Kunsterweiterung

und Or-Om-Kunst

 

Features zur Evolution der Kunst

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

DIGITALE INSTALLATION

Gruppe Or-Om

S.P.

 Februar 2010


 

1 Kunsterweiterung und Or-Om-Kunst   4

1.1. Die neuesten Kunsterweiterungen   4

1.1.1 Intermedia Art nach Thomas Dreher  5

1.1.1.1 Zwischen Kunst- und Lebensform: Von den Lettristen zu den Situationisten (.pdf)  6

1.1.1.2 Aktions- und Konzept Kunst  7

1.1.1.3 Allan Kaprow versus Robert Morris/Ansätze zu einer Kunstgeschichte als Mediengeschichte  9

1.1.1.4 Performance Art / Performance Art nach 1945: Aktionstheater und Intermedia  9

1.1.1.5 John Cage und Fluxus (.pdf)  9

1.1.1.6 "Après John Cage": Zeit in der Kunst der sechziger Jahre - von Fluxus-Events zu interaktiven Multi-Monitor-Installationen (.pdf)  10

1.1.1.7 Valie Export/Peter Weibel/ Multimedial Feminist Art (.pdf)  12

1.1.1.8 Flatz: Lebenszeichen und gelebter Augenblick  13

1.1.1.9 Raphael Montañez Ortiz/ Destruktionskunst für und in selbstinstituierender Gesellschaft  13

1.1.2 Konzeptuelle Kunst  15

1.1.2.1 Konzeptuelle Kunst in Amerika und England 1963-76/Text  15

1.1.3 Art&Language  16

1.1.3.1 Kontextreflexive Kunst im Kunstkontext. Plurifunktionale und mehrschichtige Bild- und Diskursmodelle  16

1.1.3.2 Art & LanguageUK (1966-72): Maps and Models  18

1.1.3.3 Art & Language und Luhmanns "Theorie der Beobachtung": "redescriptions"  21

1.1.3.4 Art & Language & Hypertext: Blurting, Mapping and Browsing  23

1.1.4 Vernetzungskünst(l)e(r)/Text  26

1.1.4.1 Kunstgeschichte der Medienvernetzung  26

1.1.4.2 'Netzsystem Kunst' als "permanente Konferenz"  28

1.1.4.3 Netz-Werke  29

1.1.5 Der Beobachter als Akteur in Happenings und umweltsensitiven Installationen/Eine kleine Geschichte der re- & interaktiven Kunst  30

1.1.5.1 Multilokale Zwei-Weg-Kommunikation  30

1.1.5.2"System-zu-System-Beziehungen"  30

1.1.5.2.1 'Spielregelspieler´  31

1.1.6 Gesellschaftliche Veränderungen durch das Internet  32

1.1.7 Kunst und Internet  41

1.1.7.1 Netzkunst  41

1.1.7.2 Kunst im Netz und mit dem Netzwerk  43

1.1.8 Sparten von Netzkunst:  43

1.1.8.1 Analog und digital 44

1.1.8.2 Gesellschaftsveränderung  44

1.1.8.3 Virtuelle Persönlichkeiten  45

1.1.8.4 Entwicklungen  45

1.1.8.4.1 Rezeption und Globalisierung  45

1.1.8.4.2 Deutschsprachiger Raum    46

1.1.8.4.3 Aufmerksamkeit-Limitierung-Wert Webseiten  46

1.1.8.4.4 Online Literatur und Materialien  47

1.1.9 NetArt: Theorie  48

1.1.9.1 Webness und (Post-)Avantgarde  48

1.1.9.2 NetArt-Typologie der Interaktion nach Thomas Dreher  49

1.1.9.3 Medienformen  51

1.1.9.4 Schichtung und Verflechtung  54

1.1.9.5 NetArt versus Kunstbetrieb  55

1.1.9.6 Indices für Medienkombinationen  57

1.1.9.7 NetArt / Netzkunst (Detailuntersuchungen)  59

 


1 Kunsterweiterung und Or-Om-Kunst

 

In diesem Feature, das ein Erweiterung und Ergänzung zu Feature 2 bildet, wollen wir die medialen Neuerungen, insbesondere die Möglichkeiten des Internets unmittelbar nutzen. Die LeserInnen werden in die komplexen Erweiterungsprozesse der Kunst seit den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts über Arbeiten Drehers eingeführt, die für eine Vertiefung online verfügbar sind. Wir werden uns auf eine skizzenartige Charakterisierung der einzelnen Richtungen und Bewegungen beschränken und sie mit der Or-Om-Kunst in Verbindung setzen. Die sich bei der Bearbeitung ständig überschneidenden Quellenstränge der Information, die Komplexität und Vernetzung der Zusammenhänge, die - anders als in den vorigen Features – eingesetzt werden, spiegeln also bereits im Darstellungsmodus die intermedialen Bezüge wieder, die in diesen Segmenten auch für die Kunst selbst reflexiv benützt werden.

 

1.1. Die neuesten Kunsterweiterungen

 

Die im Folgenden skizzierten Erweiterungsformen der vorher entwickelten Kunst stellen häufig Beziehungen zu Elementen des Gesellschaftsmodells her, die bisher nicht Gegenstand der Kunst waren. Auf diese Beziehungen zwischen der Ebene der bisherigen etablierten Kunst und anderen Dimensionen der Gesellschaft werden wir hinweisen. In vielen Fällen stellen bestimmte Erweiterungen umgekehrt nur Variationen und Wiederbelebungen früherer Kunstrichtungen dar.

 

Nochmals: in der folgenden Übersicht benützen wir bereits ein nur dank des Internets mögliches Verfahren. Die LeserInnen werden gebeten, den entsprechenden Text Drehers online zu lesen oder sich down zu loaden, unsere Kommentare benützen nur zaghaft Zitate und beschränken sich auf eine Analyse im obigen Sinn. Um eine derart ausführliche Analyse der modernsten Kunstrichtungen durchzuführen, wäre es natürlich möglich gewesen, andere, bereits vorliegende Arbeiten zu benützen. Uns geht es hier jedoch vor allem darum, den LeserInnen zu zeigen, wie hoch die Komplexitätsebenen und Reflexionsniveaus dieser Kunstrichtungen sind und wie über dieser bedrückenden Komplexität ein evolutiver Ausweg aus diesen Vernetzungen gefunden werden kann.


1.1.1 Intermedia Art nach Thomas Dreher[1]

http://dreher.netzliteratur.net/ Kunst der sechziger Jahre/ • Traces: whatdoyoumeanandhowdoyoumeanit/ Frank O´Hara. The "New York School" between Abstract Expressionism and Pop Art (.pdf)
Quelle: Artefactum Nr.43/April-May 1992, S.14-18

 

Kommentar S.P.:

O`Hara`s poetische Form versucht, die Grenze zwischen dem frei assoziierten und dem desintegrierten Subjekt des künstlerischen Egos zu verflüssigen. Die Unterscheidung zwischen Individuum und Außenwelt wird als verschwommen angenommen. Der Strom der Assoziationen, der hier bemüht wird, ist aber bereits von den Surrealisten und Joyce extensiv eingesetzt worden auch wenn in diesem Zusammenhang auch von kubistischer Syntax gesprochen wird. Für den Leser ergeben sich daher wiederum nur die Möglichkeiten eines ’multiple refracted framework’ für eigene Assoziationen. Erkenntnistheoretisch ist natürlich die Annahme naiv, dass man die Grenze zwischen Subjekt und Außenwelt verflüssigen könne. Die Grenze ist auf dieser Ebene der Kunstaktivität natürlich unüberwindbar, weil wir es ja immer nur mit individuellen und interaktiven Konstrukten von „Außenwelt“ zu tun haben.

Rivers überarbeitet in satirischem Gestus – unter Benützung der kubistischen Syntax O’Hara’s Werke der Maltradition unter Revision der klassizistischen Prototypen und unter Einfügung neuer Alltags-Elemente (Fluktuation zwischen figurativer Abwesenheit und abstrakter Präsenz). Er kritisierte mit diesem satirischen Gestus vor allem den Nationalismus der McCarthy Ära. Grundsätzlich zeigen sich hier synthetisierende Tendenzen zwischen unterschiedlichen Ebenen, welche neue assoziative Konnexe erzeugen.

Hartigan übersetzt Gedichte O’Hara’s in Ölbilder. Rivers und O`Hara arbeiteten zusammen an Bild-Gedicht. Der Wechsel zwischen dem Prozess des Sehens (des Bildes) und dem Lesen des Textes provoziert eine Rezeption die zwischen De- und Resemantisierung schwankt.

Das Spannungsfeld zwischen Entpersönlichung des Kunstwerks durch Übernahme der Produktionsformen des Graphik-Designs auf der einen Seite und Rückzug auf einen intern subjektiven Personismus wird im Weiteren in Variationen durchgespielt. In unserem Gesellschaftsmodell wird der Druck der Werbewirtschaft und des Grafik-Designs auf die Produktionsformen der Kunst sichtbar. Der Konflikt provoziert neue Reflexionen in diesem Feld. Das Unpersönliche der „Außenwelt“ wird etwa einer Re- Individualisierung unterzogen.

In unserem Modell der Bewusstseinsstrukturen unter 1.2 und 1.3.6 zeigt sich, dass zwar in den Bereichen der Erkenntnisreflexion von "Außenwelt" und in der Erzeugung neuer Bereiche in den XC-Schnittstellen von Begrifflichkeit C, Phantasie D und Sinnlichkeit E neue Variationen und Konstellationen erreicht werden, die Or- und Urbegriffe A und B unter 1.1.6 aber nicht aufgesucht und damit auch nicht künstlerisch umgesetzt wurden. Darin liegt daher im Sinne unserer Parameter die weiterhin bestehenden Beschränkung dieser Kunsterweiterungen.

1.1.1.1 Zwischen Kunst- und Lebensform: Von den Lettristen zu den Situationisten (.pdf)
Quelle: Neue Bildende Kunst, Nr.6/1992, S.11-15

Der Lettrismus (literarische und künstlerische Bewegung, die in konsequenter Weiterführung und Systematisierung unter anderem dadaistischer und surrealistischer Tendenzen die Atomisierung von Wörtern zu Buchstaben und deren Neuzusammensetzung zu sinnfreien Lautgebilden anstrebte, Wikipedia) arbeitete also überwiegend auf der epistemologisch-sprachlichen Ebene an einer Zerstörung und Neuformierung der Sprach- und Schriftfunktionen als sozialer Sedimente, deren Umwandlung als sozialkritischer Akt auch die Kritik der etablierten Ästhetik beinhaltete (Hypergraphologie). Dabei war ihnen wichtig, dass die Gesamtheit der Künste nicht abgehoben von der Wirklichkeit existiert, sondern sich auf eine lebenswerte Aktivität stützt. Somit waren die Lettristen mit einem neuen Lebensstil auf der Suche nach einem befreienden Städtebau. Dies war gleichzeitig theoretische Grundlage für die Situationisten.

Es kam zu einer Spaltung der Gruppe über die Frage, ob weiter Kunst und Ästhetik das Feld der Arbeit sein sollten oder dadaistische Antikunst und Sabotage das gebotene Mittel seien, um direkt auf die Wirklichkeit Einfluss zu nehmen, daraufhin gründete die Sabotage-Fraktion die Lettristische Internationale.

 

Kommentar S.P.:

Im Sinne unseres Gesellschaftsmodells zeigt sich, dass es sich hier wiederum um Bewegungen handelt, die in einem in gewisser Hinsicht sicherlich naiven Gestus das Ziel verfolgten, die Gesellschaft als Ganzes zu verändern oder zu zerstören, mit unterschiedlichen Akzenten bezüglich der Ziele und der Mittel. Naiv ist eine derartige Ansicht, weil die gänzliche Umgestaltung einer Gesellschaft auch durch politisch-künstlerische Bewegungen nicht möglich ist und vor allem nach einer Umgestaltung die auch jetzt vorhandenen und virulenten Probleme einer Steuerung, Koordinierung und relativen Stabilisierung des Gesamtsystems im Sinne der FIGUR 2 unerlässliche Voraussetzung für jede Gesellschaftlichkeit darstellen. Hier sind die Arbeiten Krauses, auf denen auch unsere Analysen basieren, wichtige Grundrisse für eine neue Art der Gesellschaftsveränderung.

 

Die „internationale Situationiste“ (IS) lehnte die Kunst als gesonderte Repräsentationsform ab und führte insoweit zu einer Kunsterweiterung, als soziale Lebensformen als Kunst gelten sollten.

Die Gruppe Cobra versuchten die Imagination des Betrachters durch eine Spannung zwischen De- und Refiguration anzuregen („das Volk zum Singen zu bringen“). Die „Hoest“ - Gruppe („mythenschaffende“ Dänen) setzte Masken des Pazifik, nordische Felszeichnungen und nordische Fabelwelt ein und ließ sich von Primitiver Kunst, der Kunst von Kindern und Nervenkranken anregen. Auch hier Überschreitung alter ästhetischer Bereiche durch nichtartifizielle Malerei, welche die Imagination aller Betrachter und nicht nur der Kunstkenner ansprechen wollte. Alle Menschen sollten zu Künstlern gemacht werden[2] (1944).

Die Gruppe Spur schwenkte unter dem Einfluss von Asger Jorn ebenfalls in Bereiche der Art Brut (Dubuffet) ein. Evolutionslogisch erfolgen auch ständig Überschneidungen und Mischungen unterschiedlicher, früher als gesondert entwickelter Malrichtungen und Konzepte (Informel, Surrealismus, Dadaismus, Afrikanismus usw.).

1959 entstanden in der IL Konflikte um die Funktion der Malerei. Debord forderte eine die Kunstgrenzen überschreiende Lebens- und Stadtkunst gegen die Rolle der visuellen Imagination im malerischen Konzept von Jorn und Gruppe Spur. Für die gegen Kunst plädierenden IS-Mitglieder war eine „Volksavantgarde“ schöpferischer „Lebensstile“ die Alternative zu Jorns „Volkskunst“.

Constant gab 1956 die Malerei auf und entwickelte Architekturprojekte für künftige Stadtstrukturen (transparente, flexible und verkehrsfreie Architektur/„wuchernde Megastrukturen, gedacht für einen umherschweifenden `Homo Ludens`“.).

 

Kommentar S.P.:

http://de.wikipedia.org/wiki/Situationismus liefert weitere Aspekte des Situationismus, seiner Vorläufer und seines Einflusses auf spätere Geistes- und Kunstströmungen. Für uns reicht der Hinweis auf seine Reichweite im Gesellschaftsmodell. Etablierte Dimensionen der Kunst, ihrer Repräsentationstechniken, ihrer Verflechtung in Marktmechanismen und ihre Musealisierung werden weitgehend kritisch hinterfragt und negiert. Das Gesellschaftssystem als repressives Klassen- oder Schichtmodell wird in politischem Aktivismus bekämpft, wobei ein Gemisch kritischer Theorien hier als Waffe eingesetzt wird. Politischer Aktionismus und alternative Lebensformen werden selbst zu Varianten der Kunst erklärt. Im Sinne unseres Or-Om-Begriffes der Kunst erweisen sich diese Ansätze als theoretisch zu begrenzt und unbestimmt, um die Evolution der Gesellschaften über diese Kunstäußerungen in jene Stufen zu bringen, die von diesem Positionen vielleicht bestenfalls dunkel geahnt, aber keineswegs präzise und vollständig ausformuliert wurden. Einerseits bringt der Gestus der Negation bestehender Lebensformen noch keineswegs die Inhalte neuer Gesellschaftsformationen hervor und im Weiteren waren die eingesetzten Mittel und Strategien problematisch.

 

1.1.1.2 Aktions- und Konzept Kunst

Von den soeben erwähnten Erweiterungen der bisherigen Kunstkonzepte unterscheiden sich die folgenden „Expansionen“. Die überwiegende Beschränkung der Nachkriegskunst auf die etablierten zwei- und dreidimensionalen Kunstgattungen Malerei und Skulptur werden aufgebrochen. Die folgende Aufstellung benützt wieder die Arbeiten Drehers:

 

Aktionskunst

 

Konzept Kunst (KK)

 

 

 

Kunstexterne Präsentationsmöglichkeiten. Die reflexive Kontroverse zwischen Pollock-Diskussion zwischen Greenberg und Kaprow thematisiert die normativen Zwänge der Rezeption des gemalten Bildes durch den ‚naiven’ Betrachter und die damit induzierte Ästhetik. Man versucht u.E. etwas naiv, eine beobachterzentrierte Kunst zu etablieren. Der Beobachtungsprozess mit der Abfolge aus physischen (Beobachter-) und mentalen (Beobachtung-) Operationen wird thematisiert und über Verlagerungen und Aktivierungen des Beobachterverhaltens werden letztlich Erweiterungen der etablierten Kunstmedien durch neue, nicht kanonisierte Formen, die zu Medienübergängen und neuen (Inter-) Medien führen, induziert. (Malerei à Collage à Assemblage à Environment, das zum Aktionsort für Happenings wird).

Neben der Aktionsmalerei Pollocks gilt auch die Erweiterung der Musik von spielbaren Noten zu Notationen mit graphischen und/oder verbalen Spielanweisungen als Wurzel der Aktionskunst. Diese beiden Stränge wachsen dann zu experimentellen Aktionsformen zusammen, welche etablierte Theaterformen, vor allem das Rollenspiel nach schriftlich fixierten Dialogen, in Frage stellen (vgl. ‚Zeitklammern’ von Cage).

Die Entwicklung künstlerischer Aktionsformen läßt sich - stark vereinfachend - in zwei Stränge gliedern:

 

1.1 [Erster Strang:] Von keiner Gattungsnorm begrenzte, Kabarettformen erweiternde Einzel- und Simultanaktionen.

 An die als ersten Strang vorgestellten

futuristischen und dadaistischen experimentellen Aufführungsformen knüpfen in den fünfziger Jahren Lehrer und Schüler des Black Mountain College - darunter John Cage - in einem gemeinsam aufgeführten Multimedia-Happening (1952) und die „literarischen Cabarets" der Wiener Gruppe (1958/59) an. Dadaistische Zufallsoperationen und Simultaneität von Aktionen kehren bei John Cage und Fluxus in Multimedia-Events wieder.25
"Fluxfests" (ab 1962) bestehen aus einer Folge kurzer "events" und entsprechen Marinettis Beschreibung des futuristischen Varieté: „...eine Reihe von Ereignissen, die kurz abgefertigt werden..."
Aktionslesungen der Wiener Gruppe und der Wiener Aktionisten28 differenzieren Formen des dadaistischen Kabaretts aus. Abweichend von ästhetischer Indifferenz, wie sie John Cage in seinen "Lectures" in Inhalt und Vortragsform thematisiert, beleben Mitglieder der Wiener Gruppe und die Wiener Aktionisten die dadaistische Provokation wieder, und erweitern sie zur Provokationsprovokation.

Kunstexterne Präsentationsformen

Neue Formen der Kunstreflexion (wie kann über Kunst kommuniziert werden) Problematisierung der sozialen und ökonomischen Komponenten der Kunstinstitutionalisierung und deren Einfluss auf den Kunstdiskurs führt zu Kontextkritik des Kunstbetriebs. Kunstexterne Präsentationen dienen in der KK der Thematisierung ihrer Rückkoppelung an kunstinterne Diskurse. Es geht nicht um eine Überführung der Kunst in Lebensformen, sondern um die Auslotung von Möglichkeiten, den Diskurs über Kunst und kunstexterne Präsentationsformen aufeinander zu beziehen.

 

Für Konzeptuelle Kunst charakteristisch sind:
- Selbstbezüglichkeit durch Semantisierung statt durch Bezüge von Kunstformen auf Kunstformen;
- Komplexierung der Semantik durch Reflexion über den Kunstbetrieb;
- Reflexivität beziehungsweise Reflexion der Reflexion durch eine Metasprache über semantische Selbstbezüglichkeit;
- Ausdifferenzierung in reflexives `Lesen´ und partikularisierendes `Sehen´ als zwei Gegenpole, zwischen denen Bewegungen und Gegenbewegungen der De- und Resemantisierung möglich sind.

Diese Thesen definieren Konzeptuelle Kunst als eine Kontextuelle Kunst-über-den-Kunstbetrieb, die die Selbstbezüglichkeit des Ad Reinhardtschen "art-as-art"-(Anti-)Dogmas von 1962 von der formalen auf eine metasprachliche Ebene hebt, und den Selbstbezug vom Referenzpunkt Kunstwerk auf den Referenzpunkt `Institution Kunst´ verschiebt. Diesem "semantischen Aufstieg" zur metasprachlichen Reflexion korrespondiert eine Pragmatisierung durch Selbsteinbettung künstlerischer Arbeit in den Kontext Kunst. Die Differenz zwischen Selbsteinbettung in und Anpassung an den Kunstbetrieb wird zum Thema einer kritisch die eigene Arbeit im Kontext verortenden Reflexion.

 

 

 

1.2 [Zweiter Strang:] Theater von Künstlern, die sich nicht mit der sekundären Rolle als Gestalter von Bühnenbildern und Kostümen begnügen, sondern die auch die Art der Handlung und ihren Ablauf `formen´.

Das aus Aktionsmalerei entstehende Aktionstheater in von Künstlern gestalteten Environments ist nach ersten Ansätzen der Bauhausbühne ein Neuanfang der künstlerischen Reorganisation des „Gesamtkunstwerks" ohne literarische Vorlage. Künstler erobern die räumliche und zeitliche Aktionsorganisation nach dem Zweiten Weltkrieg, wie zuvor im Bauhaus, aber mit neuen, durch Antonin Artauds Schriften über das „Theater der Grausamkeit" gefilterten Ansätzen.
Ab Ende der fünfziger Jahre übertragen Künstler wie Red Grooms, Jim Dine, Allan Kaprow, Claes Oldenburg und Robert Whitman Bühnenexperimente der klassischen Avantgarde (2.2) in "Happenings". Orte der Aufführung sind vorwiegend Galerien, nicht Theaterbühnen. Die Bühne wird in Happenings von Kaprow und Whitman durch Environments ersetzt, die Beobachter nicht vom Aktionsraum separieren, sondern integrieren. Environments bestehen aus ephemeren, den ganzen Raum umfassenden Einrichtungen oder - bei Oldenburg - aus Anordnungen von "agglomerates".

Bei der Wiedergewinnung eines von literarischen Vorlagen befreiten Aktionstheaters nach dem Krieg ergeben sich neben Wegen von der Aktionsmalerei über das Environment zur Aktion auch direkte Wege von der Aktionsmalerei zur Körperkunst:
So entwickeln Mitglieder der japanischen Künstlergruppe Gutai  bereits in den fünfziger Jahren verschiedene Formen der Aktionsmalerei, die ab 1955 - nicht ohne Rückgriffe auf asiatische Traditionen - in Formen des Aktionstheaters übergehen.
Die Wiener Aktionisten erarbeiten in der ersten Hälfte der sechziger Jahre Formen des Aktionstheaters. Als Stufen zwischen Aktionsmalerei und Aktion ersetzen Körperbemalung (Brus) und Materialbeschüttung (Mühl) das "Environment" der New Yorker "Happenings".

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Diese Entwicklungen der Bildenden Kunst sind verschränkt mit Grenzerweiterungen bzw. Expansionen in der Musik, im Theater, (incl. Tanz) und im Film. Diese ergänzen und durchdringen sich in verschiedenen Varianten der Bildenden Kunst zu Multimedia und Intermedia Art.

Die folgenden Kapitel Drehers sind verfeinerte Analysen dieser Grundmaximen.

1.1.1.3 Allan Kaprow versus Robert Morris/Ansätze zu einer Kunstgeschichte als Mediengeschichte

 

Kaprow weist Morris in dem Disput seine Verhaftung in einem konventionellem Dualismus nach, der beeinflusst vom Strukturalismus Levi Strauss’ Aspekte der Kunstproduktion auf formale Aspekte reduziert und nach unhintergehbaren Axiomen (auch von Prozessen in der Zeitdimension) sucht, während er selbst für eine Problematisierung der Welt- wie Kunstbeobachtung prägenden Rahmenbedingungen plädiert. Es gibt also keinen ‚letzten’ Rahmen von Formklassen in der Zeit- und Sachdimension, auf welchen historisch bedingte Rahmen reduzierbar wären. Der historisch bedingte Rahmen bestünde vielmehr aus infinit veränderbaren Rahmenkombinationen. Diese Haltung Kaprows ist natürlich schon deshalb nicht haltbar, weil seine eigenen Sätze dann auch historisch bedingt wären und selbst er Variation zum Opfer fallen müssten. Wir vertreten bekanntlich mit der Wesenlehre einen in der Göttlichen Rationalität begründeten Strukturalismus, (Or-Om)-Strukturalismus, der auch für die Kunsttheorie die bereits oben dargelegten Konsequenzen besitzt. Die geisteswissenschaftliche und gesellschaftskritische Auseinandersetzung, die sich in diesem Disput niederschlägt (Strukturalismus versus Kritische Theorie), wird durch unsere neuen Ansätze überwunden.

 

Das Problem, wie diese Rahmenbedingungen zu charakterisieren seien, wird erst nach Kaprow durch die Mitglieder von Art and Language entfaltet (siehe unten).

1.1.1.4 Performance Art / Performance Art nach 1945: Aktionstheater und Intermedia

Luhmann’s Theorien über die Medium-Form-Differenz mit den Prozessen, die in der Dualität Selbst(Selbst/Fremd) und Intern(intern/extern) arbeiten, ermöglichen in Sinne unserer Evolutionsgesetze Interpretationen nach den folgenden Kriterien im Gesellschaftsmodell. Die Sub-Ebene der Kunst als geschlossenes System erfährt durch interne Inhalte, Konflikte, Herrschaftsstrukturen, Theoriekämpfe und evolutive Anregungen eine Binnendifferenzierung, die aber keineswegs analytisch streng von der Einbettung der Sub-Ebene der Kunst in das Gesellschaftsmodell, seine anderen Ebenen, Schichten, die Gesellschaftskonflikte (die Luhmann unpräzise als Umwelt bezeichnet) usw. getrennt erkannt werden darf. Diese faktisch-realen Anschlüsse an die Umwelt prägen einerseits die internen Konstellationen, bestimmen aber auch die Möglichkeiten der Kunst in übergreifenden Aktionen auf andere Ebenen der Gesellschaft Einfluss zu nehmen (etwa derzeit in China). Das Intermedia-Konzept muss daher eine sehr pragmatische soziologisch differenzierte Haltung im Rahmen der Theorie unseres Gesellschaftsmodells einnehmen, um nicht durch theoretische Verengung auf eine zu schmale Analyse zurückzufallen. Selbst im hoch-anspruchsvollen Ansatz Luhmanns fehlen bekanntlich durch die Betonung funktionalistischer Aspekte vor allem Sozialkritik ermöglichende Differenzierungen in Richtung auf utopistische Gesellschaftsveränderung.

1.1.1.5 John Cage und Fluxus (.pdf)

Faltblatt zur Ausstellung "Kunst als Grenzbeschreitung: John Cage und die Kunst der Moderne", Staatsgalerie moderner Kunst, München 1991 (Die längsrechteckigen Seiten erscheinen auf dem Monitor um 90 Grad gedreht: Bitte ausdrucken).

Während wir die Ästhetik aus göttlichen Grundbegriffen ableiten, war es ausgehend von Duchamp's (vgl. etwa unter 3.1.4) defaitistischer Haltung (Entwertung von Normen) u.a. auch bei Cage bestimmend, im Sinne einer Prozessualisierung des Ready-Made dem Eigensinn des Materials (bei Aktionen und Geräuschen) keine Kompositionsverfahren überzustülpen, die die Wirkung der einzelnen Elemente zugunsten eines Übergeordneten einschränken. In diesem Trend erblicken wir eine typische evolutionslogische Komponente des HLA II, 2 nach 1.3.7, wo die Überbetonung de Einzelnen ohne Bezug auf Neben- und Überglieder erfolgt. Auch benützt Cage den "Zufall" als Methode um die traditionellen Akzente der Dramatik und Expression zu vermeiden (punktuelle Klangereignisse statt Klangsequenzen. Er benutzte in diesem Zusammenhang auch "I-Ging" – Zufallsoperationen. Wie schon öfter an anderer Stelle (z.B. http://portal.or-om.org/art/TheGooglegoose/tabid/6082/Default.aspx ) ist zu betonen, dass alle Versuche, "reinen" Zufall zu erzeugen mit so vielen rationalen Begriffsverfahren und Aktionen verbunden ist, dass nur erkenntnistheoretisch naive Theorien davon ausgehen, dass hierdurch besonders neue die etablierten Rationalitätsstrukturen übersteigende "Erkenntnisse" und "Werke" gefunden werden können.

Cage interessiert sich aber auch –etwas integrativer – für die Organisation "komplexer Situationen" durch die Gleichzeitigkeit verschiedener, unabhängiger Aktionen, die von verschiedenen Personen in verschiedenen Medien konzipiert und gleichzeitig in einem oder mehreren angrenzenden Räumen realisiert werden.

1.1.1.6 "Après John Cage": Zeit in der Kunst der sechziger Jahre - von Fluxus-Events zu interaktiven Multi-Monitor-Installationen (.pdf)

Quelle: Bischoff, Ulrich (Hg.): Kunst als Grenzbeschreitung: John Cage und die Moderne. Kat. Ausst. Staatsgalerie moderner Kunst, München 1991, S.57-74

Cage beeinflusste eine Reihe von Schülern, die sich überwiegend an Dadaismus[3], Futurismus[4] und abstraktem Expressionismus[5] orientierten, durch seine Ansätze. In der Fluxusbewegung verbinden sich Künstler unterschiedlichster Ansätze und Nationen (Amerikaner, Europäer, Japaner). Als Fluxus-Programm kann das Manifest "Neo-Dada in Music, Theater, Poetry,Art" 1962 gelten. Für uns interessant ist auch der Stockhausen-Konflikt, weil er uns zeigt, wie interschiedliche theoretische Ansätze oberflächlich eine Zeit lang in Fluxus koexistierten, bis es zum ersten Zerfall kam.

"Dieser Protest gegen Stockhausenverdeutlichte und verschärfte im Fluxus-Kreis die Polarisierung in anarchistische, politisch indifferente und politisch orientierte Kollegen. Mit dem Stockhausen-Protest endete die intensive Zusammenarbeit aller Fluxus-Mitglieder.' Es war der "erste Tod " von Fluxus vor dem Ende der Fluxus-Aktivitäten 1978 mit dem Tod des 47-jährigen Maciunas." (Dreher)

 

Wichtig sind auch die Variationen der Beziehung zwischen Idee und Realisierung (Komposition und Realisation, Werkidee bzw. Handlungskonzept und Aus/Aufführung.). Die Verschiebung auf die Darstellung der Idee führt im Weiteren zur concept art. Hier werden unterschiedliche Spielarten variiert, wobei auch die Frage aktualisiert wurde, inwieweit dem Autor jegliche Autorität gegenüber dem aufführenden Interpreten genommen werden soll und der Bereitschaft des Interpreten zur Unterordnung zuvorgekommen werden soll. Schließlich werden auch die Barriere zum Betrachter und der Dualismus Aufführende - Publikum durch "participation" Happenings graduell aufgelöst. Auch die autoritäre Rolle des Dirigenten wird hinterfragt.

 

 

Kommentar S.P.:

 

Die Rezeption der Ideen des Zen-Buddhismus thematisiert das Verhältnis von Etwas und Nichts. Hier sind auch die Ideen des Zen-Buddhismus in unserer Sicht kategorial unbestimmt und teilweise auch irreführend bzw. ungenau elaboriert. Am Einfluss östlicher Ansätze (I Quing und Zen Buddhismus) zeigt sich eine Tendenz, die auch in der klassischen Moderne typisch ist: eine Abschlaffung und Ermüdung der Inhalte und Darstellungsweisen in der europäischen Kunstentwicklung versucht man durch die Übernahme fremder Kulturelemente zu überwinden oder auch nur zu überspielen (z.B. Japonismus und Afrikanismus in der Moderne). Die Überwindung des Eurozentrismus in der Moderne ist natürlich ein weiteres movens bei Fluxus. Der programmatische Begriff 'Eurasia" bei Beuys steht für die kritische Relation von europäischer Kultur und asiatischem, dezentrierendem Nihilismus.

 

Grundsätzlich ist aber auch hier wieder die Frage zu stellen, ob durch diese Crossovers die Kunstentwicklung über bestimmte Niveaus überhaupt hinausgebracht werden kann. Fluxus-Mitglieder würden natürlich argumentieren, dass sie gerade die Fortschrittsideologie der Moderne durch ihre Ansätze relativieren wollten. Andererseits finden sich natürlich bei Fluxus auch Ideen einer Antizipation von Lebensformen durch Kunstformen, die Ersetzung von politischen Institutionen durch Selbstorganisation (Beuys[6]) oder durch Ersetzung bestehender Politik durch eine andere (Flynt und Maciunas).

 

Nach unserer Sicht nicht. Die Durchmischungen führen zwar zu Veränderungen in den Paradigmen, in die sie eingebracht werden, diese Adaptierung kann aber trotz des Anscheins des Avantgardistischen sehr wohl auch konservative Richtungen fördern. Schließlich empfinden diejenigen Kulturen, deren Elemente mutwillig aus dem traditionellen Kontext entnommen werden, diese Aneignung sehr oft als einen usurpierenden Kolonialismus.

 

 

In der Wiederthematisierung, der bereits in Futurismus und Dadaismus überwundenen Gattungsästhetik der Teilung von Hörbarem und Sichtbaren erfolgen Variationen (selbst)-ironisierender Brechung (auch im Verhältnis von Dirigent –Orchester-Publikum).

Interessant etwa folgende Stelle Drehers:

"Zen-beeinflußte Fluxus-Mitglieder wie Brecht und Paik vertreten eine Auffassung, nach der die Avantgarde immer schon postavantgardistisch war, bevor sie sich entwickeln konnte. Der Ursprung der Avantgarde ist, nihilistisch gedacht, ein Nicht-Ursprung, der nicht durch Fortschritt überschreitbar ist, sondern von dem es nur beliebig viele Abwege gibt. Von den abwesenden Intentionen des Autors, von dem Konzept ohne Ursprung, zweigen unbegrenzt viele Realisations- und Bedeutungsmöglichkeiten ab."

 

Kommentar S.P.:

Hier wird der Zen-Buddhismus in einer Weise nihilistisch gedeutet, welche sicherlich diskussionsfähig bleibt. Nach dieser Ansicht kann und soll in der Kunst überhaupt nicht an Entwicklung gedacht werden. Sie soll sich offensichtlich lediglich in einer Balance von Etwas und Nichts bewegen (ästhetische Indifferenz). Andere Richtungen in Fluxus versuchen von der Hochkunst zur Akzentuierung des Erniedrigten zu gelangen. Ohne hier auf die Probleme des Zen-Buddhismus und seiner Interpretationen näher eingehen zu können, ist festzuhalten, dass der bisher entwickelte Buddhismus nur sehr wenige Ansätze für eine evolutive Gesellschaftstheorie vorlegen konnte und hier mit den Grundlagen der Wesenlehre zweifelsohne bereichert werden könnte.

Bei Fluxus finden sich erstmals elektronische Medien und der Monitor als Werkzeuge. Hierbei wurden versucht, die Impulse aus Aktionsmalerei und Musik in Happening und Fluxus mit den neuen Medien fortzusetzen und zu erweitern.

 

„Hierzu ist eine neuerliche Konzeptualisierung (als Thematisierung von Präsentationsformen durch eine Reflexion der möglichen Zusammenhänge zwischen materialer (Arbeit) und mentaler Produktivität (Koordination von Zeichen, sowie zwischen der Subjektivität von Zeichenanwendern und abstraktem Zeichenaustausch. Auch das neue Verhältnis zwischen internationaler Informationsvernetzung und regionaler unmittelbar erfahrbarer Lebenswelt wurde thematisiert.“

 

In den letzten theoretischen Erweiterungskonzepten bei Fluxus werden neue Perspektiven geöffnet, die erst später technisch perfekt umsetzbar wurden (Komplexität und Offenheit elektronischer Echtzeit-Systeme zur Ermöglichung kreativer Partizipation [participation-Events]).

1.1.1.7 Valie Export/Peter Weibel/ Multimedial Feminist Art (.pdf)

 

Kommentar S.P.:

Die im Artikel Drehers thematisierten Ansätze der beiden kritischen Künstlerpersönlichkeiten kreisen vor allem um phallokratische Rezeptionsmuster, die bloßgestellt werden. Hier sei auf unsere ausführlichen Untersuchungen der Entwicklung der feministischen Philosophie (http://www.internetloge.de/krause/krfeminismus.pdf ) hingewiesen. Grundsätzlich ist festgehalten, dass etwa der Versuch in „Stimmen aus den Innenraum“, die Dekodierung patriarchaler Herrschaftsstrukturen in dem zitierten dialektischen Prozess „without constituting a new conception of the world through the contradictory relationsships of heterogeneous parts" bei nur ein wenig Selbstreflexion nicht haltbar sein kann. Alle über Dekodierung gewonnen destruktiven Ergebnisse, auch wenn sie sich ständig dialektisch weiter verändern, sind selbst nur über duale „Unter-Scheidung“ rezipierbar, im Rezipienten konstruierbar. Es ist also nicht nur das „phallic significant“ die Quelle der Teilung in das Diesseits und Jenseits einer Grenze. Die Dichotomisierung einer binären Opposition (männlich-weiblich) ist daher nicht nur ein Ergebnis männlicher Macht. Die unbegrenzte elektronische Erzeugung von Zeichen vermag daher keineswegs durch selbstreferentielle Transformation jenseits binärer Ambivalenzen die soziale Geschichte männlicher Herrschaft aufzubrechen. Das Konzept hält nämlich nicht einmal der selbstreferentiellen Konsistenz stand. Für eine evolutive INHALTLICHE Veränderung der Herrschaftsverhältnisse sind erkenntnistheoretisch und im Weiteren sozial- und sprachtheoretisch andere Anstrengungen erforderlich, über die wir im Feminismus-Artikel ausführliche Anregungen gaben. Wenn Baudrillard die Typologie als nur eine von unendlich vielen Codes und nicht für ein fundamentales linguistisches Prinzip hält, ist ihm im Rahmen der üblichen Diskussion der Frage Recht zu geben. Allerdings ist dann seine eigene Theorie natürlich auch ein beliebig auswechselbarer Code, der keine Herrschaft über alle anderen ausüben darf. Das fundamentale linguistische Prinzip ergibt sich nach der Wesenlehre aus der unendlichen und absoluten Essentialität.[7]Die sich sozial ablösenden Codesysteme sind innere Partialbereiche dieses Or-Om-Codes.

 

 

1.1.1.8 Flatz: Lebenszeichen und gelebter Augenblick

 

Kommentar S.P.:

Wichtig ist die Überlegung, dass an die Stelle der polarisierten Konfrontation (Abstrakter Expressionismus-Realismus; Informel- sozialkritischer Realismus) Überschneidungen und Erweiterungen traten, eine typisch evolutionslogische Erscheinung. Auch hier gab es wiederum Richtungen der Überschreitung der etablierten Grenzen von Kunst und Leben. In der darauf folgenden Minimal und Conceptual Art wurde die Öffnung zum Leben wieder zurückgenommen. In der Konzeptuellen Kunst werden kunstinterne Zeichensysteme mit kunst-extern bereits vorbelasteten Zeichen kombiniert und durchdrungen. „Die Bedeutung; die Zeichen durch ihren alltäglichen Gebrauch haben bzw. erhalten, bildet eine erste Ebene, über der durch die Anordnung der Zeichen im Werk eine zweite Bedeutungsebene angelegt wird. Da diese zweite Ebene bei konzeptueller Kunst eine metasprachliche ist, die nach dem Zustandekommen von Bedeutung überhaupt fragt, wird die Rolle von Zeichenbedeutungen im Werk reflexiv.“ Wir sehen hier im Sinne unserer Erkenntnistheorie einen Versuch der Kunst, der Frage nachzugehen, inwieweit Zeichen, die wir für die Konstruktion von Wirklichkeit aus Sinnesdaten, Phantasie und „Begriffen“ einsetzen, überhaupt Adäquanz zu dem Überschuss an Vielfalt der Sinnesdaten der „Wirklichkeit“ besitzen. Die über die Mischung und Durchdringung unterschiedlicher Zeichensysteme der Alltagsempirie und  der künstlerischen Codes der Repräsentation (selbst wieder eine Alltagsrealität anderer Art) erzeugten Reflexionen haben aber außer einer Art Erkenntnisschock keine Möglichkeit, die Frage über ein bestimmtes Niveau hinauszubringen. Wieder droht die Reflexion im Halbdunkel zu enden.

Flatz arbeitet nach Dreher ebenfalls mit vorsprachlichem Eigensinn sinnlicher Erfahrung. Er greift die Spannung zwischen konzeptueller Reduktion der Welt auf Zeichensysteme und ihr nicht unterwerfbare sinnliche Erfahrungen auf[8]. Im Weiteren thematisiert er – anders als Warhol u.a., die sich in die Techniken und Inhalte des Massenkonsums transferieren, die kritischen sozialen Entwicklung[9] von Werbung, Kunst- und Massenmedien, das Phänomen des mediengeilen Voyeurismus’ und der medialen Selbstdarstellung (Outings) und der Dialektik zwischen Kontinuität und Bruch. Wie auch sonst häufig fehlt allerdings bezüglich zukunftorientierter Horizonte jeglicher inhaltliche Ansatz.

 

1.1.1.9 Raphael Montañez Ortiz/ Destruktionskunst für und in selbstinstituierender Gesellschaft

Kommentar S.P.:

Der Beginn des Aufsatzes schildert die typische Situation der fünfziger und sechziger Jahre in den USA. In unserem Tempel der Allkunst unter 5.1.2 stehen sich „abstrakte“ und realistische Richtungen bereits ausgefächert gegenüber[10]. Es entstehen jedoch die bereits oben geschilderten Erweiterungen (Pop –Art, Objekt- und Aktionskunst die Erweiterung um die Medien Film und Video).

Für die Entwicklung vor allem auch des Wiener Aktionismus sind die Arbeiten Ortiz` grundsätzliche Vorreiter, die natürlich wiederum die Erfindungsleistungen der letzteren einschränken und relativieren. Ortiz entwickelt offensichtlich als erster Destruktionsverfahren, welche gesellschaftlich verdrängte Bereiche der Vergänglichkeit, des Todes und der Aggression thematisieren. Auch wird die in diesen Prozessen als Spuren der Destruktion freigelegte Ästhetik dem Betrachter zu assoziativer Erzeugung angeboten. Ortiz ist der erste, der Selbst-Performances als „Body Art“ inszeniert, die bei Brus und Burden weiter wirken. Die bei Ortiz beginnenden Tier-„Opfer“ aktivieren ein weites Feld historischer und zeitgenössischer Dimensionen der Tierschlachtung, die bei Nitsch eine regressiv das Christentum nach hinten erweiternde Dimension des Mysterientheaters erhält. Für unsere Analyse interessant ist etwa folgender Gedanke Drehers:

„Im Unterschied zu Joseph Beuys offeriert Ortiz kein alternatives soziales Konzept für zukünftigen Lebens- und Kunstvollzug, sondern versucht, Restriktionen aus ihrer Codierung als unveränderbare kulturelle Gegebenheit zu lösen, um eine Dynamik von Gruppenprozessen freizusetzen: "Liminoid theatre" als "...a variant model for thought or action to be accepted or rejected." (Victor Turner 1977)

Die Figur des Künstler-Schamanen wird bei Ortiz nuanciert gegenüber Beuys eingesetzt. Aus den über tribale Identitäten induzierten kollektiven Schamanen-Ritualen schreitet der Schamanen-Künstler weiter zu einer individualisierten Form:

„Vom Initiationsritus zum Initiieren individueller Vorstellungen, vom religiös vorcodierten Schlachtopfer zur Schlachtung als tabubrechender Kunstaktion. Der Künstler-Schamane provoziert Beobachter durch zeitgenössische Formen der Initiation, etwas an dem zu ändern, was dem vorgeführten Aktionsverlauf der Zerstörung in der Gegenwart zugleich ent- und widerspricht. Ortiz initiiert unabgeschlossene, "liminoide" Riten, die zur Reflexion über soziale Zusammenhänge zwischen manifester Gewalt und latenten wie verdrängten Aggressions- und Destruktionspotentialen provozieren.“

Die bei Ortiz thematisierten Themen von Leben Tod und Wandlung sind im Rahmen der Kapitel 1.1.5 bis 1.1.7 weiter bildbar.

„In der Aktion wie im Film thematisiert Ortiz Performance-Aspekte. Performance-Aspekte unterscheidet von Performances, dass auch mit nicht theater-, musik- und aktionsspezifischen Mitteln Spannungen zwischen den "Registern" des "Symbolischen" und des "Imaginären" (Jacques Lacan) thematisiert werden können. Dank dieses Performance-Aspektes kann auf Annahmen wie `letzte´, nicht mehr hinterfragbare Bezugspunkte - ein unmittelbar gegebenes, affirmativ benennbares Reales oder als unveränderbar ausgewiesene "instituierte Bedeutungen" (Cornelius Castoriadis) - verzichtet werden. Ortiz setzt "liminoide" Aktionsformen, die Übergänge zwischen Sozialformen initiieren, ein, um auf die Selbstverwandlungsfähigkeit der Gesellschaft zu verweisen, und provoziert zur Reflexion über die "Gesellschaft als selbstinstituierende" (Castoriadis).

Auch dieses Zitat zeigt, dass derartige Reflexionsverfahren zirkular-zweidimensional bleiben, und die in der Wesenlehre vorgelegten „dreidimensionalen“ Bereiche gar nicht erschließbar sind. Im Sinne der Postmodernität läuft die Reflexion innerhalb bestimmter Grenzen mit der Gefahr mangelnder Ergiebigkeit ab.

 

1.1.2 Konzeptuelle Kunst

1.1.2.1 Konzeptuelle Kunst in Amerika und England 1963-76/Text

Dreher stellt richtig fest: "der Vorstellung von Konzeptueller Kunst als letzte Phase einer Neo- beziehungsweise Nachkriegsavantgarde widerspricht die Gleichzeitigkeit von Arte Povera, Anti-Form, Land Art und Concept Art in Gruppenausstellungen über zeitgenössische Kunstströmungen".

Wir entnehmen Dreher folgende Zusammenfassung für unsere Analyse:

Kriterien Konzeptueller Kunst

Für Konzeptuelle Kunst charakteristisch sind:
- Selbstbezüglichkeit durch Semantisierung statt durch Bezüge von Kunstformen auf Kunstformen;
- Komplexierung der Semantik durch Reflexion über den Kunstbetrieb;
- Reflexivität beziehungsweise Reflexion der Reflexion durch eine Metasprache über semantische Selbstbezüglichkeit;
- Ausdifferenzierung in reflexives `Lesen´ und partikularisierendes `Sehen´ als zwei Gegenpole, zwischen denen Bewegungen und Gegenbewegungen der De- und Resemantisierung möglich sind.

Diese Thesen definieren Konzeptuelle Kunst als eine Kontextuelle Kunst-über-den-Kunstbetrieb, die die Selbstbezüglichkeit des Ad Reinhardtschen "art-as-art"-(Anti-) Dogmas von 1962 von der formalen auf eine metasprachliche Ebene hebt, und den Selbstbezug vom Referenzpunkt Kunstwerk auf den Referenzpunkt `Institution Kunst´ verschiebt. Diesem "semantischen Aufstieg" zur metasprachlichen Reflexion korrespondiert eine Pragmatisierung durch Selbsteinbettung künstlerischer Arbeit in den Kontext Kunst. Die Differenz zwischen Selbsteinbettung in und Anpassung an den Kunstbetrieb wird zum Thema einer kritisch die eigene Arbeit im Kontext verortenden Reflexion.

1.1.2.2 Bereiche Konzeptueller Kunst

Konzeptuelle Kunst lässt sich als Kontinuum zwischen zwei Polen rekonstruieren. Das `Feld´ von Konzeptueller Kunst erstreckt sich von geplanten Werken, deren Realisationen die Relation zwischen "conception" und "perception" thematisieren, über "semantischen Aufstieg" zu einer theoretisch orientierten Kunst-über-den-Kunstbetrieb.

Es ergeben sich folgende drei Bereiche:

1. Die Grenzen der etablierten Kunstgattungen Malerei und Skulptur werden überschritten, um Übergänge und Beziehungen zwischen ihnen herzustellen, nicht aber, um Kunst neue Präsentationsmöglichkeiten aufzuschließen. So koppeln Sol LeWitt und Mel Bochner Wand- und Bodenmalereien oder -zeichnungen mit plastischen Elementen. Das Medium Fotografie wird in einigen Fällen integriert, um mit seiner Hilfe die Relationen zwischen zwei- und dreidimensionalen Präsentationsformen zu klären. Fotografie und Zeichnung geben in Mel Bochners "Three drymounted photographs and one diagram" (1966) und LeWitts "All Variations of Incomplete Open Cubes" (1974) je verschieden Dreidimensionales in Zweidimensionalem wieder. Ein Kontinuum wird entwickelt zwischen Repräsentation und Aspekten wie Linie, Fläche und Volumen, die als Vokabular abstrakter Kunst vertraut sind.

2. Alltägliche, nicht als Kunstformen vorcodierte Präsentationsformen werden eingesetzt. Die Aufmerksamkeit des Rezipienten wird auf mögliche Zeichenformen einer Präsentationsform gelenkt. Was im Einzelnen mitgeteilt wird, dient nur als Modellfall einer umfassenderen Problematisierung von Zeichenfunktionen. Diesem zweiten Bereich entsprechen Arbeiten von Robert Barry, Victor Burgin, Douglas Huebler, Joseph Kosuth, John Stezaker, Lawrence Weiner und Ian Wilson. Diese Künstler arbeiten mit Zeichen und Medien, die kunstextern vorcodiert sind. Arbeiten mit Texten und Foto-Texten überwiegen.

3. Zeichentheoretische und kunsttheoretische Konzepte werden schriftlich dargelegt. Die Schriften werden als Resultate künstlerischer Arbeit in Ausstellungen vorgestellt und in Katalogen sowie Kunstzeitschriften gedruckt. Die Präsentationen der Künstlergruppe Art & Language in den Zeitschriften "Art-Language" (Mai 1969-März 1985, 4. Juni 1997) und "The Fox" (April 1975-76) sowie in Ausstellungen sind die öffentlichen Aktivitäten, die diesen dritten Bereich konstituieren. Die hier relevante kontextreflexive Gruppenarbeit reicht von 1966 bis 1976, als die amerikanische Art & Language-Gruppe sich auflöste.

Wir können hier aus Platzgründen keinesfalls alle einzelnen Positionen der Künstler/Gruppen im Sinne unserer Parameter analysieren. Wie die LeserInnen sehen, werden aber hochreflexive Positionen erarbeitet und wiederum präsentiert, die in die heikelsten erkenntnistheoretischen Fragen reichen.

1.1.3 Art & Language

1.1.3.1 Kontextreflexive Kunst im Kunstkontext. Plurifunktionale und mehrschichtige Bild- und Diskursmodelle

"Art & Language ist die einzige Künstlergruppe, die primär kunsttheoretisch arbeitet und in Ausstellungen Texte und Modelle präsentiert, die den jeweiligen Stand der gruppeninternen Diskussion zusammenfassen."

"Ein Diskurs über die Beobachtungsweise, die Beobachtungsoperationen zugrunde liegt, wird notwendig."

"Die kunsttheoretische Wende von der Bewusstseinsphilosophie zur Sprachphilosophie hat bei Wollheim zur Rekonstruktion der klassischen Kriterien der Identifikation von Kunst durch Gattungskriterien geführt, bei Art & Language dagegen zu ihrer Dekonstruktion, zum Verzicht jeder Festlegung auf Präsentationsformen."

"Das Idealmodell der Mitglieder von Art & Language ist eine Situation, in der eine Pluralität von Kunstkonzepten entwickelt wird, welche durch die wechselseitige Reibung die Konzepte tragenden Argumente im Diskurs verbessert werden."

"Die dichte Präsentation von Zeichen in poetischen, phatischen, referentiellen und metasprachlichen Zeichenfunktionen `nebeneinander´ führt zu einer Beobachtersituation, in der die Zeichenfunktionen zueinander in Verhältnissen der `Negation´, der `Spannung´ (als wechselseitige `Negation´) oder des `Gleitens´ lesbar sind."

"Hatten Art & Language in der theoriekonstitutiven Phase bis 1970 Sinneswahrnehmung (über Reizmuster) noch direkt an konzeptuell-begriffliche Systematisierung von Weltmodellen anschließen wollen, so durchdringen sich jetzt Bild- und Diskursmodelle in permanenter Rehistorisierung/Verzeitlichung als sich ineinander faltende, kompaktierende, und ausfaltbare mentale Schichten Bild- und Diskursmodelle besitzen ihre historische Semantik, die bild- und sprachmedienspezifische Möglichkeiten zugleich für Zukünftiges schließt und öffnet, sowohl getrennt als auch in der Art, wie Bilder und Diskurse laufend parallel und zur wechselseitigen Semantisierung verwendet werden. In der Aufarbeitung der Relationen zwischen Bild- und Diskursmodellen wird Konzeptuelle Textkunst zugleich revidiert und als notwendig bestätigt."

"Die materielle Bildinkorporation erzeugt optische Wiederholungsmuster und ist mental ableitbar aus einer virtuellen Syntax der beliebigen Bildvergrößerung, Bildverdoppelung und Bildeinblendung: In der Beobachtung ergeben sich Spannungen und Durchdringungen von materiellen, optischen und mentalen Strata. Zwischen referentielle und metasprachliche Zeichenfunktionen schieben sich poetische und emotive. Das Weltmodell "Dialectical Materialism" wird in den "Incidents in a Museum" zum Kunstmodell. In das Kunstmodell wird allerdings die Brechung Kunst- und Weltbeobachtung als Brechung mit sich selbst - den Bildern im Bild - und musealer Umwelt eingebettet: Kontextreflexive Kunst im Kontext."

"Das Schichtenmodell greift in der Konzeption der "Index (Now they are)"-Serie von der monochromen Glasfläche in poetischen Zeichenfunktionen nach unten durch auf referentielle Zeichenfunktionen und nach oben auf phatische Zeichenfunktionen. Die Abwesenheit der Reflexionsebene metasprachlicher Zeichenfunktionen im Bildmodell wird an dessen Implikationen für Diskursmodelle selbst beobachtbar - deshalb "Art-Language: New Series"?"

"Die permanente Refocusierung und Kontextverschiebung transformiert erstarrte Verhältnisse zwischen materiellen, optischen und mentalen Strata. Die Umschichtung der Schichtenverhältnisse wiederum erzeugt "Epi-" und "Parastrata" `Dominante´ Zeichenfunktionen, die die semantischen Prozesse in anderen Zeichenfunktionen mitbestimmen, und `Affirmation´ zwischen Zeichenfunktionen verhindern solche Umschichtungen. Die Geschichte von Art & Language ist spätestens ab 1973 die Geschichte der Vermeidung, metasprachlichen Zeichenfunktionen die Rolle der "dominanten Funktion" zukommen zu lassen und auf `affirmative´ Bezüge zwischen Zeichenfunktionen zurückgreifen zu müssen. Das Wechselspiel zwischen Bild- und Diskursmodellen und damit zwischen materialen, optischen und mentalen Strata resultiert hieraus."

 

Kommentar S.P.:

Wie auch ausführlich in den Varianten der dekonstruktivistischen Rechtstheorien in http://www.internetloge.de/krause/krr.pdf [11] gezeigt wurde, besteht bei derartigen in unterschiedlichen Stufungen eingesetzten Dekonstruktionen der Zeichenfunktionen durch Überlagerungen, Brechungen, Inter-Negationen usw. das grundsätzlich nicht lösbare Problem, dass die Vorschriften, Metareflexionen und Anweisungen zur Dekonstruktion syntaktische, semantische und pragmatische Funktionen einer Sprache benützen müssen, die aus diesen Destruktionen ausgenommen werden müssen, um ihre Funktionen der Kunst- und Gesellschaftskritik erfüllen zu können. Würde selbstreferentiell auch diese Sprache und Ihre Zeichenfunktionen der kritisch reflexiven Dekonstruktion anheim gegeben, müsste diese Kunsttheorie selbst unverständlich und unzugänglich werden.

Unsere eigenen Sätze gehören dem Or-Om-Sprachsystem der Wesenlehre an, dessen Semantik durch die Erkenntnisse der Grundwissenschaft, dessen Syntax durch den Or-Om-Gliedbau der Wesen und Wesenheiten an und in unter Gott und dessen Pragmatik durch den Begriff der Evolution der Gesellschaftsformationen der Menschheit im Sinne der Evolutionsgesetze[12] bestimmt wird.

 

1.1.3.2 Art & LanguageUK (1966-72): Maps and Models

Im Folgenden kommentieren wir die bei Dreher erwähnte Theorie der Theorie

"II.3 Theorie der Theorie als Modelltheorie für Kunst

Die von den englischen Mitgliedern der Gruppe Art & Language in 1970 bis 1972 publizierten Schriften entwickelten Grundlagen zur Konstruktion von Theorien sind folgende:

1.1. Die Metasprache M' besteht aus einer "theory of necessary and sufficient conditions."

1.1.1. Die "necessary conditions" werden mittels Notwendigkeitsoperator N der Modallogik bestimmt. Die "modal notions" der Möglichkeit und der Unmöglichkeit lassen sich durch Kombinationen des Notwendigkeitsoperators N mit Negationszeichen ausdrücken. Die mittels "modal notions" getroffenen Bestimmungen von "necessary conditions" dienen der Formulierung von Aussagen über die Wahrheitsmöglichkeiten von Sätzen der intensionalen Objektsprache S2.

1.1.2. In der Deontik werden "`alethic´" "modal notions" (s. 1.1.1) um die "deontic or normative ideas of obligation (`ought to´), permission (`may´)" und "prohibition (`must not´)" ergänzt. Eine "adequate general theory of norm" soll die Beziehungen zwischen "`alethic´" und "deontic modal notions" klären.

1.2. Die Diskussion der "`alethic´" und "deontic notions" (s. 1.1.2) soll zu einem Vokabular für die Bestimmung des "status" einer "theory of ethics" führen.

1.2.1. Das Problem, wie widerspruchsfrei alternative "theories of ethics" sind, kann bei der Diskussion der "`alethic´" und "deontic notions" so lange wie möglich ausgeklammert werden. Propositionen, zum Beispiel von "theories of ethics", werden von einer Metasprache M´ "treated as wholes", ohne auf ihre Konnotationen in einer intensionalen Objektsprache S2 Rücksicht nehmen zu müssen.

1.3. Deskriptive und nach logischen Regeln vorgehende "Theories of Ethics" sind für die englischen Mitglieder von Art & Language theoriekonstituierend, nicht Auffassungen, die "Theories of Ethics" als Problem einer nicht formalisierbaren Performanz ausweisen.

1.3.1. "Descriptive" und "performative" "types" von "deontic notions" "can merge": "One could question why it is to say that something `ought´ or `may be the case´ often has the appearance of not being a genuine theoretical statement (which anything counts for or against)." Wie eine "theory of art" mit diesen, in bisherigen Kunst- und Künstlertheorien unüblichen Darlegungen von Grundlagen des Konstruierens von Theorien erstellt werden kann, ergibt sich aus den Schriften der englischen Mitglieder von Art & Language wie folgt:

2.1. Die Metatheorie M´ liefert mit ihren "modal notions" (s. Kap. I.2.1) die Grundlage zur Konstruktion eines "corpus of a theory".

2.2. Es gibt im "corpus of a theory" einen "set of constructs", dessen "propositional constants" "inscriptions" beziehungsweise "neutrale Ausdrücke" in der Metatheorie M´ sind: In M´ kann von den Bedeutungen dieser "constants" - sowohl von Intensionen der Objektsprache S2 als auch von Extensionen der Objektsprache S1 - abgesehen werden.

2.2.1. Der "corpus of a theory" bestimmt durch Restriktionen "categorically", welche Art von "entities" er zuläßt.

2.3. "The class of operationally significant art objects is restricted to those entitites - to the class of entities - which, with respect to a corpus of theory, etc., can mistakenly be said to be art objects." "The class of...art objects" ist nicht - wie in etablierten Kunsttheorien üblich - als vor allen theoretischen Konstruktionen immer schon vorhandene äußere Substanz und/oder innere Erfahrung zu verstehen und es gibt keine normative Gültigkeit beanspruchende Konstruktionsweise.

2.3.1. Zu dem mit 2.2 und 2.2.1 metatheoretisch festlegbaren Status einer Kunsttheorie können die in einer intensionalen Objektsprache S2 festlegbaren Bedingungen hinzukommen, die "necessary for reference" auf eine "class of art objects" sind. Dieser "class" lassen sich nach Kriterien, die "sufficient for reference" sind, bestimmte "art objects" in einer extensionalen Objektsprache S1 zuordnen.

2.3.2. An die Stelle eines materiellen Kunstobjekts kann eine Serie von "semantic objects" in S2 treten, wodurch "inscriptions" aus M´ Intensionen zugewiesen werden. "Semantic objects" wiederum können "a multiplicity of [pragmatic] interpretation" in der extensional orientierten Objektsprache S1 provozieren. Für die Ebene S1 kann eine "instruction for handling that constructs in appropriate domains" konstruiert werden. Es gibt einen "set of constructs" einer Kunsttheorie T mit M´ und S2 und eventuell S1, referierend auf eine begrenzte Menge von "semantic objects" (S2).

Die klassische Struktur von Kunsttheorien besteht aus einem "theoretischen `Kern´" T, einer aus Modifikationen von T abgeleiteten und T erweiternden Ästhetik Ä, Gattungsregeln G und materiellen Objekten/Kunstwerken O. Im Falle der nach Pop Art in Amerika paradigmatisch gewordenen Minimal Art (ab ca. 1963), im Besonderen in kunsttheoretischen Äußerungen von Robert Morris und Donald Judd, lässt sich diese Struktur so wiederfinden: Den "theoretischen `Kern´" T liefert die Wahrnehmungspsychologie und ihre Skala mit den beiden Enden Entropie und Gestalt. Die Präferenz für Gestaltqualitäten konstituiert eine ästhetische Norm Ä. Die Gattungsregeln G der Skulptur werden modifiziert in eine Form der erweiterten Skulptur: Objekte mit Eigenschaften, die der Beobachtung von Gestaltqualitäten dienen, werden in Räumen installiert. Als Objekteigenschaften bieten sich unterkomplexe stereometrische Formen an. Die Realisation solcher Objekte und ihre Platzierung an einer bestimmten Stelle in einem Ausstellungsraum erfüllt O beziehungsweise modifiziert die etablierte Werkform des isolierten und transportablen Objekts zur Relation Werk/Präsentationsumstände an einem bestimmten Ort. Diese Expansion der traditionellen Relation G/O kritisiert Kaprow als bloße Modifikation des musealen "frozen framework" (s. Kap. I.2), während Art & Language bereits den Komplex T/Ä/G der klassischen Struktur dekonstruieren und durch T ersetzen, aus dem Kriterien für O folgen können, aber nicht müssen.

Tradierte Kunsttheorien lassen sich auf das Modell einer "Isomorphie" zwischen Zeichen eines "conceptual edifice" T (mit Ä) und Taxonomien (als Einteilungen möglicher Referenten O in Klassen/Gattungen G) reduzieren. Diesem Modell sind nach Art & LanguageUK "constructual possibilities" (s. Kap. II.2) gegenüber zu stellen, die es erlauben,"art objects" als "virtual entities" zu behandeln. "Art objects" müssen nicht durch eine Festlegung von Extensionen in der Objektsprache S1 bestimmt und die Zeichen für "virtual entities" nicht mit Intensionen der Objektsprache S2 koordiniert sein. "Virtual entities" sind auch als "neutrale Ausdrücke" beziehungsweise "inscriptions" in einem "set of constructs" brauchbar. Wenn den "inscriptions" nur Intensionen in einer Objektsprache S2 zugeordnet werden, dann werden die "virtual entities" als "semantic objects" näher bestimmt, ohne die Ebene der Zeichenprozesse verlassen zu müssen:

One is talking about the `expressions´ which `go into´ a theory, ordered in some way. One does not either have to say that one has an illusion of `reference´ - one has a way of speaking.

Die Metatheorie M´ handelt mit Bezeichnungen als `Schrift´ ("inscriptions"), die intensionale Objektsprache S2 enthält dieselben Bezeichnungen mit Konnotationen als `Text´ (Intensionen), und die extensionale Objektsprache S1 enthält für diese Bezeichnungen Denotationen (Extensionen, Referenten). Denotate können nicht nur dauerhafte oder flüchtige materielle Zustände, sondern auch andere `Schriften´, `Texte´, darunter zum Beispiel physikalische Theorien über Wellen (s. Kap. II.3), sein:

What is needed is the recognition that in whatever way we want to constitute our art theory, it may well be just a part of the activity, and that the theoretical context may not exhibit referential failure at-all, only `referential multiplicity´. It may be that we can´t say much until we´ve located things on a fairly substantial topology of possibilia forming a basis for proposition modality.

Der hier referierte Theoriestand ist das Resultat von Abstraktionen durch Prozesse der Ebenengliederung, die eine Vielheit von Konstruktionen erlauben. Dabei werden Gefahren in früheren Ansätzen vermieden, über ein "ontological paradigm", das als das beste aller wählbaren Möglichkeiten erscheinen könnte, eine dogmatische[13] "meta-art" mit einem "mono-theoretical model" aufzubauen, von der aus sich andere ontologische Paradigmen kritisieren lassen. Auch der ältere Ansatz der englischen Mitglieder, Koordinationen zwischen In- und Extensionen mittels Strawsons Unterscheidung in "Sortal", "Feature" und "Characterizing Universals" zu organisieren (s. Kap. II.1, II.2), erscheint jetzt im revidierten Diskurs als einer unter vielen diskutierbaren Möglichkeiten. Diskutierbare Möglichkeiten lassen sich für Art & Language durch den Abbau von normativen Setzungen beziehungsweise von nicht rationalisierbaren Restriktionen gewinnen: "paradigm-shift-from" durch "theory-trying" statt "paradigm-shift-to". "

 

Kommentar S.P.:

Man will die Gefahr eines starren und bedenklichen dogmatischen ontologischen Paradigmas vermeiden, um damit eine "Meta-Art" zu begründen, die nicht monotheoretisch ist. Auch die Begründung über "charakterisierende Universalien" soll vermieden werden. Was bleibt seien diskutierbare Möglichkeiten.

Auch hier wird wiederum übersehen, dass dieses Theorem selbst ein Meta-Theorem darstellt und selbst nur eines der diskutierbaren Möglichkeiten sein dürfte.

Wir sehen hier, dass ein sehr sorgfältiger Versuch unternommen wird, mit den Disziplinen moderner Logiksysteme die intensionalen und extensionalen Dimensionen einer Kunsttheorie aufzubauen. Unter Hinweis auf unsere Vorschläge zur Neugestaltung der Logik und Mathematik unter http://www.internetloge.de/krause/krlogik.pdf ist hier anzumerken, dass eben bei sorgfältiger Erkenntnisanalyse usw. eine monotheoretische undogmatische ontologisch fundierte Begründung der Kunsttheorie als Meta-Art auffindbar ist, in der auch ausreichend Universalien zur Weiterbildung der Kunsttheorie und –Praxis zugänglich sind.

Die theoretischen Grundlagen der obigen Theorie der Theorie ist daher überschreitbar und alle Varianten der Theoriebildung der Art & Language Gruppe sind darin unvollständige Sonderfälle.

1.1.3.3 Art & Language und Luhmanns "Theorie der Beobachtung": "redescriptions"

 

Kommentar S.P.:

In diesem Zusammenhang stoßen wir auch auf grundsätzliche erkenntnistheoretische Positionsunterschiede bei der Frage, wie wir Welt überhaupt erkennen. Haben wir die Möglichkeit eine Welt außer uns in unserer Erkenntnis (Sprache) so abzubilden, wie sie wirklich gebaut ist, oder konstruieren wir überhaupt erst etwas, was wir dann Welt nennen aus ungeordneten Sinnesdaten (E) Phantasie (D) und Begriffen (C), ohne die Möglichkeit zu besitzen, dieses Konstrukt mit einer uns (unzugänglichen) Welt (G) und Gesellschaft (G1) vergleichen zu können. Unsere Positionen haben wir insbesondere unter http://www.internetloge.de/krause/krerk.htm dargestellt. Hier in den Features finden sich Überlegungen besonders unter 1.2 und 2.3. Die Grundsituation zeigt die folgende Figur 1:

 

Im Lichte dieser Zusammenhänge folgendes Zitat aus Drehers obiger Site:

"Burn und Quine erörtern Beziehungen zwischen Wahrnehmung und Sprache (s. Kap. 2.2). Der Zusammenhang zwischen Sehmustern und Wahrnehmungsgittern lässt sich auch im Rahmen einer Kybernetik zweiter Ordnung als von "Beobachtungsoperationen" konstituiert erklären: Außenreize werden im Nervensystem verarbeitet und in diesem Prozess entsteht, was wir als Außenwelt wahrnehmen. In der körperinternen rekursiven Bearbeitung entstehen nach Erkenntnissen der Neurophysiologie, die maßgeblich Heinz von Foerster formuliert hat, Wahrnehmungsqualitäten, während die Stimulierung von außen in den Nervenzellen nur als rein quantitativer "Erregungszustand" fassbar wird. Wie aus Reizen der Außenwelt Wahrnehmungsmuster visueller, audieller oder taktiler Natur werden, hängt - stark vereinfacht formuliert - von Operationen in Nervensystemen zwischen Stimulierung und (sowie im) Gedächtnis ab, nicht von einer Qualität der Stimulierung. So ergeben sich zum Beispiel für die visuelle Wahrnehmung bestimmte Wege von Sinnesrezeptoren über Retinaganglienzellen zu Zellen in Gehirnzonen, zu corticalen visuellen Arealen.

Niklas Luhmann bezog sich in seiner "Theorie selbstreferentieller Systeme", wie er sie in "Soziale Systeme" 1984 vorstellte, nicht nur auf von Foerster, sondern hat auch die Typentheorie Bertrand Russells als Beispiel für eine Hierarchisierung von Ebenen, für Stratifizierungen, vorgestellt. Die Hierarchisierung von Ebenen als Weg der "Systemdifferenzierung" hat Luhmann dann in seiner "Theorie der Beobachtung" in eine polykontexturale Heterarchie nach dem Vorbild Gotthard Günthers gewandelt.

Der wahrnehmungsbezogene Ansatz Burns wie Luhmanns "Theorie der Beobachtung" vermeiden das "Zweistufenmodell des Logischen Empirismus", das analytische und synthetische Propositionen trennt. Luhmann hat sich mehrfach auf Quines Kritik dieser "zwei Dogmen" bezogen:

Die Unterscheidung von analytischen und synthetischen Wahrheiten muss, wie schon Quine vorgeschlagen hat, aufgegeben werden.

Wenn wir Ansätze von Ian Burn und Niklas Luhmann vergleichen, dann versetzen wir uns in ein Labor, in dem verschiedene Argumentationsstränge konvergieren. Auf die Frage "Bilde ich die Welt ab oder konstruiere ich sie?", erstelle ich eine "Map of the Territory" oder erhalte ich immer "Maps of the Map", wie sehr ich mich auch um Darstellung bemühe, geben die Mitglieder von Art & Language verschiedene, auf Strawsons gegenstandsbezogenen oder auf Quines wahrnehmungsbezogenen Ansatz zurückführbare Antworten, von denen - wie es scheint (Kap. 2.4) - nur eine zur Kybernetik zweiter Ordnung und zu Niklas Luhmanns Theorie der Beobachtung führt: die Konstruktion von Welt aus "Reizbedeutungen" in "Maps of the Map".

 

Kommentar S.P.

Unter 2.3. sehen wir, dass es sich hier um einen Übergang vom naiven Realismus zum kritischen Realismus oder auch transzendentalen Idealismus (extremen oder gemäßigten Konstruktivismus) handelt (Objektpermanenz als Ergebnis konstruktiver reflexiver Abstraktion). Die LeserInnen vermögen selbst aus 2.3. zu ersehen, inwieweit unsere Erkenntnistheorie über diese Positionen hinausreicht. In den hier vorgeführten Kunsttheorien werden, wie auch Dreher deutlich herausarbeitet, Varianten der Abbildtheorie und der Konstruktionsthese mit allen ihren Komplikationen durchgespielt. Für uns sind dies Permutationen, die über bestimmte Erkenntnishorizonte nicht hinausreichen, diese aber auch im Kunstkonnex explizieren. Die erkenntnistheoretischen Positionen Luhmanns hat die Gruppe Or-Om unter http://www.internetloge.de/krause/krsystemtheorie.pdf  als

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Siegfried Pflegerl: "Aufklärung über die Selbstblendung einer abgeklärten Aufklärung - Wesenlehre und die Systemtheorie Luhmanns" Inhaltsverzeichnis u. Einleitung 4 S., PDF-File 150 KB Download gesamtes Buch: 206 S., PDF-File 4,552 MB kritisiert.

 Auch die Untersuchungen http://www.hirschsteiner.de/netzkunst_als_avantgarde.pdf unter im Kapitel C. Systemtheoretischer Teil benützt als Theoriebasis Luhmann (S. 47f). Für uns besteht kein Zweifel daran, dass die Analyse der Kunstentwicklungen im Netz mit den zynisch-naiven Epistemen Luhmanns, die einer selbstreferentiellen Konsistenz entzogen werden wollen, zu einer beträchtlichen Verkürzung des Untersuchungsrahmens  führen muss.

 

Das folgende Zitat weist auf einen wichtigen Unterschied zwischen den Thesen von A&L und Luhmann hin:

Während die Mitglieder von Art & Language jede Theorie als "problematisch" mittels "Alternativen" ausweisen und so die Einheit des "Kommunikationssystems Kunst" durch "theory-trying" brechen, thematisiert Luhmann die Rolle der Künste und der Kunsttheorie in einem selbstbezüglichen und rekursiven, also autopoietischen, Literatur, Musik und bildende Kunst umfassenden "Kunstsystem". Luhmann interessiert einseitig der Prozess der Ausdifferenzierung von Systemen in der Geschichte der Moderne und er vernachlässigt die simultane Verflechtung von Systemen mit anderen Systemen und Subsystemen. Die Expertensysteme des Kunsthandels, der Kunstgeschichte, der Philosophie der Kunst, der Kunstkritik und der Kunstmuseumsorganisation sind Subsysteme von Systemen des Handels, der Geschichtsschreibung, der Philosophie, des Journalismus und der Museumsorganisation. Die Kontexte, die aus Vernetzungen von Subsystemen bestehen und nicht unbedingt neue Systeme beziehungsweise "symbolisch generalisierte Kommunikationsmedien" bilden müssen, und über die mindestens (Teil-) Bereiche der Kunst Wege an die Öffentlichkeit finden können, thematisiert Luhmann nicht.

 

Kommentar S.P.:

A&L löst Kunsttheorie über erkenntnistheoretische Reflexionen von innen her auf und Luhmann vernachlässigt die Zusammenhänge zwischen dem von ihm vor allem autopoietisch verkürzt erfassten Kunstsystem. Nicht umsonst haben wir etwa in 1.1.2.1 ein Modell für ein Gesellschaftssystem entwickelt, um darstellen zu können, dass beispielsweise das Kunstsystem in beachtliche gesellschaftliche Zusammenhänge eingebettet ist, welche die eher "heroisierten" autopietischen Gestaltungen innerhalb des Kunstsystem in relevanter Weise so maßgeblich beeinflussen, dass man sie nicht vernachlässigen darf.

 

 

1.1.3.4 Art & Language & Hypertext: Blurting, Mapping and Browsing

In den hier von Dreher geschilderten Entwicklungen erfolgt der organisatorisch-funktionelle Übergang von der analogen in die digitale Bearbeitung der erkenntnistheoretischen und sozialen Fragen der Kunstreflexion, wobei die Möglichkeiten des Internets[14] einerseits den Übergang in noch höhere diskursive Komplexität erlauben, andererseits aber selbst die Komplexitätssteigerung dadurch begünstigen, dass seine technischen Mittel dem Blurting, Mapping and Browsing neue mächtige Werkzeuge liefern. Unsere hiesige Darstellung wäre ohne diese Möglichkeiten überhaupt nie möglich geworden, da ein Einzelner ansonsten unmöglich derartige Informationsmengen aus derart unterschiedlichen Bereichen überhaupt nicht in so kurzer Zeit verarbeiten könnte.

Wir entnehmen dem Dreher-Text folgende Zitate um sie zu kommentieren:

"1972 begannen Mitglieder von Art & Language Verfahren zu entwickeln, die es erleichtern sollten, die Kompatibilität ihrer Texte zu prüfen. Ansätze und Thesen verschiedener Mitglieder kursierten als mündliche Äußerungen, Thesenpapiere und ausformulierte Artikel. Zunehmend mehr Vorschläge für Bausteine eines eigenen Theoriedesigns konstituierten eine Basis für Dialoge und für Kollaborationen bei der Schaffung weiterer Thesenpapiere. Dies führte auch zu einer Vielfalt der philosophischen Ausgangspunkte, die es erschwerten, die Ansätze zu einer Kritik etablierter Kunsttheorien und -dogmen zu bündeln."

Kommentar S.P.:

Den LeserInnen, welche Kapitel 2 schon kennen, werden die Ähnlichkeiten zu den theoretischen Problemen der postmodernen Philosophien auffallen. Der Umgang mit einer unübersichtlichen, inkompatiblen Pluralität von Ansätzen provoziert auch wieder eine Vielfalt von Lösungsvorschlägen. Wir können hinsichtlich unserer Lösungsvorschläge auf Kapitel 2 verweisen.

"Aus dem Problem der Unübersichtlichkeit ergab sich die Notwendigkeit, die Kompatibilität der Diskursbausteine zu prüfen, um Probleme der Fortsetzung des Diskurses lösen zu können. Eine "database" für einen Überblick war zu schaffen, der es erleichtert, aus reflexiven Innenbrechungen Ansätze zur Neuorientierung zu entwickeln."

"Die Frage, wie Inkonsistenzen gehandhabt werden sollen, führt im Diskurs der Gruppe 1971/72 zu einer entscheidenden Selbstrevision: Es wird das Postulat der widerspruchsfreien Auflösung von Inkonsistenzen in Frage gestellt; eine umfassendere Theorie muss nicht immer durch eine widerspruchsfreie, aber weniger weit reichende Theorie ersetzt werden."

"Ziel der kollaborativen "theoretischen Praxis" von Art & Language ist die Umstellung vom Monolog und vom geschlossenen Werk auf eine Interaktion der Leser mit Werkteilen, die für Autoren wie Leser zur Fortsetzung der Reflexion führen kann und soll."

 

 

Kommentar S.P.:

 

Hier begegnen uns Varianten einer Kunstweiterung durch den Versuch, den Rezipienten in die Gestaltung des (zumeist wohl sehr theoretisch-reflexiven) Kunstwerkes einzubeziehen. Die Auflösung des Begriffes der Einzelkünstlerpersönlichkeit wird in eine bestimmte Richtung getrieben. Man sollte aber nicht vergessen, dass (ähnlich wie einem Computerspiel, wo auch der Konsument meint, er gestalte die Spielzüge kreativ, während die Meta-Programmierung alle seine möglichen kreativen Schritte bereits antizipiert hat) auch hier die Meta-Vorgaben der kommunikativen Kunst durch den Künstler bereits weitgehend hierarchisch auf einer höheren Ebene als Eingrenzung des Beteiligten auf der nächst niederen Ebene vorliegen.

 

 

"Die Menge an Eintragungen und ihr visuelles Eigenleben wird 1973 in "Index 002 (Bxal)" zu einem neuen Ansatz für Index-Systeme führen. Dieser Index konfrontierte Mitglieder von Art & Language und konfrontiert Rezipienten mit dem Problem, ob die Beziehungen zwischen Index-Eintragungen und Indiziertem noch rekonstruierbar sind: Sie sind es nicht. Da dies nicht leicht erkennbar ist, ergibt sich eine damals auch in den Diskussionen der Gruppe ausgetragene Spannung zwischen Rationalisierungsmöglichkeiten und Rationalitätskritik."

 

 

Kommentar S.P.:

 

Es sei daran erinnert, dass der Umgang mit derart komplexen semantischen Beziehungen unterschiedlichster Konzepte den Rationalitätsbegriff in der Postmoderne selbst permutiert hat, und die Postmoderne neue, selbst wiederum sehr problematische Rationalitätskonzepte vorlegte, die in Kapitel 2 skizziert und kritisiert werden.

 

 

 

Blurting

"Zwischen Januar und Juli 1973 schrieben New Yorker Mitglieder von Art & Language "a set of short statements or remarks", die "a series of commentaries or annotations" provozierten. Die "annotations" oder "blurts" wiederholten, modifizierten oder erweiterten Argumente, die in Gesprächen, Thesenpapieren und publizierten Texten kursierten. "The Annotations" lieferten die Ausgangsbasis für "Blurting in A & L"."

"In "The Annotations" werden solche zu kommentierende Dokumente der Kunstkritik ersetzt durch Hinweise, Anspielungen und kurze Charakterisierungen von Gepflogenheiten und Zuständen im Kontext Kunst. Mehrfach expliziert wird die Kluft zwischen einer an etablierten Präsentationsformen und Diskursparadigmen orientierten künstlerischen Atelierpraxis einerseits und der dialogischen Praxis von Art & Language andererseits. Kritisiert werden im Kunstbetrieb etablierte Verfahren, die Diskurs fördernde Alternativen ausschließen."

"Eine irreduzierbare Vielfalt von argumentativ gleichrangigen Alternativen erübrigt für die Mitglieder von Art & Language nicht Diskurse, als ginge es darum, willkürlich Präferenzen zu setzen, sondern weist auf die zentrale Rolle der aus der Reibung mit Alternativen gewinnbaren Diskurse. Die Praxis von isolierten Künstlern, die im Atelier entsprechend einem Paradigma Werke konzipieren und realisieren, wird ersetzt durch eine Alternativen generierende Diskurspraxis: Das kollaborative Forschungsprojekt ersetzt die solipsistische Atelierproduktion."

Kommentar S.P.

Auch hier entsteht wieder das Problem, dass sich bei einer irreduzierbaren Vielfalt von argumentativ gleichrangigen Alternativen aus den in der Reibung provozierten Diskursen neuerlich eine Vielfalt von Diskurspraktiken entwickeln lässt, welche die Komplexität weiter erhöhen.

 

Typisierte Verknüpfungen

"In "Blurting in A & L" bilden "typisierte Verknüpfungen" eine "Gedächtnismaschine", die mittels "associative indexing" eine Fortsetzung des Prozesses der "redescriptions" nahelegt. Unter jeder Annotation werden Verknüpfungen zu nummerierten Blurts notiert. Die Verknüpfungen werden in zwei Typen eingeteilt, die mit einem Pfeil sowie "&" etikettiert sind. Die Typen sind, wie in der Einleitung in "Blurting in A & L" erläutert wird, nicht wahrheitslogisch als Implikation und Konjunktion zu verstehen, sondern rein semantisch: Der Pfeil steht für Verknüpfungen zwischen enger aufeinander beziehbaren Einheiten. Dieser Verknüpfungstyp kann mit "`...because of...´" oder "`...in order that...´" semantisiert werden, während "&" für offene Bezüge steht, die aus dem engeren Umfeld der Pfeil-Relationen hinausführen. Semantisierungen wie "`...and then...´", "`...and so...´", "`...and next...´" werden in der Einleitung für "&" vorgeschlagen, aber auch "`either...or...´" oder "`...but...´". Ich bezeichne die beiden Verknüpfungstypen als `annotativ´ (Pfeil) und `assoziativ´ ("&")."

"Im Rückblick von Entwicklungen des Hypertext, des Internet und der Netzkunst erscheint der Begriff `Mapping´ brauchbar als Metapher für diagrammatisch organisierte, an Geschlossenheit orientierte Datensysteme. Der Begriff `Blurting´ charakterisiert eine Textproduktion für eine Organisation von Verknüpfungen, die in "Blurting in A & L" Browsing fördert und so das "Proceeding" von Art & Language - ihre Wissensaktualisierung durch Umschichtung und Modifikation - Lesern in einer Weise nahe legt, die sie in diesen Umschichtungsprozess immer schon integriert hat, bevor sie darüber nachdenken können."

Online-Fassung

"Die Online-Fassung bietet mit ihren akkumulativen und themenorientierten Diskussionsforen die Möglichkeit, das Anregungspotential der "Blurts" in Fortsetzungen des kollaborativen Annotierens umzusetzen."

"Das akkumulative Forum "Blurting to Blurting In Wanted" erlaubt spontane Einträge von jeder Seite aus. Die Einträge werden in chronologischer Folge akkumuliert."

"Die Fragen des Diskussionsforums thematisieren Probleme von Konzeptueller Kunst, Kontext Kunst und Netz-Kunst heute. Sie sind so formuliert, dass nicht nur mit dem Diskurs von Art & Language bewanderte User teilnehmen können. Allerdings erklären die (ehemaligen) Mitglieder von Art & Language Michael Baldwin, Michael Corris und Mel Ramsden, die den Diskurs mit eigenen Beiträgen eröffnen, ihre Sicht der Fragen gleich zu Beginn. Im Weiteren Diskussionsverlauf können (und sollen) sich Dialoge zwischen (ehemaligen) Mitgliedern von Art & Language und gruppenexternen Usern ergeben."

 

Kommentar S.P.:

Mit der Entwicklung von Web 2.0 wird die Verschränkung zwischen units, welche Themen vorgeben und den Mitgliedern der Diskussionsforen aus diesem konzeptuellen Kunstkontext bereits im auch wieder hochgradig mit ökonomischen Elementen durchsetzten Bereich eines diskursiven Massenkonsums überführt. Das Web hat eigentlich die Kunstreflexion sozial überholt. In unserem Modell des Gesellschaftssystems ist leicht zu zeigen, wie sich diese Möglichkeiten des Web 2.0 verbreiteten.

 

1.1.4 Vernetzungskünst(l)e(r)/Text

1.1.4.1 Kunstgeschichte der Medienvernetzung

Die Medien TV, Post und Telefon werden mit dem Kunstsystem verknüpft indem die mediale Verknüpfung der Systeme Verbindungen zwischen sozialen Subsystemen und dem Kunstsystem selbst zum Gegenstand der Kunst machen und damit auch die Semantik und Präsentation von Kunst erweitern. Im urbanen Konnex werden Netzknotennetzwerke zwischen Telefonnetze, Straßen- und Metroverkehr, Gas und Elektrizitätsverbindungen mit reflexiven Kunstsystemen interaktiv verknüpft. In der Literatur erfolgen über unterschiedlichste Netze konnektive Kollaborationen bei der Erzeugung von Texten. In interaktiven Beziehungen wird das Kunstwerk als Kommunikationsrahmen zur Verfügung gestellt, in welchen der programmierende Künstler als Spielregelspieler die Programmiermöglichkeiten vorgibt in welchen sich die Spieler bewegen können. Über einen Metakommunikationsrahmen kann die Möglichkeit des Rollenswitches elastisch gehalten werden.

 

 

Kommentar S.P.:

Während Dreher diese Erweiterungsphänomene ausgehend vom Untersystem der Kunst in der Gesellschaft interpretiert, vermögen wir die Neuerungen im Gesamtsystem klarer sichtbar zu machen. Diese umfassendere Perspektive ermöglicht auch, die gesamtgesellschaftliche Bedeutung dieser Kunsterweiterungen genauer abzuwägen. Es bleibt nämlich auch hier die sehr wichtige Frage zu klären, ob nicht die technologischen medialen Neuerungen (TV, Internet, Digitalisierung der Fotografie und der Musikindustrie usw.) die Avantgarde darstellen und das Kunstsystem erst reaktiv beginnt, kreativ mit diesen neuen Möglichkeiten und ihrem gewaltigen Druck auf das Kunstsystem umzugehen.

Das Modell gibt uns wiederum Anhaltspunkte für die Frage, in welchen Schichten die Künstler arbeiten, auf welche Schichten von Künstlern und Rezipienten (Publikum usw.) sie wirken, wie sie selbst wirtschaftlich verankert sein können, in welchem Zusammenhang diese erweiterte Kunstentwicklung mit den Ebenen der übrigen Kunst, der Wirtschaft (Kunstmärkte) und der Politik steht. Ohne Zweifel wird sichtbar, dass es sich gesamtgesellschaftlich um eher marginale Segmente handelt, deren theoretische Ansätze einer Vielzahl traditioneller Kunstkonzepte und deren Märkten gegenüberstehen. In diesem Rahmen mögen die folgenden Zitate aus den Arbeiten Drehers eingeordnet werden.

 

Auch hier bewegt sich die Kunsttätigkeit auf sehr hohen Reflexionsniveaus, wie die folgenden Zitate aus Drehers Arbeit zeigen:

"Eine kontextuelle Analyse kann Möglichkeiten untersuchen, Grenzen zwischen elektronisch vernetzten Kunstinstitutionen und elektronischen Netz-Werken zu ziehen oder zu unterlaufen. Die Netz-Werke können diese Untersuchung selbst enthalten, indem sie ihr eigenes Konzept und seine Relation zum vorgegebenen Kontext, zum 'Netzsystem Kunst', explizieren: Konzeptualisierung durch Investigation der (Grenzen der) Möglichkeiten zur Selbsteinbettung in vorgefertigte (und änderbare?) elektronische Kontexte. Diese Konzeptualisierung von Datennetzkommunikation kann Spielräume für Beobachteroperationen enthalten oder selbst modifizierbar sein. Der Beobachter kann die Rolle vom Spieler im Rahmen gesetzter Spielregeln zum Spieler mit Regeln des Kommunikationsrahmens, den das Werk setzt, wechseln. Eine systeminterne Kommunikation über den Rollenwechsel bedarf eines übergeordneten System-/Informationsrahmens. Dieser Metakommunikationsrahmen kann die Konzeptualisierung der Möglichkeiten des werkinternen Rollenswitches vom Spieler zum Spielregelspieler auf Spiel- und Programmiermöglichkeiten in und an dem 'Netzsystem Kunst' übertragen. Das etablierte 'Netzsystem Kunst' liefert Spielregeln, aus denen der Metakommunikationsrahmen des Netz-Werks einen Teil selektiert und ihn entweder affirmativ als Metarahmen des Werks übernimmt oder sich kritisch bis negativ zu ihm verhält. Der Metarahmen kann zwei Schichten enthalten: eine Schicht für die Reflexion der Relationen zwischen Spielzügen und modifizierbaren Spielregeln von werkinternen Werk(-Spiel)en und eine Schicht für die Reflexion der Relation des Kommunikationsrahmens Werk zum 'Netzsystem Kunst'. Diese beiden Schichten bzw. Metarahmen für Werke im Werk und für den Kontext können sich wiederum aufteilen in eine Modifikationen des Rahmens offerierende und eine rahmeninterne Schicht (mit Möglichkeiten des Durchgriffs auf darunter liegende Schichten). Der Metarahmen teilt sich also zwei Mal zweifach: in eine werk- und eine kontextbezogene Schicht, und jede dieser Schichten in eine Präsentation bzw. Reflexion der werkinternen Regelsysteme und eine Regelmodifikationen offerierende Schicht. Der zweifach zweigeteilte Metarahmen wiederum bedarf eines weiteren Rahmens der Reflexion der Schichtengliederung, also eines Metametarahmens. Soll dieser für Modifikationen offen sein, muss auch dieser Metametarahmen in eine interne Schicht der Darstellung und Reflexion der Schichtengliederung und eine externe, Variationen der Schichtengliederung offerierende Schicht gegliedert werden.

Bei Werken, deren einziger Inhalt die Problematisierung des Kommunikationsrahmens Kunst mit seinen Spielregeln und ihre Modifikation im 'Netzsystem Kunst' ist, entfallen die Schichten mit werkinternen Spielregeln und Spielregelmodifikationen. Wenn ein Künstler jedoch als Werk eine alternative "elektronische Kunstgalerie" mit Zugängen zu elektronischen Werken konzipiert und werkinterne Werke wie Galerie für Modifikationen öffnet, dann ergeben sich bei hinreichender Ausdifferenzierung die erwähnten acht Werkschichten (Diagramm 1). Diese Werkschichten verteilen sich auf vier Kommunikationsrahmen, davon drei Rahmen mit je einer Schicht für Modifikationen: Spielregeln der werkinternen Werke (ohne Modifikationsschicht), Reflexion und Modifikation der Spielregeln der werkinternen Werke, Reflexion der Spielregeln des Kontextes und Modifikation der Kontextreflexion, Reflexion und Modifikation der Metaregeln (Schichtengliederung) der Relationierung von Werk und Kontext. Modifikationen unterer Schichten können zur Abkoppelung von höheren Schichten oder zur Rekursion in die höchste Modifikationsschicht, die eine De- & Rekonstruktion der vorliegenden Schichtengliederung ermöglicht, führen.

Die Schichtengliederung einer von Künstlern für ein etabliertes 'Netzsystem Kunst' geschaffenen "elektronischen Galerie" entspricht in ihren Problemstellungen künstlerischen Installationen mit Kunstwerken in Kunstausstellungen und Museen, wie sie von Michael Asher, Marcel Broodthaers, Daniel Buren, Ed Kienholz, Joseph Kosuth, Gerhard Merz oder Daniel Spoerri in den siebziger und achtziger Jahren geschaffen wurden. Allerdings fehlen die Schichten für die Modifikationen.

1.1.4.2 'Netzsystem Kunst' als "permanente Konferenz"

Das im oder an Stelle einer Kunstinstitution installierte Netzsystem kann Positionen zwischen Kritikern, Künstlern und anderen Netzwerkbeobachtern enthalten, die sich mit dem Werkbegriff und der Definition des Status von Kunst auseinandersetzen. Solche Dialogpositionen im 'Netzsystem Kunst' dienen der Kommunikation über das künstlerische Netz-Werk. Das elektronische Netz-Werk wiederum kann die Dialogpositionen seines elektronischen Kontextes problematisieren. Die Trennung Kunstwerk und Institution Kunst gerät an einen (für den etablierten Kunstkontext mit strikter hierarchischer Trennung zwischen Werk und Vermittlung) kritischen Punkt, wenn das Netz-Werk aus einem Vorschlag zur De- & Rekonstruktion der Funktion des Netzsystems der 'Institution Kunst' besteht, der künstlerische Vorschlag in diesem 'Netzsystem Kunst' zirkuliert, die vorgeschlagene Rekonstruktion von Netzwerkbeobachtern praktiziert und als neue Spielregel im Kunstkontext akzeptiert wird: Das Netz-Werk wandelt sich vom künstlerischen Beitrag zur Komponente des 'Netzsystems Kunst'. Joseph Beuys' Vorschlag des Museums als Ort der "permanenten Konferenz" (den er auch in musealen Kontexten praktizierte) wäre multilokal über die Dialogpositionen eines 'Netzsystems Kunst' realisierbar. Die Dialogpositionen lassen sich durch eine permanente Kritik des Kommunikationsrahmens Kunst 'besetzen' und verändern. Die alternative Praxis der 'freien Bürgernetze' lässt sich so auf den Kunstbetrieb übertragen. Vorbilder dieser kritischen Dialogkunst liefern Joseph Beuys' Informationsbüro der "Organisation für direkte Demokratie durch Volksabstimmung" 1972 auf der documenta 5 in Kassel und die Podiumsdiskussionen, die Mitglieder der Künstlergruppe Art & Language 1975 in australischen Museen (National Gallery of Victoria, Melbourne, Art Gallery of South Australia, Adelaide) organisierten. Von dem Art & Language-Mitglied Terry Smith wurde in diesen Podiumsdiskussionen die internationale Dominanz amerikanischer Kunst und des amerikanischen Kunsthandels im australischen Kontext problematisiert. An diese Formen der seit Ende der sechziger Jahre sich zur kunstinternen Institutionenkritik wandelnden Anti-Kunst (von der Anti-Kunst zur Kunst-über-den-Kunstbetrieb) können in Datennetzen operierende kontextkritische Netz-Werke anschließen und sie ausdifferenzieren."

1.1.4.3 Netz-Werke

Seit den Pionierleistungen der Objektkunst und den ersten Happenings werden durch neue Präsentationsformen etablierte Kunstdefinitionen umgestoßen oder Kunstdefinitionen werden zur Ausgrenzung von neuen Präsentationsformen aus der Institution Kunst eingesetzt. Die Vernetzungen von Medien und Kanälen provozieren zu Modifikationen von Kunstdefinitionen nicht mehr durch einen Medienbruch (durch den Wechsel der Präsentationsformen), sondern durch die Medien- und Kanalkombination. Nicht genuin künstlerische, aber teilweise bereits künstlerisch vorbelastete Technologien werden in Konzepte integriert, die Interaktivität, Kollaboration, Dis- und Relozierung, Mehrweltsimulationen bzw. Programmwechsel im Programm und Transformationen vorsehen. Dabei müssen weder "Intermedia" (Higgins 1966) noch Gesamtkunstwerke, weder Zwischenformen noch neue Ganzheiten entstehen, sondern durch Interaktion mit Beobachtern und Umwelt transformierbare und sich transformierende, differenzierbare und sich ausdifferenzierende Strukturen können entwickelt werden. Mit diesen Fähigkeiten nähern sich die Werke den Prozessen an, die institutionelle Rahmenbedingungen konstituieren und verändern: Die Beziehungen zwischen institutionellen Rahmenbedingungen der Kunst und von Kunstwerken offerierten Kommunikationsrahmen, zwischen 'Netzsystem Kunst' und Netz-Werken, sind als Relationen zwischen unterschiedlich transparenten Schichten darstellbar: Was aus der Sicht der einen Schicht fehlt, wird im Durchgriff auf die andere Schicht erkennbar. Jeder dieser beiden Schichten Netz-Werk und 'Netzsystem Kunst' kann wiederum mehrschichtig untergliedert sein und in diesen Unterschichten Relationen zwischen Werk und Kontext ausdifferenzieren. Mehrschichtige Netz-Werke komplizieren die Relation zum 'Netzsystem Kunst' in einer Weise, die den Fall wahrscheinlich macht, dass ein Netz-Werk dem 'Netzsystem Kunst' schon eine Modifikation seines (Meta-)Metarahmens geliefert hat, bevor das 'Netzsystem Kunst' in seinem alten Zustand darauf zu reagieren fähig war.

Kommentar S.P.:

Wie schon an anderer Stelle erwähnt, muss unbedingt beachtet werden, dass das Kunstsystem sehr häufig den Meta-Metarahmen bereits durch andere mediale Systeme geliefert erhält, gezwungen ist, auch in seinen Modifikationen und in seiner Kritik diesen vorgegebenen Rahmen affirmativ zu benützen, und oft erst infolge der sozialen Implikationen dieser neuen Medien reaktiv zu diesen neuen Systemen durch Benützung derselben Stellung bezieht.

Wir wollen auch nicht verhehlen, dass wir in den oben geschilderten inner-gesellschaftlichen neuen Erweiterungen des Kunstsystems nur sehr geringe Potentiale der Gesellschaftsveränderung sehen. Bildlich: die evolutiven Horizonte dieser Inter-Aktion des Kunstsystems mit den anderen Untersystemen der Gesellschaft erscheinen uns zu wenig reflexiv und zu wenig geeignet, die Färbungen des Systems in Richtung auf qualitativ neue Parameter zu überschreiten[15].

1.1.5 Der Beobachter als Akteur in Happenings und umweltsensitiven Installationen/Eine kleine Geschichte der re- & interaktiven Kunst

1.1.5.1 Multilokale Zwei-Weg-Kommunikation

Zwischenmenschliche partizipatorische Kunstformen des Aktionstheaters der sechziger Jahre sind in den siebziger Jahren zu ersten Formen interaktiver Telekommunikation weiter entwickelt worden. Waren diese Formen des Gebrauchs von interaktiver Telekommunikation nicht nur im Kunstkontext, sondern auch als TV-Anwendungen neu, so werden sie heute durch TV-Shows mit Zuschauerrückkoppelungen (Life-TV, Telefon) kolportiert: Der Zuschauer wird nicht zum "participant", sondern demonstriert als Mitspieler noch die Macht der Massenmedien, die Zwei-Weg-Kommunikation (Interaktion) ihrer Ein-Weg-Kommunikation vom Sender zum Empfänger subordinieren. In den Anfängen interaktiver Telekommunikation versuchten Künstler, neue Möglichkeiten der Zwei-Weg-Kommunikation zu etablieren. In den neunziger Jahren sind Angebote von Kunstadressen in Datennetzen (und reaktive CD-ROMs) nur kunstspezifische Besonderungen von sich schnell durchsetzenden Kommunikationsmedien. Die Situation des Beobachters gegenüber lernfähigen Elementen mit Zugängen über Datenfernübertragung ist dagegen heute noch so neu, dass genauere Trennungen zwischen Kunst und Forschung noch nicht entscheidend sind: Beide sind daran interessiert, neue Medien in neuen Modellen für Weltbeobachtung zu erproben. An eine Medienkunst-Geschichte, die verfolgt, wie Künstler reaktive Systeme parallel zu technischen Innovationen weiter entwickeln, sind aktuell realisierte Systeme anzuschließen, die Möglichkeiten der Aktion mit lernfähigen, sich (teilweise) selbst organisierenden Maschinen enthalten.

Alternative Kunst der sechziger und der siebziger Jahre setzte lokale Zwei-Weg-Kommunikation gegen die Ein-Weg-Kommunikation der multilokalen Massenmedien. In den neunziger Jahren werden Multilokalität und Zwei-Weg-Kommunikation (bzw. Polykontexturalität und Interaktivität) zu primären Kriterien des Mediendiskurses und der Medienkunst. Hinzu kommen die Brechungen der Vorstellungen von Intelligenz, zu denen Beobachter sich durch Mensch/Maschine-Schnittstellen provozieren lassen können. Die lernfähige Maschine wird zum "viablen" Gegenspieler, der dazu provoziert, mit variablen Modellen von Intelligenz zu arbeiten.


1.1.5.2"System-zu-System-Beziehungen"

Fragen des Gebrauchs der Prädikate "menschlich" und "maschinell" sind durch Fragen an die Komplexität der Selbstorganisation von Systemen ersetzbar. Maschinen und Menschen treten in "System-zu-System-Beziehungen" (Luhmann) zueinander. Die komplexe Lernfähigkeit menschlicher Intelligenz/Rechner und das Problem, ob digitale Datenverarbeitung mit menschlichem Denken je konkurrieren kann[16], liefern keine Argumente gegen "System-zu-System-Beziehungen" zwischen Maschine und Mensch: Ein auf maschineller Datenverarbeitung aufgebautes System muss, wenn es mit ausschließlich auf menschlicher Intelligenz basierenden Systemen in Beziehung tritt, nicht von vergleichbarer Komplexität sein. Reaktive computergestützte Installationen können hinreichend komplexe Gegenspieler für menschliche "Beobachtungsoperationen" sein, ohne mit menschlicher Intelligenz an Verarbeitungsfähigkeit konkurrieren zu müssen. Reaktive Systeme sind so konzipierbar, dass sie Akteure zu einem Wechselspiel zwischen "Beobachtungs-" und Beobachteroperationen provozieren. Dieses Wechselspiel kann als Modell und Anleitung zu ähnlichen Wahrnehmungsprozessen der Refokussierung im Alltag verstanden werden. Beobachtungskonzepte arbeiten mit Reduktionen von Komplexität durch Abstraktion. Künstlerische Installationen können unterkomplexe Beobachtersituationen offerieren, die gerade durch ihre Unterkomplexität als Erfahrungsmodell mit impliziter Anleitung zur Restrukturierung von Welt-(und Kunst-) Beobachtung taugen.

1.1.5.2.1 'Spielregelspieler´

Reaktive Systeme können `Spielregelspieler´ zulassen, die nicht nur im, sondern auch mit dem System spielen. `Spielregelspieler´ ergeben sich bei Modellen, die dem Beobachter (begrenzte) Eingriffe in ihre Systemstruktur erlauben. Die Möglichkeiten der Netz-Werk-Architektur, lassen sich, wenn die Konzeption der `Spielregelspieler´ hinzugefügt wird, in folgendem Idealmodell zusammenfassen:
a. Verarbeitung von über Sensoren gewonnene Daten von Außenwelten in sich selbst bewegenden und lenkenden, eigene Beobachteroperationen ausführenden Robotern.
b. Verarbeitung der Roboter-Datenverarbeitung in einem zentralen Rechner. Teilweise werden die verarbeiteten Daten an die Roboter weitergegeben und entlasten somit deren kleinere, ihre Mobilität möglichst wenig einschränkende Rechner. Auch werden diese vom zentralen Rechner verarbeiteten Daten über Datenfernübertragung an Medien weitergeleitet, die die Schnittstelle für Beobachter/User bilden.
c. Die Schnittstelle für User zum zentralen Rechner wird von Präsentations- und Dateneingabe-Medien gebildet. Zwischen Dateneingabemedien und Rechner verbindet Telekommunikation.
d. Die Schnittstelle für User (c.) ist selbst als reaktives, mit dem zentralen Rechner gekoppeltes Environment gestaltet. Die Beobachteroperationen an der Schnittstelle zum Rechner werden von Sensoren (statisch oder auf Robotern) registriert und ebenfalls dem zentralen Rechner zugeführt. Entweder werden diese aus der Beobachtung des Beobachters gewonnenen Daten eigenen Präsentationsmedien zugeführt oder sie beeinflussen die Präsentationsmedien im User-Environment, die vermittelt über den zentralen Rechner die Beobachtungen der Roboter in der Außenwelt (a.) umsetzen.

Ein Beobachter kann Zugang zu der Programmarchitektur im zentralen Rechner erhalten. Er kann als `Spielregelspieler´ diese Architektur wie die Organisation der Komponenten des Netz-Werkes de- und anders rekonstruieren. Er kann auch über den zentralen Rechner die Roboterprogramme und damit deren Generierung von Beobachter- aus "Beobachtungs"-Rechenoperationen verändern. Der Beobachter/User kann sich damit begnügen, den Dateninput der Roboter zu manipulieren. Der User steuert auf diese Weise wie durch Programmodifikation die Beobachteroperationen des Roboters.

Bei Programmodifikation verändert er die Roboter-Beobachteroperationen über Modifikationen der Beobachtungs-Rechenoperationen.
Vom Beobachter manipulierbar sind:
- die von Robotersensoren registrierten Daten,
- die von Sensoren im User-Environment registrierten Daten,
- die Verarbeitung der Robotersensoren registrierten Daten,
- die Verarbeitung der Daten aus Sensoren im User-Environment,
- das Roboterprogramm und zwar das Programm des zentralen Rechners wie die über es koordinierte Netzarchitektur (Ent- und Neukoppelung der Input/Rechner/Output-Vorgänge).

Daten, die den Systemaufbau nicht modifizieren, sondern gefährden, können als nicht kompatibel mit dem derzeitigen Rechnerzustand vom zentralen Computer abgelehnt werden. Das System kann Eingaben ablehnen, die bei seinem gegenwärtigen Zustand seine Transformations-/Rechnerfähigkeit überfordern.

Ausdifferenzieren lässt sich die hier als Modell vorgestellte Netz-Werk-Architektur durch User-Dialoge. Bennett/Kac haben in "Ornitorrinco in Eden" ein Modell einer Lenkung der Beobachteroperationen eines Roboters über mehrere User realisiert. Außerdem wären mehrere Roboter in einem Feld möglich, von denen jeder von anderen Usern gelenkt wird. "Beobachtungsoperationen" von Robotern, das Beobachterverhalten ihrer Sensoren und Beobachteroperationen des Users an einer Schnittstelle andernorts können sich im Rechner ergänzen und Präsentationsmedien steuern. User können vom Rechner bei Dateneingaben, die Roboter gegeneinander führen, korrigiert werden - und umgekehrt können User Roboter korrigieren. Ein komplex vernetztes und ausdifferenziert geschichtetes digitales `Informationssystem´ kann Zwei-Weg-Kommunikation zwischen Usern auf mehreren Ebenen eröffnen. Interaktionen zwischen Usern (und Interaktionen zwischen Netzkomponenten und Usern) sind auf verschiedenen Ebenen möglich: neben der Manipulation von Sensoren-Input und ihrer Verarbeitung auf Roboter-Ebene auch auf den Ebenen der Manipulation des Datenflusses zwischen Roboter und Zentralrechner, zwischen Zentralrechner und der Schnittstelle für User sowie zwischen dem Programm zur Datenverarbeitung im Zentralrechner und der Koppelung der Komponenten zur Netzwerkarchitektur.

Es gibt in dem hier vorgeschlagenen Modell einer Netzwerkarchitektur Beobachteroperationen von Seiten der maschinellen wie der menschlichen Intelligenz: das Beobachterverhalten der Roboter mit Sensoren auf Datensuche, des Users an der Rechnerschnittstelle und mobiler Sensoren des reaktiven Environments, das Operationen des Users an der Schnittstelle beobachtet. Beobachteroperationen von menschlichen und maschinellen Rechnern an verschiedenen Stellen in der Netzwerkarchitektur werden an "Beobachtungsoperationen" rückgekoppelt: An die Rechnerstruktur und an das Gedächtnis des Users. Entscheidend ist, dass beide, maschinelle und menschliche Systeme, sich in dem hier vorgeschlagenen Modell einer Netzwerkarchitektur gegenseitig beobachten können. Das "Konzept des Beobachter beobachtenden Beobachters" (Luhmann) erlaubt es, auf die klassische Trennung zwischen Subjekt (mit Intentionen) und Objekt zugunsten systemtheoretischer Überlegungen verzichten.

1.1.6 Gesellschaftliche Veränderungen durch das Internet

Da wir immer wieder versuchen, die in der Theorie unterbelichteten Aspekt der Pragmatik ergänzend einzufügen, wollen wir hier anhand unseres Gesellschaftsmodells (1.2.3) die wichtigsten Wirkungen anführen, welche das Internet in den einzelnen Elementen der Gesellschaft erzeugte. Das Modell ermöglicht dann zusätzlich, sich zu verdeutlichen, in welchem Ausmaß diese Einzelwirkungen sich noch interdependent überlagern. Manchen LeserInnen wird diese Ausführlichkeit vielleicht als langweilige Wiederholung erscheinen, aber für das Mitdenken der Zusammenhänge ist der Hinweis wiederum sehr hilfreich. Die Reflexionen zum Internet sind in blauer Farbe verfasst.

 

Faktor 1:   Ebenen der Gesellschaft

 

Eine hoch industrialisierte Gesellschaft wäre gekennzeichnet durch folgende vier Ebenen, die ihrerseits in eine Mehrzahl soziologisch eindeutig abgrenzbarer Unterbereiche zerfallen.

    1.1    Religion – Kultur – Technologie – Wissenschaft – Kunst

    1.2    Sprache – Kommunikation – Medien

    1.1    Wirtschaft

    1.4    Politik – Recht (Verfassung, Verwaltung, Gerichtsbarkeit) – Ethik

 

             Zwischen Religion und Internet kommt es zu sonderbaren Verschränkungen. Man spricht von einer Theotechnologie, vom Verlust der Metaphysik und dem Aufbruch in den virtuellen Raum, dem digitalen Gott mit seiner neuen Heilsutopie, als einer religiösen Dimension des Cyberspace. Die im Internet realisierte Möglichkeit virtueller Welten bedarf natürlich selbst einer genauen erkenntnistheoretischen Analyse auch im Sinne unserer Kriterien. Hier genügt es darauf hinzuweisen, dass zu den bisher vom Menschen in seiner Phantasie (D) erzeugten Welten, die dann ja teilweise auch in die "äußere" Natur und Stofflichkeit umgesetzt wurden, neue hinzukommen, deren Inhalte aber wiederum in ihren Begrenzungen zu sehen sind, in denen sie häufig das menschliche Bewusstsein fesseln.

 

Das Internet hat die "Kultur", wenn wir diesen diffusen Sammelbegriff hier benützen, tief greifend verändert, indem sie in allen anderen Faktoren, die wir aufführen, Veränderungen provoziert und erreicht. Das führt zu einer oft unangebrachten Hymnik bezüglich der integrativen Wirkungen des Netzes für die Weltgesellschaft. In Wikipedia finden sich unter http://en.wikipedia.org/wiki/Category:Internet_culture eine zusammenfassende Übersicht über das Gebiet.

 

Das Internet ist selbst eine technische Innovation mit weit reichenden Wirkungen (Medientechnologie). Netztechnologien ermöglichen Informationstransfer, - Findung von Wissen (Recherche über globale Suchdienste), kommunikative Informationsverschränkung von Communities aller Art mit neuen Komplexitätsgraden usw. Veränderung und Erweiterung der Kommunikationsstrukturen (Chats, Groups, Communities, Blogs, Foren, Facebook, Twitter usw.).

 

Auf der Ebene der Wissenschaft ergeben sich erhebliche internationale und nationale Integrationseffekte im Umgang mit wissenschaftlichen Daten, Prozessen und Kommunikationsstrukturen. Globale Zusammenarbeit; Erstellung neuer Arten interaktiver Lexika (Wikipedia); Problemfeld: Public Domain gegen private property; Open Access Modelle der Sharings wissenschaftlicher Arbeiten; Verbindung Wissenschaft und Bildung; E-Learning, virtuelle Seminare, virtuelle Universitäten, Online-Journale, Pre-Print-Server.

 

Auf der Ebene der Politik sind etwa folgende Entwicklungen erfolgt: Veränderung von Öffentlichkeit (politische versus mediale Öffentlichkeit und deren Überschneidungen); politische Online Communities und deren Aktivismus; Elektronische Demokratie
(E-Democracy, Änderungen der politischen Partizipation und Information, Wahlsysteme); neue Kommunikationsformen mit politischen Repräsentanten; Aktionsvarianten der NGOs und Globalisierungsaktivisten; Erzeugung virtueller Öffentlichkeiten; neue Bürgerinformationssysteme, Freenets, bürgernähere Verwaltung, interaktive Planungsbeteiligung. Die Terrornetzwerke bedienen sich besonders effektiv der Netztechnologie. Die Vorherrschaft Googles und die letzten Hackerangriffe auf das Unternehmen durch China erreichen politische Dimensionen und Implikationen.

 

Auch die Wirtschaft hat in ihrem Charakter durch die Netzkultur gravierende Änderungen erfahren. Die von uns im Weltsystem der Wirtschaft besonders betonte Macht, Effizienz und Kontrollfunktion des internationalen Finanzkapitals (als dem Hirn des internationalen Kapitalismus)und seiner digitalen Disposition über hoch gesicherte Datennetze ist wohl die markanteste Neuerung. Die New Ecomomy[17], ein eigener Wirtschaftssektor, der sich nur über das Internet abspielt, bildet sich in Gegensatz und Verbindung zur etablierten Wirtschaft. Internationale Netze führen zur Globalisierung der Geschäftsfelder in Produktion, Vertrieb und in der Auslagerung bestimmter Elemente. Die Unternehmen werden einerseits gezwungen, die neune Technologien zu benützen und andererseits werden sie durch neue Unternehmen, die nur im Netz agieren herausgefordert. Neue Vertriebswege (B2B und B2C Commerce); Für die Ökonomisierung an sich ökonomiefreier virtueller Räume sei etwa an Second Life[18] erinnert, wo "reale Unternehmen" in dieser virtuellen Welt Filialen errichten, und das Second Life selbst völlig von entgeltlichen Waren und Dienstleistungen durchdrungen wird z.B. http://arktis.de/apfelland/; (Ökonomisierung der virtuellen Räume). Google, die mächtigste Suchmaschine verändert sich zunehmend in eine kommerzialisierte Website und besitzt hochgradige controlscreenings für die Zugriffsdaten; filtert aber etwa in China den Zugang zur Suchmaschine mit staatlicher Abstimmung. Webauftritt und Werbung im Internet stehen vs. Fernsehwerbung. Google und Apple ringen um die witrtschaftliche Frage, wie der jeweilige Koloss sein Geld verdienen soll. Mit Ads oder Apps, also mit Gratisangeboten verbunden mit Werbe-Ads oder durch bezahlte Apps, die der Konsumer kauft.

 

Die Ebene Sprache-Kommunikation-Medien[19] wird durch das Internet wohl am meisten betroffen. Die LeserInnen werden gebeten, sich die Wirkungen der folgenden Gesichtspunkte auf alle anderen Elemente des Modells zu vergegenwärtigen[20].

Für die Internet-Protokoll-Familie ist dabei das TCP/IP-Referenzmodell maßgebend. Es beschreibt den Aufbau und das Zusammenwirken der Netzwerkprotokolle aus der Internet-Protokoll-Familie und gliedert sie in vier aufeinander aufbauende Schichten. TCP/IP steht für Transmission Control Protocol/Internet Protocol.

Asynchrone Kommunikation sind E-Mail, Newsletter, Mailinglisten, Newsgroups und Blogs. Synchrone Kommunikation erfolgt über Chats, IRC und Messenger. Die Raum- und Zeitdimension werden verändert ("Global Village").Die interaktiven Instrumente des Netzes erzeugen virtuelle Gemeinschaften (z.B. Web 2.0 Communities, Ausbau sozialer Netzwerke, Online-Journalismus), erzeugen parallele Welten und Subkulturen. Virtuelle Gemeinschaften besitzen eine bestimmte Kommunikationsdichte, bilden neue Kommunikationsstile, wobei der kommunikative Mehrwert in neuen Diskurstechnologien und Kommunikationsformen liegt. Es zeigen sich aber auch Entwicklungen des "out of control" mit einem anarchistischen Potential als "Selbstverständnis", die Illusion jenseits von Zeit und Raum zu agieren wird gefördert. Risken, die auf das Netz wirken sind Spams, Viren, Würmer, Hoax, usw. Risken für die User und damit für die Gesellschaft sind: Internetsucht, Isolationismus (Auflösung tradierter Rollenmuster), Gewaltverherrlichung, politische Verhetzung und radikale Aktionismen, Pornographie, Pädophilie, Förderung von Aggressivität unter dem Mantel der Virtualität und in den Spielwelten, usw.

 

Das Phänomen der "Datenflut" (Mit Orientierungshilfen und Filtersystemen), des theoretisch ungeahnten Ausmaßes an Zugang zu Daten, des Überschusses an Information zu einem einzigen Thema, zwingt zur Erarbeitung einer Medienkompetenz.

Dimensionen der Medienethik sind gefordert (Nettiquette), Interventionen nationaler und internationaler Legislative und Jurisprudenz zur Kontrolle von Gewalt und Pornografie. Balancierung der Verbindung zwischen virtueller und realer Welt.

In der Frage der Rechtssicherheit im Internet gibt es den Konflikt zwischen Sicherung der Individualrechte (Copyright usw.) und der Entwicklung eines Überwachungsstaates.

Eine Übersicht über die Internetdienste enthält etwa http://de.wikipedia.org/wiki/Internetdienste#Tabelle_der_wichtigsten_Internetdienste .

 

Faktor 2:   Schichten

 

Die wirtschaftlich-funktionelle Teilung der Gesellschaft spiegelt sich in den Schichten, die als miteinander verbundene, aber auch im Gegensatz zueinander stehende

 

          6 unterschiedliche (Sprache-Kultur-Wirtschaft-Politik)-Untersysteme

 

gelten können. Die Gliederung erfolgt nach dem Beruf, ist also auf Positionen in den Wirtschaftsprozessen bezogen. Die Gliederung repräsentiert in der Gesell­schaft strukturell verfestigte Diskriminierungselemente, die man grob als Unter­drückung oder strukturelle Gewalt (kondensierte Diskriminierungsstruktur) bezeichnen könnte.

 

Für die westlichen Industriestaaten setzen wir folgende Schichten an:

 

6. Schicht:                      große Selbständige, höhere Angestellte

                                     und Beamte, freiberufliche Akademiker

5. Schicht:                      kleine Selbständige, Bauern inbegriffen

4. Schicht:                      mittlere Angestellte und Beamte

                                     neue Technokratenschichte des Internets

3. Schicht:                      niedere Angestellte und Beamte

2. Schicht:                      Facharbeiter

1. Schicht:                      Hilfsarbeiter und angelernte

                                     Arbeiter

 

Für eine Analyse der Wirkungen des Internets auf die Gesellschaft muss aber gerade der Schichtaspekt genau beachtet werden. Wer profitiert wie von der neuen Technologie, wer setzt sie aktiv und wer passiv ein? Wie benützen die verschiedenen Schichten das Netz für welche Zwecke? Wie verändert das Netz das Leben der Menschen in den verschiedenen Schichten? Die Hymnik von der gesamtgesellschaftlichen Transformation durch das Internet wird durch diese pragmatische Prüfung sehr reduziert. Wichtig ist die Bildung einer neuen Techno-Elite.

 

Faktor 3:   Der Mensch

 

Im Zentrum des Raummodells der Figur 2 befindet sich die jeweilige Wohnbevölkerung einer Schicht, wie in Figur 3 klarer erkennbar ist. Hierbei wird einerseits die prägende Wirkung der Ebenen und die Position im Gesamtaufbau auf den Einzelnen (hier des Facharbeiters und seiner Familie) sichtbar, anderer­seits zeigt sich die Wirkung, die von den einzelnen Menschen auf die Ebenen und die anderen Schichten ausgeht. Die von Habermas betonte Relation von System und Lebenswelt (Ha 81) wird hier theoretisch sichtbar gemacht. Für jeden Menschen sind im Weiteren Geschlecht und Lebenszyklus Determinanten der sozialen Bestimmung. In allen derzeitigen Gesellschaftssystemen ist etwa die Stellung der Frau in allen gesellschaftlichen Kriterien hinsichtlich Ebenen, Schichten, auch der ethnischen Schichten, diskriminierend verfestigt.

 

Wir werden die Wirkungen des Internets auf die Persönlichkeitsprofile noch unten behandeln. Auch hier sei nur erwähnt, dass nicht alle Menschen in allen Schichten und deren wirtschaftlichen, politischen, sprachlichen und kulturellen Parametern gleich in diese Entwicklung integriert werden.

 

Faktor 4:   Dimension des Raumes (Territorialität) und der Zeit

 

Die Dimension des Raumes (Staatsgrenzen, Verkehrswege, Ressourcen usw.) ist unerlässlicher Aspekt bei der Erkenntnis sozialer Phänomene. Die geografische Verteilung der Bevölkerung auf dem Staatsgebiet (ethnische Streuung) bedingt weitere typische soziale Differenzierungen und Eigentümlichkeiten. Alle bisherigen Elemente (Ebenen, Schichten usw.) sind mit diesem Faktor und seinen Wirkungen durchzudenken. In den aktuellen Sozialtheorien hat besonders Giddens auf die Dimension des Raumes Wert gelegt.

Es ist offensichtlich, dass das Internet die Dimension des Raumes in allen gesellschaftlichen Bereichen enorm verändert hat. Die Möglichkeiten der Transfers, Zuganges und der Kommunizierbarkeit von Information ist in allen Faktoren, Schichten usw. der Gesellschaft erhöht worden. Hier sind zweifelsohne integrative Wirkungen gegeben.

 

Vor allem auch die Zeitdimension wird innerhalb des Gesellschaftssystems durch das Internet gewaltig verändert. Allein der fast simultane Transfer von Information und der Zugang zu Information sind relevante Neuerungen.

 

 

 

 

Faktor 5:   Dimension der Gegensätzlichkeiten – Konflikte – Krisen

 

Die bisherigen Ansätze sind in den soziologischen Richtungen des Funktionalismus besonders betont. Die folgende Dimension bringt die konflikttheoretischen (meist auch dialektisch orien­tierten) Schulen in das Modell ein. Während das bisherige Raummodell eher ein ruhiges Fließen von Funktionen suggeriert, betrachtet diese Dimension die Vielzahl und Arten der Gegensätze und Konflikte in der Gesellschaft.

 

Faktor 5.1:   Innerpsychischer Gegensatz – Mikrotheorien

 

Innerpsychische Gegensätze werden nach den verschiedenen Schulen der Psychologie unterschiedlich begrifflich gefasst.

 

Die wichtigsten Richtungen der zeitgenössischen westlichen Psychologie sind:

 

Behaviorismus und Positivismus (auch Rassenpsychologien und -physiologien),

Psychoanalyse mit Nachfolgern Freuds,

Humanistische Psychologie,

Transpersonale Psychologie,

Grund- oder Ur-Psychologie, (Or-Om)-Psychologie.

 

Es handelt sich hier um eine grobe Vereinfachung. Es wäre aber völlig ausge­schlossen, hier alle Schulen und Aspekte aller Schulen der Psychologie auch nur in Übersicht anzugeben. Psychologien haben jeweils ihre eigenen Erkenntnis­theorien und deren Grenzen.

 

Faktor 5.1.1:   Verbindung Psychologie – soziale Identität (Virtual Communities)

 

http://en.wikipedia.org/wiki/Category:Virtual_communities

 

Wir erwähnten bereits, dass die soziologische Theorienbildung sowohl Makro- als auch Mikrotheorien entwickelte, wobei schließlich in integrativen Ansätzen versucht wurde, die beiden Gruppen zusammenzuführen. Mikrotheorien gingen hierbei vom Individuum aus, versuchten vor allem gesamtgesellschaftliche Phänomene und Entwicklungen aus der individuellen Ebene heraus zu erklären.

 

Mit dem Hineinleben in die Gesellschaft ab der Geburt werden soziale Identitäten gebildet, wobei die bereits bisher erwähnten Faktoren 1 – 4 (für jeden unter-schiedlich) mitwirken. Hier sind alle geltenden Theorien der Sozialisation zu berücksichtigen.

 

Im Rahmen der sozialen Identität entwickelt jeder die

 

         Auswahl-, Bewertungs- und Ordnungsstrategien und -muster

 

seines Verhaltens gegenüber den anderen Mitgliedern des Systems, seine Geschlechtsidentität, aber auch seine "ökonomische Identität" (in Beruf und Freizeit, als Konsument und Produzent usw.), auch seine religiöse, kulturelle und national geprägte Identität. Der Gender-Ansatz in der feministischen Theorie kann in unserem Modell alle seine Diskriminierungsaspekte finden.

 

Gerade in Schnittpunkt zwischen persönlicher und sozialer Identität sind durch das Internet wichtige Veränderungen und Erweiterungen erfolgt. Individuelle Selbstdarstellung ist im Netz als Identitätserweiterung und Zusatz-Konstruktion im sozialen Bereich möglich geworden. Vor allem ergibt sich eine, die Kräfte der Phantasie (D) in unserem Erkenntnismodell anregende Wirkung über den Aufenthalt der Person in virtuellen Räumen und Kommunikationsstrukturen, wo man sich neue Identitäten erschaffen kann, mit denen man sich in neuen sozialen Räumen und virtuellen Communities bewegt. Die Virtualisierung des Sozialen führt einerseits zu einer Fragmentierung (nur bestimmte Gruppen haben die Möglichkeit, diese Techniken zu benützen) andererseits zu einer Globalisierung bestimmter Kommunikationsfelder. Wir geben einen kurzen historischen Überblick:

 

Die Welt der Avatare

 

Gehen Sie auf http://www.digitalspace.com/avatars/

„Entdecke und baue Virtuelle Welten im Internet. Was ist ein Avatar? Es ist Dein Körper-double im Cyberspace, Deine Teilnahme an virtuellen Gemeinschaften die online in zwei- und dreidimensionalen virtuellen Welten wachsen. Mit dem Buch Avatars und dieser Website als Begleiter kannst Du nun primitive Chat rooms hinter Dir lassen und  Dich vorwagen in die wahren Grenzen der virtuellen Welt des Cyberspace.“

Mit diesem Aufruf werden Sie auf der website empfangen. Folgende Virtuellen Welten werden zum Einstieg präsentiert: Worlds Chat Space Station einer ersten Station im virtuellen Sonnensystem; The Palace ( http://www.thepalace.com ) ein Asteroidengürtel kleiner Welten. Man lernt hier die Navigation in zweidimensionalen Welten und das Design eines eigenen Avatars. Alpha World und Active Worlds ( http://activeworlds.com )befinden sich auf einem grünen Planeten wo von 100.000 en von Bürgern eine Stadt gebaut wird. Hier lernt man das Strassenleben in einer dreidimensionalen virtuellen Stadt, wie man sich seine eigene digitale Wohnung baut, sich verheiratet und im Cyberspace Ski fährt. In den WorldsAway (http://www.worldsaway.com ) wird man in einen traumähnlichen Zustand versetzt, in einem Traumland mit Karnevalsathmosphäre. Man lernt dort einen neuen Körper zu kaufen und zu verkaufen usw. In Onlive Traveler ( http://www.onlive.com ) gerät man in eine strahlende Welt von tausend Stimmen. Avatare mit riesigen drei-dimensionalen Köpfen sprechen mit ihren eigenen Stimmen. Hier lernt man im Cyberpace zu singen. In Virtual Places
 
( http://www.vplaces.com ) verwandeln sich Webseiten in eine virtuelle Welt. Auch hier lernt man sich seinen eigenen Avatar und seine Wohnung in einer Stadt von Avatar-Häusern anzufertigen. In Black Sun Passport  ( http://www.blacksun.com ) führt einen das cybernautische Fahrzeug Passport durch das Sternentor Black Sun (benannt nach einem berühmten Klub in Neal Stephenson`s  Roman Snow Crash in ein ganzes Universum von Welten, wo man auch lernt, sich seine eigene Welt zu bauen. Es ist die erste Virtuelle Welt die auf der Virtual Reality Modeling Language (VRML) aufgebaut ist. In Comic Chat (http://www.microsoft.com/ie/comichat/ ) agiert man selbst als Figur in einem lebendigen comic strip und spielt eine Rolle in einer lebendigen Komödie. OZ Virtual (http://www.oz.com ) ist die Reise zu einem dunklen Stern. Unter Brave New Worlds ist eine Reihe virtueller Welten aufgezählt, die verschiedene Themen wie Kultur, Sprache usw. präsentieren.
Erwähnt werden Sony`s Community Place Browser  (CPB)( http://vs.spiw.com/vs/ ) , Pueblo:Gateway to MUD-verse ( http://www.chaco.com ), Sense`Media`s The Sprawl: Pan Pacific Worlds http://www.picosof.com/sprawl/ ), Intel`s IDMOO Experiments  (http://connectedpc.com/iaweb/idmoo/ ), Microsoft V-Chat: Frantic Antics (http://vchat1.microsoft.com/ ), NTT`s InterSpace ( http://www.ntts.com/interspace ), La Deuxieme Monde (http://www.2ndworld.fr/journal/journal.htm ) Gaming Worlds und Artificial Life in Cyberpsace.

Virtuelle Welten mit Avataren sind die Kinder zweier Systeme, die letztlich zusammengebracht wurden. Einerseits entwickelten sich virtuelle Gemeinschaften die ihre Kontakte auf Textbasis entwickelten, wie WELL( Whole Earth `Lectronic Link; http://www.well.com/) , die MUDs (Multi User Dungeons) und ICR ( Internet Relay Chat). Ein früher Versuch eine grafische Oberfläche für textbasierende VR zu entwickeln ist Habitat. (http://www.habitat.com ). Der andere Elternteil ist das Computerspiel, wo die Zunahme der Qualität und der Lauffähigkeit von Spielen wie Myst neue Standards setzten. Im Frühjahr 1996 kamen mit Worlds Chat die beiden Elemente zusammen.

Neuste Entwicklungen auch über MOO(MUD objekt oriented) siehe im Kapitel "Kommunikationsräume und Identitätssspiele: MUDs + MOOs" von Christine Böhler: Literatur im Netz. 2001.

 

Adressen:

http://lingua.utdallas.edu:7000 ; www.cc.gatech.edu~asb/MedaMOO; www.sissyfight.com; www.worlds.com

Inzwischen ist die Entwicklung weiter fortgesetzt worden. Wir erwähnen nur die site "Second Life" und die deutsche Zugangsadresse http://arktis.de/apfelland/

Was ist ein Avatar?

Ein Überblick über die unzähligen Bedeutungen muss bei indischen Lehren beginnen.

„Avatara ist ein Herabsteigen der geoffenbarten Gottheit in eine illusive Form von Individualität, eine Erscheinung, die für die Menschen, die in diesem illusiven Plane leben, objektiv ist“ sagt H.P. Blavatsky in ihrer Geheimlehre.

Diese ursprüngliche Bedeutung des Begriffes Avatar hat sich auch in Indien selbst gewandelt und „ für jemanden, der mit Multi-User-Umgebungen vertraut ist, bedeutet Avatar ganz einfach die Identität, die jemand im Cyberspace angenommen hat.“ (Vesna). Der Ursprung des Wortes in der Industrie lässt sich nicht so leicht klären, die hinduistische Wurzel war jedoch maßgebend. Der Name Avatar erfreut sich heutzutage offensichtlich großer Beliebtheit. Zahlreiche Gesellschaften haben verschiedene Versionen, in der Regel in Kombination mit einem anderen Wort registrieren lassen (z.B. Software für den Handel im Internet, eine Bau- und Immobilienfirma aber auch ein Kursangebot als Beitrag zur Erschaffung einer aufgeklärten planetaren Zivilisation).

Wir beobachten hier eine allmähliche Pervertierung und Verformung – wohl auch Beugung – eines ursprünglich sakralen Begriffes durch den Einsatz des Begriffes in einer materialisierten Kommerzwelt, um durch die Instrumentalisierung einer mystischen Dimension für psychologische Funktionen des Produktabsatzes (etwa von Software) Effekte zu erreichen. Unter Bezug auf die indische Wurzel schreibt etwa Peter Small in einem Buch Magical Web Avatars:“ Das Erfassen dieses Begriffs macht den Ausdruck Avatar zum idealen Wort für die Beschreibung der Web-Kommunikationsprodukte in diesem Buch“( Vesna). Vesna schreibt etwa:“ Im Cyberspace stellt der Avatar ein ungewohntes Zusammenspiel von linken Utopien und rechtem Unternehmertum, gewürzt mit einem Schuss esoterischem Spiritualismus dar. Die New-Age-Religion operiert Hand in Hand mit Netzwerktechnologien und Firmenstrukturen, - den neuen Gesellschaften, die sich in allen Bereichen der High-Tech-Industrie entwickeln“. James Hillmann hält die Wirtschaft für den einzigen, synkretistischen Kult, der heute in der Welt besteht, den einzigen ökumenischen Glauben unserer Welt. Vesna beendet ihren Aufsatz mit der wichtigen Überlegung über die wahre Hierarchie in diesen Systemen:  „Es ist klar, dass der Weg, den die meisten Gesellschaften einschlagen, in der Entwicklung von Multi-User-Communities mit genormten Avataren besteht. So ist die Verbindung zwischen dem Benutzer, dem physischen Selbst und dem Bankkonto direkt und eindeutig. Die von den Firmen gestiftete Verwirrung hinsichtlich der Idee des Avatar besteht darin, dass jene, die an der Spitze der Hierarchie stehen, - die Besitzer der Server- das Fußvolk der Benützer zu Avataren berufen. Dies verleiht dem Anwender vermeintliche Macht, und schließlich beginnt er misstrauisch zu werden.  Die Technologie wird Gott, namenloser Avatar, unsichtbare Macht.“

So erweist sich die scheinbare mystische Dimension dieser Welten im Cyberspace als pervertierte Konstruktion kommerzieller Gefängnisse.

Wir können hier aus Platzgründen nicht die Vielzahl der anderer Virtueller Welten auch nur erwähnen, die im Bereich wissenschaftlicher, künstlerischer, technischer, wirtschaftlicher, sprachlicher, politischer und sozialer Kommunikation im Internet bereits etabliert sind. Es ist geradezu bereits ein Zustand erreicht, dass täglich neue Welten entstehen, alte als unbewohnt hinterlassen werden. An dieser Stelle wollen wir vor allem zwischen Virtuellen Welten, in welche der Benützer eintritt ohne dort als Avatar gestaltend einzugreifen (z.B. das virtuelle Kreditsystem der Deutschen Bank, die jährlich 13,76 Mrd. Schilling für den Ausbau ihrer Net-Tätigkeiten investiert), und jenen unterscheiden, wo er mit einer eigenen Cyber-Identität mit „gleichartigen“ Personen in einer bestimmten Welt virtuell lebt.

Uns interessiert hier die grundsätzliche Tatsache, dass Menschen mit einem physischen Körper und einer bestimmten sozialen Identität in einer bestimmten Gesellschaft zusätzlich zu dieser Identität und in Erweiterung derselben im Cyberspace neue Persönlichkeitsteile, neue Identitäten ausbilden, und mit diesen neuen Persönlichkeiten als Avatare in bestimmten virtuellen Welten (VR) neue Kommunikationsbereiche erschließen. Es haben sich also in einem staatenübergreifenden Ausmaß neue soziale Formen des Zusammenlebens zwischen Menschen gebildet.

 

Uns interessieren im Weiteren zwei wichtige Fragen:

a) Was bedeutet das Leben in solchen VR und diese Erweiterung, wenn wir den gesamten körperlich-geistigen „Apparat“ des Menschen betrachten? Wo liegen die Erweiterungen (Entwicklung einer online Persönlichkeit) und wo liegen vielleicht neue gefährliche oder bedrohliche Begrenzungen, Fesselungen, Manipulationen des Menschen in derartigen neuen Welten.

b) Frage: Wenn sich durch diese Entwicklung das menschlichen Bewusstsein als kollektives Sozialbewusstsein global erweitert, ist der auf digitalen (also mathematischen) Operationen beruhende Cyberspace die Universalwelt, in der die Teilwelten der technischen, wirtschaftlichen, kulturellen, künstlerischen und wissenschaftlichen Virtuellen Realitäten enthalten und operabel sind? Ist also die „Universalwelt“ des Cyberspace die letzte und höchste Instanz für die Bewusstseinsentwicklung der Menschheit? Oder ist sie womöglich eine äußere gefährliche Begrenzung, ein „düsteres Verließ“ welche die Evolution der Menschheit zu anderen, unendlichen Horizonten verschließt.

Euphorie und Kritik

Wir möchten einige Befürworter und Kritiker dieser Entwicklung zu Wort kommen lassen.

Margaret Wertheim (in Bechmann) weist auf die bei David Noble vertretene Meinung hin, dass Theoretiker des cyberpsace in dieser vom Körperlichen befreiten Vereinigung der Menschen in den virtuellen spirituellen Welten im Netz die Vision der vom Körperlichen befreiten platonischen entkörperten transzendenten Vollendung erblicken und in "The Religion of Technology" wird der cyberspace auch als der Ort des Neuen Jerusalems der Apokalypse gesehen, " wo Ungleichheiten von Rasse und Farbe, Alter und Geschlecht weggeschmolzen werden, uns reinigend von den Sünden des Körper und neu bilden als Wesens des Äthers. Entkörpert und dematerialisiert werden wir erlöst in ein „package-switched paradise“ einer digital eingeleiteten unendlichen persönlichen Ausdrucksfähigkeit". Dies besonders auch hinsichtlich des kommunikativen Aspektes des WWW.

"Nicht nur ein menschliches Leben, sondern durch die Magie der MUDs quasi menschliche und sogar übermenschliche Wesen,  Hexen, Zauberer und Dämonen, sprechende Hunde, intelligente Pilze und Mensch-Fisch Hybride findet man in den Millionen Labyrinthen der MUD-Welten“.

Cyberspace kreiert eine parallele Welt welche in einem sehr realistischen Sinne ein neuer Kosmos der Psyche ist. Dies bedeute das Ende des materialistischen Monismus, weil es sich hier um rein geistige, entkörperlichte Welten handelt.

Negativ äußert sich Matthew Aaron Taylor : Ein siegreicher wissenschaftlicher Materialismus führt zu einer neuen Religion, einer Theologie, einer Theologie ohne transzendente Gottheit. Die systematische Ablehnung des Theismus wird selbst zum Religionssystem. Fundament desselben ist der Darwinismus, Menschen sind Maschinen, intelligente Lebensformen auf der Basis von Silikon. Dennet wird zitiert.

Florian Rötzer: Zitiert The Californian Ideology. 1996 http://www.wmin.ac.uk/media/HRC/ci/calif.html. Die sozialen Probleme der Realität werden im cyberspace nicht beseitigt. Auf der einen Seite lobt man überschwänglich in "Cyberspace and the American Dream: A Magna Charta for the Knowledge Age." http://www.pff.org./position.html die demokratischen Prinzipien im Cyberspace, auf der anderen Seite werden die Schattenseiten und die realen sozialen Probleme Amerikas ausgeblendet: Rassismus, Armut und Umweltzerstörung. Virtuelle cities entstehen während gleichzeitig ein sozialer Verfall der realen Stadtkultur zunimmt. Es kommt zur Spaltung in die Intelligenz im Cyberspace und den outcasts.

Gundolf S. Freyermuth: Cyberland weise auf die Vision Theilhard de Chardins hin: Die Evolution steuere auf einen Punkt zu, an dem alles in der Welt vorhandene Bewusstsein sich zu einem kollektiven Verstand vereinigen werde. Technologien erscheinen als Teil der natürlichen Evolution. Thimoty Leary spricht von der psychodelische Kraft der VR.

Es entwickelt sich ein Technopaganismus (Techno-Heidentum), eine Verbindung von Cyberspace und Magie. Beide manifestieren sich rein in der Imagination(alt.pagan. und soc.religion.eastern Usenet Lgroups).

Eine Gruppe von Extropianern führt einen Kampf gegen die Entropie. Es müsste eine Kopierung menschlichen Bewusstseins in digitalen Räumen erfolgen. Es gibt „Temporär autonome Zonen“ (TAZ) mit Cyberspacesiedlungen zumindest teilweise frei von jeder Kontrolle.

Gerhard Wegner in „Das Selbst im Cyberspace“ vergleicht die Welten im Cyberspace mit dem Turmbau zu Babel und stellt sie in Gegensatz zu den Sphären welche durch das Pfingstfest erschlossen werden. Die Welten des Cyberspace seien selbst konstruierte Wirklichkeiten des Menschen für partikulare Zwecke. Die Sphäre des Pfingstfestes hingegen sei eine Wirklichkeit, die über den Menschen hereinbricht, er ist empfangend, es wird Frieden gestiftet (in Faßler 1999).

Peter Weibel schreibt: „Die Mechanismen der sozialen Konstruktion werden zunehmend durch Mechanismen der medialen Konstruktion von Wirklichkeit ersetzt. Medien bilden weltweit eine antidemokratische Kraft durch ihre Verknüpfung mit dem  kapitalistischen Neoliberalismus, die antidemokratische populistische Politiker unterstützen. Gesellschaftskritik muss Medienkritik sein (in Faßler, 1999).

Schließlich sind die Schattenseiten des cyberspace wie Wirtschaftskriminalität, Hackerproblematik, Rechtsextremismus, Pornographie usw. genügend bekannt.

 

Faktor 5.2:   Soziale Gegensätzlichkeiten

 

Unser Raummodell macht sichtbar, dass soziale Gegensätzlichkeiten

 

a) auf den einzelnen Ebenen der Gesellschaft und zwischen den Ebenen 1 – 4,

b) in der einzelnen Schicht und zwischen den Schichten,

c) zwischen den Menschen,

d) in der geografischen Dimension

 

und in allen Kombinationen von a – d bestehen.

 

Die Einführung des Konfliktbegriffes eröffnet auf allen von uns eher funktiona­listisch erschlossenen Ebenen, Schichten und demographischen Dimensionen die vorhandenen Prozesse und Motive.

 

Wir ermöglichen dadurch, ungenau gesagt, zu erkennen, dass Gesellschaft stets Struktur und Spannung gleichzeitig ist, wie überhaupt das gleichzeitige Denken der Gesellschaft als Struktur (relativ stabilisierte Spannung) und Prozess (Änderung der Spannungsrelationen) notwendig ist, um nicht allzu einfach zu verfahren.

 

Wir vervollständigen unser Modell, indem wir im Schichtaufbau auf die Distanz der verschiedenen Ebenen (Sprache, Kultur, Wirtschaft, Politik) hinweisen, welche die Spannungs- und Konfliktpotentiale aus innerpsychischen und sozialen Konflikten andeuten. Die Menschen der jeweiligen Schicht werden im Zentrum eingezeichnet.

 

Das Internet hat selbst durch seine Entwicklung in  der Gesellschaft neue Konflikte provoziert und ist in der Lage, bestehende Konflikte durch seine Technologie zu verschärfen und zu beschleunigen. Die oben in allen gesellschaftlichen Bereichen skizzierten Wirkungen ergeben kumuliert und interdependent gesehen eine Vielzahl neuer Komplikationen und vor allem Komplexitäten, welche die Steuerung moderne Gesellschaften einerseits erschwert, andererseits Hilfsmittel zu gefährlicher Kontrolle liefert.

 

1.1.7 Kunst und Internet

 

Das Kunstsystem bildet im Gesellschaftsmodell ein eigenes Untersystem und ist in den soeben dargestellten Zusammenhängen eingebettet zu analysieren (vgl. etwa die Online Arbeit: http://netzspannung.org/media-art/publications/digital-transformations/). Die Netzkunst ist selbst ein Sub-Subsystem, das wir im Folgenden kurz untersuchen.

 

Wir wollen wieder mitten ins Leben springen und aus Wikipedia einen Ausschnitt für unsere Bearbeitung heranziehen:

 

1.1.7.1 Netzkunst

Netzkunst ist ein Sammelbegriff für künstlerische Arbeit in Netzen und mit künstlerischen Netzwerken. Hauptformen sind 'Kunst im Netz' und 'Kunst mit Netzwerken', Mischungen kommen vor.

  • 'Kunst im Netz' als 'Digitale Netzkunst' sind solche Werke der Digitalkunst, für die Rechnernetze oder Internetdienste wie Telnet oder Webseiten als unverzichtbares Mittel der Bild-, Klang- und Texterzeugung eingesetzt werden. Für Digitale Netzkunst ist nicht entscheidend, ob sie durch eine oder mehrere Personen entsteht, sondern dass zentrale Aspekte und Aussagen der Werke nur in Verbindung mit einem Rechnernetz erfahrbar sind. Gegenwärtig üblich ist die Anordnung Computer- Tastatur- Bildschirm/ Projektor- Internetanbindung- Peer/Server oder ähnlich, z.B. bei 'Handykunst' (Mobile Phone Art). Andere Anordnungen sind denkbar oder werden praktiziert.
  • 'Kunst im Netz' als 'kollektiv-virtuelles Kunstschaffen' betreiben telekommunikativ vernetzte Teilnehmer, die ein gemeinsames visuelles oder auditives Werk hervorbringen. Ihre Netztechnik muss nicht unbedingt digital sein. Teilnehmer bringen ihre Beiträge kontrolliert ein, können in digitalen Netzwerken jedoch auch freiwillig oder unfreiwillig durch ein Programm abgeschöpft werden.
  • 'Kunst mit Netzwerken' verändert oder erschafft Netzwerke. So gründete Joseph Beuys Organisationen, die als konzeptuelle künstlerische Arbeiten entstanden und zu langlebigen Netzwerken aus Ideen, Kommunikation und Arbeitszusammenhängen wurden. Nach diesem Kunstverständnis sind die Beiträge von Tim Berners-Lee zur Entstehung des World Wide Web sowohl intelligent angewandte Netz-Wissenschaft als auch global folgenreiche künstlerische Eingriffe eines kreativen Netzwerkers. Außer einzeln oder gemeinsam auftretenden Netzwerk-Künstlern, siehe etoy, gibt es demnach Netzwerker, die von sich weisen, künstlerisch zu handeln, aber selbst bedeutende Netzwerke schaffen und es Anderen ermöglichen.

'Kunst auf dem Netz' ist keine Netzkunst. Sie nutzt das Netz wie beliebige andere Medien. So werden im [WWW] - World Wide Web Projekte und Werke analoger oder digitaler Kunst vorgestellt, die im Prinzip auch ohne Netz möglich wären. Eine eigenständige künstlerische Auseinandersetzung mit Netz oder Netzwerk liegt nicht vor bei: Angewandter Kunst mit Webseiten (Applied Webart) im Dienst der Werbung; Seiten für Künstlerkontakte; Verwendung des Begriffs 'Netzkunst' oder 'Netart' aus Statusgründen, usw.

 

 

Kommentar S.P.:

Diese Unterscheidung ist äußerst wichtig, da die traditionellen Kunstformen wie Malerei (teilweise neu erschaffen, teilweise transponiert in digitale Formen) wenn sie im Netz präsentiert werden, noch keineswegs als Netzkunst gelten dürfen. Erst der Einsatz der netzspezifischen Eigenschaften im Kunstprozess selbst führt begrifflich zu Netzkunst.

 

Netart als Begriff im Deutschen verwendet, kann als Sammelbegriff wie 'Netzkunst' gemeint sein, oder wie meist im Englischen (vgl. en.wikipedia.org/wiki/Netart) in etwa vergleichbar zu 'Internetkunst' (siehe unten). Unter Künstlern ist 'Netart' eher ein Kürzel für eine bestimmte Kunstszene und als net.art ein Etikett einer bekannten Künstlergruppe.

Inhaltsverzeichnis

1.1.7.2 Kunst im Netz und mit dem Netzwerk

Ein Netz kann einerseits der Herstellung eines künstlerischen Produkts dienen, andererseits die technische Grundlage für den kommunikativen und kreativen Prozess eines Netzwerkes bilden. So gibt es Netzkunst in der Bandbreite zwischen einerseits bedeutender Digitaler Netzkunst, die mit 'Netzwerk' nichts zu tun hat und andererseits 'Kunst mit Netzwerken', die technische Kommunikationsnetze nur als untergeordnete Werkzeuge einsetzt.

Netzkunst ist manchmal gleichzeitig an Netze und ein Netzwerk gebunden. Wenn Teilnehmer telematischer Netze durch ständige kommunikative Prozesse Netzwerke kreieren, werden sie darin zu Netzwerkern. Sie können die Netzwerke verändern und sich darin bewegen. Dabei werde beliebige technische Netze genutzt, oder es wird auf einer bestimmten Netztechnik aufgebaut. Diese Auffassung von Netzkunst ist nicht nur durch sozialwissenschaftliche Theorien, sondern auch durch soziale Utopien und literarische Vorbilder inspiriert. Digitale Netzkunst ist aus dieser Sicht nur eine der Möglichkeiten, technische Netze für menschliche Netzwerke zu nutzen.

1.1.8 Sparten von Netzkunst:

  • 'Mail Art' oder 'Postkunst' benutzt alle verfügbaren Netze für ihr Netzwerk. Das in den 1960er Jahren bestehende, weltweit zugängliche Postsystem, in das alle öffentlichen Einrichtungen der Telekommunikation integriert waren, wurde in ursprünglich gesellschaftsverändernder Absicht einerseits zum künstlerischen Gegenstand, andererseits zum Mittel für künstlerische Prozesse in darauf aufbauenden Netzwerken, bis hin zu vielfältiger Netzwerk-Kunst. So gab es schon früh selbsternannte 'Mail Art Boten' und -Kuriere als eine Art 'Mail Art Performer' und heute gibt es Mail Art auch als 'E-Mail Art'. Als anspruchsvolle Parallele oder Sonderform gilt 'Correspondence Art' (Kunst der Korrespondenz). 'Korrespondenz' bezieht sich in diesem Zusammenhang gleichzeitig, im Sinne von Pop Art, trivial auf die gegenständliche Korrespondenz aber im Sinne des verborgenen Themas der 'New York School of Correspondance' Ray Johnsons, auch auf 'spirituelle (Nicht-)Korrespondenz'.
  • 'Internet Art' ist im anglo-amerikanischen Sprachraum ein selbstverständlich verwendeter Begriff. Ungefähr ab 1982 wird die globale Vernetzung von Rechnernetzen zunehmend als 'Internet' bezeichnet. Künstlerische Arbeit, die ohne Internet nicht möglich ist und sich mit den Bedingungen des Mediums auseinandersetzt, wäre folglich auch im Deutschen 'Internetkunst'. Bei dieser Auffassung von Internetkunst wären die Kommunikationsmöglichkeiten des Internet selbstverständlicher Teil der Arbeit, Internetkunst würde also im Netz und in einem kommunikativen Netzwerk entstehen. Die Fachliteratur bevorzugt dafür eher die Bezeichnung 'Netzkunst', weil 'Internetkunst' oft zu banal als 'Kunst, die im World Wide Web zu sehen ist' verstanden wird.
  • 'Web Art' ist Digitale Netzkunst, die als künstlerische Arbeit mit Webseiten über deren reine Gestaltung hinausweist, beispielsweise indem sie die Bedingungen für Wahrnehmung im Internet thematisiert. Web Art hat künstlerisch immer mit Digitaler Netzkunst zu tun, und eher selten mit künstlerischen Netzwerken. Sie kann auch oberflächlichem kommerziellem 'Webdesign' nahe stehen. Ein treffender deutscher Begriff wäre nützlich.

1.1.8.1 Analog und digital

Marshall McLuhans Satz, "The Medium is the Message", ist für Netzkunst und ihre Interpretation bedeutend. Sogar wenn ein Netzwerk auf den ersten Anschein unabhängig von der Art der eingesetzten technischen Netze und Medientechnologien funktioniert, hängen Form und den Inhalt jeder Mitteilung und Darstellung davon ab und verändern dadurch die Wirklichkeit. Ebenso wie der Übergang von Buchdruck zu elektronischen Netzen die Welt veränderte, wirkt sich auch der Übergang zu digitaler Informationsverarbeitung aus, denn sie beruht auf einem charakteristischen technologieabhängigen Verschlüsselungs- und Entschlüsselungsvorgang, dessen Beherrschung weit reichende gesellschaftliche Folgen hat.

Netzkunst ist schon durch teilnehmende Interaktion in analogen telematischen Netzen erfahrbar. Zwischen 'unabhängig von digitalen Medien' und 'mit digitalen Medien untrennbar verbunden' ist alles möglich. Für digitale Netzkunst benötigt der Teilnehmer oder Netzwerker Geräte, Displays, Webseiten und andere technische Mittel. Viele Erscheinungen, die erst mit dem Webseiten-Internet (WWW - World Wide Web) bekannt wurden, sind jedoch in analogen telematischen Netzen bereits zu beobachten. Ein einfaches Netz von Teilnehmern, die sich Karten senden, kann durchaus ein soziales Netzwerk mit einem virtuellen Raum erzeugen, in dem beispielsweise virtuelle Persönlichkeiten (siehe unten) geschaffen werden können.

Geschieht die künstlerische Arbeit oder der künstlerische Prozess in Auseinandersetzung mit digitalen Netzen und einem entsprechenden Netzparadigma, so handelt es sich um 'Digitale Netzkunst' im engeren Sinne. Netzkunst in Netzwerken dagegen, ist ihrem Wesen nach nicht digital, selbst wenn sie unter Anderem auch digitale Technik in digitalen Medien einsetzt, denn sie bezieht sich meist auf soziale oder abstrakte Bedeutungen.

1.1.8.2 Gesellschaftsveränderung

Netzkunst ist von Anfang an mit Vorstellungen über Gesellschaftsveränderung verbunden (siehe Kommunikationsguerilla, Medienguerilla) und von Begeisterung für soziale und technische Möglichkeiten geprägt (siehe "Telematische Gesellschaft" bei Vilém Flusser). Kritische Versuchsanordnungen in Bereichen wie Wahrnehmung, Medien und Gesellschaft sind für Netzkunst nicht ungewöhnlich. Beispielsweise kann es Netzkunst sein, bestimmte soziale oder kulturelle Traditionen des Internet bei Projekten außerhalb der technischen Struktur des Internet zu praktizieren.

 

Kommentar S.P.

Hier zeigen sich wieder die von uns im Gesellschaftsmodell aufgezeigten wichtigen Verbindungen zwischen Netzkunst und anderen Bereichen der Gesellschaft sehr deutlich.

 

Netzkünstler interessiert die Dekonstruktion ästhetischer, digitaler und meist auch gesellschaftlicher Codes. Netzwerke benötigen zwar die positive mentale Teilhabe der Teilnehmer, unter Umständen können störende und unbequeme Netzwerkstrategien künstlerisch aber auch konsequent sein.

Netzkunst kann sich auf eher technische und ästhetische Aspekte beziehen, aber in der internationalen Szene der Netzkünstler interessiert auch der "kreative Netz-Hack" als Akt des politischen und ästhetischen Widerstands. Für die Künstler ist es nicht ungewöhnlich, auch Netzaktivist und Hacktivist zu sein. Die Präsentation eines Computervirus zur 49. Biennale Venedig war eben keine einsame kriminelle Tat, sondern eine Werk von Netzwerkkünstlern. Der Übergang zu Netzaktivisten und Hacktivisten, die sich nicht mehr als Künstler per se definieren, ist fließend. Viele gehen gegenüber Kommerz und Macht so kreativ und subversiv mit Formen und Inhalten um, dass es als Netzkunst verstanden werden kann. Künstlerische Aktivitäten dieser Art geraten immer wieder in Gefahr, missinterpretiert und kriminalisiert zu werden.

So wie Widerstandsrechte zur Politik, gehören zu Netzkunst auch der elektronische zivile Widerstand, die egozentrische Kunst-Propaganda, die Verunsicherung der Wahrnehmung, die kreative Fehlinformation und der verantwortliche Einsatz destruktiver ästhetischer, digitaler oder sozialer Codes im Rahmen des zivilen Ungehorsams.

Die jeweils aktuellen Formen von Netzkunst stehen vor Allem in Zusammenhang mit Veränderungen in den Bereichen 'Telekommunikation', 'gesellschaftliche Interaktion' und 'Wahrnehmung in der Mediengesellschaft'. Netzkunst kann diese Veränderungen reflektieren, daran beteiligt sein, und manchmal sogar kommende Entwicklungen vorwegnehmen.

1.1.8.3 Virtuelle Persönlichkeiten

Schon im Mail Art Netz wurden virtuelle Persönlichkeiten durch Netzkommunikation erzeugt. Besonders in den Propaganda-Aktionen des Neoismus sind virtuelle Persönlichkeiten, an denen jeder teilnehmen kann, als offene Konzepte realisiert worden. Eine solche Persönlichkeit kann aus einem Netz der an ihr Beteiligten Netzwerker entstehen und im umgebenden Netz in Erscheinung treten und sogar kommunizieren. So führt heute etwa die Eingabe 'Karen Eliot' in eine Suchmaschine in ein Dickicht neoistischer Propaganda, in dem mit etwas Glück immer wieder jemand zu finden ist, der unter dem Namen Karen Eliot antwortet oder fragt. Die virtuelle Persönlichkeit entstand in analogen Netzen und setzt sich im Internet fort. Karen Eliot lebt von den neuen Bedürfnissen und Möglichkeiten, mit ihr zu kommunizieren, ihre verstreute Identität anzunehmen, sie für sich arbeiten zu lassen und sich durch sie überall vertreten zu wähnen. So wurde die im Internet gebräuchliche Idee des Avatars[21] als künstliche Persönlichkeit bereits in analogen künstlerischen Netzen vorweggenommen.

1.1.8.4 Entwicklungen

1.1.8.4.1 Rezeption und Globalisierung

'Kunst mit dem Netz' war kunsthistorisch nicht leicht zu erfassen: Nach Verwirklichung eines prozessualen Kunstwerks in kommunikativen Prozessen, ist es nur noch aus Nebenprodukten, aus Dokumenten der gesellschaftlichen Rezeption und aus Künstlerarchiven rekonstruierbar. Deshalb erfolgte die kunsthistorische Aufarbeitung nach heutigen Maßstäben verspätet. Ab wann und wo der vielschichtige Begriff "Netzkunst" in Kunsttheorie und Kunstgeschichte sinnvoll eingesetzt wird, bleibt daher diskussionswürdig.

Spätestens seit den frühen 1960er Jahren sind bedeutende Entwicklungen wie Mailart, Happening und Fluxus und Konzeptkunst festzustellen, die konzeptuell oder real, lokal oder global, vernetzt kommunizierende und agierende Teilnehmer und Netzwerker voraussetzen. Zu den ersten Initiatoren solch künstlerischer Netzwerke gehören Künstler wie Ray Johnson, der seine Kommunikationszusammenhänge für teils reale, teils 'virtuelle' Ausstellungen nutzte; Yves Klein and Ben Vautier, die 'Post-Skandale' inszenierten; und Ken Friedman, dessen Ausstellungsprojekt '[Omaha Flow Systems]' (1972) den Charakter eines Kommunikations- und Ereignisnetzwerkes hatte. Robert Filliou prägte 1968 mit George Brecht den Begriff 'Fete Permanente'/'Eternal Network' ('Die Ständige Feier'/'Das Ewige Netzwerk'), der für die damalige kulturelle Situation bezeichnend, für die Idee und Entwicklung eines nichtmilitärischen Internet erwähnenswert und für künstlerische Netzwerker grundlegend ist. Mindestens ab diesem Zeitpunkt ist 'Kunst mit dem Netz' kunsthistorisch wahrnehmbar.

Bereits diese frühen Formen von Netzkunst haben nicht nur analoge Netze, wie die Briefpost, sondern auch elektronische Netze einbezogen, z.B. Telefon- und Fax. Netzkunst wurde weit vor Entstehung des World Wide Web, in Zusammenhang mit der besonders für die digitale Bild- und Tonerzeugung bedeutenden Digitalkunst zu Digitaler Netzkunst; zunächst über vernetzte Rechner an einzelnen Forschungseinrichtungen, dann über das beginnende Internet. Bei den ersten telematischen Kunstprojekten (s. Telematik), die auf digitalen Netzen basierten, sind anfangs nur kurzzeitig Netzwerke als Kunstwerke entstanden. In den 1980er Jahren folgte die künstlerische Nutzung von Mailbox-Systemen (vgl. Tilman Baumgärtel 'Immaterialien' am 26. Juni 1997 in Telepolis). Es entstanden komplexere, auf digitaler Netztechnik basierende Netzwerke, die unter anderem politisch bedeutend wurden, wie das [Zamir] Netzwerk). Webseiten wurden etwas später, vorwiegend durch neue Akteure als visuell und akustisch, aber auch als sozial und politisch einsetzbares Medium entdeckt. Dabei kann als einer der wichtigsten Bezugspunkte bis etwa 2000 The Thing genannt werden (Initiator und Betreiber: Wolfgang Staehle), und als frühe Webart- und Netart-KünstlerInnen Olia Lialina und [Heath Bunting] (s. Weblinks: irational.org).

1.1.8.4.2 Deutschsprachiger Raum

Vorläufer für den Beginn von Netzkunst sind u.a.: Der Postkartenaustausch der Künstler der Brücke bis 1913; Max Bense und die Stuttgarter Gruppe/Schule ab Beginn der 60er Jahre. Die Organisationen von Joseph Beuys oder Robert Adrian X mit ARTEX; u.a. machten Netze schon bewusst für Netzwerke dienstbar.

Netzkunst, oft als Mail Art, war im geteilten Deutschland, sofern grenzüberschreitend, eine Auseinandersetzung mit Postzensur, außerdem ein Besuchsnetz, das Künstler und Netzwerker aus vielen Ländern gerade wegen der Ausreisebeschränkungen der DDR dort zusammenbrachte. Es gab künstlerische Netzwerker, die als Kuriere zwischen Ost und West die Grenzen der Machtblöcke überschritten um Mailart zu transportieren. So konnten trotz Behinderung durch "staatliche Organe" sogar zwischen Mailart Netzwerkern und Akteuren des Samiszdat einzelne Verbindungen hergestellt werden.

Ein seit 1993-1994 bekanntes Beispiel für deutschsprachige digitale Netzkunst ist unter [sero.org/handshake/] dokumentiert und teilweise benutzbar.

1.1.8.4.3 Aufmerksamkeit-Limitierung- Wertwebseiten

Der Ursprungsbegriff aus dem Englischen lautet Advertance–Limitation–Worth Homepages (ALW-Homepages). Unter diesem Begriff werden Webpages verstanden, welche durch eine künstlich erzeugte Limitierung Aufmerksamkeit erzeugen und diese verkaufen. Diese Internetseiten bieten meist eine in irgendeiner Weise logisch erklärende Limitierung wie etwa 1000.000 Pixel oder die Zahlen von eins bis Tausend bis hin zu Zahlenspielen wo jede Ziffer hinter einander gereiht wird zum Beispiel beim „the senseless 1234567$ club“.


Das Besondere an dieser Art von Netzkunst oder E-Business liegt darin dass der Wert der Verkauften Einheiten (Pixel, Zahlen, Clubmitgliedschaften, Werbefläche etc.) durch Aufmerksamkeit generiert wird. Die Aufmerksamkeit wiederum wird dadurch generiert, dass ein Preis verlangt wird für etwas, das noch keinen Wert hat, allerdings nur beschränkt zur Verfügung steht. So entsteht eine Wertsteigerungsspirale.

ALW-Homepages die kleine 1- 1000$ oder flexible Verkaufseinheiten an viele Käufer abgeben wie etwa die „million dollar homepage“ oder „onethousendpaintings.com“ waren höchst erfolgreich (über 1.000.000$ Gewinn) und haben mittlerweile dutzende von Kopierern gefunden. Als neue Entwicklung ist www.1-2-3-4-5-6-7.org , “the senseless 1234567$ club“ zu sehen.

Andere Bereichsschlagwörter sind:

Internetkultur, Kommunikationskunst, Mail Art, Medienkunst, Netzliteratur, Telekommunikation, Vernetzung, demoscene, Marianne-von-Willemer-Preis, net.art.

1.1.8.4.4 Online Literatur und Materialien

1.1.9 NetArt: Theorie

1.1.9.1 Webness und (Post-)Avantgarde

Für eine "Webness" veranschaulichende und problematisierende Kunst sind nach Steve Dietz folgende Kriterien zentral:

(1.1) interactivity,
(1.2) connectivity,
(1.3) computability.

Lev Manovichs Kriterienkatalog widerspricht diesen Kriterien nicht, sondern ergänzt sie:

(2.1) database,
(2.2) interface,
(2.3) spatialisation,
(2.4) navigation.

Die beiden Kataloge 1.1 bis 1.3 und 2.1 bis 2.4 enthalten Kriterien der Bestimmung der Möglichkeiten des Web, die eine "new media avant-garde" aufzeigen und erweitern kann. Der Beobachter kann im Internet von Künstlern auf neue Weise in vorhandene Kommunikationssysteme integriert werden  oder es werden neue Kommunikationssysteme – zum Beispiel neue Browser als Interfaces für Datenzugriffe – entwickelt, die zeitgenössische Kriterien der Webness in Frage stellen.

So problematisiert Maciej Wisniewskis (Meta-)Browser Netomat die Struktur von Informationssystemen ("databases"), die analog zu Archiven, Dateien oder Seiten gegliedert sind, mittels eines Datenstroms, der keine Gliederungen erkennen lässt. Das Interface Netomat problematisiert mittels ungegliedertem Datenstrom das herkömmliche Verständnis von Navigation im Internet.

Außerdem können etablierte Gebrauchsweisen von (kunstextern entwickelten) Medien und Intermedia auch in Netzprojekten durch eine Vorgehensweise, die im Kunstkontext spätestens seit Pop Art üblich ist, zur Debatte gestellt werden: Künstlerische Modelle thematisieren Weisen der (Relationen zwischen Beobachter- und) "Beobachtungsoperationen", die (kunstextern) etablierten Gebrauchsweisen von Medien und Intermedia nahe kommen oder entsprechen.

An die Strategie künstlerischer Postavantgarde, die etablierten Beobachtungsweisen der Popkultur in gewählten Medien und Medienkombinationen thematisiert, schließen einige Neztprojekte an (s. Kap. Medienformen). Durch die Ausdifferenzierung von webspezifischen Verfahren entstehen jedoch Alternativen zu postavantgardistischen Strategien, die neue Medienmöglichkeiten durch Modelle des Umgangs mit Vernetzung freilegen.

Um Voraussetzungen für den Übergang von einer künstlerischen Postavantgarde zu einer "new media avantgarde" zu erhalten oder zu verbessern, versuchen Netzaktivisten durch Texte und Netzaktionen die Spielräume im Internet zu erhalten und zu erweitern. Ohne diese Spielräume wären alternative Netzaktivisten künstlerischer und anderer Art nicht möglich. Netzaktivisten entwickeln in ihrem Umgang mit Software, der Netzorganisation und der Netzdaten Strategien zur Behauptung und Erweiterung der Spielräume gegen kommerzielle Interessen international operierender Korporationen (und deren Einfluss in ICANN). Damit wandeln Aktivisten und Künstler die Frage nach Modellen für Gebrauchsweisen etablierter Netzmöglichkeiten in Fragen, wer beeinflusst wie die Prozesse der Durchsetzung bestimmter Netzmöglichkeiten, und wie können diese Instanzen in ihrer Einflussnahme gestört oder ersetzt werden.

Hirschsteiner kommt in http://www.hirschsteiner.de/netzkunst_als_avantgarde.pdf

 

"Zusammenfassend lässt sich festhalten:

 

Das Avantgardesystems ist ein Subsystem des Kunstsystems, und seine Funktion ist die Reflexion über die Pragmatik der Kunst. Einzelne avantgardistische Strömungen sind Metaprogramme des Avantgardesystems.

 

Metaprogramme sind als Gemeinsamkeiten der ihnen zugeordneten Werke beobachtbar, während die Einzelprogramme die Kopplung der Elemente zu einzelnen Werke bestimmen. Eine Geschichte der Avantgarden lässt sich einerseits als eine Abfolge von Metaprogrammen, von „Theorien, Konzepten und Problemstellungen zur Kunst und deren Objektivationen“ (Jäger 1991, S. 236) darstellen, oder auch – ebenfalls auf der Ebene der Metaprogramme - orientiert an der Geschichte der Verbreitungsmedien: parallel zur Etablierung neuer Verbreitungsmedien gab es immer auch Künstler, die damit experimentierten (Telefon, Radio, Fernsehen, Fax, Video, Mailbox). In den Medienkunstavantgarden wurde das jeweilige Verbreitungsmedium zum Werkmedium.

 

Eine Avantgarde ist dann die Fortsetzung eines alten mit neuen Mitteln, wenn die Einzelprogramme Neukombinationen darstellen. Neu ist eine Avantgarde, wenn Einzelprogramme entstehen, die auf spezifisch neue Metaprogramme zurückgeführt werden können.

 

Es wird niemand bestreiten, dass es auf dem Gebiet der Medientechnologie Neuerungen geben wird, die sich heute schon abzeichnen. Wenn dem so ist,  und man den vorangegangenen Ausführungen folgen möchte, bietet die Systemtheorie einen gewinnbringenden Perspektivenwechsel, der uns zumindest eines mit großer Wahrscheinlichkeit sagen lassen kann:  Es wird neue Avantgarden geben.

 

Im Netzkunst-Rundgespräch vertrat Michael Böhler die These, dass „die Gegenwartskultur in unterschiedliche Kulturmilieus zerfällt, die nicht mehr hierarchisch aufeinander bezogen werden können und deren Produktionen damit auch nicht mehr in ihrem Verhältnis zu anderen Kulturprodukten als mehr oder weniger neu bzw. avanciert beurteilbar sind, sondern die weitgehend losgelöst voneinander ihre je eigenen kontingenten Ästhetiken und Geschmackskulturen pflegen und entwickeln“ (Böhler, Michael: „Stichworte zu den Ausgangsthesen des Rundgesprächs“, in: Jäger, Georg; Simanowski, Roberto (Leitung): „IASL Diskussionsforum online. Netzkommunikation und ihre Folgen“, 27.06.2000, These II). In der so verstandenen Gegenwartskultur gibt es dann auch keine herrschende Ästhetik mehr, gegen die sich die Avantgarde abgrenzen könnte."

 

 

Kommentar S.P.: Die Vorstellung dass die Avantgarden eine Reflexion über die Pragmatik der Kunst darstellen, würde sicher zu eng sein. Der Kubismus lässt sich eher schwer ausschließlich als Reflexion auf die Pragmatik der Kunst erklären. Die Moderne ist im Übrigen gerade durch die gleichzeitige Herausbildung einer Vielzahl von Avantgarden nebeneinander gekennzeichnet, die einander auch heftig bekämpft haben. Die Zusammenarbeit zwischen Mondrian und Doesburg zerbrach, weil Letzterer auch schräge Linien benützte, Picasso verspottete die "abstrakte Malerei" usw. Vgl. hierzu unseren Aufsatz: http://portal.or-om.org/art/Postpostmoderne/tabid/6078/Default.aspx .

 

Die Auffassung Böhlers ist daher sehr richtig: In der Posptmoderne gibt es nicht einmal mehr nur eine Richtung der Postmoderne und schon gar nicht nur eine mögliche Reflexion über die Pragmatik der Kunst. Für bestimmte Reflexionsästhetiken sind in anderen Richtungen als Avantgarden erkannte Kunstinhalte Regression oder Verfall.

 

 

 

 

"Die Systemtheorie bietet in der gegenwärtigen Situation, beim Fehlen einer herrschenden Ästhetik, den Vorteil, die Hervorbringungen einer Kultur in den gesellschaftlichen Kontext einordnen und als zusammenhängend mit anderen gesellschaftlichen Bereichen darstellen zu können.

 

 

Kommentar S.P.: Wie wir schon oben darstellten, ist die Luhmannsche Systemtheorie nicht nur in ihren Grundlagen anderen Positionen in der postmodernen Vielfalt keineswegs überlegen oder besser brauchbar, sondern bereits in ihren  erkenntnistheoretischen Grundlagen äußerst mangelhaft und kritikwürdig. Wie wir aber im Weiteren zeigen können,  kann/muss auch sein systemtheoretischen Gesellschaftsmodell durch präzisere Ansätze ergänzt werden. Vgl.: Hierzu Siegfried Pflegerl: "Aufklärung über die Selbstblendung einer abgeklärten Aufklärung - Wesenlehre und die Systemtheorie Luhmanns" Inhaltsverzeichnis u. Einleitung 4 S., PDF-File 150 KB Download gesamtes Buch: 206 S., PDF-File 4,552 MB kritisiert.

 

 

"Einen unfreiwilligen Avantgarde-Nachweis lieferte Isabelle Graw, die aus der eingeengten Perspektive des Kunstbetriebs Netzkunst bewertete:

 

 

Ende der Netzkunst als Avantgarde

 

Es gibt verschiedene Hinweise auf ein Ende der Netzkunst, die sich vor allem auf einzelne Künstleraktivitäten oder –aussagen beziehen. Nimmt man nur drei der prominentesten net.art-Künstler heraus, scheint sich die Annahme Armin Medoschs zu bestätigen: „Die Vorhut der Netzkunst hat das Terrain bereits wieder verlassen“ (Medosch, Armin: „Adieu Netzkunst“ 01.07.1999) – Vuk Cosic wendet sich der ASCII-Art zu, Alexei Shulgin macht Musik, die nicht internetspezifisch ist, und Heath Bunting ist bereits 1999 „Netzkünstler im Ruhestand“172.

 

Hier wird der Vorteil einer systemtheoretischen Betrachtungsweise, und gerade wieder ihrer Möglichkeit einer personenunabhängigen Untersuchung ersichtlich, denn möglicherweise sind die Künstler um net.art nicht repräsentativ für die gesamte Szene, und es wird übersehen, dass das Metaprogramm der Netzkunst von anderen weitergeführt wird.  Aber selbst eine Einengung auf die VertreterInnen der net.art würde keine befriedigenden Ergebnisse liefern, denn Heath Bunting hat sich dieses Jahr mit der Arbeit „Ccnow“ zurückgemeldet, die er auf seiner Homepage selbst als  „net.art project“  bezeichnet. Und wenn dann noch die schnelle Entwicklung des Internets berücksichtigt wird, muss man bedenken, dass vielleicht bald neue Software auf den Markt kommt, die wiederum künstlerisch verwendet wird - ob diese Künstler dann auf den etablierten Zug der Netzkunst aufspringen, der ein geldwertes Label verspricht, oder eine neue Avantgarde begründen, können wir heute noch nicht wissen. Eine mehr oder weniger endgültige Aussage über den aktuellen Status der Netzkunst lässt sich also erst im Rückblick treffen, auch wenn es heute eine große Menge von Belegen dafür gibt, die zu einer voreiligen Aussage über das Ende der Netzkunst verleiten. Dass sich Netzkunst zumindest im Wandel befindet, wird sichtbar, wenn sie an der Schnittstelle der Systeme untersucht wird. Die Institutionalisierung der Netzkunst hat mit dem Verkauf und der Ausstellung ihrer Werke in den Institutionen des Kunstbetriebs schon begonnen, und das könnte als Beleg für das bevorstehende Verschwinden der Netzkunst als Avantgarde gelten. Auch wenn dies von einigen Netzkünstlern mit Sorge betrachtet wird, ist es aber gleichzeitig das auch im Internet kommunizierende Kunstsystem selbst, das es ihnen ermöglicht, mit den eigenen Arbeiten Geld zu verdienen.

 

Eine intersystemische Betrachtung der Avantgarde kann diesen Sachverhalt als Paradoxie erklären. Wenn diese Paradoxie jedoch als Widerspruch verstanden wird, kann sie von den Avantgardekünstlern selbst nur als persönlicher, schwer zu lösender Konflikt erfahren werden - Wollen sie also nicht vom Kunstbetrieb vereinnahmt werden, den sie ja auch infrage stellen, bleibt nur die Selbstauflösung:  'Don’t become a master'  (Shulgin 1996)."

 

Kommentar S.P.: Das Zitat zeigt eine bestimmte Ratlosigkeit bei der Beurteilung der Netz-Avantgarde infolge der sich aus der paradoxial angelegten Theorie Luhmanns ergebenden erkenntnistheoretischen Verhedderungen. Die Überlegung, "dass vielleicht bald neue Software auf den Markt kommt, die wiederum künstlerisch verwendet wird - ob diese Künstler dann auf den etablierten Zug der Netzkunst aufspringen, der ein geldwertes Label verspricht, oder eine neue Avantgarde begründen, können wir heute noch nicht wissen" zeigt eigentlich sehr deutlich, dass oft die Avantgarde nicht die "Vorhut" sondern die Nachhut darstellt und ihre Inhalte überhaupt erst aus der Etablierung neuer technischer Vorraussetzungen  bezieht.

 

1.1.9.2 NetArt-Typologie der Interaktion nach Thomas Dreher

Hans Dieter Huber schlägt für "Arbeiten der Netzkunst...drei verschiedene Kategorien" vor:

(3.1) "reaktive,
(3.2) interaktive und
(3.3) partizipative Arbeiten".

Entscheidend an Hubers Ansatz ist die Unterscheidung von Stufen der Interaktivität auf einer Skala zwischen (3.1) geschlossenen Systemen mit Klick- und Scrollfunktionen, (3.2) Systemen, die sich nach Veränderungen durch Useraktivität wieder in ihren Urzustand begeben, und (3.3) Systemen, die ohne Useraktivität und die Spuren, die diese in ihren Archiven und Systemzuständen hinterlässt, nur leere Hülsen bleiben würden.

Hubers Vorschlag einer dreiteilig gestuften Skala der Aktionsmöglichkeiten von Usern provoziert zur Rekonzeptualisierung, um Kriterien der Unterscheidung zwischen "reaktiven, interaktiven und partizipativen Arbeiten" genauer bestimmen zu können.

Systeme, deren Funktionen nur aktiviert werden können, und die nach dem vorprogrammierten Rechenprozess wieder in ihren Anfangszustand zurückkehren, lassen sich als <geschlossen> bezeichnen.

Systeme, die User zu linearem Nachvollzug der programmierten Funktionen führen, lassen sich als <reaktiv> bezeichnen, wenn sie Usern vorprogrammierte Spielräume für die Verarbeitung systemexterner Daten offerieren können und diese Verarbeitungsprozesse Spuren in systeminternen Archiven hinterlassen.

Wird der Begriff Interaktion als Bezeichnung für wechselseitige Echtzeitreaktionen – für direkte Reaktionen auf Aktionen der jeweils anderen Seite – verstanden, so überschneidet sich die Bedeutung des Begriffs Interaktion mit der Bedeutung des Begriffs <Partizipation>, sofern es sich nicht um <derivative Interaktion> handelt, die aus einem Wechselspiel von programmierten Reaktionen auf Aktionen mehrerer User in einem (Spiel-)System besteht.

Auf einer Skala ansteigender Offenheit für Useraktivitäten werden folgende vier Stufen unterschieden:

(4.1) <geschlossene Systeme> mit abrufbaren, in ihren Anfangszustand zurückkehrenden User-Funktionen (bei Huber: reaktive Arbeiten. Vgl. Alexej Shulgins Remedy For Information Desease (1996));

(4.2) <reaktive Systeme> mit Speicher für Zustandsveränderungen, zum Beispiel für Resultate von abrufbaren Funktionen, die systemexterne Webdaten nach Usereingaben suchen und bearbeiten (bei Huber: interaktive Arbeiten. Vgl. Mark Napiers The Shredder (1998);

(4.3) <(derivativ) interaktive Systeme> mit Möglichkeiten für User, auf Aktionen anderer User zu reagieren und/oder miteinander zu interagieren, und dabei momentane oder dauerhaft gespeicherte Zustandsveränderungen innerhalb eines Systems/Programms zu erzeugen. Programmierte Möglichkeiten, Operationen aufeinander folgen zu lassen, regulieren Spielräume für Relationen zwischen Aktion und Reaktion (bei Huber: partizipative Arbeiten. Vgl. Graphic Jam von Andy Deck und Mark Napier (1999) als Beispiel für derivative Interaktion, re-m@ail von Blank & Jeron als Beispiel für Interaktion);

(4.4) <partizipative Systeme>, die Interaktion auf der Ebene der System- / Programmkonstituierung ermöglichen (meist nur für begrenzte Teilnehmer und begrenzte Zeit, z. B. schriftliche Rollenimprovisationen, vgl. Antoinette LaFarge & The Plaintext Players-Silent Orpheus (1997)).

Die Typen 4.3 und 4.4 lösen die oben genannten Probleme der Unterscheidung zwischen Interaktion und Partizipation: Der Begriff <Interaktion> steht in Typ 4.3 entweder für derivative, von einem System geleitete oder für relativ freie, von einem System ermöglichte beziehungsweise regulierte Interaktion. Der Begriff <Partizipation> wird in Typ 4.4 für System konstituierende Interaktion eingesetzt. In Typ 4.3 handelt es sich um von einem System (und Speicher für Zustandsveränderungen) geregelte, aufeinander folgende Aktionen, die je nach System direkt hintereinander erfolgen müssen oder auch in (längeren) Zeitabständen erfolgen können. Während Typ 4.3 aus programmierten Systemen besteht, die als Plattform für Interaktionen zwischen Usern taugen, findet im Typ 4.4 Interaktion auf der Programmierebene in der Weise statt, dass das Werk durch die Interaktion erst in seiner Gestalt festgelegt wird. Unvermeidbar ist, dass auch diese Programmierebene programmierte Funktionen voraussetzt, die nicht verändert werden.

Am Beispiel des HyGrid (1995-98) von SITO Synergy Projects lässt sich zeigen, wie die Frage der Differenzierung der Aktionsmöglichkeiten von Usern zum Problem einer Kunstkritik der Netzprojekte werden kann.

Das "HyGrid"-System besteht aus der Programmierung von Möglichkeiten der Zustandsveränderung in Form von Kombinationsweisen von Quadraten. User können Verschiebungen der Kombinationen im kreuzförmigen Fünf-Quadrate-Feld durch Neubestimmungen der Mittelquadrate mittels Clicks auf Außenquadrate erzeugen: Angeklickte Außenquadrate erscheinen im Mittelfeld wieder.

User können zu Partizipanten werden, die Bildbeiträge einsenden, in denen auch deren Kombinationsmöglichkeiten mit anderen Beiträgen bestimmt wurde: Teilnehmer können durch "weirdlinks" ein Quadrat als Brücke zwischen zwei bis vier Quadraten einsetzen. Die Beiträge kehren dann in  dem Programm, das Verbindungen im Fünf-Quadrate-Feld herstellt, nur in bestimmten Kombinationen wieder.

Beobachtern erscheint das System der verschiebbaren Quadrate als ein Wechselspiel von Kombinationssystem und Kombiniertem in einem Transformationssystem, das Anordnungen reorganisiert. Die Einheit von Kombinationssystem und Kombiniertem, die sich mit jedem neuen Beitrag verändert, kann den Eindruck erwecken, die nicht abgeschlossene Kollaboration von Partizipanten durch eingesandte Graphik konstitutiere das System. Da die Kombinationsmöglichkeiten endlos durchspielbar sind, kann der Eindruck entstehen, es handele sich um ein unausschöpfbares Variationssystem, das sich mit weiteren Graphik-Beiträgen ändert, da sich mit der Einfügung eines neuen Beitrags ins Kombinationssystem auch der System- bzw. Programmzustand ändert, weil die Rechenprozesse zur Realisierung von Kombinationen andere werden. Diese Rechenprozesse verändern allerdings nicht das Programm des "HyGrid"-Systems, sondern sind im Gegenteil in ihm vorgesehen.

"HyGrid" ist offensichtlich ein System des Typs 4.3, das für Beobachter und Partizipanten Aspekte enthält, die in Typ 4.4 die Medienform konstituieren. Es handelt sich jedoch nicht um eine Kopplung der Typen 4.3 und 4.4, sondern um eine Ebenengliederung einerseits in interne, auf der Systemebene programmierte Möglichkeiten der Beobachtung nach der Art von 4.3 und andererseits in Aspekte impliziter Beobachtung, die in Beobachter- und Beobachtungsoperationen aktualisiert und realisiert werden können, und die als Folge einer Programmierung nach Art von 4.4 nahe liegend wären.

Die interne Beobachtung konstituiert in "HyGrid" eine Systemebene, die Beiträge ins System zu integrieren ermöglicht. Das System erzeugt durch Geschlossenheit Offenheit für neue Beiträge, wenn es eine programmierte Art der Rekombination vorhandener Beiträge mit neuen Beiträgen ausführt. Das "HyGrid"-Kombinationssystem provoziert auf der Ebene impliziter Beobachtung den Eindruck, als kommuniziere jeder Beitrag mit anderen Beiträgen, und als verändere jeder weitere Beitrag diese Kommunikation, als nähme ein User mit seinem Beitrag an dieser Kommunikation direkt teil.

In den in 4.4 genannten Beispielen ist Partizipatives auf der Produktionsebene zeitgebunden, das heißt: Teilnahme kann innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens stattfinden. Auf der Rezeptionsebene kann die simultane oder unmittelbar nacheinander folgende Präsentation von Beiträgen verschiedener Autoren den Eindruck kommunizierender, in wechselseitigen Relationen stehender Beiträge erzeugen. "HyGrid" öffnet Rezeptionsmöglichkeiten der direkten Kommunikation zwischen Beiträgen auf der Programmebene durch mittelbar Partizipatives und Dauerhaftes des Typs 4.3.

In "Silent Orpheus" von "The Plaintext Players" können Beobachter in einem begrenzten Zeitrahmen auch den Partizipationsprozess des schreibend Improvisierens (unmittelbare Partizipation der Koautoren) verfolgen: An diesem Prozess ist aber nur eine begrenzte Menge als Partizipanten beteiligt. Die Vorführung des Schreibprozesses in "Silent Orpheus" teilt in Partizipanten und Nicht-Partizipanten/Zuschauer.

Es ist offensichtlich in einigen Fällen sinnvoll, die Skala mit den Stufen 4.1 bis 4.4 auf den Ebenen des internen und des impliziten Beobachters, also auf der Programm- und der Rezeptionsebene, anzuwenden und die Relationen zwischen beiden Ebenen zu klären.

Dies erfordert, der Explikation der Stufen 4.1 bis 4.4 auf der Programmebene, wie sie oben fixiert wurde, auch eine Explikation auf einer Rezeptionsebene mit den Stufen 5.1 bis 5.4 hinzu zu fügen:

(5.1) Der Beobachter aktiviert einzelne Funktionen und kann die aufgefundenen Daten als Teile eines geschlossenen Systems rekonstruieren.

(5.2) Der Beobachter gibt Daten für systemexterne Netzverbindungen ein und operiert mit den systeminternen Transformationen dieser Daten, zum Beispiel, indem er sie im Speicher ablegt. Die durch die programmierten Weisen der Generierung von Daten erzeugten und gespeicherten Oberflächen können für Beobachter auch als Hinweise auf Benutzungsweisen anderer Beobachter lesbar sein.

(5.3) Beobachter erkennen die Operationen anderer Beobachter entweder in direkter <interface interaction> oder durch Speicherfunktionen später und können darauf in der im System angelegten Weise mit <interface operations> und "interface communication" reagieren.

(5.4) User agieren entweder selbst als Akteure in einem partizipativ entstehenden System und/oder sie beobachten die Relationen zwischen (entstandenen oder gerade entstehenden) Beiträgen anderer Beobachter. Beobachter können Beiträge anderer User als zueinander in einem quasi-partizipativen, weil wechselseitigen (<kommunizierenden>) Verhältnis stehend verstehen und erst im Laufe einer Rekonstruktion der Systemzusammenhänge realisieren, ob diesem quasi-partizipativen Verhältnis Partizipation auf der Produktionsebene (s. Typ 4.4) entspricht/entsprach.

1.1.9.3 Medienformen

Der Begriff "Gattung" steht für konventionalisierte Kombinationsweisen von Formen. Vielfach aufgegriffene und als Gattungsspezifika bekannte Weisen der Formkombination nützen die Möglichkeiten der Formen tragenden Medien nur teilweise. Explikationen der Kombinationsweisen in Form von Gattungsregeln können normativen Geltungsanspruch erhalten, der den Ausschluss von Medienmöglichkeiten sanktionieren soll. Solche Ansprüche erhoben früher im Kunstkontext die Kritik und die Ästhetik, indem sie Gattungsregeln (die zugleich der Zu- und Abschreibung des Status Kunst dienten) festzuschreiben versuchten.

In der gegenwärtigen Medienlandschaft ergeben sich Restriktionen von Medienmöglichkeiten eher indirekt durch Distributionssysteme und Vermarktungsstrategien, als durch Regeln und normative Ansprüche erhebende Diskurse.

Die Geschichte der Etablierung von Ausschlussverfahren für Kunsthandel und Kunstmuseen mittels Kunsttheorie und Kunstkritik wird seit den sechziger Jahren von einer institutionellen Kritik und von Kontext Kunst vorgeführt und kritisiert. In den Kunstdiskurs über Intermedia Art bettet sich eine Kontextkritik ein, welche die kunstexternen Hemmschwellen der Entwicklung künstlerischer Alternativen in Bereichen der experimentellen Medienkombinationen und der Integration Neuer Medien (Fotografie, Film, Video, Computer etc.) thematisiert. Es geht nicht nur um eine Kritik kunstinterner Institutionalisierungsprozesse, sondern auch um eine Kritik der kunstexternen Vorbedingungen, die Gebrauchsweisen neuer, kunstextern entwickelter Medien begrenzen.

Restriktionen durch gewinnorientierte Medienpolitik von Konzernen liefern Ansätze für eine Kritik der künstlerischen Arbeitsbedingungen, die den Verlauf der Planung und Realisierung von Netzprojekten beeinflussen. Zu diesen Arbeitsbedingungen gehören im Internet Restriktionen der Möglichkeiten zur Weiterentwicklung vorhandener Programme, zur Entwicklung alternativer Programme auf der Basis erhältlicher Programm(teil)e, des Datenzugriffs und der Speicherung. Diese Restriktionen können auch die Entwicklung und Realisierung alternativer NetArt-Projekte verhindern.

Durch wiederholte künstlerische Anwendung bestimmter Weisen der Medienkombination können auch in NetArt Gattung(skonvention)en entstehen. Dann wird die Möglichkeiten eruierende Frühphase durch eine traditionsgebundene, weil durch wiederholten (und erfolgreichen) Mediengebrauch von Vorcodierungen nicht mehr freie Phase ersetzt. In dieser Phase ist der Konflikt unvermeidbar, dass Werke mit Formen, die an den künstlerischen Mediengebrauch anschließen, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit den schwieriger zu rezipierenden Werken entziehen, welche alternative Weisen der Konzeptualisierung ihrer Medienvoraussetzungen offerieren.

In einer weiteren Phase der Vorcodierung von Netzprojekten durch sich etablierenden künstlerischen Mediengebrauch können Künstler, analog zur Entwicklung der Gattung Malerei, diese Vorcodierungen thematisieren: Eine Spätphase in der Gattungsgeschichte – die Thematisierung von etablierten Wechselbeziehungen zwischen kunstexternen Medien- und Kunstcodes durch Kunst – kann es auch bei der Netzkunst geben.

Zur aktuellen Phase der Entwicklung von NetArt: Kritik kann in der Phase der Entstehung von Gattungskonventionen, in die die Geschichte der Netzkunstprojekte bald gelangen kann, die Aufmerksamkeit von Werken, welche den Akzent auf Anschlussformen an Etabliertes legen, ab- und auf experimentelle Werke der NetArt hinlenken. Kritik kann sich aber auch der Schaffung von Öffentlichkeit für leicht popularisierbare Werke und damit der Schaffung von Spektakeln widmen. Eine populistisch orientierte Kritik kann Netzprojekten Aufmerksamkeit verschaffen, die einfacher zu rezipieren sind, weil sie dominant von Anschlussformen an Gattungsnormen und/oder an Codes beziehungsweise narrative Elemente der Pop Kultur geprägt sind: Am Prozess der Ausbildung von webimmanent sich von Anschluss zu Anschluss ausprägenden Gattungsnormen können webexterne kulturelle Codes beteiligt sein, die teilweise in älteren kunstin- und -externen Medien entstanden sind und aus diesen übertragen werden. Auch können Zeichen aus webimmanenten kunstexternen Codes in künstlerische Netzprojekte nicht nur in kritischer Absicht integriert werden, sondern auch, um an die netzinternen Brechungen der Pop Kultur (bzw. die Kultur der Unterhaltung und der Massenmedien) anschließen zu können.

In den Kritiken von Netzprojekten sind derzeit Prozesse der Scheidung wie der Durchdringung erkennbar einerseits von Aufmerksamkeit heischender Aufzählung künstlerischer Aktion(sform)en im Netz und andererseits der Differenzierung von Kriterien für Netzkunst, einerseits von populistischen Versuchen der Erweiterung des Userinteresses und andererseits von Binnendifferenzierung. Von einer Trennung zwischen öffentlichkeitswirksam Vorcodiertes aufbereitenden Projekten und experimenteller "new media avantgarde", einer Dichotomisierung in E(rnst) und U(nterhaltung), kann noch nicht gesprochen werden.

Kritiken von Netzprojekten sind webextern derzeit in Büchern über Neue Medien und Anthologien mit Symposienbeiträgen und überwiegend in Feuilletons und Zeitschriften für ein Computer-Fachpublikum, kaum aber in Kunstzeitschriften zu finden. Über Meldungen und kurze Features geht die Thematisierung von NetArt in Kunstzeitschriften nur selten hinaus. Dieser Marginalisierung von NetArt, die neue Entwicklungen bietet, steht eine ausführliche Darstellung und Kritik ausstellbarer Medienformen gegenüber, obwohl hier die neunziger Jahre bestenfalls konzeptuell überzeugende Anschlussformen an Intermedia Art (Video, Performance, Kontext Kunst) vorzuweisen haben, die wie die Malerei Gefahr laufen, in einer Vielfalt unergiebiger Spielformen unter zu gehen.

 

Kommentar S.P.:

Hier wird ein wichtiges Konkurrenzverhältnis zwischen den traditionellen Kunstformen (etwa der Malerei) und den neuen Kunstformen des Netzes sichtbar. Der traditionelle Kunstmarkt versucht krampfhaft und auch erfolgreich seine ökonomische Macht zu erhalten, indem er auch immer wieder neue Künstler der traditionellen Formen medientechnisch lanciert, um sich auch künftig seine Manövrieroberfläche zu erhalten, obwohl eine gewisse inhaltliche Stagnation und Ausdünnung etwa der traditionellen Malerei offensichtlich ist. Die Gruppe Or-Om hat dieses postmoderne Problem der inhaltlichen Inflation der Malerei in der Installation http://portal.or-om.org/art/EndofPostmodernism/tabid/6080/Default.aspx thematisiert.

Das Verhältnis von Kunstmarkt zu Netzkunst, bzw. der Versuck einen netzinternen Kunstmarkt zu etablieren untersucht auch Hirschsteiner unter http://www.hirschsteiner.de/netzkunst_als_avantgarde.pdf S. 37 unter 3.5. "Verhältnis zum Kunstmarkt".

 

Derzeit spielen in der Kritik von NetArt auf Seiten der Computerzeitschriften Aspekte der Programmierung, andererseits auf Seiten der Feuilletons und der Kunstzeitschriften Aspekte des Anschlusses an Bekanntes, das heißt in den Massenmedien Popularisiertes, eine große Rolle, während die konzeptuelle Seite von Netzprojekten (als künstlerische Modelle für Weisen der Welt- und Medienbeobachtung) auch in webinterner Kritik (noch) nicht ausreichend gewürdigt wird. Die "Lektionen in NetArt" sehen ihre Aufgabe in einer Kritik, die an ausgewählten Netzprojekten Relationen zwischen Medien(formen), Beobachtungs- und Beobachteroperationen reflektiert, was bislang nur ansatzweise geschah.

Die Frage, die die Zukunft von NetArt entscheidet, lautet: Bricht NetArt aus der oben skizzierten, auf Erfahrungen mit etablierten Kunstgattungen abstrahierten Verlaufsform von Medienformgeschichten aus, und bleibt eine Medienfragen konzeptualisierende "Intermedia Art", oder gibt NetArt die Offenheit der Medienkombinationsmöglichkeiten und der Reflexion(-smodelle) zu Gunsten einer begrenzten Vielfalt von Gattungen auf, in der (oder denen) sich konventionalisierte Weisen der Medienkombination und etablierte Weisen der Medienbeobachtung wie Aspekte von "Virtualitätsgattungen" behandeln lassen. Für die weitere Entwicklung von NetArt ergeben sich die beiden Möglichkeiten, erstens den Weg von Intermedia Art fortzusetzen und durch die Reflexion von Medienbeobachtung sowie durch die Konzeptualisierung von alternativen Medienkombinationen die Schließung der Kopplungen zu Medienformen zu vermeiden, oder zweitens diese Schließung durch die Konventionalisierung von Gattungen voran zu treiben.

1.1.9.4 Schichtung und Verflechtung

Mike Sandbothe schreibt über die intermedialen Verflechtungen von Bild, Schrift und Sprache im Internet:

Indem das World Wide Web diese Dienste [IRC, MUD, MOO] in sich integriert, nimmt es einerseits die durch sie ermöglichte sprachanaloge Verwendungsweise von Schrift auf. Andererseits aber wird Schrift in den für das World Wide Web charakteristischen Hypertextdokumenten am Leitfaden des Bildes neu organisiert.

 

Sandbothe analysiert diese "digitalen Verflechtungen" von "Bild, Sprache und Schrift im Internet" mittels Wolfgang Welschs Analyse des Begriffs der "Transversalität"[22]. Zwischen Transversalität durch Links, die potentiell alle Webpages zu einem Hypertext verbinden, und Manovichs Auffassung von "database" als netzrelevante "symbolische Form" sind Bezüge (re)konstruierbar.

Im Datenfluss des Internet sind Ausgrenzungen geschlossener Systeme Konstruktionen, die Grenzen zwischen System und Umwelt setzen. Die Gliederung der Netzdaten von Kommunikationssystemen in Subsysteme ("databases" mit "folders") konstituiert eine Geschlossenheit, die Offenheit für vielfältige Querbeziehungen durch Links ("Verflechtungen") zwischen systemin- und -externen Subsystemen ermöglicht: Schichtung und Verflechtung bedingen sich im Netz unter bestimmten Bedingungen wechselseitig. Schichtung ermöglicht Binnenbezüge zwischen verschiedenen Ebenen und Außenbezüge durch Links zwischen verschiedenen Ebenen beziehungsweise Subsystemen verschiedener Systeme. Die Struktur der Gliederung in Ebenen aus Subsystemen/Folders wiederum soll sichern, dass die Binnenbezüge durch Außenbezüge nicht in Frage gestellt, sondern bereichert werden.

Schichtung ermöglicht in Netzprojekten Verflechtung, so zum Beispiel in Subsystemen, die Zustandsveränderungen durch Zugriffe auf externe Daten ("Verflechtung") und Ablagerungen der Datentransformationen in Archivsystemen (Schichtung von der Datenzugriffsebene bis zur Archiv-/"database"-Gliederung) ermöglichen.

Verflechtung impliziert für die Struktur von Netzprojekten:

(6.1) Links zwischen Subsystemen (bzw. "folders") von "databases" und Links zwischen Website-in- und -externen Subsystemen heben, indem sie auf (Relationen von In- und Exklusion bei) Überschneidungen von Bedeutungsfeldern verweisen, nicht das "database"-System der getrennten Einheiten und der Baumstrukturen (bzw. der einseitig gerichteten Verzweigung) auf.

(6.2) "Verflechtung" als vielseitig gerichtete Verzweigung in der Zeitdimension, als "Nebel" im Sinne von Jean-François Lyotards Problematisierung des Radioempfangs bei Autofahrten, thematisiert Wisniewskis "Netomat" als Datenfluss, der eine Navigation durch Selektion additiver Einheiten aus "databases" verhindert.

"Verflechtung" kann also sowohl dazu dienen, Relationen zwischen "databases" zu schaffen (s. 6.1), als auch Datenfluss-Präsentationen konstituieren, die sich nicht in "Kontexturen" und Kontextur-Relationen integrieren lassen (s. 6.2). Die Frage bleibt, ob es das Internet nicht ermöglicht, Modelle für Übergänge zwischen polykontexturalen Kommunikationssystemen und "Rhizomen" zu schaffen. Sollte dies zu einer Diskussion von Passagen zwischen Systemen und "Rhizomen" führen, dann könnte das, was jetzt als Disjunktion erscheint, in eine Diskussion über die Konstruktion von überleitenden Verfahren und Prozessen, von Zwischenschichten, überführt werden.

Die Lernumwelten von "databases" können als "Nebelgebilde" erfasst werden. An diesen "Nebelgebilden" können Systeme ihre Adaptionsfähigkeit erproben und sich je nach Lernfähigkeit - mit unterschiedlich schweren Folgen für die eigene Organisation - rekonstruieren. Die vom System wie von Usern wählbare Datenumwelt kann bei sich selbst organisierenden Systemen zum Anlass einer Systemregenerierung durch Selbstde- und -rekonstruktion werden. Systeme können in Umwelten auch weitere Systeme erkennen und sich mittels "(Inter-)Penetrationen" durch und mit deren Organisationsstrukturen (re)konstruieren.

(6.3) In Umgebungen mit Charakteristika von "Nebelwolken" (s. 6.2) betten sich selbst organisierende, ihre Adaptions- und Lernfähigkeit durch Neu- und Umschichtungen sowie Neu- und Umbildungen ihrer Kontexturen (re)konstruierende Systeme ein, oder letztere kooperieren durch Interpenetrationen mit anderen Systemen. Useraktivitäten können so in diese Systeme eingebaut werden, dass sich maschinelle und menschliche Organisation (z. B. in Open Source Programmierung) durchdringen können.

1.1.9.5 NetArt versus Kunstbetrieb

Da die Organisationsweise noch Zukunftsmusik ist, werden im Folgenden Konsequenzen aus den geschlossenen Strukturen und den offenen Nebelgebilden für die Organisation künstlerischer Netzprojekte und die Geschichte künstlerischer Medienformen erörtert.

Verhindert werden können restriktive Codierungen von Medien(kombinations)formen nicht nur durch "Nebelgebilde" konstituierende Verflechtungen, sondern auch durch Relationen zwischen Schichtung und Verflechtung. Diese Relationen führen, wenn sie hinreichend komplex sind, zu einer hohen Variabilität – höher als es der Spielraum für Formenvielfalt in Kunstgattungen zuließ. Durch erweiterte Variabilität von Kopplungen können etablierte Variabilitätsgrenzen von Medienformen überschritten werden. Mit einer hohen Variabilität von Kopplungen lässt sich auch die Schließung von Kopplungsmöglichkeiten zu neuen Medienformen verhindern.

Die von Seiten der Künstler forcierte Kritik an Rahmenbedingungen des Kunstbetriebs kulminierte in Kontext Kunst. Hauptthema dieser Kritik war der Status setzende Anspruch, zu dem sich die Kollaboration zwischen händlerischen, ausstellenden und Theorie bildenden Instanzen verdichtet. Zusammenhänge zwischen Medien, Medienkombinationen und Medienformen sowie zwischen Werkumgebung, Werk (als Kommunikationssystem) und Useraktivitäten/Beobachteroperationen lassen sich im Internet konzeptualisieren. Diese Konzeptualisierung kann Versuche der Übertragung von Strategien der Etablierung von Kunstgattungen im Netz blockieren beziehungsweise scheitern lassen. Dies hat zur Folge, dass sich auch der normative Anspruch, mit dem im Kunstbetrieb Werken (mit Medienformen, die Bestandteil institutionalisierter Selektionskriterien geworden sind) der Status Kunst verliehen wird, nicht in NetArt übertragen lässt.

Die Versuche der Reinstitutionalisierung von Selektionskriterien, die bestimmten Medienformen den Status Kunst zuweisen, und die Rekonzeptualisierung von Medienkombinationen der Intermedia Art sind konträre Entwicklungen. Da im Internet der Kunsthandel als allen anderen vorgeschaltete, als erste Öffentlichkeit schaffende Instanz ausfällt, scheitern Versuche der Reinstitutionalisierung des Kunsthandels mit Netzprojekten. So können die Prozesse der Institutionalisierung von Selektionskriterien der Medienformen, die den Status Kunst als Anspruch erheben, nicht anlaufen, oder sie erscheinen als Fehlstart.

 

Kommentar S.P.:

Wiederum sehen wir hier, dass eine Integration der Netzkunst in die traditionellen Kunstmärkte nicht möglich war und sie daher auch nicht einer aggressiven Reinstitutionalisierung der Selektionskriterien unterzogen werden kann.

Im Sinne unserer eigenen Untersuchung über die göttlichen Grundlagen der Kunst wird sich aber sehr wohl die Frage erheben, ob diese neuen Formen der Netzkunst einer kriterienorientierten Bewertung unterzogen werden können.

Schließlich hat sich natürlich eine neue Subkultur der internen Präsentationsformen der Netzkunst entwickelt (Kongresse, Conventions usw.).

Da Netzkunst sehr häufig auch in Mitteleuropa über öffentliche Förderungen unterstützt und erhalten wird, ergeben sich hier äußerst komplexe Problemstrukturen bei der Vergabe der Fördermittel, welche die Gruppe Or-Om in einer mehrjährigen strukturellen Analyse der Netzorganisation "netznetz" in Wien erforscht hat (http://portal.or-om.org/art/Netzpolitik/tabid/6081/Default.aspx ). Es ergeben sich etwa folgende Konfliktzonen (Politisches Verhältnis zum öffentlichen Fördergeber/Grad der Institutionalisierung/Criteria Struggle [Netzkunst versus Netztechniker] /Verteilungsschlüssel für die Fördergelder).

 

Medienformen der Kunst wie Fotografie, Film und Video entstanden aus neuen, kunstextern entwickelten Medien. Schon bei diesen Medienformen wurde der Kunststatus verleihende Anspruch, der den Gattungskriterien der Präsentationsformen Malerei, Skulptur und Zeichnung zugeschrieben wird, fragwürdig. Außerdem gilt Objektkunst als Anfang einer künstlerischen Konzeptualisierung der Kriterien, die erfüllt sein müssen, wenn der Status Kunst zuerkannt werden soll. Da die Funktion der institutionellen Rahmenbedingungen von Kunst (Kunstmuseen und Kunsthandel), deren Thematisierung in dieser Konzeptualisierung eine entscheidende Rolle spielt, für NetArt nicht erneuert werden kann, stellen sich folgende Fragen: Muss die Konzeptualisierung von Kriterien der Kunst-Bestimmung (in Form einer Investigation des Kunstkontextes, zum Beispiel den Ausstellungsbedingungen) bei NetArt durch eine Analyse auf der Basis einer Medienphilosophie erneuert werden? Wird aus der postästhetischen Rolle der letzten Entwicklung ausstellbarer Kunst als Lieferant von Modellen für (Weisen der) Kunst- und Weltbeobachtung nicht eine Kunst, die die Wechselseitigkeit von (Weisen der) Medien- und (Weisen der) Weltbeobachtung (inklusive der Art World) in Modellen und Theorien reflektiert? Führen die Medienkombinationen, programmierbaren Funktionen und Datenflüsse des Internet zur Forcierung der intermedialen und kontextreflexiven Ansätze durch neue Möglichkeiten der Schichtung und Verflechtung? Geschieht diese Erweiterung intermedialer Ansätze in einem Kontext, der sie nicht mehr blockiert, sondern durch seine eigene Konstitution - Datenflüsse und ihre Organisation für Beobachteroperationen - forciert?

 

1.1.9.6 Indices für Medienkombinationen

 

 

Kommentar S.P.

 

Die folgenden Indices werden hier aufgeführt, um wiederum aus einem anderen Blickwinkel die Vielartigkeiten der hier ausgebildeten Bereiche sichtbar zu machen. Auch zeigt die Aufstellung, dass die Abgrenzung der "reinen" NetArt" von Kunstgattungen, die das Netz nur als Medium benützen, oft nicht leicht ist. Auch wird die Frage transparent, ob sich schon typische Gattungen sedimentieren, oder eben solche Verfestigungen noch nicht überzeugend abgegrenzt werden können.

 

Die "Lektionen in NetArt" erhalten Indices (s. u.) für Medienkombinationen, -funktionen und -formen der Netzkunst. Die Einteilbarkeit in Index-Gruppen ist noch kein ausreichender Hinweis für die These, dass sich bei gewissen Formen der Netzkunst bereits der (im Kapitel über Medienformen angesprochene, Präsentationsformen konventionalisierende) Prozess der Differenzierung in Gattungen abzeichnet. Die Indices charakterisieren intermediale Formen als Interface- Funktionen, die Möglichkeiten für Beobachteroperationen offerieren. Wenn diese Indices hinter den im Verzeichnis der Lektionen in NetArt aufgeführten Titeln von Netzprojekten mehrfach wiederkehren, und wenn die so indizierten Netzprojekte nicht Sphären ohne Zusammenhänge bilden, sondern verwandte und auf der Basis von Vergleichen kritisierbare Medienkombinationen aufweisen, dann zeichnen sich Entwicklungen von Gattungen in der Netzkunst ab: Die Entstehung von Gattungskonventionen ist derzeit bei NetArt erst ansatzweise erkennbar.

Die Indices beschreiben Werkformen so, dass sich in der Liste der "Lektionen" die Netzprojekte möglichst mit einem Index ausreichend charakterisieren lassen. Wenn ein Index dafür nicht ausreicht, können mehrere Indices im Verzeichnis der "Lektionen in NetArt" für einzelne Netzprojekte verwendet werden. Die Möglichkeit, neue Indices bei Bedarf einzuführen, wird nicht ausgeschlossen. So lässt sich die Offenheit von "Intermedia Art" für Neukombinationen durch die Integration neuer Funktionen und Medien sowie für Zwischenformen durch Rekombinationen auch bei NetArt berücksichtigen.

Indices:

- (AK): Additive Kombinationen netzex- und -interner Aktivitäten.

- (AL): Programme, die künstliche Umgebungen und in sie eingebettete Wesen mit Eigenschaften kreieren, die Lebewesen analog sind ("Artificial Life").

- (AN): Darstellung von Aktivitäten im Netz, die netzextern und kunstrelevant sind ("Art on the Net").

- (AS): Abzuspeichernde Systeme, die Programme für die Navigation im Netz und / oder die Transformation gesammelter Webpage-Daten enthalten, aber weder Archivsysteme besitzen noch Browserfunktionen übernehmen.

- (AT): Atavare (virtuelle Akteure).

- (BA): Abzuspeichernde Browser ("Browser Art").

- (CP): Programme, deren Funktionen sich nicht mehr abschalten lassen und die andere Funktionen stören.

- (DS): Datensysteme, die aus Datenerhebungen und Auswertungen bestehen, zum Beispiel Umfragen und ihre Auswertungen.

- (ED): Eine-Datei-System, das nur eine dem User zugängliche Datei (inklusive abhängige Dateien) enthält.

- (ES): Systeme, in denen mehrere User via e-Mails untereinander (und mit Netzeigenschaften) kommunizieren.

- (FN): Neue oder ungewöhnliche Formen der Vernetzung.

- (GS): Game Software.

- (IS): Informationssysteme, die vorhandene Websites und -pages nach bestimmten Kriterien durch Links und / oder durch Archivsysteme verbinden.

- (KB): Systeme für kollaborative Bildproduktion mit / ohne Archivsysteme(n).

- (KS): Kommunikationssysteme konstituierende Kombinationen netzex- und -interner Aktivitäten.

- (ND): Netdesign in verschiedenen Anwendungsbereichen und Selbstpräsentationen von Designern und Typographen.

- (TP): Textbasierte Projekte: Texte, in die Illustrationen, Kurzfilme und Soundfiles eingeblendet sein können, mit Website-in- und -externen Links (Hyperfictions).

- (TR): Telepräsenz mit Webcams zur Steuerung von Robotern.

- (TT): Telepräsenz-Projekte zur Echtzeitsteuerung ferner Teile, die auf Webcams verzichten.

- (TV): Telepräsenz und virtuelle Parallelwelt zur Steuerung von Robotern.

- (TW): Telepräsenz mit Webcams.

- (VA): Virtuelle Architektur, die dreidimensionale Körper statisch oder bewegt simuliert und nicht materialisierbar sein muss.

- (PA): Systeme offerieren Möglichkeiten für ungewöhnliche, Daten transformierende Zugriffe auf externe Webpages mit Archivsystemen, in denen die bearbeiteten Webpages gespeichert sind und werden ("Parasite Art").

In dieser Aufstellung sind mit "(AN) Art on the Net", "(GS) Game Software", "(ND) Netdesign" und "(VA) Virtuelle Architektur" Indices enthalten, die nicht so sehr Kriterien der NetArt erfüllen, als ihre nähere künstlerische Umgebung kennzeichnen. Ginge es hier allein um Indices für NetArt, wären diese vier Indices nicht enthalten. Es erscheint jedoch wenig sinnvoll, aus den "Lektionen in NetArt" Websites zu exkludieren, die entweder wichtige, nicht rein webinterne Entwicklungen von intermedialer und computergestützter Kunst zeigen beziehungsweise anwendungsbezogene Kunstpraxis im Web vorführen: Bei "(AN)" ist an Spielprogramme gedacht, die Programmfunktionen enthalten, die auch in Websites mit VRML u. a. übernommen werden können, oder deren Design virtueller Umgebungen für die Gestaltung von VRML-Welten in Websites anregend sein kann. Bei "(KA)" ist an Vorstellungen von Kinetischer Kunst, Performance Art, Theater und experimentellem Film gedacht. Unter "(ND)" lassen sich Entwicklungen grafischer Webpage-Gestaltung thematisieren, ohne Anwendungsbereiche (e-Commerce etc.) auftragsgebundener Programmierung aus dem Einzugsbereich des für NetArt Relevanten auszuschließen. Anders als für die mit "(GS)" und "(KA)" zu indizierenden Projekte gelten für Websites, die "(ND)" relevant sind, uneingeschränkt Kriterien der "Webness" (s. Anm.1). Unter "(VA)" lassen sich Möglichkeiten der Simulierung plastischer, architekturrelevanter oder -naher Formen thematisieren, die auch Experimentalcharakter haben können und nicht realisierbar sein müssen. Aus der Simulierung von 3D-Formen können sich neue Anwendungen für NetDesign und NetArt ergeben, die Kriterien der "Webness" erfüllen.

1.1.9.7 NetArt / Netzkunst (Detailuntersuchungen)

Kommentar S.P.:

Obwohl wir gerne noch weitere Analysen der einzelnen Bereiche durchgeführt hätten, ermöglicht dies der Platz dieser Arbeit nicht. Die LeserInnen können aber anhand der folgenden Links auf die Arbeiten Drehers allein ihre Studien vertiefen.

 

• IASLonline Lektionen in NetArt (english)/ Synergy Collaborative Projects on SITO: Ed Stastny/• Potatoland: Mark Napier /• Andyland/Artcontext: Andrew C. Deck/ • Internationale Stadt Berlin und sero.org: Joachim Blank & Karl-Heinz Jeron/ • Telepräsenz: Eduardo Kac und Ken Goldberg/ • Connective Force Attack: Knowbotic Research, Gideon May und Thomas Rehaag/• Informationschoreographie: Maciej Wisniewski Politics of Classification: Matthew Fuller und Graham Harwood /• Interview Yourself! Amy Alexander /• unendlich, fast...: Holger Friese /• Artivismo: www.0100101110101101.org /• Link, Filter und Informationsfreiheit: ODEM /• Netzumfragen und politischer Dialog: Andreja Kuluncic (english)/ • IASLonline Tipps in NetArt (english)/ Participation Pieces: Yoko Ono/ Die Misere der Kunst: frichter/• The Eighth Day: Eduardo Kac/• Lexia to Perplexia: Talan Memmott (english/• IASLonline NetArt-Theorie (english) /• NetArt: Einführung /• Art & Language & Hypertext: Blurting, Mapping and Browsing/• Mitschreibeprojekt "nic-las": Die Rolle des Teilnehmers in Netzdiskursen/ • Von "Radical Software" zum Netzaktivismus (english)/• Konzeptuelle Kunst und Software Art/• Partizipation mit Kamera: Von der Videokamera zum Kamera-Handy/• IASLonline Links zu Plattformen, zur Geschichte der Netzkunst u. a. (english)/ Biografie/ Bibliografie (Auswahl) /Impressum


Florian Cramer 
 
1. Homepage: http://cramer.plaintext.cc, contains most of my
      essays and critical writing
   2. http://plaintext.cc, text generator on the basis of Georges
      Bataille's "History of the Eye", awarded with the
      "Junggesellenpreis für Netzliteratur" ("Bachelor Prize for Net
      Literature") by Literaturhaus Stuttgart, 2007
   3. Permutations,
      http://userpage.fu-berlin.de/~cantsin/permutations,
      reconstructions of historical algorithmic poems as Perl CGIs,
      awarded with a special Pegasus '98 Prize for Internet Literature by
      Die Zeit, Radio Bremen and IBM Germany
   4. Co-administrator (with Tilman Baumgärtel) of the German-language
      net cultural mailing list ,,rohrpost" from 2001 to 2004,
      http://post.openoffice.de/cgi-bin/mailman/listinfo/rohrpost
   5. Editor (with Alan Sondheim, New York) of the Nettime Unstable
      Digest, a weekly digest of E-Mail codework on the ,,Nettime"
      mailing list, 2002-2004
      http://www.netzliteratur.net/cramer/unstable_html,
      http://noemata.net/nudes/
   6. (With Sebastian Lütgert, Berlin:) txtwarez , computer programs to
      circumvent copyright protection of literary texts, received a
      ,,honorary mention" by the software art jury of transmediale.02,
      2002
   7. (Co-editor:) runme.org, online repository and critical guide to
      software art projects, initiated by Alexei Shulgin and Olga
      Goriunova (Moscow), 2002
   8. (with Wilfried Hou Je Bek, Utrecht:) Speculative Programming ,
      workshop at transmediale.03, Berlin, 2003
   9. radio codework, one-hour radio play in collaboration with Tsila
      Hassine and Alejandra Perez Nuñez, ORF Kunstradio, Vienna
  10. (with mez Breeze, Australia:) iso.pro.txt.vim.tex.swap,
      collaborative Internet text, 

 



[1] Die LeserInnen mögen beachten, dass bei vielen folgenden Überschriften eine direkte Hyperlinkverbindung auf den Aufsatz Drehers gelegt ist. Im Bedarfsfall kann dieser Text daher direkt eingesehen werden.

[2] Bereits vor Beuys finden sich, allerdings wohl in einer anderen Konnotation, solche Konzepte.

[3] Vgl. auch (Pf 90, S. 347)

[4] Vgl. auch (Pf 90, S. 346)

[5] Vgl. auch (Pf 90 S. 389 f.)

[6] Vgl. auch Beuys unter 3.1.2.

[8] Diese These übersieht aber, dass die Begriffe (der Sprache und vor der Sprache schon viel früher) für die ERZEUGUNG sinnlicher Erfahrung eingesetzt werden und der sinnliche Überschuss schon eine zwar wichtige aber auf diesem Niveau ungelöste Fiktion bleibt.

[9] Diese Kritik erfasst bestimmte Elemente und Bereiche in unserem Gesellschaftsmodell unter 8.2.3, wie aber bei vielen sozialkritischen Philosophen fehlen noch viel mehr bei Künstlern sorgfältigere und verfeinerte Analysen des Systems und seiner Zusammenhänge.

[10] Vgl. auch (Pf 90 S. 405 f.)

[11] 6.1.1.2. Das Labyrinth postmoderner Rechtstheorien

[13] Kursiv durch S.P.

[14] Vgl. insbesondere unten unsere ausführlichen Betrachtungen unter 8.3.7.

[16] Vgl. hierzu vor allem http://portal.or-om.org/science/MenschundAI/tabid/6061/Default.aspx  wo die Grenzen der digitalen Intelligenz im Verhältnis zur menschlichen neu gezogen werden. Wenn man natürlich die Grenzen der menschlichen Intelligenz so eng zieht, wie dies in den üblichen Erkenntnistheorien in Wissenschaft und Kunst heute geschieht, dann sind die Unterschiede zwischen den beiden Bereichen kaum relevant und man kann dann den Versuch legitimieren, die menschliche Intelligenz zu digitalisieren. Auch die funktionalistischen Ansätze Luhmanns sind zu eng, um dieses Problem adäquat zu erfassen.

[18] In diesem Paralleluniversum interagieren zurzeit bereits über 3,5 Millionen Nutzer weltweit (2007); Speziallocation unter http://yamanakanash.net/secondlife/ramonia.html .

[19] Die Versuchung, die LeserInnen auf Informationsknoten im Internet zu verweisen ist hier wiederum groß. Vgl. etwa http://de.wikipedia.org/wiki/Internet .

[20] Auf eine Erörterung der Medientheorie des Internets muss hier aus Platzgründen verzichtet werden.

[21] Vgl. auch oben unter 8.6.3.

[22] Vgl. oben unsere ausführliche Analyse unter 2.1.