Zentrum des Raummodells der
Figur 2 befindet sich die jeweilige Wohnbevölkerung einer Schicht, wie in Figur
3 klarer erkennbar ist. Hierbei wird einerseits die
prägende Wirkung der Ebenen und die Position im Gesamtaufbau auf den Einzelnen
(hier des Facharbeiters und seiner Familie) sichtbar, andererseits zeigt sich
die Wirkung, die von den einzelnen Menschen auf die Ebenen und die anderen
Schichten ausgeht. Die von Habermas betonte Relation von System und Lebenswelt
(Ha 81) wird hier theoretisch sichtbar gemacht. Für jeden Menschen sind im
Weiteren Geschlecht und Lebenszyklus Determinanten der sozialen Bestimmung.
In allen derzeitigen Gesellschaftssystemen ist etwa die Stellung der Frau in
allen gesellschaftlichen Kriterien hinsichtlich Ebenen, Schichten, auch der
ethnischen Schichten, diskriminierend verfestigt.
Wir werden die
Wirkungen des Internets auf die Persönlichkeitsprofile noch unten behandeln.
Auch hier sei nur erwähnt, dass nicht alle Menschen in allen Schichten und
deren wirtschaftlichen, politischen, sprachlichen und kulturellen Parametern
gleich in diese Entwicklung integriert werden.
Faktor
4: Dimension des Raumes
(Territorialität) und der Zeit
Die Dimension des Raumes
(Staatsgrenzen, Verkehrswege, Ressourcen usw.) ist unerlässlicher Aspekt bei
der Erkenntnis sozialer Phänomene. Die geografische Verteilung der Bevölkerung
auf dem Staatsgebiet (ethnische Streuung) bedingt weitere typische soziale
Differenzierungen und Eigentümlichkeiten. Alle bisherigen Elemente (Ebenen,
Schichten usw.) sind mit diesem Faktor und seinen Wirkungen durchzudenken. In
den aktuellen Sozialtheorien hat besonders Giddens auf die Dimension des Raumes
Wert gelegt.
Es ist offensichtlich,
dass das Internet die Dimension des Raumes in allen gesellschaftlichen
Bereichen enorm verändert hat. Die Möglichkeiten der Transfers, Zuganges und
der Kommunizierbarkeit von Information ist in allen Faktoren, Schichten usw.
der Gesellschaft erhöht worden. Hier sind zweifelsohne integrative Wirkungen
gegeben.
Vor allem auch die
Zeitdimension wird innerhalb des Gesellschaftssystems durch das Internet
gewaltig verändert. Allein der fast simultane Transfer von Information und der
Zugang zu Information sind relevante Neuerungen.
Faktor
5: Dimension der Gegensätzlichkeiten –
Konflikte – Krisen
Die bisherigen Ansätze sind in den soziologischen
Richtungen des Funktionalismus besonders betont. Die folgende Dimension bringt
die konflikttheoretischen (meist auch dialektisch orientierten) Schulen in das
Modell ein. Während das bisherige Raummodell eher ein ruhiges Fließen von
Funktionen suggeriert, betrachtet diese Dimension die Vielzahl und Arten der
Gegensätze und Konflikte in der Gesellschaft.
Faktor
5.1: Innerpsychischer Gegensatz –
Mikrotheorien
Innerpsychische Gegensätze werden nach den
verschiedenen Schulen der Psychologie unterschiedlich begrifflich gefasst.
Die wichtigsten Richtungen der zeitgenössischen
westlichen Psychologie sind:
Behaviorismus und Positivismus (auch
Rassenpsychologien und -physiologien),
Psychoanalyse mit Nachfolgern Freuds,
Humanistische Psychologie,
Transpersonale Psychologie,
Grund- oder Ur-Psychologie, (Or-Om)-Psychologie.
Es handelt sich hier um eine grobe Vereinfachung.
Es wäre aber völlig ausgeschlossen, hier alle Schulen und Aspekte aller
Schulen der Psychologie auch nur in Übersicht anzugeben. Psychologien haben
jeweils ihre eigenen Erkenntnistheorien und deren Grenzen.
Faktor
5.1.1: Verbindung Psychologie – soziale
Identität (Virtual Communities)
http://en.wikipedia.org/wiki/Category:Virtual_communities
Wir erwähnten bereits, dass die soziologische
Theorienbildung sowohl Makro- als auch Mikrotheorien entwickelte, wobei
schließlich in integrativen Ansätzen versucht wurde, die beiden Gruppen
zusammenzuführen. Mikrotheorien gingen hierbei vom Individuum aus, versuchten
vor allem gesamtgesellschaftliche Phänomene und Entwicklungen aus der
individuellen Ebene heraus zu erklären.
Mit dem Hineinleben in die Gesellschaft ab der
Geburt werden soziale Identitäten gebildet, wobei die bereits bisher erwähnten
Faktoren 1 – 4 (für jeden unter-schiedlich) mitwirken. Hier sind alle geltenden
Theorien der Sozialisation zu berücksichtigen.
Im Rahmen der sozialen Identität entwickelt jeder
die
Auswahl-, Bewertungs- und Ordnungsstrategien und -muster
seines Verhaltens gegenüber den anderen Mitgliedern
des Systems, seine Geschlechtsidentität, aber auch seine "ökonomische
Identität" (in Beruf und Freizeit, als Konsument und Produzent usw.), auch
seine religiöse, kulturelle und national geprägte Identität. Der Gender-Ansatz
in der feministischen Theorie kann in unserem Modell alle seine
Diskriminierungsaspekte finden.
Gerade in Schnittpunkt zwischen
persönlicher und sozialer Identität sind durch das Internet wichtige
Veränderungen und Erweiterungen erfolgt. Individuelle Selbstdarstellung ist im
Netz als Identitätserweiterung und Zusatz-Konstruktion im sozialen Bereich
möglich geworden. Vor allem ergibt sich eine, die Kräfte der Phantasie (D) in
unserem Erkenntnismodell anregende Wirkung über den Aufenthalt der Person in virtuellen
Räumen und Kommunikationsstrukturen, wo man sich neue Identitäten erschaffen
kann, mit denen man sich in neuen sozialen Räumen und virtuellen Communities
bewegt. Die Virtualisierung des Sozialen
führt einerseits zu einer Fragmentierung (nur bestimmte Gruppen haben die
Möglichkeit, diese Techniken zu benützen) andererseits zu einer Globalisierung
bestimmter Kommunikationsfelder. Wir geben einen kurzen historischen Überblick:
Die Welt der
Avatare
Gehen Sie auf http://www.digitalspace.com/avatars/
„Entdecke und baue Virtuelle Welten im
Internet. Was ist ein Avatar? Es ist Dein Körper-double im Cyberspace, Deine
Teilnahme an virtuellen Gemeinschaften die online in zwei- und
dreidimensionalen virtuellen Welten wachsen. Mit dem Buch Avatars und dieser Website als Begleiter kannst Du nun primitive
Chat rooms hinter Dir lassen und Dich
vorwagen in die wahren Grenzen der virtuellen Welt des Cyberspace.“
Mit diesem Aufruf werden Sie auf der website empfangen. Folgende
Virtuellen Welten werden zum Einstieg präsentiert: Worlds Chat Space Station
einer ersten Station im virtuellen Sonnensystem; The Palace ( http://www.thepalace.com ) ein Asteroidengürtel kleiner
Welten. Man lernt hier die Navigation in zweidimensionalen Welten und das
Design eines eigenen Avatars. Alpha World und Active Worlds ( http://activeworlds.com )befinden sich auf
einem grünen Planeten wo von 100.000 en von Bürgern eine Stadt gebaut wird.
Hier lernt man das Strassenleben in einer dreidimensionalen virtuellen Stadt,
wie man sich seine eigene digitale Wohnung baut, sich verheiratet und im
Cyberspace Ski fährt. In den WorldsAway (http://www.worldsaway.com
) wird man in einen traumähnlichen Zustand versetzt, in einem Traumland mit
Karnevalsathmosphäre. Man lernt dort einen neuen Körper zu kaufen und zu
verkaufen usw. In Onlive Traveler ( http://www.onlive.com ) gerät man in eine
strahlende Welt von tausend Stimmen. Avatare mit riesigen drei-dimensionalen
Köpfen sprechen mit ihren eigenen Stimmen. Hier lernt man im Cyberpace zu
singen. In Virtual Places
( http://www.vplaces.com
) verwandeln sich Webseiten in eine virtuelle Welt. Auch hier lernt man sich
seinen eigenen Avatar und seine Wohnung in einer Stadt von Avatar-Häusern
anzufertigen. In Black Sun Passport ( http://www.blacksun.com ) führt einen das
cybernautische Fahrzeug Passport durch
das Sternentor Black Sun (benannt nach einem berühmten Klub in Neal
Stephenson`s Roman Snow Crash in ein ganzes Universum von Welten, wo man auch lernt, sich
seine eigene Welt zu bauen. Es ist die erste Virtuelle Welt die auf der Virtual Reality Modeling Language (VRML)
aufgebaut ist. In Comic Chat (http://www.microsoft.com/ie/comichat/
) agiert man selbst als Figur in einem lebendigen comic strip und spielt eine
Rolle in einer lebendigen Komödie. OZ Virtual (http://www.oz.com
) ist die Reise zu einem dunklen Stern. Unter Brave New Worlds ist eine Reihe virtueller Welten aufgezählt, die
verschiedene Themen wie Kultur, Sprache usw. präsentieren. Erwähnt werden Sony`s Community
Place Browser (CPB)( http://vs.spiw.com/vs/ ) , Pueblo:Gateway to MUD-verse ( http://www.chaco.com ), Sense`Media`s The Sprawl:
Pan Pacific Worlds http://www.picosof.com/sprawl/ ),
Intel`s IDMOO Experiments (http://connectedpc.com/iaweb/idmoo/
), Microsoft V-Chat: Frantic Antics (http://vchat1.microsoft.com/
), NTT`s InterSpace ( http://www.ntts.com/interspace
), La Deuxieme Monde (http://www.2ndworld.fr/journal/journal.htm
) Gaming Worlds und Artificial Life in Cyberpsace.
Virtuelle Welten mit Avataren sind die Kinder
zweier Systeme, die letztlich zusammengebracht wurden. Einerseits entwickelten
sich virtuelle Gemeinschaften die ihre Kontakte auf Textbasis entwickelten, wie
WELL( Whole Earth `Lectronic Link; http://www.well.com/) , die MUDs (Multi User
Dungeons) und ICR ( Internet Relay Chat). Ein früher Versuch eine grafische
Oberfläche für textbasierende VR zu entwickeln ist Habitat. (http://www.habitat.com ). Der andere
Elternteil ist das Computerspiel, wo die Zunahme der Qualität und der
Lauffähigkeit von Spielen wie Myst neue
Standards setzten. Im Frühjahr 1996 kamen mit Worlds Chat die beiden Elemente
zusammen.
Neuste Entwicklungen auch über MOO(MUD objekt
oriented) siehe im Kapitel "Kommunikationsräume und Identitätssspiele:
MUDs + MOOs" von Christine Böhler: Literatur im Netz. 2001.
Adressen:
http://lingua.utdallas.edu:7000
; www.cc.gatech.edu~asb/MedaMOO;
www.sissyfight.com; www.worlds.com;
Inzwischen ist die Entwicklung weiter
fortgesetzt worden. Wir erwähnen nur die site "Second Life" und die
deutsche Zugangsadresse http://arktis.de/apfelland/
Ein Überblick über die unzähligen Bedeutungen
muss bei indischen Lehren beginnen.
„Avatara ist ein Herabsteigen der geoffenbarten
Gottheit in eine illusive Form von Individualität, eine Erscheinung, die für
die Menschen, die in diesem illusiven Plane leben, objektiv ist“ sagt H.P.
Blavatsky in ihrer Geheimlehre.
Diese ursprüngliche Bedeutung des Begriffes
Avatar hat sich auch in Indien selbst gewandelt und „ für jemanden, der mit
Multi-User-Umgebungen vertraut ist, bedeutet Avatar ganz einfach die Identität, die jemand im Cyberspace
angenommen hat.“ (Vesna). Der Ursprung des Wortes in der Industrie lässt sich
nicht so leicht klären, die hinduistische Wurzel war jedoch maßgebend. Der Name
Avatar erfreut sich heutzutage offensichtlich großer Beliebtheit. Zahlreiche
Gesellschaften haben verschiedene Versionen, in der Regel in Kombination mit
einem anderen Wort registrieren lassen (z.B. Software für den Handel im
Internet, eine Bau- und Immobilienfirma aber auch ein Kursangebot als Beitrag
zur Erschaffung einer aufgeklärten planetaren Zivilisation).
Wir beobachten hier eine allmähliche
Pervertierung und Verformung – wohl auch Beugung – eines ursprünglich sakralen
Begriffes durch den Einsatz des Begriffes in einer materialisierten Kommerzwelt,
um durch die Instrumentalisierung einer mystischen Dimension für psychologische
Funktionen des Produktabsatzes (etwa von Software) Effekte zu erreichen. Unter
Bezug auf die indische Wurzel schreibt etwa Peter Small in einem Buch Magical Web Avatars:“ Das Erfassen
dieses Begriffs macht den Ausdruck Avatar zum idealen Wort für die Beschreibung
der Web-Kommunikationsprodukte in diesem Buch“( Vesna). Vesna schreibt etwa:“
Im Cyberspace stellt der Avatar ein ungewohntes Zusammenspiel von linken
Utopien und rechtem Unternehmertum, gewürzt mit einem Schuss esoterischem
Spiritualismus dar. Die New-Age-Religion operiert Hand in Hand mit
Netzwerktechnologien und Firmenstrukturen, - den neuen Gesellschaften, die sich
in allen Bereichen der High-Tech-Industrie entwickeln“. James Hillmann hält die
Wirtschaft für den einzigen, synkretistischen Kult, der heute in der Welt
besteht, den einzigen ökumenischen Glauben unserer Welt. Vesna beendet ihren
Aufsatz mit der wichtigen Überlegung über die wahre Hierarchie in diesen
Systemen: „Es ist klar, dass der Weg,
den die meisten Gesellschaften einschlagen, in der Entwicklung von
Multi-User-Communities mit genormten
Avataren besteht. So ist die Verbindung zwischen dem Benutzer, dem
physischen Selbst und dem Bankkonto direkt und eindeutig. Die von den Firmen
gestiftete Verwirrung hinsichtlich der Idee des Avatar besteht darin, dass
jene, die an der Spitze der Hierarchie stehen, - die Besitzer der Server- das
Fußvolk der Benützer zu Avataren berufen. Dies verleiht dem Anwender vermeintliche
Macht, und schließlich beginnt er misstrauisch zu werden. Die Technologie wird Gott, namenloser Avatar, unsichtbare Macht.“
So erweist sich die scheinbare mystische
Dimension dieser Welten im Cyberspace als pervertierte Konstruktion kommerzieller
Gefängnisse.
Wir können hier aus Platzgründen nicht die
Vielzahl der anderer Virtueller Welten auch nur erwähnen, die im Bereich
wissenschaftlicher, künstlerischer, technischer, wirtschaftlicher,
sprachlicher, politischer und sozialer Kommunikation im Internet bereits
etabliert sind. Es ist geradezu bereits ein Zustand erreicht, dass täglich neue
Welten entstehen, alte als unbewohnt hinterlassen werden. An dieser Stelle
wollen wir vor allem zwischen Virtuellen Welten, in welche der Benützer
eintritt ohne dort als Avatar gestaltend einzugreifen (z.B. das virtuelle
Kreditsystem der Deutschen Bank, die jährlich 13,76 Mrd. Schilling für den
Ausbau ihrer Net-Tätigkeiten investiert), und jenen unterscheiden, wo er mit
einer eigenen Cyber-Identität mit „gleichartigen“ Personen in einer bestimmten
Welt virtuell lebt.
Uns interessiert hier die grundsätzliche
Tatsache, dass Menschen mit einem physischen Körper und einer bestimmten
sozialen Identität in einer bestimmten Gesellschaft zusätzlich zu dieser
Identität und in Erweiterung derselben im Cyberspace neue Persönlichkeitsteile,
neue Identitäten ausbilden, und mit diesen neuen Persönlichkeiten als Avatare
in bestimmten virtuellen Welten (VR) neue Kommunikationsbereiche erschließen.
Es haben sich also in einem staatenübergreifenden Ausmaß neue soziale Formen
des Zusammenlebens zwischen Menschen gebildet.
Uns interessieren im Weiteren zwei wichtige
Fragen:
a) Was bedeutet das Leben in solchen VR und
diese Erweiterung, wenn wir den gesamten körperlich-geistigen „Apparat“ des
Menschen betrachten? Wo liegen die Erweiterungen (Entwicklung einer online
Persönlichkeit) und wo liegen vielleicht neue gefährliche oder bedrohliche Begrenzungen, Fesselungen, Manipulationen des
Menschen in derartigen neuen Welten.
b) Frage: Wenn sich durch diese Entwicklung das
menschlichen Bewusstsein als kollektives Sozialbewusstsein global erweitert,
ist der auf digitalen (also mathematischen) Operationen beruhende Cyberspace
die Universalwelt, in der die Teilwelten der technischen, wirtschaftlichen,
kulturellen, künstlerischen und wissenschaftlichen Virtuellen Realitäten
enthalten und operabel sind? Ist also die „Universalwelt“ des Cyberspace die
letzte und höchste Instanz für die Bewusstseinsentwicklung der Menschheit? Oder
ist sie womöglich eine äußere gefährliche Begrenzung, ein „düsteres Verließ“
welche die Evolution der Menschheit zu anderen, unendlichen Horizonten
verschließt.
Wir möchten einige Befürworter und Kritiker
dieser Entwicklung zu Wort kommen lassen.
Margaret Wertheim (in Bechmann) weist auf die
bei David Noble vertretene Meinung hin, dass Theoretiker des cyberpsace in
dieser vom Körperlichen befreiten Vereinigung der Menschen in den virtuellen
spirituellen Welten im Netz die Vision der vom Körperlichen befreiten
platonischen entkörperten transzendenten Vollendung erblicken und in "The
Religion of Technology" wird der cyberspace auch als der Ort des Neuen
Jerusalems der Apokalypse gesehen, " wo Ungleichheiten von Rasse und
Farbe, Alter und Geschlecht weggeschmolzen werden, uns reinigend von den Sünden
des Körper und neu bilden als Wesens des Äthers. Entkörpert und
dematerialisiert werden wir erlöst in ein „package-switched paradise“ einer
digital eingeleiteten unendlichen persönlichen Ausdrucksfähigkeit". Dies
besonders auch hinsichtlich des kommunikativen Aspektes des WWW.
"Nicht nur ein menschliches Leben, sondern
durch die Magie der MUDs quasi menschliche und sogar übermenschliche
Wesen, Hexen, Zauberer und Dämonen,
sprechende Hunde, intelligente Pilze und Mensch-Fisch Hybride findet man in den
Millionen Labyrinthen der MUD-Welten“.
Cyberspace kreiert eine parallele Welt welche
in einem sehr realistischen Sinne ein neuer Kosmos der Psyche ist. Dies bedeute
das Ende des materialistischen Monismus, weil es sich hier um rein geistige,
entkörperlichte Welten handelt.
Negativ äußert sich Matthew Aaron Taylor : Ein siegreicher wissenschaftlicher Materialismus
führt zu einer neuen Religion, einer Theologie, einer Theologie ohne
transzendente Gottheit. Die systematische Ablehnung des Theismus wird selbst
zum Religionssystem. Fundament desselben ist der Darwinismus, Menschen sind
Maschinen, intelligente Lebensformen auf der Basis von Silikon. Dennet wird
zitiert.
Florian Rötzer: Zitiert The Californian
Ideology. 1996 http://www.wmin.ac.uk/media/HRC/ci/calif.html.
Die
sozialen Probleme der Realität werden im cyberspace nicht beseitigt. Auf der
einen Seite lobt man überschwänglich in "Cyberspace and the American
Dream: A Magna Charta for the Knowledge Age."
http://www.pff.org./position.html die demokratischen Prinzipien im Cyberspace,
auf der anderen Seite werden die Schattenseiten und die realen sozialen
Probleme Amerikas ausgeblendet: Rassismus, Armut und Umweltzerstörung.
Virtuelle cities entstehen während gleichzeitig ein sozialer Verfall der realen
Stadtkultur zunimmt. Es kommt zur Spaltung in die Intelligenz im Cyberspace und
den outcasts.
Gundolf S. Freyermuth: Cyberland weise auf die
Vision Theilhard de Chardins hin: Die Evolution steuere auf einen Punkt zu, an
dem alles in der Welt vorhandene Bewusstsein sich zu einem kollektiven Verstand
vereinigen werde. Technologien erscheinen als Teil der natürlichen Evolution.
Thimoty Leary spricht von der psychodelische Kraft der VR.
Es entwickelt sich ein Technopaganismus
(Techno-Heidentum), eine Verbindung von Cyberspace und Magie. Beide
manifestieren sich rein in der Imagination(alt.pagan. und soc.religion.eastern
Usenet Lgroups).
Eine Gruppe von Extropianern führt einen Kampf
gegen die Entropie. Es müsste eine Kopierung menschlichen Bewusstseins in
digitalen Räumen erfolgen. Es gibt „Temporär autonome Zonen“ (TAZ) mit
Cyberspacesiedlungen zumindest teilweise frei von jeder Kontrolle.
Gerhard Wegner in „Das Selbst im Cyberspace“
vergleicht die Welten im Cyberspace mit dem Turmbau zu Babel und stellt sie in
Gegensatz zu den Sphären welche durch das Pfingstfest erschlossen werden. Die
Welten des Cyberspace seien selbst konstruierte Wirklichkeiten des Menschen für
partikulare Zwecke. Die Sphäre des Pfingstfestes hingegen sei eine
Wirklichkeit, die über den Menschen hereinbricht, er ist empfangend, es wird
Frieden gestiftet (in Faßler 1999).
Peter Weibel schreibt: „Die Mechanismen der
sozialen Konstruktion werden zunehmend durch Mechanismen der medialen
Konstruktion von Wirklichkeit ersetzt. Medien bilden weltweit eine
antidemokratische Kraft durch ihre Verknüpfung mit dem kapitalistischen Neoliberalismus, die antidemokratische
populistische Politiker unterstützen. Gesellschaftskritik muss Medienkritik
sein (in Faßler, 1999).
Schließlich sind die Schattenseiten des
cyberspace wie Wirtschaftskriminalität, Hackerproblematik, Rechtsextremismus,
Pornographie usw. genügend bekannt.
Faktor
5.2: Soziale Gegensätzlichkeiten
Unser Raummodell macht sichtbar,
dass soziale Gegensätzlichkeiten
a) auf den einzelnen Ebenen der
Gesellschaft und zwischen den Ebenen 1 – 4,
b) in der einzelnen Schicht und
zwischen den Schichten,
c) zwischen den Menschen,
d) in der geografischen Dimension
und in allen Kombinationen von a –
d bestehen.
Die Einführung des
Konfliktbegriffes eröffnet auf allen von uns eher funktionalistisch
erschlossenen Ebenen, Schichten und demographischen Dimensionen die vorhandenen
Prozesse und Motive.
Wir ermöglichen dadurch,
ungenau gesagt, zu erkennen, dass Gesellschaft stets Struktur und Spannung
gleichzeitig ist, wie überhaupt das gleichzeitige Denken der Gesellschaft als
Struktur (relativ stabilisierte Spannung) und Prozess (Änderung der Spannungsrelationen)
notwendig ist, um nicht allzu einfach zu verfahren.
Wir vervollständigen unser
Modell, indem wir im Schichtaufbau auf die Distanz der verschiedenen Ebenen (Sprache,
Kultur, Wirtschaft, Politik) hinweisen, welche die Spannungs- und
Konfliktpotentiale aus innerpsychischen und sozialen Konflikten andeuten. Die
Menschen der jeweiligen Schicht werden im Zentrum eingezeichnet.
Das Internet hat selbst
durch seine Entwicklung in der
Gesellschaft neue Konflikte provoziert und ist in der Lage, bestehende
Konflikte durch seine Technologie zu verschärfen und zu beschleunigen. Die oben
in allen gesellschaftlichen Bereichen skizzierten Wirkungen ergeben kumuliert
und interdependent gesehen eine Vielzahl neuer Komplikationen und vor allem
Komplexitäten, welche die Steuerung moderne Gesellschaften einerseits
erschwert, andererseits Hilfsmittel zu gefährlicher Kontrolle liefert.
Das Kunstsystem bildet im
Gesellschaftsmodell ein eigenes Untersystem und ist in den soeben dargestellten
Zusammenhängen eingebettet zu analysieren (vgl. etwa die Online Arbeit: http://netzspannung.org/media-art/publications/digital-transformations/).
Die Netzkunst ist selbst ein Sub-Subsystem, das wir im Folgenden kurz
untersuchen.
Wir wollen wieder mitten
ins Leben springen und aus Wikipedia
einen Ausschnitt für unsere Bearbeitung heranziehen:
Netzkunst ist ein Sammelbegriff
für künstlerische Arbeit in Netzen
und mit künstlerischen Netzwerken.
Hauptformen sind 'Kunst im Netz' und 'Kunst mit Netzwerken', Mischungen kommen
vor.
'Kunst auf dem Netz' ist keine Netzkunst. Sie
nutzt das Netz wie beliebige andere Medien. So werden im [WWW] - World Wide Web
Projekte und Werke analoger oder digitaler Kunst vorgestellt, die im Prinzip
auch ohne Netz möglich wären. Eine eigenständige künstlerische
Auseinandersetzung mit Netz oder Netzwerk liegt nicht vor bei: Angewandter Kunst
mit Webseiten (Applied Webart) im Dienst der Werbung; Seiten für
Künstlerkontakte; Verwendung des Begriffs 'Netzkunst' oder 'Netart' aus
Statusgründen, usw.
Kommentar
S.P.:
Diese
Unterscheidung ist äußerst wichtig, da die traditionellen Kunstformen wie Malerei
(teilweise neu erschaffen, teilweise transponiert in digitale Formen) wenn sie
im Netz präsentiert werden, noch keineswegs als Netzkunst gelten dürfen. Erst
der Einsatz der netzspezifischen Eigenschaften im Kunstprozess selbst führt
begrifflich zu Netzkunst.
Netart als Begriff
im Deutschen verwendet, kann als Sammelbegriff wie 'Netzkunst' gemeint sein,
oder wie meist im Englischen (vgl. en.wikipedia.org/wiki/Netart) in etwa
vergleichbar zu 'Internetkunst' (siehe unten). Unter Künstlern ist 'Netart'
eher ein Kürzel für eine bestimmte Kunstszene und als net.art ein
Etikett einer bekannten Künstlergruppe.
Ein Netz kann einerseits der Herstellung eines
künstlerischen Produkts
dienen, andererseits die technische Grundlage für den kommunikativen und
kreativen Prozess
eines Netzwerkes bilden. So gibt es Netzkunst in der Bandbreite zwischen
einerseits bedeutender Digitaler Netzkunst, die mit 'Netzwerk' nichts zu tun
hat und andererseits 'Kunst mit Netzwerken', die technische Kommunikationsnetze nur als untergeordnete Werkzeuge
einsetzt.
Netzkunst ist manchmal gleichzeitig an Netze und
ein Netzwerk gebunden. Wenn Teilnehmer telematischer Netze durch ständige
kommunikative Prozesse Netzwerke kreieren, werden sie darin zu Netzwerkern. Sie
können die Netzwerke verändern und sich darin bewegen. Dabei werde beliebige
technische Netze genutzt, oder es wird auf einer bestimmten Netztechnik
aufgebaut. Diese Auffassung von Netzkunst ist nicht nur durch
sozialwissenschaftliche Theorien, sondern auch durch soziale Utopien und
literarische Vorbilder inspiriert. Digitale Netzkunst ist aus dieser Sicht nur
eine der Möglichkeiten, technische Netze für menschliche Netzwerke zu nutzen.
Marshall McLuhans
Satz, "The Medium is the Message", ist für Netzkunst und ihre
Interpretation bedeutend. Sogar wenn ein Netzwerk auf den ersten Anschein
unabhängig von der Art der eingesetzten technischen Netze und
Medientechnologien funktioniert, hängen Form und den Inhalt jeder Mitteilung
und Darstellung davon ab und verändern dadurch die Wirklichkeit.
Ebenso wie der Übergang von Buchdruck zu elektronischen Netzen die Welt
veränderte, wirkt sich auch der Übergang zu digitaler Informationsverarbeitung
aus, denn sie beruht auf einem charakteristischen technologieabhängigen Verschlüsselungs- und
Entschlüsselungsvorgang, dessen Beherrschung weit reichende gesellschaftliche
Folgen hat.
Netzkunst ist schon durch teilnehmende Interaktion
in analogen telematischen Netzen erfahrbar. Zwischen 'unabhängig von digitalen
Medien' und 'mit digitalen Medien untrennbar verbunden' ist alles möglich. Für
digitale Netzkunst benötigt der Teilnehmer oder Netzwerker Geräte, Displays, Webseiten und
andere technische Mittel. Viele Erscheinungen, die erst mit dem Webseiten-Internet
(WWW - World Wide Web) bekannt wurden, sind jedoch in analogen telematischen
Netzen bereits zu beobachten. Ein einfaches Netz von Teilnehmern, die sich
Karten senden, kann durchaus ein soziales Netzwerk mit einem virtuellen Raum
erzeugen, in dem beispielsweise virtuelle Persönlichkeiten (siehe unten)
geschaffen werden können.
Geschieht die künstlerische Arbeit oder der
künstlerische Prozess in Auseinandersetzung mit digitalen Netzen
und einem entsprechenden Netzparadigma, so handelt es sich um 'Digitale
Netzkunst' im engeren Sinne. Netzkunst in Netzwerken dagegen, ist ihrem Wesen
nach nicht digital, selbst wenn sie unter Anderem auch digitale Technik in
digitalen Medien einsetzt, denn sie bezieht sich meist auf soziale oder
abstrakte Bedeutungen.
Netzkunst ist von Anfang an mit Vorstellungen
über Gesellschaftsveränderung
verbunden (siehe Kommunikationsguerilla, Medienguerilla)
und von Begeisterung für soziale und technische Möglichkeiten geprägt (siehe
"Telematische Gesellschaft" bei Vilém Flusser).
Kritische Versuchsanordnungen in Bereichen wie Wahrnehmung,
Medien und Gesellschaft sind für Netzkunst nicht
ungewöhnlich. Beispielsweise kann es Netzkunst sein, bestimmte soziale oder
kulturelle Traditionen des Internet bei Projekten außerhalb
der technischen Struktur des Internet zu praktizieren.
Kommentar
S.P.
Hier
zeigen sich wieder die von uns im Gesellschaftsmodell aufgezeigten wichtigen
Verbindungen zwischen Netzkunst und anderen Bereichen der Gesellschaft sehr
deutlich.
Netzkünstler interessiert die Dekonstruktion ästhetischer,
digitaler und meist auch gesellschaftlicher Codes. Netzwerke benötigen zwar die
positive mentale Teilhabe der Teilnehmer, unter Umständen können störende und
unbequeme Netzwerkstrategien künstlerisch aber auch konsequent sein.
Netzkunst kann sich auf eher technische und ästhetische Aspekte beziehen, aber in der
internationalen Szene der Netzkünstler interessiert auch der "kreative
Netz-Hack" als Akt des politischen
und ästhetischen Widerstands. Für die Künstler ist es nicht ungewöhnlich,
auch Netzaktivist und Hacktivist zu sein. Die Präsentation eines Computervirus
zur 49. Biennale Venedig war eben keine einsame kriminelle Tat, sondern eine
Werk von Netzwerkkünstlern. Der Übergang zu Netzaktivisten und Hacktivisten,
die sich nicht mehr als Künstler per se definieren, ist fließend. Viele gehen
gegenüber Kommerz und Macht so kreativ und subversiv mit Formen und
Inhalten um, dass es als Netzkunst verstanden werden kann. Künstlerische
Aktivitäten dieser Art geraten immer wieder in Gefahr, missinterpretiert und
kriminalisiert zu werden.
So wie Widerstandsrechte zur Politik, gehören zu Netzkunst auch
der elektronische zivile Widerstand, die egozentrische Kunst-Propaganda, die
Verunsicherung der Wahrnehmung, die kreative Fehlinformation und der
verantwortliche Einsatz destruktiver ästhetischer, digitaler oder sozialer
Codes im Rahmen des zivilen Ungehorsams.
Die jeweils aktuellen Formen von Netzkunst stehen vor Allem in Zusammenhang
mit Veränderungen in den Bereichen 'Telekommunikation',
'gesellschaftliche Interaktion' und 'Wahrnehmung in der Mediengesellschaft'.
Netzkunst kann diese Veränderungen reflektieren, daran beteiligt sein, und
manchmal sogar kommende Entwicklungen vorwegnehmen.
Schon im Mail Art Netz wurden virtuelle
Persönlichkeiten durch Netzkommunikation erzeugt. Besonders in den
Propaganda-Aktionen des Neoismus
sind virtuelle Persönlichkeiten, an denen jeder teilnehmen kann, als offene
Konzepte realisiert worden. Eine solche Persönlichkeit kann aus einem Netz der
an ihr Beteiligten Netzwerker entstehen und im umgebenden Netz in Erscheinung
treten und sogar kommunizieren. So führt heute etwa die Eingabe 'Karen Eliot'
in eine Suchmaschine in ein Dickicht neoistischer Propaganda, in dem mit etwas
Glück immer wieder jemand zu finden ist, der unter dem Namen Karen Eliot
antwortet oder fragt. Die virtuelle Persönlichkeit entstand in analogen Netzen
und setzt sich im Internet fort. Karen Eliot lebt von den neuen Bedürfnissen
und Möglichkeiten, mit ihr zu kommunizieren, ihre verstreute Identität
anzunehmen, sie für sich arbeiten zu lassen und sich durch sie überall
vertreten zu wähnen. So wurde die im Internet gebräuchliche Idee des Avatars[21] als
künstliche Persönlichkeit bereits in analogen künstlerischen Netzen
vorweggenommen.
'Kunst mit dem Netz' war kunsthistorisch nicht
leicht zu erfassen: Nach Verwirklichung eines prozessualen Kunstwerks in
kommunikativen Prozessen, ist es nur noch aus Nebenprodukten, aus Dokumenten
der gesellschaftlichen Rezeption und aus Künstlerarchiven rekonstruierbar. Deshalb
erfolgte die kunsthistorische Aufarbeitung nach heutigen Maßstäben verspätet.
Ab wann und wo der vielschichtige Begriff "Netzkunst" in Kunsttheorie
und Kunstgeschichte sinnvoll eingesetzt wird, bleibt daher diskussionswürdig.
Spätestens seit den frühen 1960er Jahren sind
bedeutende Entwicklungen wie Mailart, Happening und Fluxus und Konzeptkunst
festzustellen, die konzeptuell oder real, lokal oder global, vernetzt
kommunizierende und agierende Teilnehmer und Netzwerker voraussetzen. Zu
den ersten Initiatoren solch künstlerischer Netzwerke gehören Künstler wie Ray
Johnson, der seine Kommunikationszusammenhänge für teils reale, teils
'virtuelle' Ausstellungen nutzte; Yves Klein
and Ben Vautier, die 'Post-Skandale' inszenierten; und Ken Friedman, dessen
Ausstellungsprojekt '[Omaha Flow Systems]' (1972) den Charakter eines
Kommunikations- und Ereignisnetzwerkes hatte. Robert Filliou
prägte 1968 mit George Brecht den Begriff 'Fete Permanente'/'Eternal Network'
('Die Ständige Feier'/'Das Ewige Netzwerk'), der für die damalige kulturelle
Situation bezeichnend, für die Idee und Entwicklung eines
nichtmilitärischen Internet erwähnenswert und für künstlerische Netzwerker
grundlegend ist. Mindestens ab diesem Zeitpunkt ist 'Kunst mit dem Netz'
kunsthistorisch wahrnehmbar.
Bereits diese frühen Formen von Netzkunst haben
nicht nur analoge Netze, wie die Briefpost, sondern auch elektronische Netze
einbezogen, z.B. Telefon-
und Fax. Netzkunst
wurde weit vor Entstehung des World Wide Web, in Zusammenhang mit der besonders
für die digitale Bild- und Tonerzeugung bedeutenden Digitalkunst
zu Digitaler Netzkunst; zunächst über vernetzte Rechner an einzelnen
Forschungseinrichtungen, dann über das beginnende Internet. Bei den ersten
telematischen Kunstprojekten (s. Telematik), die auf
digitalen Netzen basierten, sind anfangs nur kurzzeitig Netzwerke als
Kunstwerke entstanden. In den 1980er
Jahren folgte die künstlerische Nutzung von Mailbox-Systemen
(vgl. Tilman Baumgärtel 'Immaterialien' am 26. Juni 1997 in Telepolis). Es
entstanden komplexere, auf digitaler Netztechnik basierende Netzwerke, die
unter anderem politisch bedeutend wurden, wie das [Zamir] Netzwerk). Webseiten
wurden etwas später, vorwiegend durch neue Akteure als visuell und akustisch,
aber auch als sozial und politisch einsetzbares Medium entdeckt. Dabei kann als
einer der wichtigsten Bezugspunkte bis etwa 2000 The Thing
genannt werden (Initiator und Betreiber: Wolfgang Staehle), und als frühe
Webart- und Netart-KünstlerInnen Olia Lialina
und [Heath Bunting] (s. Weblinks: irational.org).
Vorläufer für den Beginn von Netzkunst sind u.a.:
Der Postkartenaustausch der Künstler der Brücke bis 1913; Max Bense
und die Stuttgarter Gruppe/Schule ab Beginn der
60er Jahre. Die Organisationen von Joseph Beuys oder Robert Adrian X mit ARTEX;
u.a. machten Netze schon bewusst für Netzwerke dienstbar.
Netzkunst, oft als Mail Art, war im geteilten
Deutschland, sofern grenzüberschreitend, eine Auseinandersetzung mit
Postzensur, außerdem ein Besuchsnetz, das Künstler und Netzwerker aus vielen
Ländern gerade wegen der Ausreisebeschränkungen der DDR dort zusammenbrachte.
Es gab künstlerische Netzwerker, die als Kuriere zwischen Ost und West die
Grenzen der Machtblöcke überschritten um Mailart zu transportieren. So konnten
trotz Behinderung durch "staatliche Organe" sogar zwischen Mailart
Netzwerkern und Akteuren des Samiszdat einzelne Verbindungen hergestellt
werden.
Ein seit 1993-1994 bekanntes Beispiel für deutschsprachige digitale
Netzkunst ist unter [sero.org/handshake/] dokumentiert und teilweise benutzbar.
Der Ursprungsbegriff aus dem Englischen lautet Advertance–Limitation–Worth
Homepages (ALW-Homepages). Unter diesem Begriff werden Webpages
verstanden, welche durch eine künstlich erzeugte Limitierung Aufmerksamkeit
erzeugen und diese verkaufen. Diese Internetseiten bieten meist eine in
irgendeiner Weise logisch erklärende Limitierung wie etwa 1000.000 Pixel oder
die Zahlen von eins bis Tausend bis hin zu Zahlenspielen wo jede Ziffer hinter
einander gereiht wird zum Beispiel beim „the senseless 1234567$ club“.
Das Besondere an dieser Art von Netzkunst oder E-Business
liegt darin dass der Wert der Verkauften Einheiten (Pixel, Zahlen,
Clubmitgliedschaften, Werbefläche etc.) durch Aufmerksamkeit
generiert wird. Die Aufmerksamkeit wiederum wird dadurch generiert, dass ein
Preis verlangt wird für etwas, das noch keinen Wert hat, allerdings nur
beschränkt zur Verfügung steht. So entsteht eine Wertsteigerungsspirale.
ALW-Homepages die kleine 1- 1000$ oder flexible
Verkaufseinheiten an viele Käufer abgeben wie etwa die „million dollar homepage“
oder „onethousendpaintings.com“ waren höchst erfolgreich (über 1.000.000$
Gewinn) und haben mittlerweile dutzende von Kopierern gefunden. Als neue
Entwicklung ist www.1-2-3-4-5-6-7.org , “the senseless
1234567$ club“ zu sehen.
Andere Bereichsschlagwörter sind:
Internetkultur,
Kommunikationskunst, Mail Art, Medienkunst,
Netzliteratur,
Telekommunikation, Vernetzung,
demoscene,
Marianne-von-Willemer-Preis, net.art.
Für eine "Webness"
veranschaulichende und problematisierende Kunst sind nach Steve Dietz folgende
Kriterien zentral:
(1.1)
interactivity,
(1.2) connectivity,
(1.3) computability.
Lev Manovichs Kriterienkatalog widerspricht diesen
Kriterien nicht, sondern ergänzt sie:
(2.1)
database,
(2.2) interface,
(2.3) spatialisation,
(2.4) navigation.
Die
beiden Kataloge 1.1 bis 1.3 und 2.1 bis 2.4 enthalten Kriterien der Bestimmung
der Möglichkeiten des Web, die eine "new media
avant-garde" aufzeigen und erweitern kann. Der Beobachter kann im Internet
von Künstlern auf neue Weise in vorhandene Kommunikationssysteme integriert
werden oder es werden neue
Kommunikationssysteme – zum Beispiel neue Browser als Interfaces für
Datenzugriffe – entwickelt, die zeitgenössische Kriterien der Webness in Frage
stellen.
So problematisiert Maciej Wisniewskis
(Meta-)Browser Netomat
die Struktur von Informationssystemen ("databases"), die analog zu
Archiven, Dateien oder Seiten gegliedert sind, mittels eines Datenstroms, der
keine Gliederungen erkennen lässt. Das Interface Netomat problematisiert
mittels ungegliedertem Datenstrom das herkömmliche
Verständnis von Navigation im Internet.
Außerdem können etablierte
Gebrauchsweisen von (kunstextern entwickelten) Medien und Intermedia auch in
Netzprojekten durch eine Vorgehensweise, die im Kunstkontext spätestens seit
Pop Art üblich ist, zur Debatte gestellt werden: Künstlerische Modelle
thematisieren Weisen der (Relationen zwischen Beobachter- und)
"Beobachtungsoperationen", die (kunstextern) etablierten Gebrauchsweisen
von Medien und Intermedia nahe kommen oder entsprechen.
An die
Strategie künstlerischer Postavantgarde, die etablierten Beobachtungsweisen der
Popkultur in gewählten Medien und Medienkombinationen thematisiert, schließen
einige Neztprojekte an (s. Kap. Medienformen). Durch die Ausdifferenzierung von
webspezifischen Verfahren entstehen jedoch Alternativen zu
postavantgardistischen Strategien, die neue Medienmöglichkeiten durch Modelle
des Umgangs mit Vernetzung freilegen.
Um
Voraussetzungen für den Übergang von einer künstlerischen Postavantgarde zu
einer "new media avantgarde" zu erhalten oder zu verbessern,
versuchen Netzaktivisten durch Texte und Netzaktionen die Spielräume im
Internet zu erhalten und zu erweitern. Ohne diese Spielräume wären alternative
Netzaktivisten künstlerischer und anderer Art nicht möglich. Netzaktivisten
entwickeln in ihrem Umgang mit Software, der Netzorganisation und der Netzdaten
Strategien zur Behauptung und Erweiterung der Spielräume gegen kommerzielle
Interessen international operierender Korporationen (und deren Einfluss in ICANN). Damit wandeln Aktivisten und
Künstler die Frage nach Modellen für Gebrauchsweisen etablierter
Netzmöglichkeiten in Fragen, wer beeinflusst wie die Prozesse der Durchsetzung
bestimmter Netzmöglichkeiten, und wie können diese Instanzen in ihrer
Einflussnahme gestört oder ersetzt werden.
Hirschsteiner kommt in http://www.hirschsteiner.de/netzkunst_als_avantgarde.pdf
"Zusammenfassend lässt sich festhalten:
Das Avantgardesystems ist ein Subsystem des Kunstsystems, und
seine Funktion ist die Reflexion über die Pragmatik der Kunst. Einzelne
avantgardistische Strömungen sind Metaprogramme des Avantgardesystems.
Metaprogramme
sind als Gemeinsamkeiten der ihnen zugeordneten Werke beobachtbar, während die
Einzelprogramme die Kopplung der Elemente zu einzelnen Werke bestimmen. Eine
Geschichte der Avantgarden lässt sich einerseits als eine Abfolge von
Metaprogrammen, von „Theorien, Konzepten und Problemstellungen zur Kunst und
deren Objektivationen“ (Jäger 1991, S. 236) darstellen, oder auch – ebenfalls
auf der Ebene der Metaprogramme - orientiert an der Geschichte der Verbreitungsmedien:
parallel zur Etablierung neuer Verbreitungsmedien gab es immer auch Künstler,
die damit experimentierten (Telefon, Radio, Fernsehen, Fax, Video, Mailbox). In
den Medienkunstavantgarden wurde das jeweilige Verbreitungsmedium zum
Werkmedium.
Eine Avantgarde
ist dann die Fortsetzung eines alten mit neuen Mitteln, wenn die
Einzelprogramme Neukombinationen darstellen. Neu ist eine Avantgarde, wenn
Einzelprogramme entstehen, die auf spezifisch neue Metaprogramme zurückgeführt
werden können.
Es wird niemand
bestreiten, dass es auf dem Gebiet der Medientechnologie Neuerungen geben wird,
die sich heute schon abzeichnen. Wenn dem so ist, und man den vorangegangenen Ausführungen
folgen möchte, bietet die Systemtheorie einen gewinnbringenden Perspektivenwechsel,
der uns zumindest eines mit großer Wahrscheinlichkeit sagen lassen kann: Es wird neue Avantgarden geben.
Im
Netzkunst-Rundgespräch vertrat Michael Böhler die These, dass „die
Gegenwartskultur in unterschiedliche Kulturmilieus zerfällt, die nicht mehr
hierarchisch aufeinander bezogen werden können und deren Produktionen damit
auch nicht mehr in ihrem Verhältnis zu anderen Kulturprodukten als mehr oder
weniger neu bzw. avanciert beurteilbar sind, sondern die weitgehend losgelöst
voneinander ihre je eigenen kontingenten Ästhetiken und Geschmackskulturen
pflegen und entwickeln“ (Böhler, Michael: „Stichworte zu den Ausgangsthesen des
Rundgesprächs“, in: Jäger, Georg; Simanowski, Roberto (Leitung): „IASL
Diskussionsforum online. Netzkommunikation und ihre Folgen“, 27.06.2000, These
II). In der so verstandenen Gegenwartskultur gibt es dann auch keine
herrschende Ästhetik mehr, gegen die sich die Avantgarde abgrenzen
könnte."
Kommentar S.P.: Die
Vorstellung dass die Avantgarden eine Reflexion über die Pragmatik der Kunst
darstellen, würde sicher zu eng sein. Der Kubismus lässt sich eher schwer
ausschließlich als Reflexion auf die Pragmatik der Kunst erklären. Die Moderne
ist im Übrigen gerade durch die gleichzeitige Herausbildung einer Vielzahl von
Avantgarden nebeneinander gekennzeichnet, die einander auch heftig bekämpft
haben. Die Zusammenarbeit zwischen Mondrian und Doesburg zerbrach, weil
Letzterer auch schräge Linien
benützte, Picasso verspottete die "abstrakte Malerei" usw. Vgl.
hierzu unseren Aufsatz: http://portal.or-om.org/art/Postpostmoderne/tabid/6078/Default.aspx
.
Die Auffassung Böhlers ist daher sehr richtig: In
der Posptmoderne gibt es nicht einmal mehr nur eine Richtung der Postmoderne und schon gar nicht nur eine mögliche Reflexion über die
Pragmatik der Kunst. Für bestimmte Reflexionsästhetiken sind in anderen
Richtungen als Avantgarden erkannte Kunstinhalte Regression oder Verfall.
"Die
Systemtheorie bietet in der gegenwärtigen Situation, beim Fehlen einer
herrschenden Ästhetik, den Vorteil, die Hervorbringungen einer Kultur in den
gesellschaftlichen Kontext einordnen und als zusammenhängend mit anderen gesellschaftlichen Bereichen darstellen
zu können.
Kommentar S.P.: Wie wir schon oben darstellten, ist die Luhmannsche Systemtheorie nicht nur in ihren Grundlagen anderen Positionen in der postmodernen Vielfalt keineswegs überlegen oder besser brauchbar, sondern bereits in ihren erkenntnistheoretischen Grundlagen äußerst mangelhaft und kritikwürdig. Wie wir aber im Weiteren zeigen können, kann/muss auch sein systemtheoretischen Gesellschaftsmodell durch präzisere Ansätze ergänzt werden. Vgl.: Hierzu Siegfried Pflegerl: "Aufklärung über die Selbstblendung einer abgeklärten Aufklärung - Wesenlehre und die Systemtheorie Luhmanns" Inhaltsverzeichnis u. Einleitung 4 S., PDF-File 150 KB Download gesamtes Buch: 206 S., PDF-File 4,552 MB kritisiert.
"Einen
unfreiwilligen Avantgarde-Nachweis lieferte Isabelle Graw, die aus der
eingeengten Perspektive des Kunstbetriebs Netzkunst bewertete:
Ende der Netzkunst als Avantgarde
Es gibt verschiedene Hinweise auf ein
Ende der Netzkunst, die sich vor allem auf einzelne Künstleraktivitäten oder
–aussagen beziehen. Nimmt man nur drei der prominentesten net.art-Künstler heraus,
scheint sich die Annahme Armin Medoschs zu bestätigen: „Die Vorhut der
Netzkunst hat das Terrain bereits wieder verlassen“ (Medosch, Armin: „Adieu
Netzkunst“ 01.07.1999) – Vuk Cosic wendet sich der ASCII-Art zu, Alexei Shulgin
macht Musik, die nicht internetspezifisch ist, und Heath Bunting ist bereits
1999 „Netzkünstler im Ruhestand“172.
Hier
wird der Vorteil einer systemtheoretischen Betrachtungsweise, und gerade wieder
ihrer Möglichkeit einer personenunabhängigen Untersuchung ersichtlich, denn möglicherweise
sind die Künstler um net.art nicht repräsentativ für die gesamte Szene, und es
wird übersehen, dass das Metaprogramm der Netzkunst von anderen weitergeführt
wird. Aber selbst eine Einengung auf die
VertreterInnen der net.art würde keine befriedigenden Ergebnisse liefern, denn
Heath Bunting hat sich dieses Jahr mit der Arbeit „Ccnow“ zurückgemeldet, die
er auf seiner Homepage selbst als
„net.art project“ bezeichnet. Und
wenn dann noch die schnelle Entwicklung des Internets berücksichtigt wird, muss
man bedenken, dass vielleicht bald neue Software auf den Markt kommt, die
wiederum künstlerisch verwendet wird - ob diese Künstler dann auf den
etablierten Zug der Netzkunst aufspringen, der ein geldwertes Label verspricht,
oder eine neue Avantgarde begründen, können wir heute noch nicht wissen. Eine
mehr oder weniger endgültige Aussage über den aktuellen Status der Netzkunst
lässt sich also erst im Rückblick treffen, auch wenn es heute eine große Menge
von Belegen dafür gibt, die zu einer voreiligen Aussage über das Ende der
Netzkunst verleiten. Dass sich Netzkunst zumindest im Wandel befindet, wird
sichtbar, wenn sie an der Schnittstelle der Systeme untersucht wird. Die
Institutionalisierung der Netzkunst hat mit dem Verkauf und der Ausstellung ihrer
Werke in den Institutionen des Kunstbetriebs schon begonnen, und das könnte als
Beleg für das bevorstehende Verschwinden der Netzkunst als Avantgarde gelten.
Auch wenn dies von einigen Netzkünstlern mit Sorge betrachtet wird, ist es aber
gleichzeitig das auch im Internet kommunizierende Kunstsystem selbst, das es
ihnen ermöglicht, mit den eigenen Arbeiten Geld zu verdienen.
Eine
intersystemische Betrachtung der Avantgarde kann diesen Sachverhalt als
Paradoxie erklären. Wenn diese Paradoxie jedoch als Widerspruch verstanden
wird, kann sie von den Avantgardekünstlern selbst nur als persönlicher, schwer
zu lösender Konflikt erfahren werden - Wollen sie also nicht vom Kunstbetrieb
vereinnahmt werden, den sie ja auch infrage stellen, bleibt nur die Selbstauflösung: 'Don’t become a master' (Shulgin 1996)."
Kommentar S.P.: Das Zitat
zeigt eine bestimmte Ratlosigkeit bei der Beurteilung der Netz-Avantgarde
infolge der sich aus der paradoxial angelegten Theorie Luhmanns ergebenden
erkenntnistheoretischen Verhedderungen. Die Überlegung, "dass vielleicht bald neue Software auf den Markt kommt, die
wiederum künstlerisch verwendet wird - ob diese Künstler dann auf den
etablierten Zug der Netzkunst aufspringen, der ein geldwertes Label verspricht,
oder eine neue Avantgarde begründen, können wir heute noch nicht wissen"
zeigt eigentlich sehr deutlich, dass oft die Avantgarde nicht die
"Vorhut" sondern die Nachhut darstellt und ihre Inhalte überhaupt
erst aus der Etablierung neuer technischer Vorraussetzungen bezieht.
Hans Dieter Huber schlägt für "Arbeiten der
Netzkunst...drei verschiedene Kategorien" vor:
(3.1)
"reaktive,
(3.2) interaktive und
(3.3) partizipative Arbeiten".
Entscheidend an Hubers Ansatz ist die
Unterscheidung von Stufen der Interaktivität auf einer Skala zwischen (3.1)
geschlossenen Systemen mit Klick- und Scrollfunktionen, (3.2) Systemen, die
sich nach Veränderungen durch Useraktivität wieder in ihren Urzustand begeben,
und (3.3) Systemen, die ohne Useraktivität und die Spuren, die diese in ihren
Archiven und Systemzuständen hinterlässt, nur leere Hülsen bleiben würden.
Hubers
Vorschlag einer dreiteilig gestuften Skala der Aktionsmöglichkeiten von Usern
provoziert zur Rekonzeptualisierung, um Kriterien der Unterscheidung zwischen
"reaktiven, interaktiven und partizipativen Arbeiten" genauer
bestimmen zu können.
Systeme,
deren Funktionen nur aktiviert werden können, und die nach dem
vorprogrammierten Rechenprozess wieder in ihren Anfangszustand zurückkehren,
lassen sich als <geschlossen> bezeichnen.
Systeme,
die User zu linearem Nachvollzug der programmierten Funktionen führen, lassen
sich als <reaktiv> bezeichnen, wenn sie Usern vorprogrammierte Spielräume
für die Verarbeitung systemexterner Daten offerieren können und diese
Verarbeitungsprozesse Spuren in systeminternen Archiven hinterlassen.
Wird
der Begriff Interaktion als Bezeichnung für wechselseitige Echtzeitreaktionen –
für direkte Reaktionen auf Aktionen der jeweils anderen Seite – verstanden, so
überschneidet sich die Bedeutung des Begriffs Interaktion mit der Bedeutung des
Begriffs <Partizipation>, sofern es sich nicht um <derivative
Interaktion> handelt, die aus einem Wechselspiel von programmierten Reaktionen
auf Aktionen mehrerer User in einem (Spiel-)System besteht.
Auf
einer Skala ansteigender Offenheit für Useraktivitäten werden folgende vier
Stufen unterschieden:
(4.1)
<geschlossene Systeme> mit abrufbaren, in ihren Anfangszustand
zurückkehrenden User-Funktionen (bei Huber: reaktive Arbeiten. Vgl. Alexej
Shulgins Remedy
For Information Desease (1996));
(4.2)
<reaktive Systeme> mit Speicher für Zustandsveränderungen, zum Beispiel
für Resultate von abrufbaren Funktionen, die systemexterne Webdaten nach
Usereingaben suchen und bearbeiten (bei Huber: interaktive Arbeiten. Vgl. Mark
Napiers The Shredder (1998);
(4.3)
<(derivativ) interaktive Systeme> mit Möglichkeiten für User, auf
Aktionen anderer User zu reagieren und/oder miteinander zu interagieren, und
dabei momentane oder dauerhaft gespeicherte Zustandsveränderungen innerhalb
eines Systems/Programms zu erzeugen. Programmierte Möglichkeiten, Operationen
aufeinander folgen zu lassen, regulieren Spielräume für Relationen zwischen
Aktion und Reaktion (bei Huber: partizipative Arbeiten. Vgl. Graphic
Jam von Andy Deck und Mark Napier (1999) als Beispiel für derivative
Interaktion, re-m@ail von Blank & Jeron als Beispiel
für Interaktion);
(4.4)
<partizipative Systeme>, die Interaktion auf der Ebene der System- /
Programmkonstituierung ermöglichen (meist nur für begrenzte Teilnehmer und
begrenzte Zeit, z. B. schriftliche Rollenimprovisationen, vgl. Antoinette
LaFarge & The Plaintext Players-Silent Orpheus (1997)).
Die
Typen 4.3 und 4.4 lösen die oben genannten Probleme der Unterscheidung zwischen
Interaktion und Partizipation: Der Begriff <Interaktion> steht in Typ 4.3
entweder für derivative, von einem System geleitete oder für relativ freie, von
einem System ermöglichte beziehungsweise regulierte Interaktion. Der Begriff
<Partizipation> wird in Typ 4.4 für System konstituierende Interaktion
eingesetzt. In Typ 4.3 handelt es sich um von einem System (und Speicher für
Zustandsveränderungen) geregelte, aufeinander folgende Aktionen, die je nach
System direkt hintereinander erfolgen müssen oder auch in (längeren)
Zeitabständen erfolgen können. Während Typ 4.3 aus programmierten Systemen
besteht, die als Plattform für Interaktionen zwischen Usern taugen, findet im
Typ 4.4 Interaktion auf der Programmierebene in der Weise statt, dass das Werk
durch die Interaktion erst in seiner Gestalt festgelegt wird. Unvermeidbar ist,
dass auch diese Programmierebene programmierte Funktionen voraussetzt, die nicht
verändert werden.
Am
Beispiel des HyGrid (1995-98) von SITO
Synergy Projects lässt sich zeigen, wie die Frage der
Differenzierung der Aktionsmöglichkeiten von Usern zum Problem einer
Kunstkritik der Netzprojekte werden kann.
Das
"HyGrid"-System besteht aus der Programmierung von Möglichkeiten der
Zustandsveränderung in Form von Kombinationsweisen von Quadraten. User können
Verschiebungen der Kombinationen im kreuzförmigen Fünf-Quadrate-Feld durch
Neubestimmungen der Mittelquadrate mittels Clicks auf Außenquadrate erzeugen:
Angeklickte Außenquadrate erscheinen im Mittelfeld wieder.
User
können zu Partizipanten werden, die Bildbeiträge einsenden, in denen auch deren
Kombinationsmöglichkeiten mit anderen Beiträgen bestimmt wurde: Teilnehmer
können durch "weirdlinks" ein Quadrat als Brücke zwischen zwei bis
vier Quadraten einsetzen. Die Beiträge kehren dann in dem Programm, das Verbindungen im Fünf-Quadrate-Feld
herstellt, nur in bestimmten Kombinationen wieder.
Beobachtern
erscheint das System der verschiebbaren Quadrate als ein Wechselspiel von
Kombinationssystem und Kombiniertem in einem Transformationssystem, das
Anordnungen reorganisiert. Die Einheit von Kombinationssystem und Kombiniertem,
die sich mit jedem neuen Beitrag verändert, kann den Eindruck erwecken, die
nicht abgeschlossene Kollaboration von Partizipanten durch eingesandte Graphik
konstitutiere das System. Da die Kombinationsmöglichkeiten endlos durchspielbar
sind, kann der Eindruck entstehen, es handele sich um ein unausschöpfbares
Variationssystem, das sich mit weiteren Graphik-Beiträgen ändert, da sich mit
der Einfügung eines neuen Beitrags ins Kombinationssystem auch der System- bzw.
Programmzustand ändert, weil die Rechenprozesse zur Realisierung von
Kombinationen andere werden. Diese Rechenprozesse verändern allerdings nicht
das Programm des "HyGrid"-Systems, sondern sind im Gegenteil in ihm
vorgesehen.
"HyGrid" ist offensichtlich ein System
des Typs 4.3, das für Beobachter und Partizipanten Aspekte enthält, die in Typ
4.4 die Medienform konstituieren. Es handelt sich jedoch nicht um eine Kopplung
der Typen 4.3 und 4.4, sondern um eine Ebenengliederung einerseits in interne,
auf der Systemebene programmierte Möglichkeiten der Beobachtung nach der Art
von 4.3 und andererseits in Aspekte impliziter Beobachtung, die in Beobachter-
und Beobachtungsoperationen aktualisiert und realisiert werden können, und die
als Folge einer Programmierung nach Art von 4.4 nahe liegend wären.
Die
interne Beobachtung konstituiert in "HyGrid" eine Systemebene, die
Beiträge ins System zu integrieren ermöglicht. Das System erzeugt durch
Geschlossenheit Offenheit für neue Beiträge, wenn es eine programmierte Art der
Rekombination vorhandener Beiträge mit neuen Beiträgen ausführt. Das
"HyGrid"-Kombinationssystem provoziert auf der Ebene impliziter
Beobachtung den Eindruck, als kommuniziere jeder Beitrag mit anderen Beiträgen,
und als verändere jeder weitere Beitrag diese Kommunikation, als nähme ein User
mit seinem Beitrag an dieser Kommunikation direkt teil.
In
den in 4.4 genannten Beispielen ist Partizipatives auf der Produktionsebene
zeitgebunden, das heißt: Teilnahme kann innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens
stattfinden. Auf der Rezeptionsebene kann die simultane oder unmittelbar
nacheinander folgende Präsentation von Beiträgen verschiedener Autoren den
Eindruck kommunizierender, in wechselseitigen Relationen stehender Beiträge
erzeugen. "HyGrid" öffnet Rezeptionsmöglichkeiten der direkten
Kommunikation zwischen Beiträgen auf der Programmebene durch mittelbar
Partizipatives und Dauerhaftes des Typs 4.3.
In
"Silent Orpheus" von "The Plaintext Players" können
Beobachter in einem begrenzten Zeitrahmen auch den Partizipationsprozess des
schreibend Improvisierens (unmittelbare Partizipation der Koautoren) verfolgen:
An diesem Prozess ist aber nur eine begrenzte Menge als Partizipanten
beteiligt. Die Vorführung des Schreibprozesses in "Silent Orpheus" teilt
in Partizipanten und Nicht-Partizipanten/Zuschauer.
Es
ist offensichtlich in einigen Fällen sinnvoll, die Skala mit den Stufen 4.1 bis
4.4 auf den Ebenen des internen und des impliziten Beobachters, also auf der
Programm- und der Rezeptionsebene, anzuwenden und die Relationen zwischen
beiden Ebenen zu klären.
Dies
erfordert, der Explikation der Stufen 4.1 bis 4.4 auf der Programmebene, wie
sie oben fixiert wurde, auch eine Explikation auf einer Rezeptionsebene mit den
Stufen 5.1 bis 5.4 hinzu zu fügen:
(5.1)
Der Beobachter aktiviert einzelne Funktionen und kann
die aufgefundenen Daten als Teile eines geschlossenen Systems rekonstruieren.
(5.2) Der Beobachter gibt Daten für
systemexterne Netzverbindungen ein und operiert mit den systeminternen
Transformationen dieser Daten, zum Beispiel, indem er sie im Speicher ablegt.
Die durch die programmierten Weisen der Generierung von Daten erzeugten und
gespeicherten Oberflächen können für Beobachter auch als Hinweise auf
Benutzungsweisen anderer Beobachter lesbar sein.
(5.3) Beobachter
erkennen die Operationen anderer Beobachter entweder in direkter <interface
interaction> oder durch Speicherfunktionen später und können darauf in der
im System angelegten Weise mit <interface operations> und "interface
communication" reagieren.
(5.4)
User agieren entweder selbst als Akteure in einem partizipativ entstehenden
System und/oder sie beobachten die Relationen zwischen (entstandenen oder
gerade entstehenden) Beiträgen anderer Beobachter. Beobachter können Beiträge anderer
User als zueinander in einem quasi-partizipativen, weil wechselseitigen
(<kommunizierenden>) Verhältnis stehend verstehen und erst im Laufe einer
Rekonstruktion der Systemzusammenhänge realisieren, ob diesem
quasi-partizipativen Verhältnis Partizipation auf der Produktionsebene (s. Typ
4.4) entspricht/entsprach.
Der Begriff "Gattung"
steht für konventionalisierte Kombinationsweisen von Formen. Vielfach
aufgegriffene und als Gattungsspezifika bekannte Weisen der Formkombination nützen
die Möglichkeiten der Formen tragenden Medien nur teilweise. Explikationen der
Kombinationsweisen in Form von Gattungsregeln können normativen
Geltungsanspruch erhalten, der den Ausschluss von Medienmöglichkeiten
sanktionieren soll. Solche Ansprüche erhoben früher im Kunstkontext die Kritik
und die Ästhetik, indem sie Gattungsregeln (die zugleich der Zu- und
Abschreibung des Status Kunst dienten) festzuschreiben versuchten.
In der gegenwärtigen Medienlandschaft ergeben sich
Restriktionen von Medienmöglichkeiten eher indirekt durch Distributionssysteme
und Vermarktungsstrategien, als durch Regeln und normative Ansprüche erhebende
Diskurse.
Die Geschichte der Etablierung von
Ausschlussverfahren für Kunsthandel und Kunstmuseen mittels Kunsttheorie und
Kunstkritik wird seit den sechziger Jahren von einer institutionellen Kritik
und von Kontext Kunst vorgeführt und kritisiert. In den Kunstdiskurs über
Intermedia Art bettet sich eine Kontextkritik ein, welche die kunstexternen
Hemmschwellen der Entwicklung künstlerischer Alternativen in Bereichen der
experimentellen Medienkombinationen und der Integration Neuer Medien
(Fotografie, Film, Video, Computer etc.) thematisiert. Es geht nicht nur um
eine Kritik kunstinterner Institutionalisierungsprozesse, sondern auch um eine
Kritik der kunstexternen Vorbedingungen, die Gebrauchsweisen neuer, kunstextern
entwickelter Medien begrenzen.
Restriktionen durch gewinnorientierte Medienpolitik
von Konzernen liefern Ansätze für eine Kritik der künstlerischen
Arbeitsbedingungen, die den Verlauf der Planung und Realisierung von
Netzprojekten beeinflussen. Zu diesen Arbeitsbedingungen gehören im Internet
Restriktionen der Möglichkeiten zur Weiterentwicklung vorhandener Programme,
zur Entwicklung alternativer Programme auf der Basis erhältlicher
Programm(teil)e, des Datenzugriffs und der Speicherung. Diese Restriktionen
können auch die Entwicklung und Realisierung alternativer NetArt-Projekte
verhindern.
Durch wiederholte künstlerische Anwendung
bestimmter Weisen der Medienkombination können auch in NetArt
Gattung(skonvention)en entstehen. Dann wird die Möglichkeiten eruierende
Frühphase durch eine traditionsgebundene, weil durch wiederholten (und
erfolgreichen) Mediengebrauch von Vorcodierungen nicht mehr freie Phase
ersetzt. In dieser Phase ist der Konflikt unvermeidbar, dass Werke mit Formen,
die an den künstlerischen Mediengebrauch anschließen, die Aufmerksamkeit der
Öffentlichkeit den schwieriger zu rezipierenden Werken entziehen, welche
alternative Weisen der Konzeptualisierung ihrer Medienvoraussetzungen
offerieren.
In einer weiteren Phase der Vorcodierung von
Netzprojekten durch sich etablierenden künstlerischen Mediengebrauch können
Künstler, analog zur Entwicklung der Gattung Malerei, diese Vorcodierungen
thematisieren: Eine Spätphase in der Gattungsgeschichte – die Thematisierung
von etablierten Wechselbeziehungen zwischen kunstexternen Medien- und
Kunstcodes durch Kunst – kann es auch bei der Netzkunst geben.
Zur aktuellen Phase der Entwicklung von NetArt:
Kritik kann in der Phase der Entstehung von Gattungskonventionen, in die die
Geschichte der Netzkunstprojekte bald gelangen kann, die Aufmerksamkeit von
Werken, welche den Akzent auf Anschlussformen an Etabliertes legen, ab- und auf
experimentelle Werke der NetArt hinlenken. Kritik kann sich aber auch der
Schaffung von Öffentlichkeit für leicht popularisierbare Werke und damit der
Schaffung von Spektakeln widmen. Eine populistisch orientierte Kritik kann
Netzprojekten Aufmerksamkeit verschaffen, die einfacher zu rezipieren sind,
weil sie dominant von Anschlussformen an Gattungsnormen und/oder an Codes
beziehungsweise narrative Elemente der Pop Kultur geprägt sind: Am Prozess der
Ausbildung von webimmanent sich von Anschluss zu Anschluss ausprägenden
Gattungsnormen können webexterne kulturelle Codes beteiligt sein, die teilweise
in älteren kunstin- und -externen Medien entstanden sind und aus diesen
übertragen werden. Auch können Zeichen aus webimmanenten kunstexternen Codes in
künstlerische Netzprojekte nicht nur in kritischer Absicht integriert werden,
sondern auch, um an die netzinternen Brechungen der Pop Kultur (bzw. die Kultur
der Unterhaltung und der Massenmedien) anschließen zu können.
In den Kritiken von Netzprojekten sind derzeit
Prozesse der Scheidung wie der Durchdringung erkennbar einerseits von
Aufmerksamkeit heischender Aufzählung künstlerischer Aktion(sform)en im Netz
und andererseits der Differenzierung von Kriterien für Netzkunst, einerseits
von populistischen Versuchen der Erweiterung des Userinteresses und andererseits
von Binnendifferenzierung. Von einer Trennung zwischen öffentlichkeitswirksam
Vorcodiertes aufbereitenden Projekten und experimenteller "new media
avantgarde", einer Dichotomisierung in E(rnst) und U(nterhaltung), kann
noch nicht gesprochen werden.
Kritiken von Netzprojekten sind webextern derzeit
in Büchern über Neue Medien und Anthologien mit Symposienbeiträgen und
überwiegend in Feuilletons und Zeitschriften für ein Computer-Fachpublikum,
kaum aber in Kunstzeitschriften zu finden. Über Meldungen und kurze Features
geht die Thematisierung von NetArt in Kunstzeitschriften nur selten hinaus. Dieser
Marginalisierung von NetArt, die neue Entwicklungen bietet, steht eine
ausführliche Darstellung und Kritik ausstellbarer Medienformen gegenüber,
obwohl hier die neunziger Jahre bestenfalls konzeptuell überzeugende
Anschlussformen an Intermedia Art (Video, Performance, Kontext Kunst)
vorzuweisen haben, die wie die Malerei Gefahr laufen, in einer Vielfalt
unergiebiger Spielformen unter zu gehen.
Kommentar
S.P.:
Hier wird ein wichtiges
Konkurrenzverhältnis zwischen den traditionellen Kunstformen (etwa der Malerei)
und den neuen Kunstformen des Netzes sichtbar. Der traditionelle Kunstmarkt
versucht krampfhaft und auch erfolgreich seine ökonomische Macht zu erhalten,
indem er auch immer wieder neue Künstler der traditionellen Formen
medientechnisch lanciert, um sich auch künftig seine Manövrieroberfläche zu
erhalten, obwohl eine gewisse inhaltliche
Stagnation und Ausdünnung etwa der traditionellen Malerei offensichtlich ist.
Die Gruppe Or-Om hat dieses postmoderne Problem der inhaltlichen Inflation der
Malerei in der Installation http://portal.or-om.org/art/EndofPostmodernism/tabid/6080/Default.aspx
thematisiert.
Das Verhältnis von Kunstmarkt zu
Netzkunst, bzw. der Versuck einen netzinternen Kunstmarkt zu etablieren
untersucht auch Hirschsteiner unter http://www.hirschsteiner.de/netzkunst_als_avantgarde.pdf
S. 37 unter 3.5. "Verhältnis zum Kunstmarkt".
Derzeit spielen in der Kritik von NetArt auf Seiten
der Computerzeitschriften Aspekte der Programmierung, andererseits auf Seiten
der Feuilletons und der Kunstzeitschriften Aspekte des Anschlusses an
Bekanntes, das heißt in den Massenmedien Popularisiertes, eine große Rolle,
während die konzeptuelle Seite von Netzprojekten (als künstlerische Modelle für
Weisen der Welt- und Medienbeobachtung) auch in webinterner Kritik (noch) nicht
ausreichend gewürdigt wird. Die "Lektionen in NetArt" sehen ihre
Aufgabe in einer Kritik, die an ausgewählten Netzprojekten Relationen zwischen
Medien(formen), Beobachtungs- und Beobachteroperationen reflektiert, was bislang
nur ansatzweise geschah.
Die Frage, die die Zukunft von
NetArt entscheidet, lautet: Bricht NetArt aus der oben skizzierten, auf
Erfahrungen mit etablierten Kunstgattungen abstrahierten Verlaufsform von
Medienformgeschichten aus, und bleibt eine Medienfragen konzeptualisierende
"Intermedia Art", oder gibt NetArt die Offenheit der
Medienkombinationsmöglichkeiten und der Reflexion(-smodelle) zu Gunsten einer
begrenzten Vielfalt von Gattungen auf, in der (oder denen) sich
konventionalisierte Weisen der Medienkombination und etablierte Weisen der
Medienbeobachtung wie Aspekte von "Virtualitätsgattungen" behandeln
lassen. Für die weitere Entwicklung von NetArt ergeben sich die beiden
Möglichkeiten, erstens den Weg von Intermedia Art fortzusetzen und durch die
Reflexion von Medienbeobachtung sowie durch die Konzeptualisierung von
alternativen Medienkombinationen die Schließung der Kopplungen zu Medienformen
zu vermeiden, oder zweitens diese Schließung durch die Konventionalisierung von
Gattungen voran zu treiben.
Mike
Sandbothe schreibt über die intermedialen Verflechtungen von Bild, Schrift und
Sprache im Internet:
Indem
das World Wide Web diese Dienste [IRC, MUD, MOO] in sich integriert, nimmt es
einerseits die durch sie ermöglichte sprachanaloge Verwendungsweise von Schrift
auf. Andererseits aber wird Schrift in den für das World Wide Web
charakteristischen Hypertextdokumenten am Leitfaden des Bildes neu organisiert.
Sandbothe
analysiert diese "digitalen Verflechtungen" von "Bild, Sprache
und Schrift im Internet" mittels Wolfgang Welschs Analyse des Begriffs der "Transversalität"[22].
Zwischen Transversalität durch Links, die potentiell alle Webpages zu einem
Hypertext verbinden, und Manovichs Auffassung von "database" als
netzrelevante "symbolische Form" sind Bezüge (re)konstruierbar.
Im Datenfluss des Internet sind Ausgrenzungen
geschlossener Systeme Konstruktionen, die Grenzen zwischen System und Umwelt
setzen. Die Gliederung der Netzdaten von Kommunikationssystemen in Subsysteme
("databases" mit "folders") konstituiert eine
Geschlossenheit, die Offenheit für vielfältige Querbeziehungen durch Links
("Verflechtungen") zwischen systemin- und -externen Subsystemen
ermöglicht: Schichtung und Verflechtung bedingen sich im Netz unter bestimmten
Bedingungen wechselseitig. Schichtung ermöglicht Binnenbezüge zwischen
verschiedenen Ebenen und Außenbezüge durch Links zwischen verschiedenen Ebenen
beziehungsweise Subsystemen verschiedener Systeme. Die Struktur der Gliederung
in Ebenen aus Subsystemen/Folders wiederum soll sichern, dass die Binnenbezüge
durch Außenbezüge nicht in Frage gestellt, sondern bereichert werden.
Schichtung ermöglicht in Netzprojekten
Verflechtung, so zum Beispiel in Subsystemen, die Zustandsveränderungen durch
Zugriffe auf externe Daten ("Verflechtung") und Ablagerungen der
Datentransformationen in Archivsystemen (Schichtung von der Datenzugriffsebene
bis zur Archiv-/"database"-Gliederung) ermöglichen.
Verflechtung
impliziert für die Struktur von Netzprojekten:
(6.1) Links zwischen Subsystemen (bzw.
"folders") von "databases" und Links zwischen Website-in-
und -externen Subsystemen heben, indem sie auf (Relationen von In- und
Exklusion bei) Überschneidungen von Bedeutungsfeldern verweisen, nicht das "database"-System
der getrennten Einheiten und der Baumstrukturen (bzw. der einseitig gerichteten
Verzweigung) auf.
(6.2) "Verflechtung" als
vielseitig gerichtete Verzweigung in der Zeitdimension, als "Nebel"
im Sinne von Jean-François Lyotards Problematisierung des Radioempfangs bei
Autofahrten, thematisiert Wisniewskis "Netomat" als Datenfluss, der
eine Navigation durch Selektion additiver Einheiten aus "databases"
verhindert.
"Verflechtung" kann also sowohl dazu
dienen, Relationen zwischen "databases" zu schaffen (s. 6.1), als auch
Datenfluss-Präsentationen konstituieren, die sich nicht in
"Kontexturen" und Kontextur-Relationen integrieren lassen (s. 6.2).
Die Frage bleibt, ob es das Internet nicht ermöglicht, Modelle für Übergänge
zwischen polykontexturalen Kommunikationssystemen und "Rhizomen" zu
schaffen. Sollte dies zu einer Diskussion von Passagen zwischen Systemen und
"Rhizomen" führen, dann könnte das, was jetzt als Disjunktion
erscheint, in eine Diskussion über die Konstruktion von überleitenden Verfahren
und Prozessen, von Zwischenschichten, überführt werden.
Die Lernumwelten von "databases" können
als "Nebelgebilde" erfasst werden. An diesen
"Nebelgebilden" können Systeme ihre Adaptionsfähigkeit erproben und
sich je nach Lernfähigkeit - mit unterschiedlich schweren Folgen für die eigene
Organisation - rekonstruieren. Die vom System wie von Usern wählbare
Datenumwelt kann bei sich selbst organisierenden Systemen zum Anlass einer
Systemregenerierung durch Selbstde- und -rekonstruktion werden. Systeme können
in Umwelten auch weitere Systeme erkennen und sich mittels
"(Inter-)Penetrationen" durch und mit deren Organisationsstrukturen
(re)konstruieren.
(6.3) In Umgebungen mit Charakteristika von
"Nebelwolken" (s. 6.2) betten sich selbst organisierende, ihre
Adaptions- und Lernfähigkeit durch Neu- und Umschichtungen sowie Neu- und
Umbildungen ihrer Kontexturen (re)konstruierende Systeme ein, oder letztere
kooperieren durch Interpenetrationen mit anderen Systemen. Useraktivitäten
können so in diese Systeme eingebaut werden, dass sich maschinelle und
menschliche Organisation (z. B. in Open Source Programmierung) durchdringen
können.
Da die Organisationsweise noch Zukunftsmusik ist,
werden im Folgenden Konsequenzen aus den geschlossenen Strukturen und den
offenen Nebelgebilden für die Organisation künstlerischer Netzprojekte und die
Geschichte künstlerischer Medienformen erörtert.
Verhindert werden können restriktive Codierungen
von Medien(kombinations)formen nicht nur durch "Nebelgebilde"
konstituierende Verflechtungen, sondern auch durch Relationen zwischen
Schichtung und Verflechtung. Diese Relationen führen, wenn sie hinreichend
komplex sind, zu einer hohen Variabilität – höher als es der Spielraum für
Formenvielfalt in Kunstgattungen zuließ. Durch
erweiterte Variabilität von Kopplungen können etablierte Variabilitätsgrenzen
von Medienformen überschritten werden. Mit einer hohen Variabilität von
Kopplungen lässt sich auch die Schließung von Kopplungsmöglichkeiten zu neuen
Medienformen verhindern.
Die von Seiten der Künstler forcierte Kritik an
Rahmenbedingungen des Kunstbetriebs kulminierte in Kontext Kunst. Hauptthema
dieser Kritik war der Status setzende Anspruch, zu dem sich die Kollaboration
zwischen händlerischen, ausstellenden und Theorie bildenden Instanzen
verdichtet. Zusammenhänge zwischen Medien, Medienkombinationen und Medienformen
sowie zwischen Werkumgebung, Werk (als Kommunikationssystem) und
Useraktivitäten/Beobachteroperationen lassen sich im Internet
konzeptualisieren. Diese Konzeptualisierung kann Versuche der Übertragung von
Strategien der Etablierung von Kunstgattungen im Netz blockieren
beziehungsweise scheitern lassen. Dies hat zur Folge, dass sich auch der
normative Anspruch, mit dem im Kunstbetrieb Werken (mit Medienformen, die
Bestandteil institutionalisierter Selektionskriterien geworden sind) der Status
Kunst verliehen wird, nicht in NetArt übertragen lässt.
Die Versuche der Reinstitutionalisierung von
Selektionskriterien, die bestimmten Medienformen den Status Kunst zuweisen, und
die Rekonzeptualisierung von Medienkombinationen der Intermedia Art sind
konträre Entwicklungen. Da im Internet der Kunsthandel als allen anderen
vorgeschaltete, als erste Öffentlichkeit schaffende Instanz ausfällt, scheitern
Versuche der Reinstitutionalisierung des Kunsthandels mit Netzprojekten. So
können die Prozesse der Institutionalisierung von Selektionskriterien der
Medienformen, die den Status Kunst als Anspruch erheben, nicht anlaufen, oder
sie erscheinen als Fehlstart.
Kommentar
S.P.:
Wiederum
sehen wir hier, dass eine Integration der Netzkunst in die traditionellen
Kunstmärkte nicht möglich war und sie daher auch nicht einer aggressiven
Reinstitutionalisierung der Selektionskriterien unterzogen werden kann.
Im
Sinne unserer eigenen Untersuchung über die göttlichen Grundlagen der Kunst
wird sich aber sehr wohl die Frage erheben, ob diese neuen Formen der Netzkunst
einer kriterienorientierten Bewertung unterzogen werden können.
Schließlich
hat sich natürlich eine neue Subkultur der internen Präsentationsformen der
Netzkunst entwickelt (Kongresse, Conventions usw.).
Da
Netzkunst sehr häufig auch in Mitteleuropa über öffentliche Förderungen
unterstützt und erhalten wird, ergeben sich hier äußerst komplexe
Problemstrukturen bei der Vergabe der Fördermittel, welche die Gruppe Or-Om in
einer mehrjährigen strukturellen Analyse der Netzorganisation
"netznetz" in Wien erforscht hat (http://portal.or-om.org/art/Netzpolitik/tabid/6081/Default.aspx
). Es ergeben sich etwa folgende Konfliktzonen
(Politisches Verhältnis zum öffentlichen Fördergeber/Grad der
Institutionalisierung/Criteria Struggle [Netzkunst versus Netztechniker]
/Verteilungsschlüssel für die Fördergelder).
Medienformen der Kunst wie Fotografie, Film und
Video entstanden aus neuen, kunstextern entwickelten Medien. Schon bei diesen
Medienformen wurde der Kunststatus verleihende Anspruch, der den
Gattungskriterien der Präsentationsformen Malerei, Skulptur und Zeichnung
zugeschrieben wird, fragwürdig. Außerdem gilt Objektkunst als Anfang einer
künstlerischen Konzeptualisierung der Kriterien, die erfüllt sein müssen, wenn
der Status Kunst zuerkannt werden soll. Da die Funktion der institutionellen
Rahmenbedingungen von Kunst (Kunstmuseen und Kunsthandel), deren Thematisierung
in dieser Konzeptualisierung eine entscheidende Rolle spielt, für NetArt nicht
erneuert werden kann, stellen sich folgende Fragen: Muss die Konzeptualisierung
von Kriterien der Kunst-Bestimmung (in Form einer Investigation des
Kunstkontextes, zum Beispiel den Ausstellungsbedingungen) bei NetArt durch eine
Analyse auf der Basis einer Medienphilosophie erneuert werden? Wird aus der
postästhetischen Rolle der letzten Entwicklung ausstellbarer Kunst als
Lieferant von Modellen für (Weisen der) Kunst- und Weltbeobachtung nicht eine
Kunst, die die Wechselseitigkeit von (Weisen der) Medien- und (Weisen der)
Weltbeobachtung (inklusive der Art World) in Modellen und Theorien reflektiert?
Führen die Medienkombinationen, programmierbaren Funktionen und Datenflüsse des
Internet zur Forcierung der intermedialen und kontextreflexiven Ansätze durch
neue Möglichkeiten der Schichtung und Verflechtung? Geschieht diese Erweiterung
intermedialer Ansätze in einem Kontext, der sie nicht mehr blockiert, sondern
durch seine eigene Konstitution - Datenflüsse und ihre Organisation für
Beobachteroperationen - forciert?
Kommentar S.P.
Die folgenden Indices werden hier aufgeführt, um wiederum aus einem
anderen Blickwinkel die Vielartigkeiten der hier ausgebildeten Bereiche
sichtbar zu machen. Auch zeigt die Aufstellung, dass die Abgrenzung der
"reinen" NetArt" von Kunstgattungen, die das Netz nur als Medium
benützen, oft nicht leicht ist. Auch wird die Frage transparent, ob sich schon
typische Gattungen sedimentieren, oder eben solche Verfestigungen noch nicht
überzeugend abgegrenzt werden können.
Die
"Lektionen in NetArt" erhalten Indices (s. u.) für
Medienkombinationen, -funktionen und -formen der Netzkunst. Die Einteilbarkeit
in Index-Gruppen ist noch kein ausreichender Hinweis für die These, dass sich
bei gewissen Formen der Netzkunst bereits der (im Kapitel über Medienformen
angesprochene, Präsentationsformen konventionalisierende) Prozess der
Differenzierung in Gattungen abzeichnet. Die Indices charakterisieren
intermediale Formen als Interface- Funktionen, die Möglichkeiten für
Beobachteroperationen offerieren. Wenn diese Indices hinter den im Verzeichnis
der Lektionen in NetArt
aufgeführten Titeln von Netzprojekten mehrfach wiederkehren, und wenn die so
indizierten Netzprojekte nicht Sphären ohne Zusammenhänge bilden, sondern
verwandte und auf der Basis von Vergleichen kritisierbare Medienkombinationen
aufweisen, dann zeichnen sich Entwicklungen von Gattungen in der Netzkunst ab: Die
Entstehung von Gattungskonventionen ist derzeit bei NetArt erst ansatzweise
erkennbar.
Die
Indices beschreiben Werkformen so, dass sich in der Liste der
"Lektionen" die Netzprojekte möglichst mit einem Index ausreichend
charakterisieren lassen. Wenn ein Index dafür nicht ausreicht, können mehrere
Indices im Verzeichnis der "Lektionen in NetArt" für einzelne
Netzprojekte verwendet werden. Die Möglichkeit, neue Indices bei Bedarf
einzuführen, wird nicht ausgeschlossen. So lässt sich die Offenheit von
"Intermedia Art" für Neukombinationen durch die Integration neuer
Funktionen und Medien sowie für Zwischenformen durch Rekombinationen auch bei
NetArt berücksichtigen.
Indices:
-
(AK): Additive Kombinationen netzex- und -interner Aktivitäten.
-
(AL): Programme, die künstliche Umgebungen und in sie eingebettete Wesen mit
Eigenschaften kreieren, die Lebewesen analog sind ("Artificial
Life").
-
(AN): Darstellung von Aktivitäten im Netz, die netzextern und kunstrelevant
sind ("Art on the Net").
-
(AS): Abzuspeichernde Systeme, die Programme für die Navigation im Netz und /
oder die Transformation gesammelter Webpage-Daten enthalten, aber weder
Archivsysteme besitzen noch Browserfunktionen übernehmen.
-
(AT): Atavare (virtuelle Akteure).
-
(BA): Abzuspeichernde Browser ("Browser Art").
-
(CP): Programme, deren Funktionen sich nicht mehr abschalten lassen und die
andere Funktionen stören.
-
(DS): Datensysteme, die aus Datenerhebungen und Auswertungen bestehen, zum
Beispiel Umfragen und ihre Auswertungen.
-
(ED): Eine-Datei-System, das nur eine dem User zugängliche Datei (inklusive
abhängige Dateien) enthält.
-
(ES): Systeme, in denen mehrere User via e-Mails untereinander (und mit
Netzeigenschaften) kommunizieren.
-
(FN): Neue oder ungewöhnliche Formen der Vernetzung.
-
(GS): Game Software.
-
(IS): Informationssysteme, die vorhandene Websites und -pages nach bestimmten
Kriterien durch Links und / oder durch Archivsysteme verbinden.
-
(KB): Systeme für kollaborative Bildproduktion mit / ohne Archivsysteme(n).
-
(KS): Kommunikationssysteme konstituierende Kombinationen netzex- und -interner
Aktivitäten.
-
(ND): Netdesign in verschiedenen Anwendungsbereichen und Selbstpräsentationen
von Designern und Typographen.
-
(TP): Textbasierte Projekte: Texte, in die Illustrationen, Kurzfilme und
Soundfiles eingeblendet sein können, mit Website-in- und -externen Links (Hyperfictions).
-
(TR): Telepräsenz mit Webcams zur Steuerung von Robotern.
-
(TT): Telepräsenz-Projekte zur Echtzeitsteuerung ferner Teile, die auf Webcams
verzichten.
-
(TV): Telepräsenz und virtuelle Parallelwelt zur Steuerung von Robotern.
-
(TW): Telepräsenz mit Webcams.
-
(VA): Virtuelle Architektur, die dreidimensionale Körper statisch oder bewegt
simuliert und nicht materialisierbar sein muss.
-
(PA): Systeme offerieren Möglichkeiten für ungewöhnliche, Daten
transformierende Zugriffe auf externe Webpages mit Archivsystemen, in denen die
bearbeiteten Webpages gespeichert sind und werden ("Parasite Art").
In dieser Aufstellung sind mit "(AN) Art on
the Net", "(GS) Game Software", "(ND) Netdesign" und
"(VA) Virtuelle Architektur" Indices enthalten, die nicht so sehr
Kriterien der NetArt erfüllen, als ihre nähere künstlerische Umgebung
kennzeichnen. Ginge es hier allein um Indices für NetArt, wären diese vier
Indices nicht enthalten. Es erscheint jedoch wenig sinnvoll, aus den
"Lektionen in NetArt" Websites zu exkludieren, die entweder wichtige,
nicht rein webinterne Entwicklungen von intermedialer und computergestützter
Kunst zeigen beziehungsweise anwendungsbezogene Kunstpraxis im Web vorführen:
Bei "(AN)" ist an Spielprogramme gedacht, die Programmfunktionen
enthalten, die auch in Websites mit VRML u. a. übernommen werden können, oder
deren Design virtueller Umgebungen für die Gestaltung von VRML-Welten in
Websites anregend sein kann. Bei "(KA)" ist an Vorstellungen von
Kinetischer Kunst, Performance Art, Theater und experimentellem Film gedacht.
Unter "(ND)" lassen sich Entwicklungen grafischer Webpage-Gestaltung
thematisieren, ohne Anwendungsbereiche (e-Commerce etc.) auftragsgebundener
Programmierung aus dem Einzugsbereich des für NetArt Relevanten auszuschließen.
Anders als für die mit "(GS)" und "(KA)" zu indizierenden
Projekte gelten für Websites, die "(ND)" relevant sind,
uneingeschränkt Kriterien der "Webness" (s. Anm.1). Unter
"(VA)" lassen sich Möglichkeiten der Simulierung plastischer,
architekturrelevanter oder -naher Formen thematisieren, die auch
Experimentalcharakter haben können und nicht realisierbar sein müssen. Aus der
Simulierung von 3D-Formen können sich neue Anwendungen für NetDesign und NetArt
ergeben, die Kriterien der "Webness" erfüllen.
Kommentar S.P.:
Obwohl wir gerne noch weitere Analysen der
einzelnen Bereiche durchgeführt hätten, ermöglicht dies der Platz dieser Arbeit
nicht. Die LeserInnen können aber anhand der folgenden Links auf die Arbeiten
Drehers allein ihre Studien vertiefen.
• IASLonline Lektionen in NetArt
(english)/• Synergy Collaborative
Projects on SITO: Ed Stastny/• Potatoland: Mark Napier
/• Andyland/Artcontext: Andrew
C. Deck/ • Internationale
Stadt Berlin und sero.org: Joachim Blank & Karl-Heinz Jeron/
• Telepräsenz: Eduardo Kac und
Ken Goldberg/ • Connective Force Attack:
Knowbotic Research, Gideon May und Thomas Rehaag/• Informationschoreographie:
Maciej Wisniewski• Politics of Classification:
Matthew Fuller und Graham Harwood /• Interview Yourself! Amy Alexander /• unendlich, fast...: Holger Friese /• Artivismo: www.0100101110101101.org /• Link, Filter und Informationsfreiheit: ODEM /• Netzumfragen und politischer Dialog: Andreja Kuluncic (english)/ • IASLonline Tipps in NetArt (english)/•
Participation Pieces: Yoko Ono/• Die Misere der Kunst:
frichter/• The Eighth Day: Eduardo Kac/• Lexia to Perplexia: Talan Memmott (english/• IASLonline NetArt-Theorie (english) /• NetArt: Einführung /•
Art & Language & Hypertext: Blurting, Mapping and Browsing/•
Mitschreibeprojekt "nic-las": Die Rolle des Teilnehmers in
Netzdiskursen/ • Von
"Radical Software" zum Netzaktivismus (english)/•
Konzeptuelle
Kunst und Software Art/• Partizipation
mit Kamera: Von der Videokamera zum Kamera-Handy/• IASLonline
Links zu Plattformen, zur Geschichte der Netzkunst u.
a. (english)/
Biografie/
Bibliografie (Auswahl)
/Impressum
Florian Cramer
1. Homepage: http://cramer.plaintext.cc, contains most of my
essays and critical writing
2. http://plaintext.cc, text generator on the basis of Georges
Bataille's "History of the Eye", awarded with the
"Junggesellenpreis für Netzliteratur" ("Bachelor Prize for Net
Literature") by Literaturhaus Stuttgart, 2007
3. Permutations,
http://userpage.fu-berlin.de/~cantsin/permutations,
reconstructions of historical algorithmic poems as Perl CGIs,
awarded with a special Pegasus '98 Prize for Internet Literature by
Die Zeit, Radio Bremen and IBM Germany
4. Co-administrator (with Tilman Baumgärtel) of the German-language
net cultural mailing list ,,rohrpost" from 2001 to 2004,
http://post.openoffice.de/cgi-bin/mailman/listinfo/rohrpost
5. Editor (with Alan Sondheim, New York ) of the Nettime Unstable
Digest, a weekly digest of E-Mail codework on the ,,Nettime"
mailing list, 2002-2004
http://www.netzliteratur.net/cramer/unstable_html,
http://noemata.net/nudes/
6. (With Sebastian Lütgert, Berlin :) txtwarez , computer programs to
circumvent copyright protection of literary texts, received a
,,honorary mention" by the software art jury of transmediale.02,
2002
7. (Co-editor:) runme.org, online repository and critical guide to
software art projects, initiated by Alexei Shulgin and Olga
Goriunova (Moscow ), 2002
8. (with Wilfried Hou Je Bek, Utrecht :) Speculative Programming ,
workshop at transmediale.03, Berlin , 2003
9. radio codework, one-hour radio play in collaboration with Tsila
Hassine and Alejandra Perez Nuñez, ORF Kunstradio, Vienna
10. (with mez Breeze, Australia:) iso.pro.txt.vim.tex.swap,
collaborative Internet text,
[1] Die LeserInnen
mögen beachten, dass bei vielen folgenden Überschriften eine direkte
Hyperlinkverbindung auf den Aufsatz Drehers gelegt ist. Im Bedarfsfall kann
dieser Text daher direkt eingesehen werden.
[2] Bereits vor Beuys
finden sich, allerdings wohl in einer anderen Konnotation, solche Konzepte.
[3] Vgl. auch (Pf
90, S. 347)
[4] Vgl. auch (Pf
90, S. 346)
[5] Vgl. auch (Pf 90
S. 389 f.)
[6] Vgl. auch Beuys
unter 3.1.2.
[8] Diese These
übersieht aber, dass die Begriffe (der Sprache und vor der Sprache schon viel
früher) für die ERZEUGUNG sinnlicher Erfahrung eingesetzt werden und der
sinnliche Überschuss schon eine zwar wichtige aber auf diesem Niveau ungelöste
Fiktion bleibt.
[9] Diese Kritik
erfasst bestimmte Elemente und Bereiche in unserem Gesellschaftsmodell unter
8.2.3, wie aber bei vielen sozialkritischen Philosophen fehlen noch viel mehr
bei Künstlern sorgfältigere und verfeinerte Analysen des Systems und seiner
Zusammenhänge.
[10] Vgl. auch (Pf 90
S. 405 f.)
[11] 6.1.1.2. Das
Labyrinth postmoderner Rechtstheorien
[13] Kursiv durch
S.P.
[14] Vgl.
insbesondere unten unsere ausführlichen Betrachtungen unter 8.3.7.
[15] Vgl. hierzu etwa
http://internetloge.de/krause/krr.pdf
[16] Vgl. hierzu vor
allem http://portal.or-om.org/science/MenschundAI/tabid/6061/Default.aspx
wo die Grenzen der digitalen Intelligenz im
Verhältnis zur menschlichen neu gezogen werden. Wenn man natürlich die Grenzen
der menschlichen Intelligenz so eng zieht, wie dies in den üblichen
Erkenntnistheorien in Wissenschaft und Kunst heute geschieht, dann sind die
Unterschiede zwischen den beiden Bereichen kaum relevant und man kann dann den
Versuch legitimieren, die menschliche Intelligenz zu digitalisieren. Auch die
funktionalistischen Ansätze Luhmanns sind zu eng, um dieses Problem adäquat zu
erfassen.
[17] Vgl. etwa http://de.wikipedia.org/wiki/New_Economy
[18] In diesem
Paralleluniversum interagieren zurzeit bereits über 3,5 Millionen Nutzer
weltweit (2007); Speziallocation unter http://yamanakanash.net/secondlife/ramonia.html
.
[19] Die Versuchung,
die LeserInnen auf Informationsknoten im Internet zu verweisen ist hier
wiederum groß. Vgl. etwa http://de.wikipedia.org/wiki/Internet
.
[20] Auf eine Erörterung
der Medientheorie des Internets muss hier aus Platzgründen verzichtet werden.
[21] Vgl. auch oben
unter 8.6.3.
[22] Vgl. oben unsere
ausführliche Analyse unter 2.1.