Extended Art

 

XT@rtã – Renato Albertano

(*2135 –       )

Aus: Die Kunst des 22. Jahrhunderts. Tendenzen und Profile. Peter Krein Verlag, Frankfurt/Main-New York, 2187.

Entwicklung

Gesellschaftsmodell

Die von der Gruppe Or-Om© http://or-om.org/ entwickelten Kriterien eines Gesellschaftmodells (vgl. etwa bei Raul Kilter) wurden bereits im 21. Jh. auch auf die Positionierung der Kunst und der Künstler im Sozialzusammenhang angewendet. Die evolutiven Horizonte für eine zunehmende Universalisierung aller gesellschaftlichen Bereiche wurde durch die Erstellung des Grundrechtskatalogs Cathrin Horners sichtbar.

Für die Entwicklung der Kunst und der Künstlerpersönlichkeiten war im Gesellschaftsmodell der FIGUR 1 insbesondere die enorme Abhängigkeit von Faktoren der Ebene der Wirtschaft bedeutungsvoll. Die Kunstprodukte bildeten eigene Faktoren in Mechanismen der Zirkulation und Spekulation (Kunstmarkt, Auktionshäuser, Versteigerungshäuser, Galerien, Kunstvereine, Internet-Börsen usw. vgl. insbesondere auch Fußnote II). Die wirtschaftliche Lebensgrundlage der Künstler wurde häufig vor allem durch Förderung, Sponsoring, Mäzenatentum durch Staat, private Unternehmer und andere Institutionen gesichert, wodurch weitere Abhängigkeiten entstanden.

Auf der Ebene der Wirtschaft angesiedelt waren die Abhängigkeiten der Kunst im Weiteren von den Institutionen der Präsentation von Kunst über Kunstmanagement, Kuratoren, Direktionen usw. Galerien (staatlich, privat), Kunstforen, Museumsquartiere, Kunsthallen, Museen, einflussreiche private Kunstsammlungen (z.B. Guggenheim Foundation), Kunstmessen, Biennalen usw. offensichtlich. Künstlervereinigungen (Secession) bildeten Einheiten der Präsentation, die selbst maßgeblich in die obigen Faktoren der Zirkulation und Spekulation der Verteilungsprozesse von Kunst hineingebeugt waren.

Auf der Ebene von Sprache, Kommunikation und Medien befanden sich weitere Bestimmungsfaktoren der Kunst. Die Vermittlung von Informationen über Kunstschaffende erfolgte bekanntlich über Medien wie: Schrift in Publikationen (Büchern, Zeitschriften und Tageszeitungen, Katalogen, Dissertationen), in Literatur zur Kunsttheorie, Kritikerhierarchien und deren Ideologiemilieus, Radio und TV, Internet). Die Tendenz zu provokativer Medienpräsenz war für KünstlerInnen ein bedeutendes Mittel zur Durchsetzung auf dem Kunstmarkt.

Die KünstlerInnen waren abhängig von den obigen Faktoren im Gesamtsystem und nahmen in der Schichtung der Bevölkerung im System bestimmte Plätze ein (Hierarchisierung der Position in der Künstlersubkultur). Diese Abhängigkeit bezog sich auf die existenzielle Lebensgrundlage durch ihre Positionierung in Zirkulation, Förderung, Präsentation und Medieneffizienz. Die Zusammenhänge bedingten stets unterschiedlichen Anpassungsleistungen oder auch Ausschließungsmechanismen.

Für die Zeit von 1980 – 1990 hat Max Hollein in seinem Buch: „Zeitgenössische Kunst und der Kunstmarktboom“, Wien, Köln, Weimar 1999, die für seine Epoche typisch extremen Verflechtungen von Kunst und wirtschaftlichem System analysiert.

Die Erweiterungen bei Beuys und Albertano

Die Ideen von Josef Beuys versuchten die obigen gesellschaftlichen Strukturen, die Position des Künstlers in der Gesellschaft und seine Aufgaben in derselben zu erweitern, wenn auch nicht übersehen werden kann, dass er selbst sehr wohl die Mechanismen des Kunstmarktes für die Durchsetzung seiner eigenen Werke benützte und davon profitierte. Die Diskussionen um sein Werk: „Zeige Deine Wunde“ seien als Beispiel genannt.

Albertano erkannte nachdrücklich die Mängel dieser undeutlichen, in ihrer Unbestimmtheit problematischen Ansätze Josef Beuys‘ (1921 – 1986), der Sozialen Plastik und seiner Ideen der gesellschaftlichen Umgestaltung, die hier nach Wilfried Heidt  zusammenfassend zitiert werden, wobei die Zeichensetzung bei Heidt beibehalten wurde:

Die Umstülpung des demiurgischen Prinzips

  1. Für die Klärung der Zusammenhänge möchte ich ausgehen von den Begriffen »Soziale Plastik«, »erweiterter Kunstbegriff« und »Jeder Mensch ist ein Künstler«. Eine Deutung habe ich bereits zitiert:

Der Satz »Jeder Mensch ist ein Künstler« bezieht sich, sagt Beuys, „auf die Umgestaltung des Sozial-Leibes“, und mit dem >erweiterten Kunstbegriff< stehe ein Begriff zur Diskussion »den man die >soziale Kunst< nennen könnte«, ein Begriff, der fähig sei, »einzugreifen in die Herzproblematik unserer Gesellschaft, d.i. »in die Lage des Kapitals«, einzugreifen in die »wirtschaftskulturellen Abhängigkeiten, um diese Abhängigkeiten umzubauen in die Befreiung des Arbeitsfeldes der Gesellschaft«. Gehe man im »Durchdenken der heutigen Problematik« vom Kunstbegriff aus, dann müsse man »die Frage nach der Form stellen«. »Ganz organisch aus der ruhigen und sachbezogenen Betrachtung« ergebe sich »der Gestaltungsbegriff« als die Möglichkeit, die ergriffen werden müsse, »um den sozialen Organismus aus seiner kranken Gestalt in eine gesunde zu überführen«.

Hier schließt – sozusagen als begriffliche Brücke zwischen dem anthropologischen Pol des erweiterten Kunstbegriffs (»Jeder Mensch ist ein Künstler«) und dessen soziologischem Pol (»die Frage nach der gesunden Gestalt des sozialen Organismus«) – die an der These an, die Beuys aufgestellt hat: »Kunst =Kapital«; das heißt »den Menschen als einen Gestalter darzustellen, der die Strukturen der Wirkungen des Kapitals in der Gesellschaft umbaut in eine Form, die dem Menschen gedeihlich ist«.

– Der »erweiterte Kunstbegriff« meint die »soziale Kunst«, d.h. die unter Einschluss eines jeden Menschen auf die menschengemäße Gestaltung des sozialen Organismus bzw. auf die Umgestaltung der vorgegebenen Systeme gerichtete Aktivität.

– »Soziale Kunst« ist also die Aktionskunst, die jeden Menschen in bezug auf seine Verantwortung für das soziale Ganze »in die Pflicht ruft«. Es geht darum, einen Weg zu finden, Kapitalismus und Kommunismus zu überwinden und die »Freiheitsgestalt des sozialen Organismus«zu verwirklichen.

Dabei legte Beuys großen Wert darauf, »die soziale Kunst als etwas hinzustellen, das Nüchternheit er fordert, das Klarheit erfordert, das systematische Schritte notwendig macht, das aber auch vor allen Dingen notwendig macht, dass wir die Dinge in bezug auf Gemeinschaften formen müssen; denn als soziale Künstler sind wir zunächst die Erbauer assoziativer, gesamtgesellschaftlicher Einheiten«.

  1. Assoziative, gesamtgesellschaftliche Einheiten: das führt uns wieder hin zu dem Begriff des »Strategie plans«, in dem Sinne, dass unter diesen »Einheiten« solche zu verstehen sind, die, wenn auch erst »Modelle «, gleichwohl in ihrer Veranlagung einen gesamtgesellschaftlichen Prozess, ein Funktionsgeschehen im sozialen Organismus postulieren bzw. so weit als möglich schon konkret einleiten. So hat Beuys ab 1970 drei solche Veranlagungen kreiert, die die Grundelemente des aus der Objektivität der Umgestaltungsaufgabe, also aus systematischen Gründen notwendigen, strategischen Vorgehens bilden.
  2. In der zeitlichen Reihenfolge betritt Beuys das Wirkungsfeld der sozialen Kunst zuerst mit der » Organisation für direkte Demokratie durch Volksabstimmung«. Mit diesem Element ist die Kernproblematik für die Funktion des Rechtslebens im sozialen Organismus strategisch ins Visier genommen. Es geht darum, ein Organ zu schaffen, durch welches die Gesamtbürgerschaft als entscheidende Instanz für die Rechtsgestaltungen handelnd in Erscheinung treten kann.

Das Gesetzgebungsmonopol des parteienstaatlichen Parlamentarismus soll gebrochen, Gesetzesinitiativen aus der Mitte des Volkes und verbindliche Abstimmungen darüber sollen ermöglicht werden. Die » Organisation für direkte Demokratie durch Volksabstimmung« eröffnet 1971 in Düsseldorf ein ständig besetztes Büro. 1972 stellt Beuys dieses Büro als seinen Beitrag in die » documenta 5 « hinein und diskutiert 100 Tage alle mit diesem Projekt zusammen hängenden gesellschaftlichen Gestaltungsfragen.

Um aus dieser Veranlagung in die »gesamtgesellschaftliche Einheit« vorzudringen, ist die Zeit 1972 noch nicht reif. Diese Linie tritt für ein volles Jahrzehnt in den Hintergrund, ist wie untergetaucht.

  1. Veranlagt wird jetzt – in der Sphäre des Geisteslebens- als zweites strategisches Grundelement die »Free International University « . Und Beuys stellt jetzt folgerichtig diese Veranlagung eines selbstbestimmten Forschungsprojekts im Sinn einer »permanenten Konferenz« mit seinem Beitrag »Honigpumpe am Arbeitsplatz« hinein in die »documenta 6«.

Hundert Tage tritt nun nicht mehr wie noch fünf Jahre zuvor Beuys allein auf das Wirkungsfeld der sozialen Kunst im Dialog mit der Gesellschaft (d.h. mit den Besuchern der Ausstellung), sondern eine große Zahl von Einzelprojekten aus dem Bereich der Grundlagenforschung wie applizierter Wissenschaft demonstriert eine Fülle von Transformationsnotwendigkeiten, -möglichkeiten und bereits stattfindender Praxis – Beispiele dafür, wie nun in den speziellen gesellschaftlichen Funktionsprozessen und -aufgaben die »Grundidee der Umgestaltung des sozialen Organismus in seine Freiheitsgestalt zur Wirkung kommen könnte«.

Mit dieser Veranlagung ist paradigmatisch aufgezeigt, dass, wie die direkte Demokratie im Rechtsleben regelnd, so die Selbstbestimmung und Autonomie im Geistesleben des sozialen Organismus inspirierend zu wirken hat, wenn der soziale Kunstbegriff zur Anwendung kommt.

  1. Und wiederum folgerichtig schließt daran fünf Jahre später als Beitrag für die »documenta 7« der dritte systematische Schritt in der Ausformung der Grundelemente der Strategie der sozialen Transformation dasjenige an, was mit dem Projekt »7000 Eichen« nicht nur einen »symbolischen Beginn« setzt für das »Unternehmen, das Leben der Menschheit zu regenerieren innerhalb des Körpers der menschlichen Gemeinschaft«, sondern gleichzeitig in urbildhafter Form im Wirtschaftsleben dessen gemeinnützigen Zukunftscharakter – als »Solidaritätsfeld«, als »Feld der brüderlichen Zusammenarbeit« für den »Bedarf des Menschen wie für den Bedarf der Natur« exemplarisch veranlagt. Veranlagt einen gewandelten Geldbegriff, der die Befreiung der Arbeit zum Dienst am Ganzen bedingt; veranlagt den gewandelten Kapitalbegriff, der die Emanzipation des Geldes aus seiner Verstrickung mit dem Privateigentum einerseits und dem staatszentralistischen Dirigismus andererseits bewirkt; veranlagt schließlich eine Gestaltung des Einkommens der Menschen aus Menschenrecht und nicht mehr aus einem Lohnverhältnis und unter der Peitsche des Profitprinzips.
  2. Damit ist im Elementaren die Begriffsbestimmung von dem »konkreten Wirkungsfelde der sozialen Kunst« unternommen. Darum – in aller »Nüchternheit und Klarheit« – ging es Beuys, und darum geht es all denen, die seine Mitarbeiter waren und sind. Ich fasse ein erstes Ergebnis zusammen:
  3. Der erweiterte Kunstbegriff richtet sich auf die Umgestaltung des Sozialkörpers in der Richtung einer Alternative zum westlichen Kapitalismus und östlichen Kommunismus. Das ist der Kern der Sache.
  4. Beuys hat seinen »Strategieplan« bis 1982 – in Übereinstimmung mit anderen, die im selben Aufgabenzusammenhang wie er wirkten – in drei systematischen Schritten entwickelt:
  5. a) für die Transformation des Parteienstaates hinüber zum reinen Rechtsstaat die Veranlagung des Impulses der direkten Demokratie durch Volksabstimmung;
  6. b) für die Transformation des staats- und geldmachtabhängigen Forschungs- und Informationswesens hinüber zum selbstbestimmt, autonom und selbstverantwortlich arbeitenden sozialen Inspirationssystem, die Veranlagung der FIU mit ihren verschiedenen Zweigen, und
  7. c) für die Transformation der profit- oder staatsbürokratisch geleiteten Ökonomie mit dem gemeinnützigen Unternehmen »7000 Eichen« für Kassel die Veranlagung eines ökologisch orientierten, selbstverwalteten Sozialismus im Sinn einer reinen Bedarfswirtschaft.

Es mögen in dem von Beuys akzentuierten » erweiterten Kunstbegriff« noch manch andere Aspekte eine Rolle spielen: Im Wesen der Sache geht es um das hiermit einleitend Dargestellte. Soziale Kunst meint die Aufgabe – ich zitiere nochmals aus dem Interview, mit dem der Band »7000 Eichen« eingeleitet ist- »der Metamorphose des sozialen Körpers in sich selbst, um ihn zu einer neuen sozialen Ordnung für die Zukunft« .

Albertano erkannte, dass Beuys einerseits für die Analyse der Gesellschaft kein ausreichend pragmatisch ausgeformtes Modell benutzte. Beuys‘ Ansätze besitzen keinerlei Bezug zur praktisch hochgradig segmentierten und differenzierten Gesellschaft, wie sie für seine Zeit etwa in FIGUR 1 anzusetzen wäre. Im Wesentlichen versuchte Beuys einen neuen aber sehr „euphorisch-undeutlichen“ Weg der Gesellschaftsevolution jenseits von kapitalistischen und marxistischen Ideologien. Zum anderen fehlten ihm jedoch auch konkrete Ur-Ideen für eine „gesunde“, harmonische Gesellschaftsformation, für die Behebung der „Krankheiten“ des „sozialen Organismus“. Die Ideen sozialer Evolution stehen u.a. in starkem Zusammenhang mit den Konzepten Rudolf Steiners, der z.B. von einer Dreigliederung des sozialen Organismus (Rechtsordnung, Geistesleben und Wirtschaft)  ausgeht, die sich bei Beuys wieder findet.

Diese Ur-Ideen sah Albertano in den Arbeiten der Gruppe Or-Om elaboriert, wobei der Grundrechtskatalog Cathrin Horners  und Peter Waldners „Altlas zur Sozialevolution“ eine Verbindung dieser in der göttlichen Essentialität abgeleiteten Prinzipien zu den pragmatischen Dimensionen der zeitgenössischen Gesellschaftsformation in FIGUR 1 herstellten.

Die evolutive Aufgabe der Gesellschaft, aller ihrer Ebenen, Schichten, Institutionen, Organisationen, Gruppierungen usw. bestand nach Ansicht Albertanos offensichtlich in einer Universalisierung aller gesellschaftlichen Elemente und ihrer Zusammenhänge, die letztlich in den geschilderten universalistischen Humanismus und Sozialismus der vereinten Menschheit führt. Natürlich war für ihn hierfür nicht nur eine Änderung aller Parameter des modernen Kunstbetriebes erforderlich, sondern vor allem die Wissenschaftsstruktur wäre fundamental auf neue Grundlagen zu stellen. Die leidenschaftliche und charismatische Arbeit Beuys‘ kann hier als wichtiger, aber nur sehr mangelhafter Vorläufer angesehen werden.

Universalisierung der Kunst bei Albertano

 Hinsichtlich der oben aufgeführten Abhängigkeiten der Kunst und des Künstlers von den Kräften des Gesellschaftsmodells entwickelte daher Albertano – ausgehend vom Grundrechtskatalog Cathrin Horners und den Modellen der All-Kunst bei Luc Burg – gleichsam als präzisierte Weiterführung der undeutlichen und teils irrigen Ansichten Beuys‘ bereits 2165 ein politisches Konzept für die Einleitung einer Universalisierung:

Überführung des Kunstbetriebes in egalitäre Sozialstrukturen bei Begründung der Kunsttheorien auf den Prinzipien und Gliederung des All-Kunst-Manifestes der Gruppe Or-Om  und den Sozialregeln des Universalistischen Sozialismus und Humanismus.

1.a) Eliminierung des auf Gewinn gerichteten Kunstmarktes im Rahmen der Zirkulation. Umwandlung des Kunstmarktes in egalitäre Verteilungsfunktionalität der künstlerischen Ressourcen. Beseitigung der Spekulations- und sonstigen inadäquaten Preismechanismen.

b) Umgestaltung von Förderung und Sponsoring im Rahmen einer gesamtgesellschaftlichen Ressourcenegalität hinsichtlich der künstlerischen Potentiale.

c) Die Institutionen der Repräsentation werden einerseits aus den Kapital- und Spekulationsmärkten der kapitalistischen Kunstzirkulation in universalistisch orientierte Präsentationsbedingungen der All-Kunst übergeführt. Die postmoderne Vielheit (Pluralität) der Kunsttheorien[i] wird andererseits in die Universaltheorie synthetisch aufgenommen. Daraus ergeben sich neue Management- und Kuratorenstrategien der Repräsentation (neues Verhältnis von Komplexität und Einheit).

d) Die Medienstruktur der Kunsttheorie und Kunstkritik, die selbst postmodern gefächert und politisch teilweise in Ideologiemilieus gesplittert ist, wird durch die Or-Om-Struktur der nächsten Evolutionsstufe überwunden, ohne dass maximale Pluralität uniformierend eingedünnt oder über die Totalität und Einheit in ihrer Freiheit beschränkt oder gezwungen würde.

Aus diesen Veränderungen ergeben sich für die KünstlerInnen andere, neue und weniger negative Abhängigkeiten im Gesamtsystem (in der partialen Subkultur der Kunst) in ihren Anpassungsleistungen und Ausschließungsmechanismen.

XT@rtã – Albertano-Prinzip

 Ein wichtiges Element im Rahmen der Überwindung der rigiden Marktdominanz im Kunstbetrieb war die erfolgreiche Bemühung Albertanos, eine, wie sich zeigte, den bisherigen Präsentationstechniken und Kunsttheorien diametral zuwiderlaufende Erweiterung des Begriffes des Kunstobjektes (XT@rtã) gesellschaftlich durchzusetzen. Dies geschah durch die politisch-demokratische Etablierung des einfachen, durch eine legistische Initiative (Albertano-Gesetz, 2167) verwirklichten Grundsatzes:

Alle entgeltlich oder unentgeltlich bewirkten materiellen oder geistigen Vorgänge und Objekte gelten als Kunstobjekte

In diesem Gesetz wurde daher in weiteren verfügt:

Orte der Präsentation entgeltlicher Kunstobjekte

Generelle und Spezielle Markets (z.B. Supermarkets [KDW, Harrods], Lebensmittelmärkte, Media-Märkte, Baumärkte, Shopping Cities, Technikmärkte [Conrad]), Online-Anbieter, Geld-, Kredit- und Versicherungseinrichtungen, Betriebe im Verkehrs- und Beförderungswesen, in Tourismus und Freizeitwirtschaft, Fabriken, Industrie- und Gewerbebetriebe, politische Einrichtungen, wie politische Organisationen, Parteien, religiöse und kulturelle Einrichtungen, alle Schulen und Universitäten, der gesamte Wissenschaftsbetrieb, Institutionen der Kommunikation und Medien, des Rechtes (Gesetzgebung, Verwaltung und Gerichtsbarkeit), des Gesundheitswesens usw. usw.; kurz: alle Waren, Dienstleistungen und sonstige geistige oder materielle Produkte im weitesten Sinne, auf welche Weise auch immer, auf welchen Stufen auch immer, über Marktpreise oder gegen Entgelt erzeugenden und zum Verkauf anbietenden Einrichtungen gelten als XT@rtã-Museen oder Kunstgalerien.

Orte der Präsentation unentgeltlicher Kunstobjekte

 Da andererseits geregelt wurde, dass auch jede unentgeltliche Produktion, Verarbeitung oder Veränderung materieller oder geistiger Objekte als Kunstobjekt zu gelten haben, gelten die Orte, an welchen diese Vorgänge sich abspielen, ebenfalls als XT@rtã- Museen oder Kunstgalerien (Ubiquitätstheorem). Alle auf freiwilliger, unentgeltlicher Basis organisierten Tätigkeiten wie Feuerwehren, Musikvereine, Non-Profit-Organisationen waren ebenfalls hier einzuordnen.

Für die gesetzlichen Einzelheiten wurden detaillierte Gesellschaftsmodelle benützt, wie sie in FIGUR 1 skizziert sind. Hier zeigen sich wiederum die bedeutenden Unterschiede zwischen den Konzepten Beuys und der Maßnahmen Albertanos.

Mit dieser konstitutiven Erweiterung des Begriffes des Kunstobjektes sind die Zirkulation und Präsentation von Kunstobjekten aus den Mechanismen der traditionellen Kunstmärkte herausgelöst worden, bzw. die traditionellen Marktmechanismen des Kunstbetriebes wurden in den allgemeinen, selbst bereits in Universalisierung begriffenen Warenmarkt aufgelöst. Durch diesen konstitutiven Akt war mit einem Schlag die Quantität der Kunstobjekte zu einem gegenüber dem bisherigen Kunstmarkt unvergleichlich niedrigen Preisgefüge bzw. im Bereiche der Unentgeltlichkeit in einem fast unvorstellbaren Ausmaß angestiegen.

Das Gesetz war im Weiteren so gefasst, dass auch alle, aus den primären Kunstobjekten, also allen zum Verkauf angebotenen materiellen und geistigen Vorgängen und Objekten („primäre Objekte“) des allgemeinen Marktes durch weitere „künstlerische“ Umgestaltung, Verformung, Kombinierung usw. erzeugten Vorgänge oder Objekte („abgeleitete Objekte“) nur nach den Gesetzen des allgemeinen, bereits weitgehend universalisierten Marktes verkauft werden dürfen. Auch damit war die Rückkehr zu den Spekulations- und Verknappungsmechanismen des traditionellen, speziellen Kunstmarktes abgesperrt.[ii]

Natürlich umfasste der neue Begriff des Kunstobjektes alle von im traditionellen Sinne „Nicht-Künstlern“ hergestellten „abgeleiteten Gegenstände“ (z.B. Heimwerkerobjekte, Wohnungs- und Gartengestaltung, Hobby-Malerei, Handarbeiten usw.).

Diese gewaltigen und einschneidenden gesellschaftlichen Veränderungen kann man etwa mit der Währungsumstellung innerhalb der EU auf den EURO im Jahre 2001 vergleichen. Eine Vielzahl von Begleitgesetzen und -Verordnungen, auch einschlägige Strafbestimmungen und eine entsprechende Vorbereitung der betroffenen Einrichtungen, umfassende Schulungen und Informationsveranstaltungen waren erforderlich, um diese Neuerungen in der Bevölkerung erfolgreich durchzusetzen.

Man muss bedenken, dass mit dieser gesellschaftlichen Veränderung jeder Staatsbürger in seiner sozialen und damit auch persönlichen Identität völlig neu strukturiert wurde. Durch jeden entgeltlichen Konsum irgendeines materiellen oder geistigen Vorganges oder Objektes im obigen Sinne wurde er zum Konsumenten von Kunst. Er besuchte ständig irgendwelche Galerien, Ausstellungen, Museen oder Kunstquartiere (generelle und spezielle Markets (z.B. Supermarkets [KDW, Harrods], Lebensmittelmärkte, Media-Märkte, Baumärkte, Shopping Cities, Technikmärkte [Conrad]), Online-Anbieter, Geld-, Kredit- und Versicherungseinrichtungen, Betriebe im Verkehrs- und Beförderungswesen, in Tourismus und Freizeitwirtschaft, Fabriken, Industrie- und Gewerbebetriebe, politische Einrichtungen, wie politische Organisationen, Parteien, religiöse und kulturelle Einrichtungen, alle Schulen und Universitäten, der gesamte Wissenschaftsbetrieb, Institutionen der Kommunikation und Medien, des Rechtes (Gesetzgebung, Verwaltung und Gerichtsbarkeit), des Gesundheitswesens usw. usw., kurz: alle Waren, Dienstleistungen und sonstige geistige Produkte – im weitesten Sinne, auf welche Weise auch immer, auf welchen Stufen auch immer, über Marktpreise oder gegen Entgelt erzeugenden und zum Verkauf anbietenden Einrichtungen. Immer war er in den Umgang mit Kunst involviert.

Andererseits waren alle seine Handlungen, wo er primäre Kunstobjekte selbst unentgeltlich veränderte, für sich wiederum eine Kunsttätigkeit, weil er hierbei gestaltend auf die materiellen oder geistigen Objekte einwirkte (z.B. Kochen, Essen [vgl. als Vorläufer Spoerris Fixierungen von Tischenvironments, Koligs „Essplatz im Paradies“], Abwaschen, Ausgestaltung der Wohnung [bereits 2001 wurden von einer Agentur guided tours durch private Wohnungen organisiert], des Gartens, Bedienung und Pflege des Autos, Lösen eines Tickets für ein Verkehrsmittel, Konsum des Urlaubs, Besuchen eines Tierparks, Ausfüllen von Formularen, Benutzung aller Arten von Geräten, Abwickeln von Bank- und Versicherungsgeschäften, Lesen von Büchern, Benutzung der üblichen Medien usw.

Wir müssen hier natürlich darauf hinweisen, dass die Erhebung aller dieser Tätigkeiten des Subjektes zu Kunsttätigkeiten letztlich deshalb gerechtfertigt war, weil alle Menschen im Gesellschaftssystem im Sinne des erwähnten Grundrechtskataloges als universalistische Humanisten und Sozialisten lebten, woraus sich auch ergab, dass der soziale Konnex jeder Tätigkeit bereits bezogen auf die Prinzipien, die in der absolute Essentialität ableitbar sind, universalisiert waren. Hieraus ergab sich daher auch eine in den Sozialformen des 20. und 21. Jahrhunderts nicht einmal ansatzweise vorhandene neue Ästhetik jeder sozialen Handlung. Auch die Ästhetik wurde letztlich durch die Universalisierung im obigen Sinne in der Essentialität des Grundwesens völlig neu formuliert. (Vgl. etwa: Pflegerl „Die Vollendete Kunst“. Böhlau, 1990.) Erst hier wurden die von Beuys sehr diffus geahnten Vorstellungen der Umwandlung des sozialen Körpers zufriedenstellend eingeleitet.

Bevor es zu diesen gesellschaftlichen Veränderungen kam, wurde von Pessimisten immer wieder vorgebracht, es sei völlig ausgeschlossen, dass bestimmte Leistungsniveaus gesellschaftlicher Produktivität erreicht, ja überhaupt erhalten werden könnten, wenn das durch hartes kapitalistisches Konkurrenzdenken und Vorteilsstreben dominierte und motivierte Individualverhalten, das sich letztlich in den Optimierungsmechanismen der globalen Finanzmärkte seine abstrakte, höchste Steuerungsebene gab, wegfiele, diese Antriebsfeder kapitalistischer Rationalität. Das war tatsächlich so lange der Fall, bis sich durch schwere Krisen die persönlichen Entwicklungsprofile der Menschen zunehmend in Richtung auf universalistische Prinzipien hin änderten, indem sie persönlich freiwillig von einem Streben nach Herstellung der geschilderten Synthesen, Integrationen und Harmonien bestimmt wurden und sich schließlich auch in diesem Sinne gesellschaftlich zusammenschlossen, wobei dies alles natürlich nur mit friedlichen und guten Mitteln erfolgte, wodurch sich diese Strömungen von früheren ideologisch verengten Tendenzen und deren radikalen Umsetzungsstrategien (mit dem „Stock ins Paradies“) unterschieden.

Die Kriegs-Kunst hätte im Sinne Albertanos auch als Kunstobjekt gelten müssen. Den Krieg aber gab es bekanntlich nicht mehr, da die nationalen und globalen Ausgleichsprozesse bereits so weit fortgeschritten waren, dass der Krieg als Mittel der Durchsetzung von Interessen- und Ressourcenkonflikten nicht mehr erforderlich war. Die universalistische Globalisierung war bereits harmonisiert – ein Thema, das um das Jahr 2000 hinsichtlich des Inhaltes und der Frage der Wege und Mittel der Durchsetzung zu deren Realisierung noch heftig umkämpft war.

Daneben gab es natürlich weiterhin diejenigen Personen, die im traditionellen Sinne als KünsterInnen galten. Einerseits waren in diesem neuen sozialen Ambiente ihre Arbeitsvoraussetzungen nicht mehr von den oben geschilderten, bisherigen Abhängigkeiten geprägt. Das generelle universalistische Klima ließ viele Abhängigkeiten, vor allem die wirtschaftlichen, Drucksituationen weichen, und die KünsterInnenpersönlichkeiten wandelten sich im Sinne dieser Ideen weitgehend selbst um. Auch die Theorie der künstlerischen Genialität erhielt neue Parameter im Sinne der Grundrechtskataloge. Die gesellschaftliche Position der „abgeleiteten“ Kunstobjekte, die KünstlerInnen schufen, waren jedenfalls nicht mehr durch die Prinzipien des kapitalistischen Kunstmarktes bestimmt.

Rückblick auf das 20. und 21. Jahrhundert

 Erhebung materieller Gegenstände zu Kunstobjekten – vom Baumarkt in die Galerie

Die überzeugende Einfachheit dieser Ideen Albertanos, durch welche mit einem Schlag alle Verhältnisse der Kunstproduktion gesellschaftsweit völlig neu geordnet wurden, wird klar, wenn wir uns rückblickend vorstellen, welche sonderbaren Wege die traditionelle Kunstproduktion gegangen war, um einfachste materielle Gegenstände des täglichen Gebrauches, teils als primäre, teils als abgeleitete Objekte aus dem üblichen Gebrauchszusammenhang zu lösen und durch die Versetzung in Galerien oder Museen zu Kunstobjekten zu deklarieren. Die Ausnützung der Spannung des Verfremdungszusammenhanges zwischen normalem Lebensbezug und der „Adelung“, „Sakralisierung“ (Steinbach) zum Kunstobjekt durch den Transfer in die Präsentationssphäre des Ausstellungsraumes hatte zwar bestimmte provozierende Wirkungen auf die Konsumenten, die fortdauernde Wiederholung dieses Prinzips führte jedoch bald zu einer endogenen Erschlaffung desselben. Umso bedeutungsvoller erscheint der Schritt Albertanos, der völlig in die entgegengesetzte Richtung verlief, und mit der legistischen Deklaration aller entgeltlich oder unentgeltlich bewirkten materiellen oder geistigen Vorgänge bzw. Objekte zu Kunstobjekten diese als Anti-Ästhetik intendierte Strömung im 20. Jahrhundert generell in die entgegengesetzte Richtung generalisierte.

Duchamps

 Und stellt die Behauptung auf, der Weihnachtsbaum sei ein Kunstwerk: „Ich hätte elf Monate recht, … dieser Weihnachtsbaum wäre ein Kunstwerk elf Monate lang und im zwölften Monat wäre es kein Kunstwerk mehr, es wäre Weihnachten.“ Godard

Marcel Duchamp hatte schon mit „Nu descendant un escalier“ (Akt, eine Treppe hinabsteigend, 1912) und „La Mariée mise á nu par les célibataires“ (Die Neuvermählte, von den Junggesellen entkleidet, 1912) dem Kubismus neue Sichtweisen erschlossen. Doch er ging noch einen Schritt weiter. Duchamp suchte nach einer vollkommen neutralen, ja anonymen Darstellungsweise, dem radikalen Artefakt, der jeden Kommentar, gleich ob zu Ausführung oder Thema, entmutigt. Seine konsequentesten Werke, „Flaschentrockner“ und „Fontäne“, zwingen den Betrachter, sich der Frage zu stellen „Was ist das für eine Kunst?“

„Schokoladenmühle Nr. 2″“ nimmt die Entwicklung vorweg und ist eine Art Schlüsselwerk des Dadaismus und des in mancher Hinsicht verwandten Konstruktivismus. Das Bild stellt einen vollkommen funktionslosen Gegenstand dar, ein sinnloses Dreiwalzenwerk als formelle Abstraktion einer damals gebräuchlichen Industriemaschine. Selbst die Lichtquelle fehlt; als „Mahlrillen“ nähte Duchamp weiße Fäden ein. Der Titel ist in Goldbuchstaben auf ein Stückchen Leder gedruckt und unterstreicht den maschinellen Charakter. Obwohl sie selbst noch Bild ist, steht die Schokoladenmühle symbolisch für die Verneinung jeglichen Kunstwerts und wird so zum vielzitierten Dada-Symbol. Mit „Flaschentrockner“ und „Fontäne“ verläßt Duchamp endgültig die Pfade der (ab)bildenden Kunst. Es handelt sich um Ready-mades, unbearbeitete Alltagsgegenstände, die lediglich dadurch, daß die Wahl des Künstlers auf sie fällt, ihrer Alltagsfunktion beraubt und zum Kunstwerk werden. Für das konventionelle Kunstverständnis ist solche Antiästhetik eine ungeheure Provokation, und so verwundert es nicht, daß „Flaschentrockner“ und „Fontäne“ auf beinah ungeteilte Ablehnung stießen. Die „skandalöse“ Fontäne, mit „R. Mutt“ signiert (ein Wortspiel aus engl. „Mutt“, Trottel, und dem New Yorker Sanitärhandel „Mott Works“), wurde 1917 von den Juroren der Society of Independent Artists abgelehnt und kam gar nicht erst zur Ausstellung. (Pikanterweise gehörte Duchamp zum Vorstand der Society.) Ungeachtet des in typischer Dada-Posse aufgebauschten Skandals, erstand es der Sammler Walter Arensberg, der vermutlich auch wusste, wer hinter dem Pseudonym steckte. Das Original ging später verloren (um 1963 erneuert). „Mr. Mutts Fontäne ist nicht unmoralisch, das ist absurd, ebensowenig, wie eine Badewanne unmoralisch ist. Es ist ein alltäglicher Einrichtungsgegenstand, den man in den Auslagen eines Geschäfts für Sanitärbedarf sehen kann. Ob Mr. Mutt das Becken eigenhändig hergestellt hat oder nicht, ist unerheblich. Er hat es AUSGESUCHT. Er hat einen alltäglichen Gebrauchsgegenstand genommen, ihn so aufgestellt, daß seine nützliche Bedeutung hinter dem neuen Titel und der Betrachtungsweise verschwand –  er hat einen neuen Gedanken für das Objekt geschaffen“ (The Blind man, Nr. 2, New York: Mai 1917). Duchamp setzte die Tradition der von ihm erfundenen Ready-mades in abgewandelter Form und verschiedenen Materialien fort, arbeitete mit Man Ray zusammen und zog sich zeitweise ganz aus dem Kunstleben zurück. Bedeutende Werke sind: „Das große Glas“ (1915 – 1923), „Staubzucht“ (1920 mit Man Ray), „Warum nicht niesen, Rose Sélavy?“ (1921/1964) und „Etant donnès“ (1946 – 1966).

Hier einige Beispiele:

Zum Fahrad-Rad schrieb etwa Beuys, der sich sehr mit den ready mades auseinandersetzte:

„dreht sich um sich selbst. Das ist ein gutes Bild für das Werk Duchamps, eines Menschen, der sich stets am selben Ort begegnet, im selben Stil, mit demselben Verhalten. […] In der Schachtel von Duchamp findet man interessante Dinge, aber wenn man pädagogische, ökonomische Probleme oder solche der Demokratie angehen will, ist sie nutzlos…Duchamp, nichts ist diskussions- und kritikwürdig. Man muss ihn nehmen wie er ist, als Kunstobjekt, das im Museum seinen Platz hat. Meine Werke dagegen sind Materialien für Diskussionen und Partizipation.“ Beuys in: Szeemann: Duchamps.

Beuys kritisiert Duchamps aber im Sinne seines erweiterten Kunstbegriffes viel tiefgreifender:

„Duchamp hat gezeigt,… wenn ich in diesen artifiziellen Raum …etwas hineintrage, was aus dem Leben stammt, …dann transformiert sich das. Duchamp hat demonstriert, dass das Kunstleben ein künstliches Ding ist, das eigentlich in keinem Zusammenhang steht mit dem menschlichen Tun im ganzen, sondern nur in der Isolierung und durch die Isolierung funktioniert. Dieses Experiment hat er gemacht. Und das hat nachhaltig als eine Art Kulturschock gewirkt… Und das hat stilistische Folgen bis in die Gegenwart gehabt. Aber leider nur stilistische, Und warum? Weil Duchamp es verabsäumt hat, die Konsequenzen aus seiner Tat zu ziehen. … Ja, ‚das Schweigen von Marcel Duchamp wird überbewertet’… Denn er hätte meines Erachtens sagen müssen: wenn … das möglich ist, dass … das normale, anonyme Industrieprodukt im Kunstraum Kunst wird, geht… daraus hervor, dass real der Künstler derjenige ist, der das Industrieprodukt gemacht hat. Und da das gar kein Einzelner gemacht hat, sondern viele es gemacht haben, geht daraus eigentlich … etwas ganz lapidares hervor. Nicht der Maler, Bildhauer, Klavierspieler, Tänzer, Sänger sind Künstler, sondern jeder Mensch ist ein Künstler! Er hätte … sagen müssen: damit ist die Linie der Kunstentwicklung von der Steinzeit bis zur Gegenwart an einem Ende angelangt.“ Beuys in: Bojescul: Zum Kunstbegriff.

Die beiden Zitate wurden entnommen: Roman Berka: Josef Beuys ‚Tür‘. An der Schwelle zum ‚Erweiterten Kunstbegriff‘. Matr. Nr. 9306986. Universität für Angewandte Kunst, Wien.1998

Wir sehen, inwieweit Albertano diesen Kunstbegriff letztlich überschritt und universell erweiterte.

Schwitters – abgeleitete Kunstobjekte

Den Merzbau Schwitters wollen wir als Beispiel für ein „abgeleitetes Objekt“ anführen, wo Baumaterialien durch Veränderungen zu einem Kunstobjekt verwandelt wurden. Die „Reliquien“, also Erinnerungsstücke an Bekannte usw., sind weitere „Kunstobjekte“, die hier integriert werden.

Kurt Schwitters bezeichnete ihn selbst als sein Lebenswerk: den Merzbau. Die Bedeutung, die dieses Gebilde für ihn hatte, ersieht man daraus, dass er sich seit etwa 1923 intensiv mit ihm beschäftigte und ihn trotz aller widrigen persönlichen Umstände dreimal begann: zuerst in Hannover, 1937 im norwegischen, 1947 im englischen Exil. Der Merzbau in Hannover wurde 1943 bei einem Luftangriff der Alliierten zerstört, der norwegische Bau wurde 1951 ein Opfer der Flammen, nur der englische Bau blieb erhalten, jedoch unvollendet, da Schwitters über der Arbeit verstarb. Der Merzbau in Hannover war ein fantastischer, verwirrend wie abstrakt konstruierter Innenraum, Wände und Decke waren mit vielfältigen plastischen Formen überzogen und verbaut. Angefüllt war der Raum mit Materialien, Fundstücken, „Spolien und Reliquien“, die Schwitters in zahlreiche Grotten eingesetzt und zum Teil zugebaut hatte, so dass sie nur noch in Erinnerungen an einen früheren Zustand vorhanden waren. Der Merzbau war nämlich aus „Prinzip“ unvollendet, wuchs immer weiter und veränderte sich fortwährend. Ausgangsraum und Zentrum war das Atelierzimmer in der Wohnung in der Waldhausenstraße 5. Doch das Merzgebilde wucherte. Im letzten Zustand, bei der Emigration nach Norwegen, waren es acht Räume, die gemerzt waren, inklusive Ausguck auf dem Dach und verbautem Hohlraum unter dem Erdgeschossbalkon. Das Zentrum des eigentlichen Merzbaus bildete eine freistehende Plastik, die sogenannte Säule des erotischen Elends, die Schwitters um 1920 begonnen hatte. Er bemerkte einmal, dass alles, was ihm wichtig gewesen sei, im Merzbau untergebracht sei. Diese Aussage bezieht sich nicht nur auf seine Ideen und seine gesamte Kunsttheorie, sondern auch auf ganz reale, profane Dinge: Erinnerungsstücke an Freunde wurden in ausgesparten Nischen aufbewahrt und später eingemauert. Es gab u.a. Grotten für Hans Arp, Theo van Doesburg, zwei Hannah-Höch-Höhlen, eine Lissitzky-Höhle, eine Mies-van-der Rohe-Höhle usw. bis zu Grotten, die eher abstrakten Dingen oder Ideen gewidmet waren wie z. B. die Goethegrotte, die Lustmordhöhle, die „Grotte der Liebe“. Der Merzbau ist also vor allem auch eine Art gebaute Biografie und Erinnerung an persönliche und zeitgeschichtliche Ereignisse. Den puristischen Zustand, wie man ihn auf Fotografien vom Anfang der dreißiger Jahre sehen kann, erhielt der Merzbau erst im Verlaufe der dreißiger Jahre. Die intensive Umgestaltung zu einer eher konstruktivistischen weißen, Holz- und Gipskonstruktion geschah als Ausdruck seiner veränderten Lebensumstände. Unter dem Druck der sich wandelnden politischen Situation in Deutschland empfand er seinen Merzbau als Gegenentwurf zur restriktiven Wirklichkeit. Die Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit wich einem Rückzug ins Innere, ins Private des häuslichen, künstlerischen Fantasiegebildes. In dem Text Ich und meine Ziele von 1931 hat Schwitters diese Entwicklung beschrieben: „Manche Grotten sind auch schon unter der augenblicklichen Oberfläche langst verschwunden wie z. B. die Lutherecke. Der literarische Inhalt ist dadaistisch; aber das ist nur selbstverständlich, da er aus dem Jahre 1923 stammt, und da ich seinerzeit Dadaist war. Da nun aber die Säule schon sieben Jahre zu ihrem Aufbau gebraucht hat, hat sich die Form entsprechend meiner geistigen Weiterentwicklung, besonders in den Rippen, immer strenger entwickelt. Der Gesamteindruck erinnert dann etwa an kubistische Gemälde oder an gotische Architektur (kein Bisschen!). Die Assoziation an gotische Kathedralen kommt nicht von ungefähr. Schwitters verstand sein Gebilde nicht nur in formaler Hinsicht als ein Gesamtkunstwerk, nein, auch der soziale und ideologische Geist der alle Künste umfassenden mittelalterlichen Kathedrale ist in seinem Bau angesprochen. Die soziale Architektur der Kathedrale ist auch das geistige Vorbild von Walter Gropius für das Bauhaus in Weimar gewesen. Im Gründungsmanifest von 1919 formulierte Gropius: „Wollen, erdenken, erschaffen wir gemeinsam den neuen Bau der Zukunft, der alles in einer Gestalt sein wird: Architektur und Plastik und Malerei, der aus Millionen Händen der Handwerker einst gen Himmel steigen wird als kristallines Sinnbild eines neuen kommenden Glaubens.“ Die Rückbesinnung auf die mittelalterliche Bauhüttentradition barg die Hoffnung auf einen Neuanfang aus den Trümmern der vom Krieg zerstörten Gesellschaft, eine Idee, die auch Schwitters in seinem Streben nach der Erschaffung von Ordnung aus dem Chaos, der Grundidee von Merz, verfolgte. Der Merzbau kann daher als individualisierte und säkularisierte Kathedrale des zwanzigsten Jahrhunderts gelten, die in sich alle Kunstformen und Gestaltungsmöglichkeiten umfasst. Diese Idee gipfelt in dem Zitat von Schwitters: „Das Sich-Versenken in Kunst kommt dem Gottesdienste gleich.“

Gregor Schneider

Quelle: http://www.portikus.de/ArchivA0081.html

GREGOR SCHNEIDER TOTES HAUS UR 1985 – 97, RHEYDT
30.08.97 – 08.10.97
Wand vor Wand, Wand hinter Wand, Gang im Raum, Raum im Raum, Wand vor Boden, Boden über Boden, Decke unter Decke, Blei um Raum, Blei im Boden, Licht im Raum, Kubus vor Wand, roter Stein hinter Raum, schwarzer Stein in Wand, Wandteil vor Wand, Wandteil unter Decke – Viele Arbeiten von Gregor Schneider (*1969 in Rheydt) lassen sich so einfach beschreiben, wie er es selbst in einer Werkliste einmal getan hat.
Seit nunmehr 12 Jahren baut Gregor Schneider in ein unauffälliges Haus unbestimmten Alters in Mönchengladbach-Rheydt, das er bewohnt, Wände vor Wände und Räume in bestehende Räume. Die Vielzahl der Schalen und die ungeheure Masse, die sich das Haus im Laufe der Jahre einverleibt hat, haben zur Folge, dass selbst der Künstler die ursprüngliche Gestalt nicht mehr rekonstruieren könnte, ohne das Haus zu zerstören. Zu den letzten Schichten kommt keiner mehr, es sei denn das Haus würde zerstört (G.S.). Es gibt verdeckte Einbauten; einen Raum, der sich langsam um sich selbst dreht und Räume, die mit Blei und schalldämpfenden Materialien isoliert sind; ein Ventilator erzeugt den Luftzug der Gardine und Schweinwerfer lassen den Eindruck von Tageslicht entstehen. Es mag sein, daß man dieses Haus nach einem Besuch nichts wissend und nichts ahnend verlässt. Die Irritation bleibt an der Oberfläche. Wir akzeptieren den Raum, in dem wir sind (G.S.).

Jedoch: Hinterlassen auch nicht-sichtbare Verschiebungen und räumliche Überlagerungen eine Wirkung, verändern sie unsere Stimmung oder unser Verhalten?

Auf der Suche nach Orten, die aufgeladen sind mit Energien eines vergangenen Ereignisses, ist Gregor Schneider immer wieder der Frage nachgegangen, inwiefern diese Strahlung empfunden, erinnert, vermutet oder vorgestellt werden kann. Dabei ist keine Wahrnehmungsweise ausgeschlossen. Die Begriffe sichtbar und unsichtbar spielen gar keine so große Rolle, vielmehr bewusste und unbewusste Wahrnehmung, Erkennen und Nicht-Erkennen (G.S.). Für die Ausstellung im Portikus wird Gregor Schneider das erste Stockwerk seines Hauses in Rheydt abtragen und in der Kunsthalle errichten. Durch die Verpflanzung der Kunstwerke bzw. Lebensräume in eine Kunsthalle verschärft sich die Frage nach dem Status der Arbeit. Wie beeinflusst der Transport/die Ortsveränderung das Werk?

Ausstellen ist immer ein Abtöten der Arbeiten. Wir scheitern alle an unseren Ansprüchen. Nach der Ausstellung bin ich wieder allein. Dann fange ich mit der Arbeit wieder von vorn an (G.S.).

Die Arbeit Gregor Schneiders, 2001 zur Biennale nach Venedig transferiert, zeigt in hohem Maße die Umarbeitung von Materialien, die in Baumärkten, nunmehrigen Kunstgalerien, als „primäre Kunstwerke“, erworben werden können, zu einem typischen „abgeleiteten Kunstobjekt“ im Sinne Albertanos.

Ähnliche Tendenzen finden sich auch bei Stephan Huber, der etwa in Hubers Lebensraum („7,5 Zi.-Whg. f. Künstler, 49J.“) eine Vielzahl baulicher Verschachtelungen durchführt.

Andere abgeleitete materielle Werke in Galerien und Museen

Eine vollständige Übersicht über die Breite der Tendenz, materielle Gegenstände des täglichen Gebrauchs, sei es unverarbeitet oder verändert, zu Kunstobjekten zu deklarieren und in Galerien und Museen, zumeist gegen Entgelt, auzustellen und zu verkaufen, wäre kaum möglich.

Einige Beispiele aus der Zeit um 2000 aus dem Buch „Art at the Turn of the Millenium“, Taschen, 2000, sind aber aussagekräftig:

Absalon: Compartiments, 1989./ Janine Antoni: Slumber, 1994./ John M Armleder: Untitled, Furniture-Sculpture N.196, 1988./ Miroslaw Balka: „Dawn“, 1995./ Mathew Barney: Cremaster 1: Goodyear Field, 1996./ Ashley Bickerton: Seascape: Floating Costume to drift for Eternity, 1991./ Cosima von Bonin: Löwe im Bonsaiwald, 1997./ Angela Bolloch: Betaville, 1994./ Jean-Marc Bastamente: Suspension III, 1997./ Maurizio Cattelan: BIDIBIDOBIDIBOO, 1996./ Clegg & Guttmann: Offene Bibliothek, 1993./ Thomas Demand: Archiv, 1995./ Mark Dion: Polar Bears and Toucans (From Amazonas to Svalbard), 1991./ Stan Douglas: Untitled (Set for „Win, Place or Show“), 1998./ Olafur Eliasson: Your Windless Arrangement, 1997./ Peter Fischli/David Weiss: Tisch, 1992/93./ Sylvie Fleury: Bedroom ensemble, 1997./ Katharina Fritsch: Warengestelle, 1997./ General Idea: One Year of Azt and one day of Azt, 1991./ Liam Gillick: Discussion Island Resignation Platform, 1997. Felix Gonzales-Torres: Untitled (Ross), 1991./ Renèe Green: Collectanea, 1993./ Group Material: Cultural Participation, 1988/89./ Thomas Grünfeld: Untitled ( P/Tisch mit Pflanze; P/Wandregal; P/Paravent),1997 – 98./ Andreas Gursky: Prada I, 1996./ Mona Hatoum: Quarters, 1996./ Georg Herold: Gelandete Horizonte, 1996./ Damien Hirst: Pharmacy, 1992./ Carsten Höller: Ein Haus für Schweine und Menschen, 1997./ Fabrice Hybert: Hybermarché, 1995./ Office, 1996./ Ilya Kabakov: Der Lesesaal, 1996./ Mike Kelley: Sublevel – Dim Recollection illuminated by multicoloured swamp gas, 1998./ Martin Kippenberger: Peter-Die Russische Stellung, 1987./ Jeff Koons: New Hoover Convertible, 1980./ Sherrie Levine: Hobbyhorse, 1996./ Atelier Van Lieshout: Hausfreud I, 1997./ Sarah Lucas: Au Naturel, 1994./ Cady Noland: Installation View, 1989./ Gabriel Orozco: LA D. S.1993./ Jorge Pardo: Installation View, 1996./ Manfred Pernice: Onkel, 1997./ Dan Peterman: Ton Vertical Storage, 1996./ Charles Ray: How a Table works, 1986./ Tobias Rehberger: One, 1995./ Jason Rhoades: My Brother/Brancusi, 1995./ Gerwald Rockenschaub: Inflateble PVC Objects, 1997./ Andreas Schulze: Wohnraum von Andreas Schulze, 1995./ Andreas Slominski: Heizen/Heating, 1996./ Georgina Starr: Hynodreamdruff (Frenchy), 1996./ Haim Steinbach: Jacob’s Ladder, 1997./ Jessica Stockholder: Sweet for three Oranges: 1995./ Rirkrit Tiravanija: Untitled, 1994 (From Baragas to Paracuellos de Garama to Torrejòn de Ardoz to San Fernando or Coslada to Reina Sofìa)./ Franz West: Moon Project, 1997./ Andrea Zittel: A – Z Living Unit, 1994.

2001 hat Henrik Plenge Jakobsen im Magazin 4 in Bregenz mit dem Titel „Toll“ in einer Installation eine psychiatrische Klinik aus Teilen einer „echten“ Anstalt aufgebaut.

Interessante Zusammenfassungen zur Frage der benützten Materialien in der Moderne enthält das Buch von Monika Wagner: Das Material der Kunst. Eine andere Geschichte der Moderne. München, 2001.

Das Verkaufregal in der Galerie

Den Transfer des Verkaufregals vom Supermarkt in die Galerie vollführte z.B. bereits Beuys mit seiner Installation „Wirtschaftswerte“ , 1980. Haushaltswaren, vor allem Lebensmittel aus Ostdeutschland, wurden im Museum van Hedendaagse Kunst, Genf, in Regalen ausgestellt.

Ähnlich wurde diese Idee auch durch Damien Hirst in „Pharmacy“, 1992, bei Haim Steinbach in „Jacob’s Ladder“, 1997, bei Renèe Green in „Collectanea“, 1993 sowie durch Katharina Fritsch in den „Warengestellen“, 1997 umgesetzt. Immer geschah hier der Übergang des Warenregals aus dem Kaufhaus in das „künstlerische System“ mit einer Integration in den Kunstmarkt, die Haim Steinbach sehr treffend charakterisierte (vgl. Fußnote 2).

„Haim Steinbach lässt seine Objekte nicht herstellen, sondern sammelt und kauft sie – egal welcher Herkunft oder egal welchen Wert sie besitzen – als gleichberechtigte Elemente eines Kunstwerks. Die Gebrauchsgüter, Kuriosa und Massenprodukte ändern ihren Charakter durch den neuen Kontext, die neue Umgebung und Gegenüberstellung, mit der Steinbach arbeitet. Allerdings bleibt auch das Kunstwerk, in das sie „transformiert“ werden, eine Ware des Kunstmarkts. Durch die Umwandlung in ein Kunstobjekt , verstärkt durch die Präsentationstechniken aus der kommerziellen Welt, durch diese Technik der Fetischierung, erhöht sich der Wert und Preis der Gegenstände um ein Vielfaches. Identität und Preis des Objekts sind direkt miteinander verbunden“. Hollein.

Der Supermarkt in der Galerie – Fabrice Hybert:

Für seine Ausstellung im ARC hat Fabrice Hybert bzw. seine Firma 1995 das Museum in einen riesigen Supermarkt („Hybermarché“) verwandelt. Auf grossen Tischen liegen oder stehen übliche und weniger übliche Gebrauchsgüter in jeweils mehrfacher Ausführung: Fernseher, Büromaterial, Tierpräparate, Gartengerät, Geschirr, Schaufensterpuppentorsi, Elektrozubehör… Durch den so zum Verkaufsraum umfunktionierten Ausstellungssaal erklingt in regelmäßigen Abständen die Muzak-Klanginstallation „3 (les horologes parlent)“ von Florian Mutschler. Unterstützt vom Kunstraum der Universität Lüneburg hat Hybert einen Warenkorb zusammengetragen, der am Ende der Ausstellung in allen Einzelteilen zu Handelspreisen zum Verkauf steht. Das „Werk“ löst sich auf, wird einem (ursprünglichen) praktischen Nutzen zugeführt, macht Umsatz – und von sich reden. Einziges Tertium comparationis der Gegenstände ist die Tatsache, dass sie alle einmal in irgendeiner Form in die Zeichnungen Fabrice Hyberts eingeflossen sind, ihr Motiv waren, ihr Werkzeug.

Es gehört zu den widersprüchlichsten Phänomenen der aktuellen Kunst, dass der schiere Subjektivismus, das manische Kreisen ums künstlerische Ego, die zu universeller Gültigkeit erhobene Privatkosmologie einhergehen mit einem hohen aufklärerischen Anspruch, ja, als Mittel eingesetzt werden, um anonyme Strukturen, gesellschaftliche Mechanismen, ökonomische Vernetzungen, Hypertexte sozusagen, kurz, das Allerallgemeinste auf Metaniveau zu analysieren. Demonstrative Ichbezogenheit und scheinobjektive Systemkritik. Als würde Emanzipation mit jedermanns Recht auf Nabelschau verwechselt.

Jenseits der Thesen, die Hybert mit seiner Ausstellung zur Vermarktung von Kunst als Ware, zum Ready-made, zum Museum als Umschlagplatz von ideellen und ökonomischen Werten, zur Kultur als Selbstbedienungsladen, zum Betrachter als Konsumenten, zum Künstler als Produzenten und so weiter vertritt bzw. recycelt, stellt sich die Frage, ob man dem studierten Mathematiker den Gefallen tun soll zu glauben, daß 1 – 1 gleich 2 ist. Die Tendenz zur Intersubjektivierung von Kunst (vom Minimalismus über Concept Art bis zum Ready-Made) ist so legitim wie das Gegenteil (von der informellen Geste bis zum Video aus dem Innern des Künstlerkörpers). Die Vermischung beider – eine Synthese vergangener Antinomien?

Quelle: Kunstforum: Band 130, Mai – Juli 1995, Seite 425, AUSSTELLUNGEN

„Shopping“ – Franfurter Schirn

Fr., 21. September 2001, 20.00 Uhr: SHOPPING: REM KOOLHAAS, Architekt, Rotterdam. Vortrag in englischer Sprache im Saal der SCHIRN Kunsthalle. DM 15/10. Den Auftakt zum SCHIRN FORUMOO1 bildet der Vortrag von Rem Koolhaas zum Thema „Shopping“. Rem Koolhaas zählt nicht zuletzt wegen seiner grenzüberschreitenden Auffassung von Architektur heute zu den einflußreichsten Architekten der Gegenwart. Neben seinen Bauprojekten erregten vor allem seine theoretischen Überlegungen, die sich in Büchern wie „Delirious New York“ oder „S, M, L, XL“ manifestierten, große Aufmerksamkeit. Einen Schwerpunkt seiner aktuellen Arbeit mit Studenten der Harvard University bildet das Phänomen des Shopping, dem die gleichnamige Ausstellung in der SCHIRN Kunsthalle (24. September ­ 8. Dezember 2002) gewidmet ist. Koolhaas baut für den Modekonzern Prada die neuen Flagship Stores in New York, San Francisco und Los Angeles und bringt seine theoretischen Erkenntnisse als Berater für Markenbildung, die Web Site des Konzerns und neue Kommunikationsstrategien ein.

Mickry Drei: „Supermarkt“, 1998 – 2002 Vom 17. August bis 13. Oktober 2002 zeigt die Künstlerinnengruppe Mickry Drei im oberen Stockwerk der Sammlung Hauser und Wirth in der Lokremise ihren Supermarkt, 1998-2002. Eine einzigartige Mischung aus orientalischen Bazaar und Billigmarkt. Erotisch und verrucht, futuristisch und humorvoll.
Der Kaufrausch will gepflegt sein. Doch E-Business-Lösungen sind oft undurchschaubar und das alltägliche Einkaufen ein Stress. Wie vielversprechender präsentiert sich da der Supermarkt der drei Zürcherinnen Christina Pfander, Dominique Vigne und Nina von Meiss. In ihre Shopping-Vision kann man eintreten, da kann man hinfassen und den Reizen in aller Ruhe nachgeben. Denn die Ware ist für jeden erschwinglich. „Unser Ziel ist es, Marktlücken zu fülle. Wir arbeiten Tag und Nacht daran“, so Mickry Drei. Die Kunstobjekte von Mickry Drei sind eigentlich Alltagsobjekte, Fliessband-Surrogate und für die Masse gefertigte Suggestionen, allerdings transferiert zu ganz persönlichen Aussagen über die Konsumwelt und ihre Fallen. Die drei Künstlerinnen spielen neue und alte Symbole unserer Gesellschaft gegeneinander aus und synthetisieren sie innovativ. Ihre Verkaufsgegenstände sind von Hand gefertigte Zeichen, in einem Zeitraum von zwei Jahren geklebt, gezeichnet und gestickt – bewusst gegen den maschinellen Zeitgeist aus Bits und Bytes. In zugeschweissten Plastiksäcken erstarren ihre Objekte im Versprechen, das sie formulieren, und lösen es nicht ein: Der gummige Fleischvogel, von einem Sushistäbchen umgürtet, ist als Partysnack ungeniessbar und der Instantfreund aus der Tüte taugt nichts beim Küssen. Die künstlichen Herzen werden niemals schlagen und das Haustier, das ich nicht zu füttern brauche, wird niemals mit mir schmusen. Die Lust ist hier nicht tilgbar. Begierde bleibt Begierde.
Der Kleinbetrieb Mickry Drei wurde im Sommer 1998 gegründet von Nina, Christina und Dominique. Oft arbeiten sie mit Künstlerfreunden zusammen. So sind in der Sammlung Hauser und Wirth die Künstler FLX, Mark Divo und Grrrr mit dabei.
Begleitet wird der Supermarkt von einem „Bestellkatalog“. Der Band enthält 344 Seiten mit farbigen Fotos und Zeichnungen. Das praktische Bestellformular garantiert ein späteres Kaufvergnügen ohne Ende.

Die Künstlerinnen sind zusätzlich an folgenden Tagen anwesend: 18. und 31. August, 1., 28. und 29. September.

Frankfurt/Sturtevant: The Brutal Truth

Sturtevant: Duchamp Relâche, 1967 (Foto: MMK Frankfurt)

Eine weitere wichtige Phase  bildet etwa das Werk von Elaine Sturtevant. Was wie Paralysierung des Kunstmarktes wirken soll, erweist sich als weitere Marktstrategie!

 Sturtevant: Duchamp Relâche, 1967

Diese Ausstellung ist im höchsten Maße verstörend und faszinierend. Da betritt man ein Museum und begegnet Schritt auf Tritt den Ikonen der jüngeren Kunstgeschichte.

Sturtevant: The Brutal Truth

Museum für Moderne Kunst Frankfurt 25.9.2004 – 30.1.2005

 

Man trifft auf die Fettecken von Beuys, die „Marilyns“ und „Flowers“ von Andy Warhol, die Flaggen von Jasper Johns, die schwarzen Bildern von Frank Stella, die Küchenwaschbecken von Robert Gober oder ein gigantischen Bleiflugzeug von Anselm Kiefer.
Und zugleich erfährt man, dass dieser Kosmos geschätzter internationaler Kunstwerke aus einer Hand stammt: er ist das Werk der in Paris lebenden Amerikanerin Elaine Sturtevant, heute 74 Jahre alt. Teilweise hat sie diese Kunstwerke männlicher Kollegen sogar im Jahr ihres Entstehens verdoppelt: Andy Warhol hat ihr sogar für den Siebdruck „Flowers“ das Seidensieb überlassen.

Nachahmung und Weiterentwicklung als künstlerisches Konzept

Was also hat es mit unserem Begriff des Originals auf sich, was unterscheidet ein anonym hergestelltes Bild aus Warhols Factory von einem solchen aus dem Atelier der Sturtevant? Denn alle diese jetzt in Frankfurt ausgestellten Werke sind keine kalten Reproduktionen. Teilweise wirken sie sogar energiegeladener als die Originale. Elaine Sturtevant beherrscht die jeweilige Technik ihrer männlichen Kollegen aus dem Effeff und erlaubt sich zugleich bestimmte künstlerische Freiheiten.
Sie problematisiert die Begriffe des Originals und der Originalität und sie stellt unser herkömmliches Denken über Kunst in Frage und auf den Kopf. „Dieses Werk,“ sagt sie, „hat mit einer bestimmten Art des Denkens zu tun, es beruht auf konzeptuellem Denken, es geht um die Probleme von Darstellung und Identität, es geht um die inneren Mechanismen der Kunst.“
Im hinteren Erdgeschossraum des Frankfurter Museums hat Elaine Sturtevant nicht nur bestimmte Schlüsselwerke der Moderne rekonstruiert, sondern eine Ausstellungsinszenierung aus dem Jahr 1938. Damals nämlich hatte Marcel Duchamps die Internationale Surrealistenausstellung inszeniert, indem er 1200 Kohlesäcke an der Decke fixierte. Die Exponate wurden durch Lichtspots herausgestellt, auch ihre Schattenwürfe waren Teil der Ausstellung. Genauso verfährt Elaine Sturtevant, nur dass jetzt ausschließlich Sturtevant-Reprisen von Duchamp zur Disposition stehen.
Museumsleiter Udo Kittelmann zur Wahlverwandtschaft der beiden Künstler: „Natürlich ist dieses Werk ohne diese Figur Duchamp auch wieder nicht denkbar, aber wie hat Sturtevant ihren Duchamp erfahren und wie hat sie ihn weitergedacht. Mein Gott. Das ist sicherlich kunstgeschichtlich einmalig und ihr künstlerisches Werk ist nicht mehr wiederholbar. Während alles andere jetzt künstlerisch wiederholbar erscheint, aber ihr Werk nicht“.

Reproduktion als Original

Also doch wieder ein Original im Museum? Wenn man die gedankliche Schraube nur weit genug dreht, dann wäre das tatsächlich die Schlussfolgerung. Sturtevant als alleinige Künstlerin innerhalb eines Museums zu präsentieren, ist natürlich eine ebenso riskante wie radikale Geste. Was kann danach noch kommen? Wie lassen sich das Museum und die damit verbundenen Wertvorstellungen noch entschiedener in Frage stellen?
Udo Kittelmann dazu: „So eine Ausstellung zu machen, ist ein Wagnis. Zumal ein Wagnis, wenn man ein Museum, eine öffentliche Sammlung, die ja hier auch immer zu einem großen Teil gezeigt wird, in den Keller schickt. Also sie ist nicht mehr zu sehen. Jedes andere Beiwerk zu diesem Werk würde dieses Werk ungleich schwieriger in der Vermittlung machen. Also die Radikalität des künstlerischen Entwurfes von Sturtevant ist das eigentlich gewesen, was genau diese Entscheidung erzwungen hat. Als Museum denke ich muss man immer zuerst auf der Seite der Künstler stehen“.
Selbst wenn das Museum dabei einer Probe auf Biegen und Brechen unterworfen wird? Udo Kittelmann lässt an der positiven Antwort auf diese entscheidende Frage keinen Zweifel. Es ist sein paradoxes Konzept, das Museum radikal in Frage zu stellen, indem er museal bleibt, also die Möglichkeiten dieser Institution präzise und unerbittlich ausreizt. Und da hätte er tatsächlich keine bessere Verbündete finden können als Elaine Sturtevant: „Jeder Versuch,“ sagt sie, „Menschen dazu zu bringen, die gewöhnlichen Ebenen des Denkens zu verlassen, ist gefährlich. Denn tatsächlich haftet dem Denken eine gewisse Verrücktheit an. Wenn man also Leute auf ganz andere Ebenen des Denkens locken will, dann kriegt man jede Menge Ärger.“
Und so hat der Kunstbetrieb Elaine Sturtevant all die Jahre behandelt: vor allen Dingen als eine Frau, die Ärger macht, von der man lieber die Finger lässt. Doch Udo Kittelmann hat nun mal ein Faible für solche Leute. Und die jetzige Ausstellung im Museum für Moderne Kunst gibt ihm Recht. Sie ist ein Erlebnis für die Sinne und eine nachhaltige und positive Irritation für den Verstand.
Bericht: Rudolf Schmitz

Geistige Objekte – die Galerie im Kopf©

Während bei den obigen Strömungen überwiegend „materielle“ primäre Kunstobjekte, nämlich Materialien aus Baumärkten, Möbelhäusern usw. zu abgeleiteten Kunstobjekten umgewandelt wurden, lieferten im 20. Jh. die Varianten und Derivate der Konzept-Kunst wichtige Fortschritte in der Überlegung, dass auch geistige Vorgänge in einer Person, verschiedenste technische, wissenschaftliche, soziologische Prozesse durch die Entscheidung des Künstlers zu Kunstobjekten gemacht werden können. Wenn diese Ansätze auch nicht die universalistischen und umfassenden Ausmaße erreichten, die Albertano entwickelte, so sind sie doch als wichtige, wenn auch begrenzte Vorläufer der Evolutionsstufe Albertanos zu betrachten. Wichtig war auch, dass die ersten Konzept-Künstler eine äußerst kritische Distanz zum Kunstmarkt besaßen und geradezu versuchten, Werke zu produzieren, die sich der Funktion des Kunstwerkes als Tauschobjekt des Marktes entzogen. Letztlich landeten aber auch etwa die Werke Kosuths mit hohen Preisen in der kommerziellen Zirkulation.

Klaus Hoffmann schreibt hierzu in: Kunst-im-Kopf, Aspekte der Realkunst:

Als Namensgeber für Concept Art gilt der Amerikaner Sol LeWitt (geb. 1928), der seit 1966 diese Bezeichnung verwendet, ursprünglich im Zusammenhang mit Minimal Art (vgl. Abb. 46). Danach erscheinen ihm Konzept und Idee als der wichtigste Aspekt eines Kunstwerkes, die Ausführung selbst als eine mechanische Tätigkeit. Er beschreibt Conceptual Art als alogisch, einfach und komplex. Er verneint die Beziehungen zu Mathematik, Philosophie und anderen geistigen Disziplinen lediglich »einfache Arithmetik oder ein einfaches Zahlensystem. (…) Die Philosophie des Werkes ist stillschweigend im Werk enthalten.« Zwei Jahre später verwendet er das Alogische nahezu synonym mit dem Mystischen, unterscheidet er zwischen Konzeption und Idee, Konzeption gilt als die generelle Richtung, die Ideen erscheinen als die Elemente, welche die Konzeption ausfüllen. Daraus ergibt sich für ihn die Einsicht, dass Ideen allein Kunstwerke sein können, deren Ausführung sich erübrigt und dass alle Ideen Kunst sind, wenn sie sich auf Kunst beziehen und innerhalb der (veränderbaren) Übereinkünfte der Kunst liegen (aus Sentences on Conceptual Art).

Der amerikanische Konzeptualist Joseph Kosuth (geb. 1945) versteht seine Tätigkeit als informative Kunst-Untersuchung, eine Serie von Untersuchungen, »die Vorschläge zur/über/von Kunst enthalten« (in Information, Museum of Modern Art, New York, 1970). Seine Informationstypen bestehen als Reihenfolge. »Die Kunst besteht aus dem Vorgang, kraft dessen ich diese Tätigkeit (Untersuchung) im Zusammenhang mit einem Kunst-Kontext bringe (d.h. Kunst als Idee als Idee)« (zit. nach dem Kat. zur 2. Biennale Nürnberg, 1971).

Lawrence Weiner (geb. 1940) hat in einem kurzen Dreipunkte-Manifest (veröffentlicht im Katalog Leverkusen 1969) Concept Art wie folgt umschrieben:

Der Künstler kann die Arbeit ausführen. 2. Die Arbeit kann hergestellt werden. 3. Die Arbeit braucht nicht aufgebaut zu werden.

Jeder Zustand ist gleichwertig und stimmt mit der Absicht des Künstlers überein. Die Entscheidung, welchen Zustand die Arbeit haben soll, liegt bei einer etwaigen Übernahme beim Empfänger.

Auch hier wird vorausgesetzt, dass die Konzeption allein das Kunstwerk bilden kann, doch ist für Weiner Concept Art offenbar verbunden mit der Möglichkeit einer Materialisierung. Eine nicht herstellbare Arbeit, ein immaterielles Konzept, würde ausscheiden. Diese Einengung auf Realisierbares wird keineswegs von allen Konzept-Artisten geteilt.

Walther Marchetti hat für die Konzeptausstellung in Leverkusen 1969 folgenden Beitrag lt. Katalog eingeschickt: »Denke an ein Werk, doch schreibe es weder nieder, noch führe es jemals aus.« Ein im Grunde ‚konzeptionelles Konzept‘,. für das ich 1967 in >Kommentare zur Autoretik< den Begriff ‚objet pensée‘ verwende bzw. die griffigere Bezeichnung ‚Kunst-im-Kopf‘, was Keith Sonnier (geb. 1941) später in den populären Slogan kleidete: »Live in your head!« Ein Teil meiner eigenen ‚Realisierungen‘ mündete 1966 in Ausstellungen per Dia (nach vorheriger Zerstörung der Objekt-Modelle) und in Fiktiv-Ausstellungen (annonciert oder lediglich verfügbar als Ausstellungspartitur) und -Büchern (mit lediglich Kapitelüberchriften). Kunst-im-Kopf kennzeichnet die Tendenz) den Akzent der ‚Werke‘ in das Vorausdenken, in Reflexion und gedankliche Erfindung zu legen, wobei die materiale Realisierung als Illustration hinzutreten kann. Zugleich auch sind dann die technische Perfektion und das Handwerkliche sekundärer Natur.

Es gibt durchaus Äußerungen von Konzeptautoren die ‚Ausführung‘ und materielle Anwesenheit der Werke für unerlässlich halten. William Bollinger (geb. 1939): »Meine Werke (…) sind alle leicht auszuführen. Es gibt sie nicht, solange sie nicht ausgeführt sind, und es gibt sie nicht mehr, wenn sie entfernt sind« (Brief vom September 1969 in der Ausstellung ‚Pläne und Projekte als Kunst‘, Kunsthalle Bern 1969). Daniel Buren (geb. 1938): »Die Aufmerksamkeit ist einzig und allein auf eine sichtbare Arbeit zu lenken, auf deren besondere Evidenz im Zusammenhang mit eben dieser Ausstellung. Diese Arbeit (Vorschlag) ist systematisch wiederholbar, sie ist jedoch spezifisch verschieden für diese Ausstellung« (Beitrag im Katalog des Frankfurter Kunstvereins zur Experimenta 4, 1971).

Die Aktionsbereiche der Concept Art waren bereits im 20. Jahrhundert äußerst vielfältig und werden hier skizziert nach Klaus Hoffmann: „Kunst im Kopf“, 1972.

Immaterielle Werke: Signierung des Himmels (Yves Klein). Dick Higgins: Concern, 3×4, 3×6 km. Versicherungswert 1000 000 DM, 1969.

Telefonische Werke: Moholy-Nagy (1922), verstärkte telefonische Ansagen Timm Ulrichs (1963), de Maria, Chikago Projekt,1967/69; Wolf Vostell (Ein-Minuten-Projekte durch automatischen Telfonbeantworter, Oktober 1969).

Versandaktionen: Postkarten, Plakate/ Telegrammwerke/ Fotografierte Momente, Situationen, Zeiträume/ Tautologische Werke/ Utopische Projekte/ Personal-Werke: Diese Gruppe umfasst personale Demonstrationen, Verhaltensdarstellung und Teile der Ich-Kunst/ Denksportaufgaben und Rätselwerke/ Anweisungswerke: Imperative und Aufforderungen, Herstellungsanweisungen, Aufgaben;/ Ich- und Umweltdokumentationen, Statistiken/ Materialisationsobjekte/ Simultan-Werke/ Prozess-Werke/ Tausch-Werke/ Transplantations-Werke/ Visualisierungen.

Aus der unübersichtlichen Menge von Werken der Concept Art wird hier noch ein äußerst anspruchsvolles und in seiner Extremisierung für die weitere Entwicklung mehrfach wichtiges Werk um 2000 erwähnt:

dis-positiv http://www.dis-positiv.org/ versteht sich als ein künstlerisches Statement zur öffentlichen Diskussion der Frage nach der Zukunft der zeitgenössischen Kunst. Das Spezifikum der Ausstellung ist, dass keine Werke ausgestellt werden, sondern KunsttheoretikerInnen, KritikerInnen und KuratorInnen selbst als „Verkörperungen des lebendigen Diskurses“ hinter Glas.
Mittels einer Ausstellungsreihe und begleitenden Publikationen, einer Website, Diskussionsforen und einem Vermittlungsprogramm wird zur Disposition gestellt, auf welche Weise die Existenz von Kunstgeschichte, Kunsttheorie und Großausstellungsbetrieb die künstlerische Arbeit und umgekehrt de facto beeinflussen.

Das Projekt wurde erstmals im Frühjahr 2000 in Wien, dann in Köln (Oktober 2000) durchgeführt und wird in Bregenz, Magazin 4 (6.-12. November 2000) fortgesetzt. Weitere Ausstellungen sind für Paris, Berlin, Brüssel und New York geplant. Das Ergebnis ist die komparative Dokumentation des Stands der Kunstdiskussion in den jeweiligen Regionen. Mit dis-positiv wird ein aktiver Austausch künstlerischer und kunsttheoretischer Positionen angeregt und gefördert. Nach wie vor sind alle BesucherInnen eingeladen, ihr eigenes Statement zu deponieren.

Über die Körper der KunsttheoretikerInnen, KritikerInnen und KuratorInnen werden die geistigen und ideologischen Milieus des Kunstdiskurses selbst zum Gegenstand einer Ausstellung. Der Diskurs selbst wird zum Kunstobjekt. Im Jahre 2001 lagen bereits 63 Netz-Beiträge zum Diskurs vor, die damit selbst Gegenstand der Ausstellung sind.

Der erste Baumarkt als Kunstgalerie© – ein Durchbruch

 Für die Evolution des Kunstbegriffes im Sinne des Albertano-Prinzips gab es bereits im Jahre 2005 einen ersten marginalen Durchbruch. Die Baumarktkette   Art Galleries©war – bedingt durch das Verständnis für die Nuancen der Kunstentwicklung seit Duchamps in Richtung vom Baumarkt in die Galerie und die Erweiterung des Kunstbegriffes in der Concept Art – bereit, ihren gesamten (Geschäftsbetrieb mit 100 Baumärkten in Kunstgalerien umzuwandeln).

 

 

Die Kunden wurden durch entsprechende Umgestaltungen der Geschäftsflächen, der Kleidung und Schulung des Personals, durch entsprechende Hinweise in Katalogen und Prospekten bei Sonderangboten und durch geänderte Werbung im Fernsehen sowie eine geänderte Website auf diese strukturelle Änderung hingewiesen. Den Katalogen und Prospekten wurden hierbei entsprechende Info-Blätter folgenden Inhaltes beigelegt:

  Die Umstellung erwies sich als beachtlicher Erfolg. Die künstlerischen Produktivkräfte der Kunden wurden im Sinne der neuen Strategie in mehrere Richtungen hin angeregt. Sowohl die reine Sammlertätigkeit der Kundschaft, die nun Kunstobjekte erwarb und ersteigerte, vor allem aber die Stimulation der Phantasie der Käufer, nun selbst neue Kunstwerke aus den erstandenen Objekten herzustellen, übertraf alle Erwartungen. Der Output an neuen Kunstgegenständen, Installationen, Environments u.dgl. war beachtlich. Der traditionelle Kunstmarkt wurde einerseits durch die neuen Galerien und deren Verkaufsstrategie andererseits aber auch durch die neue Ausweitung der Kunstproduktion, welche neuerlich im traditionellen System der Kunst Absatz suchte, in seinem Gleichgewicht erschüttert.

Konkurrenzbetriebe waren genötigt, ihrerseits auf diese neue Idee zu reagieren, und ihre Baumärkte dieser Strategie und Konzeption anzupassen, was eine weitere Destabilisierung der herkömmlichen Kunstmärkte bedingte. Schließlich wurde der Kunstbegriff selbst durch die neuen Entwicklungen sozial verändert.

Die erste Schuhhandelskette als Kunstgalerie

Peter Greenaway stellte im Jahre 1991 – 1992 im Museum Baymans von Beumingen in Rotterdam mit dem Titel: „The Physical Self“ etwa 600 gebrauchte Schuhe in einem Regal aus. Er zitierte hierbei auch ein Werk Renè Magrittes: „Le modèle rouge“. 1995 stellte Sylvie Fleury in Brighton Museum and Art Gallery in London Schuhe im Themenkreis „Fetishism“ aus. Auf der Biennale 2003 in Venedig thematisiert Carlos Amorales die Produktion von Schuhen in Mexiko durch Länder des Zentrums: http://www.wearetheworld.nl/artists/amorales.html

„In the Dutch Pavilion Amorales constructed a Mexican maquiladora, a small workshop in which parts of shoes are being made. Maquiladoras are usually low-cost production units for the US market. Amorales juxtaposes this Mexican icon with Western reality. The central element is some 110 pairs of ceramic shoes, shelved in a regimented fashion and reflecting minimalist aesthetics.“

Peter Fischli und David Weiss präsentieren ineinander rotationsartig gefügte Damenschuhe als Werke mit Namen wie: „Masturbine“ (1985) und „Flirt, Liebe, Leidenschaft, Hass, Trennung“ (1985).

Ein weiterer Beitrag zum Thema findet sich unter: Ausstellung/Projekt/SPAN class=big>Birgit Jürgenssen. SCHUHWERK. Subversive Aspects of „Feminism“

 

Einladung: Birgit Jürgenssen. SCHUHWERK. 2004

Ausstellung/Projekt
Birgit Jürgenssen. SCHUHWERK. Subversive Aspects of „Feminism“

Datum
17.03.2004 – 06.06.2003

Institution
Museum für angewandte Kunst, MAK , Wien / Österreich
file senden

Webadresse im basisarchiv:kunst

Beteiligte
Jürgenssen, Birgit.
Kristof, Andreas.
kuratorische Tätigkeit bei folgenden Ausstellungen
Kristof, Andreas.

Objekte Werk / Text / Bild / html
Text und Kritik
Böck, Christina: MAK 2004: Heuer gibt es Otto Muehl. In: Die Presse online, Wien, 04.02.2004
Krumpl, Doris: Durch und durch ein Kunstprodukt. In: Der Standard online, Wien, 03.02.2004
APA – Austria Presse Agentur: Ironisierung eines Fetischs. In: Der Standard online, Wien, 16.03.2004
bitte weiterblättern
sonstiges Medium
Presseinformation: MAK im März / MAK NITE 03/04.
Einladung: Birgit Jürgenssen. SCHUHWERK.

Bilder/Texte/…
Einladung: Birgit Jürgenssen. SCHUHWERK. 2004

 

Die Schuh-Handelskette 

Sie war bereits seit 1980 durch extravagante und verfremdende Reklamelinien aufgefallen. Die Integration starker Künstler und Persönlichkeiten des Kunstmanagements in den Betrieb bildete hierfür die Basis. Auf der Website der Firma konnte man 2001 die Aufforderung finden: „Besuchen Sie uns auf den schönsten Schuhbühnen dieser Welt!“ Von hier war es nur mehr ein kleiner Schritt, auf die Idee zu verfallen, die (Verkaufslokale in Kunstgalerien umzuwandeln)Ó. Dies geschah unabhängig von  Art Galleries© aber fast zur gleichen Zeit.

Die Firma wurde in artShoe internationalÓ umbenannt. Die einzelnen Stores wurden auch als artShoe-Galleries bezeichnet. Die Kunden wurden durch Prospekte und über die Website folgend informiert:

Schon seit längerem haben wir unsere von besten Designern gestalteten Stores als Schaubühnen der Schuhe betrachtet. Nun vollziehen wir den nächsten Schritt!

Alle unseren Stores sind ab heute in Kunstgalerien umgewandelt, alle unseren angebotenen Schuhe sind Kunstobjekte. Bereits bisher übertraf die Ausstattung unserer Stores die ästhetischen Standards vieler Galerien und Museen. Nun vollziehen wir den letzten logischen Schritt. Sie werden einerseits zum Besucher eines Kunsthauses, sie wählen sich ihre Kunstgegenstände aus. Sie werden von unserem, in Angelegenheiten des Kunstmarktes, seiner Produkte, den letzten internationalen Trends speziell geschulten Galeriepersonal beim Kunstkauf fachmännisch beraten.

In der ästhetischen Atmosphäre unserer Kunstgalerien sind Sie der Kunstsammler, der mit Kennerblick seine Exponate aussucht, um Sie in seinem Sinne selbst zu benutzen, zu Hause zu installieren oder am internationalen Kunstmarkt weiter zu verkaufen.

Betrachten Sie sich als Kunstsammler, Kunstliebhaber, der sich im reichen Angebot unserer Galerien umsieht. Die Preise und Angebote unseres Hauses werden Sie erst richtig genießen können, wenn Sie dieselben mit den Preisen der gleichen Exponate in den herkömmlichen Kunstgalerien vergleichen.

Betrachten Sie unser Kunstangebot aber auch als Anregungen Ihrer Phantasie zur Schaffung eigener neuer Werke. Werden Sie selbst zum Künstler! Die erotischen Konnotationen unserer Exponate sind in Geschichte und Gegenwart reichlich für private und öffentliche Installationen genutzt worden. Die ausgestellten Werke können aber neben diesen, eher bereits traditionalistischen Horizonten auch in völlig neuen Zusammenhängen allein und in Verbindung mit anderen Materialien und Objekten zur Schaffung neuer Einzelwerke oder Installationen eingesetzt werden.

Bedenken Sie jedoch, auch wenn Sie keine Umgestaltung der Exponate vorsehen: Allein das Tragen dieser Exponate ist selbst ein Kunstwerk der Body ArtÓ, eine Verbindung der plastischen Dimension unseres Kunstproduktes mit Elementen der Bewegungskunst in unendlichen Variationen! artShoe internationalÓ leitet allein hiermit eine entscheidende Erweiterung des Kunstbegriffes ein.

Dem Leser wird nicht entgehen, welche beachtlichen Unterschiede trotz dieser Erweiterungen bei den obigen Handelsketten noch immer zwischen diesen Veränderungen und der Einführung des Albertano-Prinzipes bestehen.

QVC The Artwork©

Die Gruppe Or-Om deklarierte am 1.3.2007 die Totalität des Shopping-Kanals QVC zum Kunstwerk

http://or-om.org/qvctheartwork.htm

 

Ein Manifest

Am 8.März und am 11. März 2004 wurde im Standard in Österreich folgendes Manifest publiziert:

1 Vgl. etwa im Jahre 2000 die Ausstellung des Kunstdiskurses in http://www.dis-positiv.org/

  1. Sehr treffend hat bereits Haim Steinbach um 2000 den Zusammenhang aufgezeigt, um den es hierbei geht, und der durch die Gesetze Albertanos eliminiert wurde: Ab 1978 wurde das „Shopping“ zur Basis seiner Kunst, die zu einer radikal neuen Definition des Begriffes Wert führt: „Wenn man die Realität unserer Welt ernstnehmen will, muss man den Markt einbeziehen. (…) Ich verwende zwei Arten von Objekten. Ich verkaufe ein Objekt im künstlerischen System, was diesem Objekt einen Wert verleiht, und ich verkaufe gleichzeitig Objekte. Kauft man eines meiner Werke, wird ein Teil des Preises durch die Galeristen bestimmt, die sagen, jetzt muss man die Kunst zu diesem oder jenem Preis verkaufen. Dann fügt man den Preis der Objekte dazu. Wenn sie sehr teuer sind, steigt der Gesamtpreis immens. Sind sie weniger teuer, kann es sich um das gleiche Regal oder eine ebenso interessante Idee handeln. Aber sie sind viel billiger.“ Gerade dieses Spannungsverhältnis wurde durch die Albertano-Gesetze beseitigt.