Das Philosophie-Fenster

 

Peter Strasser

"Der Weg nach draußen". Suhrkamp, 2000 Edition Suhrkamp 2177

 

Das gegenständliche Buch ist eine weitgehend treffende und leidenschaftliche Arbeit, die überzeugend darzustellen versucht, dass metaphysisches und religiöses Denken bei Sorgfalt und Redlichkeit aus dem wissenschaftlichen und philosophischen Diskurs nicht eliminiert werden können. Hierbei werden die wichtigsten modernen Denkansätze und Persönlichkeiten kritisch untersucht und aufgezeigt, wo die Mängel verengender Positionen liegen.

Zum Schluss will nun Strasser die Grenzen der Philosophie stecken, indem er zwar die Sphäre des Göttlichen, Religiösen und Metaphysischen offen lässt, aber die von ihm gesehenen Grenzen aufzeigt, die hier umgekehrt der Philosophie gesteckt seien.

"Die Philosophie ist weder Religion noch Kunst. Sie sichert aber die Spuren der Transzendenz und ist so eine Wächterin des Religiösen im Zeitalter der Immanenz."

a )Die Philosophie untergräbt den Erkenntnisanspruch des Alltags und der Wissenschaft, indem sie zeigt, dass es weder ein allgemeines Kriterium der Erkenntnis noch so etwas wie ein "Fenster" nach draußen, in die Wirklichkeit gibt. Die Position des Immanentisten führt zu einer Immanenzverdichtung. Die dagegen vorgebrachte Skepsis stärkt das Gefühl für die Rätselhaftigkeit und lehrt uns, dass alles unser Wissen die Schatten unserer Ignoranz nicht vertreiben kann, der Ignoranz, die eine Folge unseres Menschseins, unserer Endlichkeit ist. Als endliche und bedingte Wesen haben wir bestenfalls teil an einem Licht, dessen Ursprung wir selbst nicht sind.

b ) Die Philosophie zeigt aber auch, dass unsere Konzepte der Wirklichkeit der Moral und des Person-Seins notwendig metaphysische Ideen einschließen, wie die Idee des absoluten Blicks, des panpsychischen Subjekts und des Ich-Bewusstseins, die zugleich Konzepte der Transzendenz sind. "Sie gehen über das in der Erfahrung fundierbare hinaus, so weit, dass wir sie nur als regulative Ideen gelten lassen können. Wir sagten, dass sie Gleichnisse für den Platz sind, den Gott einnimmt".

c ) Das Bild der Welt, welches der Naturalist entwirft ist verzerrt. In der naturalistisch gedeuteten Welt gibt es keine Werte und der Mensch, gedacht als Teil dieser Welt, ist unfähig, einen Wert zu erzeugen. Der Bindungsbegriff, der aller Ethik zugrunde liegt, erfordert die Annahme einer trans-empirischen Stiftung von Werten. Dies ist ein ebenso ontologisches wie theologisches Theorem, welches die klassische Gottesvorstellung akzentuiert.

Ist die Philosophie aber nicht bereits zu weit gegangen, wenn sie solches feststellt.

"Wie anhand der Gottesbeweise gezeigt wurde, hängt die Relevanz dieser Beweise davon ab, dass man Folgendes zugibt: Die in ihnen auftretenden Attribute Gottes werden allesamt 'analogisch' verwendet. Sie bedeuten im Kontext des Absoluten, Unbedingten, Vollkommenen nicht einfach das, was sie bedeuten, wenn sie auf uns, die endlichen Wesen, angewendet werden.  Sie sagen etwas über das Unsagbare. Der Bedeutungsskeptiker wird hier nachstoßen: 'sie sagen also gar nichts aus.'

Aber wir wissen, was die Konsequenz davon wäre, dass der Skeptiker recht hätte. Es würde nicht nur der theologische Diskurs lahmgelegt, sondern darüber hinaus auch der unseres Alltags. Denn so wie zur Alltagssicht der Dinge notwendig die Vorstellung einer objektiven Realität dazugehört, so gehört zu ihr auch der Begriff einer moralischen Bindung, deren Grund nicht in der menschlichen Selbstbindungsfähigkeit ('Autonomie') allein liegen kann.

Dennoch bleibt der Stachel: Der Philosoph kann nicht beweisen, dass das Reden über Gott ein sinnvolles Reden ist. Er kann nur hoffen, dass dieses Reden verstanden wird. Solange die Redenden das Gefühl haben, einander zu verstehen, werden sie nicht verstummen. Und wiederum der Stachel: Der Philosoph kann nicht beweisen, dass diejenigen, die das Gefühl haben, einander zu verstehen, sich tatsächlich verstehen. All das erinnert an die Geschichte von dem Schiff, das auf offener See umgebaut werden muss. Die Geschichte ist im vorliegenden Fall zugespitzt, dadurch, dass niemand weiß, ob es überhaupt eine See gibt. Die das Schiff trägt.

Natürlich, es gibt eine Zuversicht des Glaubens, doch sie liegt jenseits des Hoheitsgebietes der Philosophie."

Diese Grenzziehung Strassers über die Möglichkeiten menschlicher Philosophie bedürfen im Sinne der Wesenlehre Krauses einiger kritischer Anmerkungen. Diese Kritik ist eigentlich in ziemlicher Ausführlichkeit in der neuen Einleitung zu den "Vorlesungen über das System der Philosophie" Krauses enthalten, wo ja auch die wichtigsten Denkrichtungen im 20. Jhdt. unter Berücksichtigung der Grundwissenschaft behandelt werden.

Strasser sagt zwar am Anfang des Buches, er stehe "eher auf der Seite Platons und des platonischen Sokrates und weniger auf jener der akademischen Sophisten unserer Tage". Man muss allerdings annehmen, dass Platon davon ausging, dass dem Menschen eine Schau (Erkenntnis) des Göttlichen und auch der Göttlichen Ideen, als der höchsten Begriffe möglich sei, was Strasser offensichtlich nicht annimmt. Strasser steht wohl eher irgendwo zwischen Platon und Kant, da er den Ideen, die uns als logische Begriffe nicht zugänglich sind, wie Kant nur eine regulative Funktion zugesteht. Er hält eigentlich zur Rettung des metaphysischen Denkens die Doppelposition Kants bereit, die einerseits bestimmte Grenzen des menschlichen Erkenntnisvermögens behauptet, andererseits aber mutig die unendlichen Ideen, die im Göttlichen fundiert sind, als Regulative aller Innerweltlichkeit des Menschen postuliert.

Dem ist entgegen zu halten:

a ) dass das Erkenntnisvermögen des Menschen weiter reicht (Anleitung zur Bewusstseinsanalyse bis zur Schau Gottes).

b ) Dass in einer neuen Grundwissenschaft an und in der Göttlichen Essentialität die bisherigen Ideen (vor allem die platonischen) neu strukturiert und formuliert erscheinen, und sich aus (in) der Grundwissenschaft neue Ideen ergeben, die bisher überhaupt nicht erkannt wurden, und welche für das menschliche Erkennen und Leben konstitutiven Charakter besitzen.

c ) Daraus ergibt sich eine neue Synthetische Logik, die als Göttliche Logik in unbedingter und unendlicher Weise für Gott selbst und dessen Selbst-Innesein und darin auch Denken gilt, in endlicher und begrenzter Weise aber auch vom Menschen erkannt werden kann, und für sein Denken konstitutiv ist.

d) Daraus ergibt sich im weiteren eine neue Sprache, mit neuen Begriffen, welche für alle bisherigen menschlichen Sprachen eine konstitutive Grundlage der Erneuerung darstellt. Über Gott und die Welt kann also in dieser neuen Sprache gesprochen werden.

e ) Das Verhältnis von Unendlichkeit und Endlichkeit wird neu erkannt, und damit auch die Mathematik reformiert. Der Umstand, dass der Mensch endlich ist, bedeutet nicht, dass ihm das Göttliche nur in den von Kant und Strasser angenommenen Grenzen zugänglich ist.

2001-10-31

 

Der Weg nach draußen.doc