"Sieht Ihr Film rot auf rot?" oder: Der Riese Polyphem in der Bewusstseinstheorie

  Fortsetzung des Vergleiches zwischen MI und KI

  Karl Weissenstein

 "Sieht Ihr Film rot auf rot"

                                     Text eines Plakates der Firma Kodak

"Niemand ist mein Name; denn Niemand nennen mich alle."

"Niemand würgt mich, ihr Freund', arglistig und keiner gewaltsam."

                                     Homer Odyssee

 

Ist das menschliche Bewusstsein ein Computer?

Der Begriff "Bewusstsein" und "Selbstbewusstsein" war in der klassischen neuzeitlichen Philosophie ein Schlüsselbegriff, hat dann lange Zeit sein Ansehen völlig verloren und in den letzten Jahren eine Renaissance erlebt (Krämer).

Überblickt man die verschiedenen Ansätze und versucht man ihre Grundthesen möglichst einfach darzustellen, so ergeben sich folgende Strömungen, welche Krämer durch vier Fragen zu umreißen versucht.

1. Frage

Ist das Bewusstsein einfach die Sprache, die wir benutzen, wird es also durch die Darstellung (Repräsentation) in Sprache oder anderen Symbolen charakterisiert (repräsentationaler Bewusstseinbegriff) oder gibt es im Bewusstsein Bereiche, die schon vor der Sprache oder jenseits der Sprache und anderen Symbolsystemen auf jeden Fall in Form einer außersymbolischen Erlebnisdimension anzunehmen sind (phänomenaler Bewusstseinsbegriff)? Wenn beide Bereiche anzunehmen sind, entsteht natürlich die zusätzliche Frage, wie sie miteinander zusammenhängen.

2. Frage

Kann man alle Phänomene, alle Beobachtungen, die wir über unser eigenes Bewusstsein anstellen, auf physische, körperliche Bereiche zurückführen? Können wir also unser Denken, Empfinden, Wollen, unsere Phantasietätigkeit usw. als neurokybernetische Erscheinungen formulieren, die daher letztlich der Wissenschaft der Biologie zuzuordnen sind? Ist unser Bewusstsein also neurophysiologisch formulierbar und hat es in einer solchen Beschreibung und einem solchen Erkenntnisrahmen seine Grenze? Kann man also das mentalistische Vokabular der bisherigen Bewusstseinsphilosophie durch ein neurowissenschaftliches 1:1 ersetzen? Man nennt dies die Frage nach der Naturalisierbarkeit des Bewusstseins.

Diese Fragestellung ist deshalb besonders reizvoll, weil es bekanntlich maßgebliche Versuche gibt, die neurokybernetisch erfassten Nervenprozesse und Gehirnfunktionen durch digitale Simulation gleichwertig nachzubilden. Sollte dies gelingen, wäre das menschliche Bewusstsein, grob gesprochen, nichts anderes als ein Computer?

3. Frage

Ist das Bewusstsein ein Faktum oder eine Fiktion? Einige Autoren gehen vom unzweifelbaren Gegegebensein von Bewusstseinsphänomenen aus, andere wiederum meinen, was wir als Bewusstsein erleben, sei eigentlich Fiktion und Illusion. Erzeugen wir nur selbst unser Bewusstsein und merken gar nicht, dass es eine Fiktion ist? Bilden wir uns selbst nur ein?

4. Frage

In welchem Verhältnis stehen Bewusstsein und Sprache zueinander? Kann uns die Untersuchung sprachlicher Phänomene restlos über die Phänomene des Bewusstseins aufklären oder müssen wir auf jeden Fall schon ein Bewusstsein haben, um Sprache anderer Menschen zu erkennen, zu lernen und weiterzubilden? Geht also, um es präziser auszudrücken, der wesentliche Aspekt des Bewusstseins aller symbolischen Objektivierung in Gestalt von Zeichenprozessen voraus?

Wir möchten hier gleich festhalten, dass damit zwar in der gegenwärtigen etablierten westlichen Philosophie die Bewusstseinfragen erschöpft zu sein scheinen, dass aber eine Vielzahl zusätzlicher Fragen in der Bewusstseinsphilosophie weiter bestehen oder noch gar nicht gestellt sind, auf die wir im Folgenden auch zurückkommen werden.

Naturalisierung und Digitalisierung des Bewusstseins

In mehreren Aufsätzen wurden diese Problembereiche grundsätzlich abgehandelt. Vor allem der Artikel: "Menschliches und digitalisiertes Bewusstsein" von Peter Paul Sarnig in Verbindung mit "Deduktive Kunst – Digitalisierung" von Ernst Riemschneider behandelt alle hier aufgeworfenen Fragen in ausführlicher und, wie wir meinen, in mancher Hinsicht sorgfältigerer Weise, als dies in der Regel in den bei Krämer gesammelten Beiträgen erfolgt. Diese Artikel sind gleichsam der Basiskurs. Es ist unerlässlich, diesen Kurs durchzudenken, um in die folgenden Überlegungen einsteigen zu können. Wir werden hier zwar ständig auf die dortige Systematik zurückgreifen, können aber aus Platzgründen nicht ausführlich darauf eingehen.

Struktur der menschlichen Erkenntnisoperationen

Wir übernehmen aus AUF 1.2.

 

Wir benutzen die Figur 1. Ein Mensch erkennt die Welt außer sich, Natur G (Landschaft, Bäume usw.) und die Gesellschaft G(1) um sich, also z. B. seine Familie, die deutsche Sprache, die Zeilen, die er hier liest. Eine Außenwelt, Natur G und eine Gesellschaft G(1), erkennen wir nicht unmittelbar. Zugänglich sind uns von ihr nur Zustände unserer Sinnesorgane des Körpers E (blau), die wir hereinnehmen in die Phantasie D (grün). Wir benützen die nachbildende äußere Phantasie D(1) und die schöpferische, innere Phantasie D(2) und Begriffe C (gelb), die wir teilweise bereits bei der Geburt in unserem "Bewusstsein" besitzen und die wir als C(1) bezeichnen, teils aus dem Gesellschaftssystem G(1) über­nehmen, in welches wir hineingeboren werden und die wir als C(2) bezeichnen. Hieraus bilden, konstruieren und konstituieren wir eine in der Person, im Subjekt, in uns bestehende (subjektimmanente) Erkenntnis der "Außenwelt". Für jeden Ungewohnten erscheint es ein wenig kühn, wenn er hört: "Ich weiß gar nicht, wie die 'Außenwelt' aussieht, denn das, was ich von ihr weiß, ist nichts als ein Bild, ein Konstrukt, das ich mir davon mache. Ich sehe nur, was in meinen Augenner­ven ist, aber nicht die Abendsonne, die ein Blatt durchleuchtet."

Nur das Angewirktsein der Sinne durch die "Außenwelt" kommt von außen, alle übrigen Tätigkeiten sind aktive, erzeugende Handlungen im Bewusstsein des Menschen. Die genaue Unterscheidung von D(1) und D(2) ist dabei ebenso wichtig wie die Unterscheidung der Begriffe, die schon bei Geburt gegeben sind, von jenen, die über die Gesell­schaft und deren Sprache im Rahmen der Sozialisa­tion erworben werden. Da je­der in einer sozialen Umwelt geboren wird, die durch die Fak­toren der Gesell­schaft (wie z. B. Sprache, Kultur, Wirtschaft, Politik, Schichtung) bestimmt ist, tritt eine Wirkung aller dieser Faktoren auf E, D und C ein, die zu einer Kanalisierung und Regulierung, entsprechend den Färbungen der Gesellschaft, führt.

  Dieses Grundschema wird dann im Einzelnen präzise ausgeführt. Wir erwähnen hier nur die Überschriften:

1.2.1 Erkenntnis der Außenwelt

1.2.1.1 Äußerlich sinnliche Erkenntnis mittels E, D(1), D(2), C, B, A

1.2.1.2 Integrative Koordinierung der Zustände, "Daten" aller Sinne

1.2.2 Phantasiewelten D

1.2.2.1 Äußere Phantasie D(1)

1.2.2.2 Innere Phantasie D(2) (hier besonders auch Phantasiewelten der Kunst)

1.2.3 Begriffswelten C (Logik, Mathematik, Theorien)

1.2.3.1 Systematische Analyse der Erkenntnisbegriffe und deren Anwendungsadäquanz (Vernunftkritik)

1.2.3.1.1. Das Universum der geraden Linie oder die Probleme der Unendlichkeit

1.2.3.2. Grenzziehungsverfahren – Erkenntnisschulen – Grenzen der MI

MI(1) Naiver Empirismus

MI(2) Kritischer Realismus

MI(3) Transzendentaler Idealismus

MI(4) Transsubjektive, transpersonale Systeme

MI(5) Grundwissenschaft

1.2.3.4 Theorien über die Wahrheit

Im zweiten Teil wird geprüft, was KI leisten müsste, um diesen menschlichen Standards Gleichwertiges zu erbringen.

Um den Anschluss an die zeitgenössische Bewusstseinsdiskussion und die Frage zu finden, ob es möglich ist, das menschliche Bewusstsein neurobiologisch und damit auch digital 1:1 ohne problematischen Rest abzubilden, gehen wir von einem Aufsatz Metzingers (1996 bei Krämer) aus: "Niemand sein. Kann man eine naturalistische Perspektive auf die Subjektivität des Mentalen einnehmen?"

Aus den obigen Ausführungen wissen wir, was gemeint sein soll. Ist es möglich, alle Phänomene des Bewusstseins in einer biologischen Sprache vollständig darzustellen? Ist das Bewusstsein nicht mehr als eine Summe von Reaktionsabläufen unseres Körper? Metzinger versucht also die bisherige Wissenschaft vom Bewusstsein oder vom Erkennen (Kognitionswissenschaft) mit der Neurowissenschaft zu verbinden. Er erkennt hierbei schon genau, dass der Vergleich von zwei Wissenschaften auf einer neuen Ebene erfolgen muss, einer Metaebene, die eigentlich weder der Kognitionswissenschaft noch der Neurowissenschaft angehören dürfte. Diese Problematik berücksichtigt er aber im Weiteren überhaupt nicht!

Im Bereiche des Geistes entwickelten sich in den letzten 50 Jahren nach seinen Ausführungen, insbesondere infolge der rapiden Entwicklung der vielen neuen empirischen Wissenschaften, welche die Entstehungsbedingungen mentaler und phänomenaler Zustände erforschen, unterschiedlichste Richtungen, über die man nunmehr vermittelnd diskutieren müsste. Es liegt eine deutliche Entwicklung in Richtung einer Naturalisierung des Mentalen vor." In immer stärkerer Weise werden klassische Fragen über den Geist als empirische Fragen über das Bewusstsein behandelt."

Wenn wir aber annehmen, dass der Geist nichts anderes ist als empirisch erfassbare Erscheinungen und Vorgänge des Körperlichen, wenn man also annimmt, dass mentale Zustände nichts anderes als natürliche Phänomene mit einer ganz und gar natürlichen Genese sind, könnte man dann auch folgern, dass die Forschung über den Geist ebenfalls reine Naturwissenschaft sei? Der Geist gehörte dann auch zur Welt, die dann aber auf die Materie, also die Natur, zu beschränken ist. Alles, was wir erforschen, ist dann die eine Welt (Variante des Monismus) und diese ist nicht mehr als Natur oder Materie.

Metzinger sagt aber gleich, dass sich jemand, der eine solche These vertritt, eine Reihe schwerwiegender Probleme einhandelt. Diese entwickelt er folgendermaßen:

Er stellt sehr treffend fest, dass der Naturalist, der die obige These vertritt, versuchen muss, alle Probleme der klassischen philosophischen Geisttheorien und der Alltagspsychologie so zu analysieren, dass es ihm gelingt, sie begrifflich mit den höchsten Beschreibungsebenen der jeweils relevanten Einzeldisziplinen seiner Naturwissenschaften zu verknüpfen. Er muss also die Tradition der Bewusstseinsphilosophie in Begriffe seiner Naturwissenschaft umformulieren, ohne deren ursprünglichen Gehalt zu verlieren.

Hier tritt bereits ein schwerwiegendes Problem auf: Wir müssen uns nämlich auch auf der Ebene der Philosophie zuerst über das erkenntnistheoretische Ziel unserer Bemühungen im Klaren sein, also darüber, was wir eigentlich wissen wollen, wenn wir Überlegungen zu einer generellen Theorie des Geistes anstellen wollen.

Hier möchten wir gleich unter Hinweis auf den AUF folgendes erweiternd festhalten: Es ist sehr treffend, festzustellen, dass wir wissen müssen, was wir wissen wollen, gerade bezüglich dieser Frage aber behandelt Metzinger in seinen weiteren Ausführungen überhaupt nicht erschöpfend diejenigen Theorietypen, die es bereits über den menschlichen Geist und seine Erkenntnismöglichkeiten gibt. Gerade in der Frage der Grenzziehungsverfahren liegen die entscheidenden Probleme und Unterschiede der Geisttheorien.

In AUF 1.2.3.2 sind diese verschiedenen Theorietypen zusammengefasst. Sie unterscheiden sich grundsätzlich in den Grenzziehungsverfahren bei der Frage, was der menschliche Geist wissen kann.

Es sind dies: MI(1) Naiver Empirismus, MI(2) Kritischer Realismus, MI(3) Transzendentaler Idealismus, MI(4) Transsubjektive Systeme und MI(5) Grundwissenschaft.

Wie wir sehen werden, benutzt Metzinger für die Naturwissenschaft, die Neurobiologie usw., also für die wissenschaftlichen Grundlagen des Naturalisten, der versuchen will, die Theorien des Geistes in seine naturwissenschaftliche Begriffsvokabulare 1:1 umzusetzen, selbst einen naiven Empirismus MI(1). Er bedenkt nämlich nicht, dass alle Aussagen der Naturwissenschaft überhaupt keine unmittelbare Gültigkeit haben, da sie selbst bereits im Sinne des kritischen Realismus MI(2) schon durch die vom Menschen nach Ansicht des Naturalisten willkürlich biologistisch geschaffenen Begriffen präformiert sind und im Übrigen noch nie jemand ein menschliches Gehirn und seine Funktionsweise "gesehen" hat, sondern auch nach den Ansichten des kritischen Realismus MI(2) der Wissenschaftler sich aus Sinnesdaten, Phantasie und Begriffen eine Erkenntnis konstruiert, wir es also in der Naturwissenschaft immer schon mit hochproblematischen subjektiven Konstrukten zu tun haben, die sich mit der Änderung der Begriffe schlagartig ändern müssen (vgl. die Gehirntheorie der alten Griechen und der Moderne).

 

Metzinger geht daher schon in der Frage, was wir in der Erkenntnistheorie wissen wollen, von sehr engen und keineswegs allen Theorien des Bewusstseins aus.

Das "reine" Ich

Er weist im folgenden auf ein zusätzliches Problem hin. Wenn der Naturalist alle Phänomene des Bewusstseins in seine naturwissenschaftlichen Begriffssprache umschreiben will, wie soll er dies mit der Einheit des Selbstbewusstseins fertig bringen? Was versteht Metzinger unter Einheit des Selbstbewusstseins?

Die vor allem Denken und Fühlen dem subjektiven Erleben nach immer schon gegebene Einheit des Ich.

Jeder hat offensichtlich diesen persönlichen Eindruck eines Ich, das unabhängig von seinem Denken, Fühlen und Wollen eine Einheit seines Ich darstellt.

Manche Theoretiker versuchen diesem Problem zu entgehen, indem sie dieses Erlebnis einer Innenperspektive und einem subjektiven Raum zuordnen, der sich nicht in Begriffen der öffentlichen, objektivierenden Außenperspektive der Naturwissenschaften darstellen ließe.

Hier gleich wieder der Mangel der gesamten Erörterung: Die Naturwissenschaft ist überhaupt nie objektivierend oder objektivierbar, auch nicht objektiv, weil sie immer Erkenntnisse bildet, die aus Sinnesdaten, Phantasie und subjektiv geschaffenen Theorieannahmen zusammengesetzt sind, daher subjektive, also dem Bewusstsein zugehörige Konstrukte zum Gegenstand hat! Es wird also nicht beachtet, dass die sogenannte objektivierende Naturwissenschaft bereits konstitutiv um die subjektive Innenperspektive des Bewusstseins nicht herumkommt, durch diese unentrinnbar vorgeformt wird!

Bewusstsein als informationsverarbeitendes System  

"Nicht nur in den Neuro- und Kognitionswissenschaften, sondern auch in der Philosophie des Geistes glauben viele Theoretiker, dass wir die innere Struktur unseres Bewusstseins besser verstehen werden, wenn wir uns selbst als informationsverarbeitende Systeme betrachten, die allein aufgrund physischer Operationen eine interne Darstellung der Welt in sich erzeugen."

Hören wir zuerst, was Metzinger hierbei für Schwierigkeiten sieht, bevor wir unsere eigenen Einwände auflisten. Die KI und die Neuroinformatik, die theoretische Hirnforschung und die Kognitionspsychologie operieren überwiegend begrifflich auf der Beschreibungsebene der Informationsverarbeitung. Man müsse daher auch für die Philosophie des Geistes eine Reprensentational Theory of Mind, eine "phänomenale Informatik", finden, man müsste also versuchen, phänomenales Bewusstsein (also die Entstehung des bewussten Modells der Wirklichkeit) als komplexen Informationsverarbeitungsvorgang im Hirn zu analysieren.

Es entstehen jedoch folgende Probleme: Könnte man Selbstbewusstsein prinzipiell als eine "aktive Repräsentation" in unserem zentralen Nervensystem betrachten? Könnte man also sagen, was wir als "Ich" erfahren, die Einheit unseres Selbstbewusstsein ist nichts anderes als ein Konstrukt, das unser Hirn erzeugt hat und wir leben in der Illusion, dass wir ein "Ich" sind?

Würde man wirklich die Theorie des Geistes einem solchen Informationsverarbeitungsvokabular öffnen, hätte man es plötzlich etwa mit folgenden Begriffen zu tun: Aktivierungsvektoren, innere Energielandschaften, hochdimensionale Vektor-, Gewichtungs- und Eigenschaftsräume, repräsentationale Trajektorien durch diese Räume usw.

Wir wissen aber nach Metzinger noch nicht, ob uns eine solche 1:1 Abbildung aller Bewusstseinsphänomene in einer neurowissenschaftlichen Sprache gelingen könnte. "Was wäre überhaupt ein Kriterium dafür, dass einer solchen Projektion der Topologie des subjektiven Erlebnisraumes auf die Topologie des Gehirns eine Strukturäquivalenz zu Grunde liegt, dass sie überhaupt eine Abbildung ist?

Hier wollen wir wieder einhaken. Noch sieht Metzinger hier nicht die gesamte Problematik. Er beachtet wiederum nicht, dass die begriffliche Topologie des Gehirns, die in der Naturwissenschaft erstellt wurde, überhaupt nichts darüber aussagt, ob sie eine objektive Abbildung des Gehirns sei. Das kann sie nämlich nicht sein, weil auch die Begriffe über die Topologie des Gehirns und seiner Erforschung in der reinen Naturwissenschaft gleichfalls und besonders nach Metzingers Thesen nichts anderes wären als biologisch zu erklärende leibgebundene Phänomene, die aber für ein subjektives, natürlich nach seiner Ansicht rein leibliches Konstrukt eingesetzt werden, das wir dann natürlich auch nicht eine objektive naturwissenschaftliche Erkenntnis vom Gehirn nennen dürfen, sondern auch nur eine teleofunktionalistisch erzeugte subjektive Illusion! Die Position Metzingers hinsichtlich der Objektivität der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse ist eindeutig ein naiver Realismus, eine Haltung, die er umgekehrt im Weiteren der bisherigen Bewusstseinsphilosophie vorwirft.

Wir haben in AUF 1.2.3.1 (Systematische Analyse der Erkenntnisbegriffe) sehr wohl festgehalten, dass auch die Frage, ob dasjenige, was wir über uns selbst oder über dasjenige, was wir "Außenwelt" nennen, erkennen, eine Illusion ist oder nicht, überhaupt nur dann zufriedenstellend gelöst werden kann, wenn es für den Menschen die Möglichkeit gibt, zu erkennen, ob es ein absolutes Grundwesen gibt, an und in unter dem dann alles zu erkennen wäre, das Ich, alle anderen Ich und die Welt.

Wir würden dann also, um zu Metzingers Fehlannahme zurückzukehren, verschärft ausgedrückt, die bisherigen Illusionen der Philosophie des Geistes und Bewusstseins über sich selbst mit den Illusionen zu vergleichen haben, die wir aus der Gehirnforschung gewinnen. Erst das wäre die präzise Situation des Vergleiches!

Dabei ist übrigens das weitere Problem noch gar nicht angesprochen, dass die Sätze, die Gedanken, mit denen die beiden Bildwelten miteinander verglichen werden, ja weder der einen noch der anderen Illusion angehören dürfen und daher irgendwo wiederum Instanzen im Gehirn oder im Bewusstsein angenommen werden müssen, die sich jenseits der beiden Bildwelten befinden und eine neue, übergeordnete Illusion erzeugen!? Auch hier entgehen wir nicht Problemen eines infiniten Regresses, der Gefahr, dass wir unendlich weiterfragen können.

Selbst wenn wir also annehmen, dass die geschilderte 1:1-Abbildung gelänge, müssten wir uns fragen, wie bringt es das Bewusstsein zu Stande, sich sozusagen als ein Selbständiges darzustellen, als ein vom Leib Gesondertes zu repräsentieren und herauszuarbeiten. Hierzu meint Metzinger: "Wir müssen verstehen, in welchem Sinne auch subjektive Zustände Instrumente sind, "abstrakte" (weil über ihren Gehalt individuierte) Organe, mit denen ein verkörpertes Ich in der Welt Ziele zu realisieren versucht.

Mit diesen Vorstellungen der Repräsentation lösen wir aber nach Metzinger nicht eine entscheidende Frage: "Selbst wenn wir über eine mathematisch genaue Beschreibung der Isomorphismen, der Ähnlichkeitsbeziehungen zwischen den repräsentationalen Zuständen eines informationsverarbeitenden Systems (z.B. des menschlichen Gehirns) und den durch sie dargestellten Gegenstände verfügen würden, hätten wir noch nicht verstanden, warum diese Zustände ihre Gegenstände eben als diese Gegenstände abbilden bzw. konstituieren."

Hier müssen wir wiederum kritisch eingreifen. Wie oben schon gesagt: Wir können nicht Gegenstände der Außenwelt mit Gegenständen, die wir im Hirn erzeugen, vergleichen, weil auch das, was wir als Gegenstände der Außenwelt erfassen, schon Konstrukte zumindest unseres Hirns sind, wir können daher den von Metzinger geforderten Vergleich niemals sinnvoll anstellen. Wir vergleichen, um in unserer Terminologie zu bleiben

* Konstrukt – Gegenstand, gebildet aus E, D(1), D(2) und C

in der Naturwissenschaft (z.B. Biologie) im Bewusstsein

mit

* Konstrukt – Gegenstand, gebildet aus E, D(1), D(2) und C im Bewusstsein.

 

Das gleiche gilt natürlich auch, wenn wir annehmen, dass wir die neurobiologischen Funktionsstrukturen des Gehirns mit den "subjektiven Zuständen" des Bewusstseins, die Metzinger als abgespaltene "Organe" der Hirntätigkeit betrachtet, also die subjektive Einheit des Ich, miteinander  (wohl in einer Illusion?) vergleichen.

Den Untersuchungen Metzingers fehlt übrigens überhaupt eine sorgfältige Analyse der Phantasietätigkeit (vgl. AUF 1.2.2). Wir haben alle eine reiche Welt an Phantasiebildern, die Künstler schaffen neue Phantasiewelten, die mehr oder weniger mit Bildern aus der Außenwelt verbunden sind oder von diesen abgeleitet werden können, aber alle diese Phantasiewelten haben eine optische räumliche Qualität und Variabilität, die mit der Speicherung von Files auf einer Festplatte und Aufrufung auf einem Monitor oder mit der Qualität von Filmen oder Hologrammen nur sehr wenig zu tun haben. Genaugenommen müssten an dieser Stelle bei Metzinger ausführliche Untersuchungen über die Repräsentation der "Außenwelt" in der Phantasie und die im Bewusstsein vorhandenen Reiche der von der Außenwelt unabhängigen Phantasiewelten folgen.

Forderung: Bei der begrifflichen Überführung der Phantasiephänomene im Bewusstsein in die Sprache eines Informationsverarbeitungssystems im Sinne der Neurobiologie oder digitaler Sprachsymbolik müssten folgende Elemente sorgfältig beachtet werden:

Tätigkeit der Phantasie D(1) und D(2) bei der äußerlich-sinnlichen Erkenntnis (AUF 1.2.1 und 2.2);

Tätigkeit der Phantasie D(1) und D(2) bei der Schaffung innerer Bildwelten (z.B. Vorstellungen von einer Traumreise in die Karibik oder Phantasie über berufliche Erfolge, vgl. AUF 1.2.2. und 2.2);

Tätigkeit der Phantasie bei Künstlern aller Kunstrichtungen, (Architekten, Maler, Komponisten, Designer, usw., vgl. AUF 1.2.2 und 2.3);

Tätigkeit der Phantasie bei begrifflichen Operationen aller Art, auch beim Denken über das Denken, Reflexionsniveaus (Theorien über die Vernunft, auch die Theorien Metzingers über das Bewusstsein und seine Vergleiche; vgl. Apel).

 

 

Nur sehr in Ansätzen erkennt Metzinger die schwierige Problemstellung in folgendem Satz:

"Wir müssen nämlich nicht nur erklären, wie das Gehirn die Welt und seine eigene Aktivität (als Selbst K. W.) abbildet und diese Handlungen dann im Handeln aktiv einsetzt, sondern auch wie es durch die interne Selbstorganisation kognitiver Strukturen, also "von unten", ohne transzendentalen Homunkulus, eine phänomenale Welt und ein phänomenales Selbst konstruiert.

Nochmals: Das Hirn bildet nicht die Welt ab, sondern konstruiert, "schafft" immer schon eine Welt, die man dann die Welt der Naturwissenschaften nennt. Auch die Welt der Naturwissenschaft ist also bereits eine phänomenale Welt!

Wir müssen daher bedenken, dass bereits bei der Konstruktion dessen, was wir "Außenwelt" nennen, die Phantasie eine derartig vielschichtige Aktivität entwickelt,  die sich offensichtlich nicht in einer digitalisierbaren Sprache 1:1 wiedergeben lässt, dass hier das Unterfangen der lückenlosen Umsetzung der Bewusstseinsphilosophie in Neurobiologie scheitern muss. Dabei haben wir noch gar nicht die Phänomene angesetzt, die sich beim kreativen Einsatz der Phantasie in der Kunst ergeben. Es müsste nämlich die aktive, kreative Tätigkeit der Phantasie D(1) und D(2), natürlich in Verbindung mit Begriffen C bei der Erfindung einer neuen Maschine, bei der Konstruktion des Planes für den Umbau des Messepalastes, bei der Kreation des Filmes ET oder dem Bild: "The Rake's Progress" von Jörg Immendorf in die mathematisch-symbolische Sprache der Neurokybernetik 1:1 umgesetzt werden!

Ist das Bewusstsein eine selbsterzeugte Illusion des Bewusstseins?

Wie die Zeilen Metzingers selbst zeigen, kann aber das menschliche Bewusstsein ständig auch über seine eigene Tätigkeit nachdenken, und wieder über das Nachdenken über das Nachdenken.

Metzinger geht im letzten Schritt der Frage der Einheit des Selbstbewusstseins näher nach, die wir schon vorne streiften. Er schreibt:

"Die unseren Erlebnisraum durchziehende Hintergrundqualität der 'Bewusstheit' zeichnet sich nämlich durch eine eigentümliche Homogenität aus, die sprachlich nur schwer adäquat wiedergegeben werden kann. Phänomenales Bewusstsein ist durch eine Art 'Feldqualität' charakterisiert, eine bruchlose und nicht fragmentierte Verbundenheit seiner Inhalte, die ein subjektives Kontinuum entstehen lässt. Zusätzlich zu dieser Feldqualität gibt es noch das Problem der Einheit des Bewusstseins. Und gleichzeitig mit der erlebnismäßig unhintergehbaren Einheit des internen Darstellungsraumes entsteht ein holistischer Charakter, eine aus der Perspektive der ersten Person unbezweifelbare Qualität der Ganzheit – von der zunächst unklar ist, wie sie sich begrifflich auf Elemente repräsentationalistischer oder neuroinformatischer Beschreibungsebenen und deren Beziehungen untereinander reduzieren lassen könnte."

Lässt sich diese von jedem mit Gewissheit erfahrenen Selbsterfassung mechanistisch 1:1 abbilden?

Metzinger sieht auch sehr klar, dass wir ein höherstufiges Wissen über unser Wissen, Fühlen und Wollen haben. Denn, um dies etwas vereinfacht auszudrücken: das Bewusstsein hat offensichtlich eine übergeordnete Ebene oder Instanz, unter der es alle anderen Teilvorgänge usw. erfasst, lenkt, koordiniert. Es hat also offensichtlich einen hierarchischen Aufbau, der sich aber in einem neurobiologischen Modell der parallel distribuierten Informationsverarbeitung nicht abbilden lässt. Wie sollte das höherstufige Wissen, das ein System über seine eigenen Zustände hat, in den Modellen der weniger dimensionalen Informationsverarbeitungsnetze 1:1 abgebildet werden? "Denn", so Metzinger, "allem Anschein nach beruhen die inneren Vorgänge, die einen Teil anderer innerer Vorgänge zu bewussten inneren Vorgängen machen, auf nichtsprachlichen Formen der Darstellung. Und zweitens muss deutlich gemacht werden, wie die psychologische Eigenschaft der 'Bewusstheit' als supervenient auf oder sogar als identisch mit einer distribuierten Netzwerkeigenschaft des betreffenden Systems analysiert werden kann."

Nochmals und verschärft stellt er die Frage: "Was hat es zu bedeuten, dass unser Erlebnisraum um einen Brennpunkt herum aufgebaut ist, um ein phänomenales Zentrum?" Was ist die "Meinigkeit"? Als Antinaturalist könnte man sich nach Metzinger auf den Standpunkt stellen, diese "präreflexive Selbstvertrautheit des Ich" sei ein Evidenzerlebnis, das nicht aus biologistischen Wurzeln her interpretierbar wäre. (Dann könnte man auch u. U. folgern, der Geist sei etwas anderes als der Körper, in dem er lebt und mit dem er verbunden ist.) Dann hätte man aber nach Metzinger das Problem, dass diese Selbstgewissheit etwa bei Geisteskrankheiten, die natürlich neurobiologisch völlig erklärbar wären (??), verloren geht.

An dieser Stelle müssen wir wiederum Folgendes einwenden: Die Theorien über den schizophrenen Schub oder andere geistige Abnormitäten und Krankheiten sind, wie wir vorne bereits erwähnten, als Theorien der Naturwissenschaft selbst vorläufig nur eine illusionistische, durch subjektive Bewusstseinskonstrukte und deren Begriffe konstituierte Fiktion, der innerbewusste subjektive Elemente unentrinnbar anhaften! Die Annahmen der Neuropsychologie, die natürlich im Laufe der Geschichte eine Vielzahl von Thesen über die Geisteskrankheiten aufstellte, werden daher bei Metzinger im Sinne eines naiven Realismus für objektivierende Erkenntnisse der empirischen Wissenschaft gehalten. Wie weit sind sie nicht Erfindungen eines selbst noch nicht erwachten Geistes?

Durch die Argumente Metzingers kann daher letztlich die These vom Gegebensein eines vom Körper unabhängigen, aber mit ihm vereint lebenden Geistes gar nicht entkräftet werden!

 

Wir erwähnen dies deshalb, weil der Genannte, wie wir im weiteren sehen werden, einen äußerst gewagten Schritt unternimmt, um die Einheit des Selbstbewusstseins doch in die Korsette des Informationsverarbeitungsschemas zu bringen.

Wie kann man den Umstand des "Sich-selbst-meinen-Könnens" unseres Bewusstsein 1:1 naturalistisch, biologistisch erklären?

 

Metzingers Antwort ist verblüffend einfach, erbringt jedoch für seine eigenen Ausführungen schwerwiegende Probleme:

Er sagt, um es zuerst einmal einfach zusammenzufassen:

Wir konstruieren uns als Informationsverarbeitungssystem eine "Außenwelt". (Auf die von ihm so stark betonten empirischen Wissenschaften will er jedoch diese Erkenntnis, wie wir sahen, nicht in voller Tragweite umsetzen.) Wir erzeugen aber darüber hinaus auch dasjenige, was wir Einheit des Selbstbewusstseins nennen, wiederum als eine zweite Welt in uns selbst, von uns selbst, über uns selbst. Das Selbstbewusstsein ist daher auch eine naiv realistische Illusion, die wir uns  über uns selbst machen.

Metzinger: "Dadurch dass das System ('bevor es zu Bewusstsein kommt') den Datenstrom in einer gewissen Weise segmentiert, erzeugt es für sich selbst unhintergehbare Objekte, Szenen, Situationen und mit ihnen eine eigene Ontologie – eben die phänomenale Wirklichkeit, die Welt, in der wir leben. Diese unhintergehbare Darstellung von etwas als etwas, von distribuierten Eigenschaftsmengen als Gegenständen, kann nur deshalb gelingen, weil Systeme wie wir im Modus des naiven Realismus operieren.

Und auch das phänomenale Selbst ist eben genau dies: ein durch die repräsentationale Bindung einer komplexen Eigenschaftsmenge entstandenes fiktives Objekt (Hervorhebung K. W.). Dieses Objekt zeichnet sich nun allerdings genau dadurch aus, dass sein Gehalt ein fiktives Subjekt ist. Das Selbst als ein mit Evidenz erfassbares intentionales Objekt, als etwas, auf das der Geist sich richten und es meinen kann, gibt es nicht. Was es gibt, ist ein System und ein Modell des Systems. Dadurch dass dieses Systemmodell intern nicht als Modell dargestellt werden kann, entsteht für das System eine Ich-Illusion. Die erlebnismäßig unhintergehbare Fiktion eines substantiellen Ichs."

Die Tatsache, dass wir jemand sind, ist keine objektive Tatsache, sondern eine repräsentationale Fiktion. Die "Perspektive der ersten Person" ist ausschließlich ein Darstellungsphänomen, dem nichts in der objektiven Struktur der Welt entspricht. Wir sind nicht auf mysteriöse Weise mit einer besonderen innerweltlichen Person und ihrem Standpunkt identisch, sondern wir besitzen in diesem Sinn überhaupt keine Identität. Wir unterliegen also nach Metzinger einem naiv-realistischen Selbstmissverständnis. Die Ausführungen enden mit dem Satz:

"Die Entstehung einer unhintergehbaren Ich-Illusion, die im Grunde gar keine ist, weil sie niemandes Illusion ist."

Die Probleme, die diese These für sich selbst hervorruft, sind natürlich beachtlich. Denn wir müssen dann konsequent sagen: Niemand hat hier etwas über sein (unser) Selbstbewusstsein, über die Bildung und Konstruktion einer Außenwelt und einer Ich-Illusion gesagt. Niemand hat gesagt, dass er selbst eine Illusion sei, damit aber auch, dass alle Sätze im Artikel Metzingers Illusion sind.

Die Sätze Metzingers dürfen keinen anderen positionellen Stellenwert im Informationsverarbeitungsmodell haben wie die bisherige Bewusstseinsphilosophie, sie sind auch reine Illusionen, fiktive Konstrukte über das Verhältnis von "Niemand" gegen "Niemand". Den Sätzen Metzingers darf keine höhere Position zukommen als allen anderen bisherigen Sätzen der Bewusstseinsphilosophie und doch beanspruchen sie, wenn sie sinnvoll sein wollen, eben eine solche privilegierte Stellung. Sie sagen etwas darüber aus, was für alle Illusionsprodukte aller möglichen menschlichen Bewusstseinskonfigurationen je gelten soll, eben dass sie alle die Fiktionen niemandes sind. Nur für sich selbst beanspruchen sie, nicht Illusion zu sein!

Im Übrigen fallen natürlich auch alle Konstrukte der neurokybernetischen oder anderer naturalistischer Ansätze diesem Illusionscharakter anheim; wie sollten  sie dann aber als Basis für die Reformulierung der Bewusstseinsphilosophie verlässliche Grundlage sein können.

Auch alle Überlegungen hinsichtlich eines Vergleichs bisheriger Systeme der Bewusstseinsphilosophie und moderner empirischer naturwissenschaftlicher Modelle als informationsverarbeitender Systeme hat "Niemand" erstellt. Auf die Frage: "Ist das Bewusstsein ein Computer?", müsste man antworten: "Niemand ist deckungsgleich als Computer simulierbar."

Hier stellt sich die Frage, inwieweit Theorien "haltbar bleiben", wenn sie auf sich selbst angewendet werden. Inwieweit hält der Inhalt einer Theorie der Probe stand, dass man ihn auf sich selbst anwendet? Wie weit behält die Theorie Konsistenz, wenn sie auf sich selbst angewendet wird? WELSCH hat dies sehr präzise erkannt und als "selbstreferentielle Konsistenz" einer Theorie bezeichnet. Diese selbstreferentielle Konsistenz ist für die Thesen Metzingers mit Sicherheit nicht gegeben.

Wir gehen nun im Rahmen des Basiskurses in AUF auf die extreme Illusionslage ein. Es ist bei kritischem Zusehen tatsächlich nicht ohne weiteres sicherzustellen, dass wir in der Frage, ob wir die Außenwelt und uns selbst richtig, objektiv richtig, wahr erkennen oder ob unsere Bilder von einer Welt außer uns oder von uns selbst nur eine Fiktion, ein Traum oder eine Illusion sind, eine Gewissheit erlangen können (vgl. hierzu die Wahrheitstheorien in AUF 1.2.3.4). Dies ergibt sich schon aus dem Umstand, dass wir die Außenwelt nur subjektiv konstruieren und auch über uns selbst können wir uns täuschen. Wollten wir der Außenwelt tatsächlich objektive Realität zuschreiben und uns selbst immer so als objektiv richtig erfassen, wie wir dies im Alltag tun, wären wir sicherlich naive Realisten, vgl. MI(1) in AUF 1.2.3.2. Aber schon die letzten Sätze Metzingers steigen ja eine Stufe höher, ob sie wollen oder nicht. Sie nehmen einen Standpunkt ein, der Ich und Welt außer dem Ich in gleicher Weise umfasst, also eine Metaebene jenseits von Ich und Welt.

Gibt es eine Lösung dieser heiklen Frage? Gibt es einen Ausweg aus dem Labyrinth? Gibt es für den Menschen ein Erwachen aus diesem Traum? Wir bieten hier wiederum die Vorschläge in AUF 1.2.3.1 an. Die Lösung kann nur dann möglich sein, wenn dem Menschen die Erkenntnis eines absoluten und unendlichen Grundwesens möglich ist, in dem dann alle Ich und die Welt zu erkennen sind, wie sie in diesem Grundwesen existieren. Ob dies subjektiv möglich ist, muss jeder selbst prüfen. Angedeutet sind die Grundlagen dieser Wissenschaft in AUF 1.2.3.1.1. "Das Universum der geraden Linie" und in einigen Hinweisen im VR-RAUM-Modell der All-Kunst.

Metzinger hat nicht nur eine Vielzahl innerbewusster Leistungen sehr vernachlässigt und auch nicht bedacht, was seine These für den Sinn seiner eigenen Sätze bedeutet, er hat in keiner Weise etwa das Unendlichkeitsproblem angedeutet, das für das menschliche Bewusstsein essentiell ist (z.B. in der Grundlagenkrise der Mathematik). Kann nämlich die Unendlichkeit nicht als fiktive Illusion abgetan werden, dann ist sie auch in der Mathematik einzuführen, was aber mit Sicherheit, wie wir in AUF vor allem  anhand der Logik der geraden Linie zeigten, dazu führen muss, dass bestimmte Bereiche des menschlichen Bewusstseins digital keineswegs 1:1  repräsentierbar gemacht werden können, weil die in einer solchen Repräsentation implizierte Mathematik des digitalen Systems nicht in der Lage ist, unendliche Größen darzustellen.

 

Literatur:

APEL, K.O (Hg.): Die eine Vernunft und die vielen Rationalitäten. STW 1207.

KRÄMER, S.: Bewusstsein. Philosophische Beiträge. STW 1240.

KRAUSE, K. Chr. F.: Vorlesungen über das System der Philosophie. Eigenverlag 1981.

PFLEGERL, S.: Die Vollendete Kunst. Böhlau 1990.

SARNIG, P. P.: Menschliche und digitalisierte Intelligenz. Das Unendliche und die Grenze.

RIEMSCHNEIDER, E.: Deduktive Kunst Digitalisierung.

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