Zu jener Zeit, als in Österreich die politischen
Verhältnisse sich in der Ersten Republik zuspitzten, als sich extreme Rechts- und Linksideologien um Machterhalt
und Machterwerb bemühten und die Protagonisten der politischen Eliten die
labilisierten Schichten der Bevölkerung zu manipulieren versuchten, schrieb
Popper sein Werk über die offene Gesellschaft und ihre Feinde. Er wies
darin mit leidenschaftlicher Präzision auf die Zusammenhänge zwischen
bestimmten Philosophien und deren Ausprägung zu fatalen Ideologien hin. Vor
allem in den Lehrgebäuden Platons und Hegels wies er Ansätze nach, die für
die Staatstheorie und die Etablierung unzumutbarer Sozialzustände und
Herrenideologien metaphysisch begründete Rechtfertigungen lieferten. Im
Weiteren behandelt er mit schonungsloser Deutlichkeit die von Hegel stark
beeinflussten Lehren Marxens. Popper gelangt in seiner eigenen Theorie zu
einem Glauben an die rationale Einheit der Menschheit im Rahmen
eines kritischen Rationalismus, der sich durch argumentatives Handeln und
Falsifizierbarkeitsstrategien der wissenschaftlichen Wahrheit nähern will.
Popper erkannte aber auch richtig, dass diese kritische Form des Rationalismus
offen ihre Grenzen zuzugeben hat, dass sie nämlich auf einer irrationalen
Entscheidung beruht "und in diesem Ausmaß auch eine gewisse
Priorität des Irrationalismus anerkennt". Nun hat jedoch der kritische
Realismus Poppers mit seinen Minimalannahmen an Metaphysik selbst seine
bedeutenden Probleme. Wodurch sollten wir dazu legitimiert sein, die eine
Theorie
mit metaphysischen Annahmen für legitim zu halten, eine
andere jedoch für unzulässig? Nach welchen Kriterien
sollten wir vorgehen? Auch ist die Vorstellung, dass wir uns mit Poppers
Wissenschaftskonzept zunehmend einer Verbesserung wissenschaftlicher
Erkenntnis nähern sollten, hoch spekulativ. Ja, man könnte sogar sagen, dass
die von Popper vorgeschlagene Bescheidung der menschlichen
Erkenntnistätigkeit selbst inhumane Züge besitzt,
weil sie die Evolution der Menschheit durch die Fesselung des Geistes
behindert. Kritik mangelhaften und inhumanen Essentialismus ist erforderlich.
Strikte Ablehnung jeglichen Essentialismus kann jedoch selbst inhuman
sein.
Der Schlag Poppers gegen bestimmte
metaphysische Systeme war hart, aber wir müssen auch die Gründe bedenken.
Popper hat nicht so sehr die Kategorien Platons und Hegels kritisiert; soweit
wir sehen, hat er z. B. die frappante Abhängigkeit der Kategorien Hegels
von jenen Kants nicht gewürdigt. Er hat aber diese Systeme an dem Umstand
gemessen, dass ihre Theorien zum gesellschaftlichen Leben explizit totalitäre
Ansätze enthielten, die zu Unterdrückung, Inhumanität und Verfestigung
sozialer Ungerechtigkeit aufriefen. Im Rahmen der argumentativ fundierten
Gemeinschaft der WissenschafterInnen sollte daher die Geltendmachung der
folgenden Überlegungen selbst diskursiven Eingang in der Wissenschaft
finden dürfen.
Dies ist auch ein wichtiger Beitrag zur Globalisierungsdebatte. Der Katalog bietet jene Grundstrukturen, in welche sich die globale Menschheit in den nächsten Jahrhunderten hinein entwickeln sollte. Sie basiert auf den Arbeiten Karl Christan Friedrich Krauses (1781-1832), dessen Werk weiterhin noch zu wenig beachtet wird.
In Spanien spielte die Philosophie Krauses als Krausismo seit 1850 eine bedeutende Rolle. Auch heute noch erscheinen minutiöse Studien zu seiner Philosophie (z.B. Rafael V.Orden Jimenéz: El sistema de la filosofia de Krause http://www.filosofia.org/mon/kra/k1998roj.htm ). Institute beschäftigen sich mit Krause, mit dem Krausismo und seiner Aktualität http://www.otri.upco.es/grupos/detalle.asp?cod=9
Querol Fernandéz: La Filosofia del Derecho de K.Ch. F. Krause. Con und apéndice sobre su proyecto européista. Madrid.2000 und
E.M.Unreña/P.Álvarez Lázaro (Hg.): La actualidad del krausismo en su contexto europeo, Madrid 1999
sind weitere neuere Studien. Man kann geradezu sagen, dass ein spanischer Philosoph die bisher wichtigste und gründlichste Biografie Krauses vorlegte:
Enrique M. Ureña: K.C.F.Krause. Fromann-Holzboog. Stuttgart. 1991
Vom selben Autor stammt die genaueste Rekonstruktion der bisherigen Wirkungsgeschichte der Krauseschen Philosophie in Deutschland bis 1881.
Enrique M. Ureña: Philosophie und gesellschaftliche Praxis. Wirkungen der Philosophie K.C.F.Krauses in Deutschland (1833-1881). Fromann-Holzboog. Stuttgart. 2001
In Deutschland beginnt erst seit einer Tagung in Hofgeismar November 1981 eine etwas intensivere, neuerliche Beschäftigung mit der Philosophie Krauses. Hier ist zu prüfen, in welchem Ausmaße hierbei die gesamten evolutionslogischen Potenziale der Wesenlehre erschlossen werden. Erfolgt bei dieser neuerlichen Belebung des Ansatzes eine Verzerrung durch die Sicht der Brillen anderer Denker (z.B. Hegel) oder durch die Übersetzung in zeitgenössische Terminologie und Reformulierung seiner Positionen eine Relativierung oder gar Verengung seiner Grundwissenschaft, welche im Vorhof gleichsam das Tor zu den tieferen Bereichen seines Denkens verschließen, oder ist die sanfte Einführung seiner Metaphysik und ihrer Konsequenzen für einzelne Wissenschaften, etwa die Rechtsphilosophie, gleichsam die Öffnung des Vorhofes, durch welchen man selbst weiter in die inneren, unendlich mal unendlichen Sphären der Grundwissenschaft eintreten kann?
Peter Nurten untersucht in seinem Aufsatz: "Der Umgang mit Krauses Metaphysik in Deutschland" Mängel der zeitgenössischen Annäherung.
Neue Studien zur Rechtsmetaphysik Krauses finden sich in:
http://www.rewi.hu-berlin.de/FHI/zitat/0206dierksmeier.htm
Claus Dierksmeier: Der absolute Grund des Rechts. http://www.uni-jena.de/philosophie/phil/Personal/dierksmeier.html
Eine kritische Untersuchung des mangelhaften Umganges mit Krauses evolutiv-progressiver Metaphysik findet sich im Aufsatz Peter Nurtens. Er zeigt, dass man in Deutschland weiterhin die grundsätzlichen Zentralwerke Krauses noch nicht adäquat rezipiert.
1. Die Menschheit ist eine Menschheit,
die im unendlichen Grundbau der absoluten, unendlichen Essentialität u in
sich, in den unendlichen Grundwesen des Geistes i und der Natur e die
unendliche innere Synthese a darstellt.
Die Menschheit dieser Erde ist
darin ein endliches Glied. Die Herstellung der gesellschaftlich
allharmonischen Einheit aller Glieder der Menschheit unter sich und in
Vereinigung mit den unendlichen Grundwesen u, i und e kann und soll
ausgebildet werden. Die Grundlage der Harmonien und Balancen liegt in der
existenziellen Verankerung aller Lebewesen in der Unendlichkeit der absoluten
Essentialität u und der relativen Unendlichkeit der Grundwesen i und e und in
den (mathematischen) Stufungen der Unendlichkeiten.
2. Aus dieser Struktur sind grundsätzliche Rechte aller Menschen in religiöser, geistiger und leiblicher Hinsicht anzuerkennen. Das Ur-Ich des Menschen u1 steht über Geist i1 und Leib e1.
Geist und Leib stehen nebeneinander und
sind mit der absoluten Essentialität
über das Ur-Ich verbunden. Es besteht die Möglichkeit der Ausbildung bisher
unentwickelter Harmonien und Balancen zwischen u1, i1 und e1 bei gleichzeitig
hochgradiger Individualität, die erst in den dargestellten Parametern
erreicht werden kann. Alle strukturellen und funktionellen Verhältnisse aller
Menschen zum essentiellen Grundwesen und zueinander (unabhängig von
Geschlecht, Alter, Rasse, Stamm, Volk, Nation usw.) ist reine Nebenordnung.
Daraus ergibt sich eine klare formelle und materielle Rechtsgleichheit,
die alle Privilegierung einzelner Menschen (unabhängig von Geschlecht,
Alter, Rasse, Stamm, Volk, Nation usw.) hinsichtlich aller Ressourcen im
absoluten Grundwesen u, in Geist i und Natur e ausschließt. Es besteht die
Möglichkeit der Ausbildung bisher unentwickelter Harmonien und Balancen
zwischen allen menschlichen Einheiten bei gleichzeitig hochgradiger
Individualität, die umgekehrt erst über die Einführung der erwähnten
Parameter erreichbar ist. Die Grundlage der Harmonien liegt in der
existenziellen Verankerung aller Lebewesen in der Unendlichkeit der absoluten
Essentialität und in den (mathematischen) Stufungen der Unendlichkeiten.
3. Sind in einem einzelnen Sozialsystem (Staat usw.) diese Prinzipien
eingeführt, werden die derzeitigen allgegenwärtigen diskriminatorischen
Spannungen, Konflikte und Strukturen zunehmend eliminiert und durch
Strukturen von Synthese, Ausgleich, Harmonie und Balance bei hochgradiger
Individualität, Pluralität und Polymorphismus ersetzt. Die Utopie eines
solchen Gesellschaftsmodells müsste etwa eine Nebenordnung aller Schichten
beinhalten. Auch die Minoritäten sind bei Aufrechterhaltung maximaler
multikultureller Pluralität undiskriminiert integriert.
4. Die Überleitung aller diskriminatorisch strukturierten menschlichen
Beziehungen in diese Universalität darf ausschließlich nur durch gute und
friedliche Mittel erfolgen. Politische Gewalt, psychischer und physischer
Terror, Umsturz, List, Intrige, politische Instrumentalisierung und
Ideologisierung und alle ähnlichen negativen Mittel sind auszuschließen.
5. Die obigen Grundideen stellen evolutionslogisch bisher in der Wissenschaft nicht entwickelte Grundsätze dar. Es sind Prinzipien der Allharmonie und Synthese. Ihre Verwirklichung ist grundsätzlich möglich. Es gibt aber kein ehernes Gesetz, dass sie tatsächlich einmal verwirklicht werden. Denn dies hängt allein davon ab, ob gesellschaftliche Einheiten, vom Einzelmenschen bis zu Staatenbünden, sich dafür entscheiden, sie zu verwirklichen. Jedenfalls sind sie bekannt und jeder kann sich danach orientieren. Ohne prophetische Gabe, allein aus dem Vergleich zwischen den geschichtlichen Gegebenheiten und den Grundideen, wird aber klar, dass die Nichtbeachtung derselben die Menschheit ständigem Leid, Kampf, radikalen Ideologien, Vernichtungsbedrohung und Krieg aussetzen wird. Das Ausmaß der diskriminatorischen Dimension ebenso wie die globale Sensibilität für das Problem nehmen derzeit im Weltsystem zweifelsohne zu.
Die
Grundsätze 1 bis 4 bilden den ideellen Rahmen und Maßstab für den
Vergleich mit jeglicher geschichtlicher Diskriminatorik. Hierbei ist das auf
der nächsten Seite dargestellte Schema maßgebend:
Wir haben an anderer Stelle Diskriminatorik folgend definiert:
Vorurteilsmäßig artikulierte, abwertende Einstellungen
(Vorurteilstheorie), die durch differenzierte Mittel im Verhalten
(Interaktionstheorie) mobilisiert werden und zu einer
sprachlich-kulturell-wirtschaftlich-politisch asymmetrischen, inadäquaten
Fixierung (Theorie der sozialen Symmetrie und Harmonie) von Einzelpersonen
oder Gruppen führen, welche hierdurch eine Beschädigung ihrer Ich-
Identität erleiden.
Die Diskriminierungstheorie müsste in folgendem Rahmen erstellt werden:
Das erarbeitete Modell einer Gesellschaft, wie es Raul Kilter benützt, liefert jene Faktoren und Interdependenzen zwischen denselben, die eine ausreichend fundierte Analyse der Systemzusammenhänge in einer postindustriellen Gesellschaft ermöglichen.
Die Theorie, eingebettet in das Gesellschaftsmodell, zeigt in ausreichender Differenzierung den Zusammenhang zwischen Makroebenen (z. B. ideologiekritische Ansätze, Legitimationspotentiale in politischen, religiösen, kulturellen, wirtschaftlichen und sprachlichen Untersystemen) und zu den Mikroebenen der sozialpsychologischen Ansätze.
Die
Vorurteilsforschung hat sich zumeist um die Erarbeitung einzelner Funktionen
der Vorurteile bemüht, wobei die Ergebnisse durch den Beobachtungsrahmen
zumeist beengt wurden. Die Funktion der Vorurteile ist für jeden Faktor
gesondert beschreibbar und hierin sehr vielgliedrig. Die Funktionen bei jedem
Faktor der Ich-Identität hängen jedoch mit allen anderen Faktoren
wechselweise zusammen.
Wir müssen daher die
Diskriminierungstheorie in allen
Funktionen in einem Sozialsystem betrachten und zusätzlich die dynamischen
Wechselwirkungen zwischen allen diesen Funktionen beobachten.
Skizzenhaft gewinnen wir aus den einzelnen Faktoren der Ich-Identität, die wir vorne entwickelten, die folgenden 16 Funktionen von Diskriminierung, die über das Gesellschaftsmodell in Figur 1 miteinander zu verknüpfen sind. Für jede dieser Funktionen wollen wir den Übergang in die Ideen der Universalität andeuten. Letztlich voll verständlich können sie nur nach Durcharbeitung des letzten Teils dieser Arbeit sein.
Der Umstand, dass die interpretierten gesellschaftlichen
Bedürfnisse nicht gänzlich in gesellschaftlich lizenzierte – als Rollen
institutionalisierte – Wertorientierung umgewandelt werden können
(Bedürfnisrepression), führt zu Tendenzen der Abgrenzung anderer von den
Bedürfnisbefriedigungsmöglichkeiten (1. Begrenzung des Zugangs zu
sozialen Quellen und sozialer Macht) bzw. zur bestrafenden Abstoßung
derjenigen, welche die infolge der Repression erforderlichen Wertstrukturen
nicht realisieren (2. bestrafende Selbstreinigung und Selbstwerterhöhung).
Verhältnis der Funktion 1 zu den Grundideen
Wenn der individuelle und gesellschaftliche Wille zur Herstellung der
Grundideen gegeben ist, wird der Zugang zu den Ressourcen im absoluten
Grundwesen, in Geist und Natur als den allgemeinen Lebensbedingungen nicht
limitierend einseitig verschoben, sondern durch komplizierte
Abstimmungsprozesse ständig und zunehmend allgemein ausgeglichen und
balanciert. Soziale Macht dient dann nicht mehr primär zur Regulierung des
Ausschlusses bestimmter Gruppen vom Zugang und von der Verfügung über
gesellschaftliche Ressourcen, sondern wird überwiegend zur Maximierung eines
gesellschaftlichen Ausgleichs eingesetzt. Individuelle Strukturen, die über
das Repressionstheorem formuliert sind, werden durch entsprechend geänderte
psychologische und physische Strukturen ersetzt, die über das Ur-Ich ständig
gestärkt und ausgeglichen werden. Individuelle Identität wird mit
kollektiven Identitäten im Sinne der Grundideen abgestimmt.
Bereits die Definition von Rollen durch die Gesellschaft gelingt
leichter, wenn negative Kontrastgruppen geschaffen und erhalten werden
können, die zeigen, wie man es nicht machen soll (3. Verdeutlichung der
Rollendefinition durch Kontrastgruppen). Durch stigmatisierende und
kontrastierende Abstoßung anderer gelingt unter Umständen eine sichere und
deutlichere Selbstdarstellung (4. Identitätsfestigung durch
Kontrasteffekte).
Im
Falle der Herstellung der integrativ-kollektiven Identitätsmilieus im Sinne
der Grundideen (Universalnormen) wird die Rollendefinition in der Gesellschaft
inhaltlich relevant verändert. Gesellschaftlichkeit wird nicht mehr in
diesem Maße über kontrastierende Ausgrenzung anderer stabilisiert, sondern
der soziale Basisbezug auf die Verbindung der Gesellschaftlichkeit zum
unendlichen Grundwesen, zu Geist und Natur sowie die allgemeine Anerkennung
der Basisrechte aller Menschen in diesen Parametern gewährleistet eine
psychische Inklusionspsychologie anderer Gruppen. Die Anerkennung gleicher
Basisrechte, die über die heutigen Menschenrechtskataloge weit hinausreichen,
impliziert aber auch die Anerkennung des Rechtes auf maximale
Individualentwicklung aller anderen. Identitätsfestigung erfolgt eher über
die zunehmende Integration der Lebenssphären anderer und nicht durch deren
Ausschluss und Negation.
Die Art der Integration der Normen bestimmt die Rollendistanz. Die im Rahmen der Internalisierung der Normen erfahrenen Erziehungsprozesse und die im Laufe der Erhaltung eines Normenstandards entstehenden Spannungszustände führen zur Tendenz, andere, die diesen Standard nicht erfüllen, zum Ausgleich oder zur Spannungsentladung mit bestrafender Abstoßung zu belegen (5. Ausgleichs- und Entlastungsprozesse, bedingt durch bestimmte Erziehungsmethoden und Gegensatzspannungen zwischen Überich und Es). Besonders bei externalisierter oder neurotischer Überich-Bildung sind derartige Entlastungsfunktionen der Vorurteile relevant.
Im Modell Freuds erfolgt eine starke Betonung der psychischen Leistungen des Ich zur Bewältigung der körperlichen Triebe, wobei die gesellschaftlichen Erziehungsstandards die Instanz des Überich ausbilden. Kultur, Moral und Religion erscheinen in seinem Modell als Sublimierungen von Triebverzichten, also letztlich inhaltlichen Verschiebungen und Kreationen im Rahmen der Unterdrückungsprozesse physischer Kräfte des Es.
Bei Einführung der Universalideen erweisen sich die Freud'schen Parameter als
zu eng. Durch die Entwicklung des Ur-Ich u1 und die Anerkennung der
gleichberechtigten Nebenstellung von Geist i1 und Leib e1 unter dem Ur-Ich
ergeben sich neue Integrationen, Balancen und Synthesen. Diese definieren die
kulturellen und religiösen Leistungen der Gesellschaft neu und anders (Überich-Funktionen
bei Freud). Sie ergeben eine Nebenordnung von Geist und Leib und damit im
Weiteren der bei Freud als Ich und Es bezeichneten Bereiche. Hieraus ergeben
sich neue Formen der religiösen, körperlichen und geistigen Gesundheit,
Normalität und gesellschaftlicher Ausgeglichenheit.
Wir
zeigten, dass die Familienidentitäten weitgehend von der
Schichtzugehörigkeit der Familie geprägt werden. Die Sozialisation in
Unterschichtfamilien ist durch den Umstand der Unterprivilegierung und durch
diskriminierende Abstoßung seitens höherer Schichten sowie durch
entsprechende materielle Defizite gekennzeichnet. Dies fördert einerseits die
Bildung entsprechend gestörter Identitätsbildungen, begünstigt aber auch
die Tendenz zu abwertender Stabilisierung anderer Familienmitglieder oder
rassistischer Abgrenzung anderer Unterschichten.
Mit Einführung der Universalnormen wird der Diskriminierungseffekt zwischen den Schichten allmählich durch Ausgleich der Ressourcendifferenzen nivelliert. Durch Behebung derartiger Verzerrungsstrukturen wird die Möglichkeit der Neu-Balancierung der internen Familienstrukturen erleichtert, womit wiederum die externen diskriminatorischen Funktionen, z. B. gegenüber anderen Schichten, ihre Bedeutung verlieren können.
Die Emanzipationstheorien, die vorne erwähnt werden, zeigen, dass die gesellschaftlichen Rollen der Frau in bestimmten Bereichen weiterhin durch Diskriminatorik strukturell präformiert sind, die ein harmonisches Verhältnis von Mann und Frau verzerren (7. Stabilisierung inadäquater Rollenbilder der Frau). Die Gesellschaft konstituiert und stabilisiert inadäquate Geschlechterverhältnisse.
Aus
den Universalideen ergibt sich, dass Mann und Frau hinsichtlich des Ur-Ichs
u1, hinsichtlich Geist i1 und Leib e1 völlig gleich strukturiert und mit
gleichen Fähigkeiten ausgestattet, nebeneinander stehen. Innerhalb dieser
strukturellen Gleichheit und Nebenordnung besteht eine Gegenähnlichkeit, also
eine Differenzierung des Gleichen in zwei innere Teile, die von der einen
Grundstruktur nach innen differenziert, völlig gegenähnlich ist. Aus dieser
Gliederung nach innen ergibt sich bei gleicher Grundstruktur das Gesetz der
antithetischen Individualisierung in geistiger und leiblicher Hinsicht, die
zu entsprechenden Individualrechtssphären führt. Aus dieser
Differenzierung im Zusammenhang mit der übergeordneten gleichen
Grundstruktur ergeben sich nun bei gleichzeitiger maximaler
Individualisierung die unendlichen Möglichkeiten der Harmonisierungen
männlicher und weiblicher Tätigkeiten in allen Bereichen. Dies gilt für
alle gesellschaftlichen Einheiten, Funktionen und Strukturen. Die Grundideen
gewährleisten daher einerseits die Beseitigung der Diskriminierung, führen
aber andererseits auch zur Ausbildung integrativer Prozesse der Herstellung
neuer Balancen und Synthesen.
Bereits in Gruppen können verschiedenen Mitgliedern stigmatisierende Rollen zugewiesen werden, die für die Aufrechterhaltung der inneren Balance notwendig sind. Auch kommt bei Ausstoßungsprozessen einzelner Mitglieder zum Zwecke der Spannungsentladung in der Gruppe (Sündenbockstrategie) den Vorurteilen Bedeutung zu.
Gruppensolidaritäten (Gruppenidentitäten) werden häufig nur über deutliche
(vorurteilsmäßige) Abgrenzung gegenüber anderen Gruppen erreicht (8.
Stabilisierung und Formulierung von Gruppenidentitäten durch Abgrenzung
einzelner Mitglieder oder anderer Gruppen).
Die Funktion der Vorurteile in diesem Bereich wird bei weiterer Differenzierung der Bezugsgruppen deutlich:
Gruppenidentität
in der Herkunftsfamilie, bei Schulkollegen, in der Arbeits- und Freizeitwelt,
Familienidentitäten, Identitäten im Alter, Schichtidentitäten, zeitweilige
Massenidentitäten, national-völkische Identität, "rassische"
Identität.
Hinzu kommen Gruppenidentitäten, die auf eine spezifische Ebene der Gesellschaft bezogen sind: kulturelle, religiöse, politische, ökonomische, auf Spezialgebiete der Sprache spezialisierte Gruppen (wissenschaftliche und künstlerische Schulen, Forschungsgruppen usw.).
Es
ist offensichtlich, dass die gleichzeitige Pluralität von Identitäten vor
allem in modernen Gesellschaften der Person hochkomplexe psychische
Integrationsleistungen abverlangt, die auch nicht immer funktionell
ausreichend erbracht werden können. Dies geht schon daraus hervor, dass
gleichzeitig zu realisierende Identitäten inhaltlich nicht ausreichend
kompatibel sind. Die inhaltlichen Kontraste und Widersprüche führen zu
psychischen Störungen.
Werden
nun etwa in einer Familie die obigen Universal-Kategorien in der Erziehung
eingeführt, das Kind aber in Schule und Arbeitsumwelt mit einer
Gesellschaft konfrontiert, wo diese Grundideen nicht gelten, so müsste
dieses Kind miteinander nicht kompatible Identitäten aufbauen, die z. B.
einerseits universalistisch, andererseits aber diskriminatorisch
strukturiert sind. Diese Überlegung zeigt, dass eine Gesellschaft erst dann
von diskriminatorischen Elementen wirklich befreit werden kann, wenn für
alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens im Gesellschaftsmodell die
universalistischen Grundnormen eingeführt worden sind. Kulturelle,
religiöse, politische, ökonomische, sprachliche, kommunikative,
wissenschaftliche und künstlerische Subsysteme, sie alle bedürfen einer
universalistischen Grundabstimmung.
Es
erhebt sich die Frage: Führt nicht eine solche Koordinierung zu einer
Reduktion der derzeitig reich ausgefächerten Pluralität, der Vielfältigkeit
der sozialen Individualitäten? Wäre dies nicht, ähnlich wie in der
ehemaligen Sowjetunion, eine Reduktion des hochkomplexen Systems, die alle
gesell-schaftlichen Bereiche durch eine Grundabstimmung mit dem
Marxismus-Leninismus koordinierte und integrierte?
Zum
einen zeigen die Grundideen, wie auch im letzten Teil dargestellt wird, die
mangelhafte Partialität des Marxismus-Leninismus. Zum anderen erweisen sich
auch die meisten Positionierungen in allen gesellschaftlichen Bereichen der
westlichen Demokratien als partiell und damit teilweise mangelhaft, verzerrt
und inadäquat. Die Systeme sind mit einer Welt vergleichbar, in der die
meisten Menschen eine Mathematik anwenden, die nirgends ganz richtig ist.
Einmal sind die Ergebnisse der Additionen mangelhaft, dann wieder diejenigen
anderer Grundrechnungsarten. Die axiomatischen Systeme lösen einander ab,
bleiben aber irgendwo letztlich nicht fundierbar und stehen in
diskriminatorischer Abgrenzung gegeneinander. Wenn man in solchen Systemen die
"richtige" Mathematik einführt, gibt es anfangs wohl
Umstellungsschwierigkeiten, aber eines tritt mit Sicherheit nicht ein: eine
Verminderung der Möglichkeit zu Vielfalt, Pluralität, zu Polymorphismus und
individueller Differenzierung in allen Bereichen. Ganz im Gegenteil: Durch die
Beziehung der endlichen Mathematik auf ihre unendlichen und absoluten
Grundlagen in der Ur-Essentialität erhalten alle Endlichkeiten der Mathematik
erst ihre reale Fundierung, eine neue Positionierung und die Möglich-keit
neuer Synthesen mit anderen Teilen der Mathematik. Dies gilt in ähnlicher
Weise für alle gesellschaftlichen Bereiche, ihren Bezug auf die Grundideen
und die Pluralisierung von Identität.
Aus den Grundideen ergibt sich, dass vertikale Schichtung letztlich diskriminatorische Elemente enthält. Den Schichtaufbau ohne Diskriminatorik haben wir vorne skizziert, er müsste horizontal sein. Allerdings wäre das Endergebnis nicht eine klassenlose Gesellschaft im Sinne des Marxismus, sondern eine funktionell auch nach Berufen und Tätigkeiten hochdifferenzierte Gesellschaft mit einem integrative, abstimmende und balancierende Leistungen erbringenden Staat (Rechtsordnung) bei optimaler Individualisierung der inneren Einheiten, Faktoren, Strukturen und Funktionen der Gesellschaft (Ebenen, Schichten, usw.). Das Privateigentum ist nicht abgeschafft, aber die Eigentumsrechte aller sind gesamt-gesellschaftlich balanciert bei grundsätzlicher Gleichheit der Verteilung der Ressourcen. Alle gesellschaftlichen Einheiten, Strukturen, Institutionen über der Einzelperson besitzen ihnen zukommende individuelle Eigentumsrechte, die zur Erfüllung ihrer im Gesamten abgestimmten Funktionen und Aufgaben erforderlich sind.
In
der Wechselbeziehung zwischen den Ebenen mit den Schichten wollen wir
exemplarisch einige Bereiche besonders betrachten:
Wir müssen sehen, dass einerseits nicht für alle Schichten einer Gesellschaft religiöse Systeme und vor allem religiös bestimmte Kulturwerte die gleiche Bedeutung besitzen (z. B. katholische Werte in den verschiedenen Schichten in Österreich, Schichtverteilung hinsichtlich des Kirchen-Volksbegehrens und fundamentalistischer Richtungen, Spannung zwischen Reformjuden, konservativen und orthodoxen Richtungen in Israel, laizistische und fundamentalistische Strömungen des Islam in der Türkei).
Vor allem aber sind gesellschaftlich jene Spannungen von Bedeutung, die zwischen den Vertretern unterschiedlicher Religionszugehörigkeit entstehen, wie sich diese auf verschiedene Schichten auswirken und wie sie unter Beachtung der Schichtstreuung politisch aktiviert werden können (religiös-kultureller Antisemitismus in vorherrschend christlich oder muslimisch geprägten Systemen, Konflikt zwischen Katholiken und Protestanten in Nordirland, Konflikte zwischen Hindus und Moslems in Indien usw.).
Beispiel 1: Unser Atlas zeigt, in welchen Zusatzdimensionen religiöse Ansätze in der Ersten Republik eingebettet waren. Ein monarchischer Katholizismus bei bestimmten Rechtsgruppierungen, ein republikanisch-ständetheoretischer, klerikaler Rom-Katholizismus anderer rechter Gruppen, die Los-von-Rom-Bewegungen deutscher Nationalisten und schließlich die Belebung nordischer Religionsvarianten stehen dem Atheismus und Antiklerikalismus der Marxisten gegenüber. Die Verteilung dieser Positionen auf die Schichten der Bevölkerung ist ebenso wichtig wie der Umstand, dass die meisten mit einem Antijudaismus und Antisemitismus gepaart waren. Umgekehrt bemühten sich die politischen Gruppierungen darum, besonders die ökonomisch labilisierten Schichten mittels religiöser Argumente zu manipulieren.
Die gesellschaftlichen Verbindungen zwischen den Ebenen Religion, Kultur, Wirtschaft und Politik in den Schichten des Gesamtsystems können für religiös-kulturell bestimmte und negativ fixierte Minoritäten explosive Ausmaße annehmen. Die Verantwortung der bestimmenden Führungspersönlichkeiten im Bereiche der Religion (z. B. Vatikan oder Bischöfe und Priester), der politischen Führer (Regierung und Parteiführer) sowie der führenden Kräfte in der Wirtschaft ist in diesem Bereich beachtlich. Die Erzeugung, Erhaltung und zeitweise Verstärkung religiös-kultureller Diskriminierung ist als einzelpsychische und kollektive Basis für politisch-wirtschaftliche Instrumentalisierung von Konflikten nach wie vor eines der bedeutendsten Mittel (9a. Erzeugung, Erhaltung und zeitweise Verstärkung religiös-kultureller Diskriminierung).
b)
Minderheiten, die zu
einem anderen Bezugsstaat keine Verbindungen mehr besitzen.
In beiden Fällen ist das Typische der Minderheit der individuelle und kollektive Identitätskonflikt, der in Figur 4 dargestellt wurde, verbunden mit dem Umstand des negativen Ausgrenzungsdruckes der Mehrheitsgesellschaft und deren Negativformulierung. Die Minderheit bildet im Wesentlichen mehrere miteinander in Konflikt befindliche Gruppen mit unterschiedlichen Identitätsstrategien im Grundkonflikt.
Die evolutive Überwindung besteht in der rechtlichen Implementierung der
universellen Grundwerte. Dies führt zu der oben erwähnten Nebenordnung
aller Schichten und damit auch der Subkultur der Minderheit. Bei
Bestehen der universellen gesellschaftlichen Grundrechte ist das Spezifische
des Bezugskonfliktes zwischen den (Sprache-Kultur-Wirtschaft-Politik)-Werten
der grünen Mehrheit und den (Sprache-Kultur-Wirtschaft-Politik)-Werten der
lila Minderheit als eigene soziologische Gegebenheit zu berücksichtigen.
In diesem Konflikt ist der Minderheit und ihren Individuen die
größtmögliche Wahlmöglichkeit und auch individuelle
Variationsmöglichkeit von Identitätsbildungen und -veränderungen
zuzugestehen, ohne dass seitens der Mehrheit oder der Minderheit sozialer
oder politischer Druck auf den Einzelnen ausgeübt wird. Dem Umstand, dass
die Mehrheitsgesellschaft bisher die Minderheit negativ formuliert und
unterdrückt hat, ist in der politischen Behandlung des Problems durch
besondere Förderung der genannten Identitätspaletten aktiv Rechnung zu
tragen.
Dieser
Grundsatz wird, ohne die gesamte Konfliktsituation, die wir für die
Subkultur der Minorität erarbeiteten, zu berücksichtigen und ohne Referenz
auf unseren universellen Grundrechtskatalog etwa bei Bauböck (in Waldrauch
2000) rudimentär behandelt:
Einfache
Integration:
a) Egalisierende Integration: reine Assimilation in Richtung der Mehrheitswerte;
b) transnationale Integration: Berücksichtigung rechtlicher Bindungen an das Herkunftsland.
Komplexe
Integration:
a)Protektive Integration: individueller Schutz vor Diskriminierung;
b)
affirmative Integration: Anerkennung unterschiedlicher kultureller Bindungen
und Bedürfnisse als:
b1) kollektiver Diskriminierungsschutz: affirmative action Programme;
b2) Etablierung kultureller
Minderheitenrechte.
Wir definierten oben Rasse folgendermaßen:
Rassismus umfasst Ideologien und Praxisformen auf der Basis der Konstruktion von Menschengruppen als Abstammungs- oder Herkunftsgemeinschaften, denen kollektive Merkmale zugeschrieben werden, die implizit oder explizit bewertet und als nicht oder nur schwer veränderbar interpretiert werden.
Die universalistischen Grundideen ergeben, dass alle Menschen primär über ihre Position in der absoluten Essenz u, Geist i, Natur e und im Weiteren in der unendlichen Menschheit bestimmt sind. Daraus ergeben sich Rechte und Bewertungen jenseits aller Rassen, soweit man den Begriff überhaupt benutzen will. Die Einheit der Menschheit und die Vollziehung ihrer Allsynthese im Sinne der obigen Universalien führt auch, wenn man sich des Begriffes bedienen will, zu einer Rassensynthese. Aus dem Verhältnis der Universalien zu den gesellschaftlichen Positionen rassistisch formulierter Diskriminatorik ergibt sich auch der Weg, Diskriminierung allmählich zu überwinden.
Peter Lang Verlag, http://www.peterlang.net/all/index.cfm in der Reihe des Ludwig Boltzmann Institutes für Anthropologische Studien in Wien:
S. Pflegerl: Die Aufklärung der Aufklärer. Universalistische Ideologie- und Rassismuskritik. ISBN 3-631-36946-8.
S. Pflegerl: Ist Antisemitismus heilbar? Zur Bearbeitung einer fatalen Tradition. ISBN 3-631-37202-7.
S. Pflegerl: K. C. F. Krauses Urbild der Menschheit. Richtmaß einer universalistischen Globalisierung. Kommentierter Originaltext und aktuelle Weltsystemanalyse. ISBN 3-631-50694-5.
[1] In diesem Zusammenhang sei auf folgende Richtlinien der EU hingewiesen: a) Richtlinie des Rates zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf KOM(1999) 565 und b) Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft. Dies sind im Sinne der Grundideen wohl erst rudimentäre Ansätze, die überdies nur für die Unionsbürger, nicht auch für die Drittstaatsangehörigen innerhalb der EU, Geltung besitzen sollen.